Vom Rechtsstaat

Solche Arten von Demonstrationen wie die gegen den G20-Gipfel in Hamburg sind kein Freizeitspaziergang. Manchmal geht es – von beiden Seiten, von Polizei und Protestlern – rau zu. Allerdings würde mich interessieren, wie nach diesen Bildern und Szenen von prügelnden und mißhandelnden Polizisten (siehe unten der Videolink) Politiker und Polizei behaupten, Polizeigewalt habe es nicht gegeben. Selbst nach wohlwollender Sichtung dieses Materials, weil Polizei unter Streß steht und weil man immer den Kontext von Bildern mitbedenken muß, sind es fragwürdige Szenen, die Untersuchung und Anzeigen rechtfertigen.

Solche Bilder sind eines Rechtsstaates unwürdig. Kämen sie aus der Türkei oder aus Moskau, wäre der Aufschrei von Tagesschau und Springerjournalisten groß. Hier aber wird abstrakt über alles der Begriff „Rechtsstaat“ gestülpt. Nein, Polizeigewalt ist vom Rechtsstaat nicht gedeckt, und es handelt sich ebensowenig um Kollateralschäden, die sich durch einen dehnbaren Begriff von Recht relativieren lassen. Genausowenig übrigens wie die Gewalt von Links- oder Rechtsextremisten, die sinnlos Wohnviertel verwüsten, plündern und Autos anzünden – meist die, von solchen, für deren Befreiung sie vorgeben zu kämpfen. (Um auch in die andere Richtung hin zu sprechen.)

Es ist wichtig, solche Videomitschnitte zu verbreiten. So inakzeptabel wie linke Gewalt während der G20-Tage ist, so wenig ist Polizeigewalt akzeptabel, die im Namen des Rechtsstaates ausgeübt wird. Genau das würde uns übrigens von Moskau und Ankara unterscheiden, wenn solche Übergriffe und Knüppelorgien ein juristisches Nachspiel hätten. Auch bei Straßenprotest und Straßenbesetzungen ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu bewahren. Bei der brennenden Schanze zu feige, um einzuschreiten und bei jugendlichen Spontis Knüppelorgien samt Pfefferspray? (Um es polemisch zuzuspitzen.) Das geht nicht ganz zusammen.

http://urbanshit.de/so-so-polizeigewalt-hat-es-auf-dem-g20-nicht-gegeben-ein-videozusammenschnitt/

 

4 Gedanken zu „Vom Rechtsstaat

  1. Es ist nicht die Frage, ob die Polizei Gewalt anwendet. Ist der Papst katholisch? Die korrekte Frage wäre, ob sie unberechtigte Gewalt anwendet.
    Ein sinnvoller Beginn für eine Unterhaltung könnte sein, dass man sich die zwei Zeilen aus dem Grundgesetz (Art. 8) wörtlich in Erinnerung ruft, und dass man dabei auch die Worte nicht übersieht, die irgendwo ganz hinten im Satz stehen. Dann sollte geklärt sein, dass jeder das Versammlungsgesetz des Bundes einmal durchgelesen hat und nicht nur irgendwie gefühlig ist. Das dauert nur 5 Minuten und ist für Vierjährige verständlich. Wenigstens ein Teil der (gespielten?) Naivität müsste dann abgestellt sein und dann kann man anfangen, sich erwachsen über „Vom Rechtsstaat“ zu unterhalten, und bilanzieren.

  2. Du hast völlig richtig die Differenz aufgezogen zwischen einer Gewalt, die durch Gesetze gedeckt ist – etwa einfacher unmittelbarer Zwang – und einer solchen, die es nicht ist. Um danach ins Schwammige abzurutschen und damit bei einer Fehllektüre zu landen. Wenn Du Dir fünf Minuten Zeit nähmest und das Video betrachtest, wirst Du sehen, daß es sich hier um Gewalt handelt, die nicht vom Rechtsstaat gedeckt ist. Ab und an wird solche Körperverletzung sogar von Gerichten geahndet. Leider zu selten. Und wenn man dann weiterliest und sich mit der Materie „Polizeigewalt“ beschäftigt, wird Dir womöglich auch der Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ aufgefallen sein. Sofern Du also korrekt die Zusammenhänge einmal versuchst zu analysieren, kannst Du Dich gerne weiter mit dem Rechtsstaat beschäftigen. Der läuft nämlich nicht so, daß man sich nur die angenehmen Teile für sich herauspickt. Das gilt dann auch für dessen Vollzugsorgane, vulgo Polizei.

  3. Und im übrigen ist selbst ein Satz wie „der Papst ist katholisch“ ein reduktionistischer Meinungsmonismus. Oder meinst Du der Katholizismus des Jahres 1017 sei derselbe wie der des Jahres 2017? WC. Wohl caum.

  4. Als jemand, der ein Lied von Erfahrungen mit Polizeigwewalt singen kann muss ich leider sagen dass ich die Übergriffe eher als Normalfall erlebt habe. Etwa, wenn man beim Parolen sprühen erwischt wird und sich anhören muss „Wenn sie zu fliehen versuchen machen wir von der Schusswaffe Gebrauch.“

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