Die Utopie des Augenblicks – Thomas Braschs „Vor den Vätern sterben die Söhne“

Es müßte, für eine besondere Art des Rezensierens, auch im Feuilleton eine Rubrik namens „Wiedergelesen“ eingeführt werden. Doch Literaturkritik im Feuilleton ist in der Eile des Geschäfts aufs Aktuelle getrimmt, da bleibt kaum Platz für eine wiedergängerische Lektüre. Alte Bücher sind zwar keine abgelebten, aber sie sind unwiederbringlich vergangen und haben für die tagesaktuelle Literaturkritik ihre Zeit hinter sich. Das ist oft schade, denn manches alte und manchmal auch vergessene Buch verdient es, dem Leser ans Herz gelegt zu werden. Sie sind da und ragen als Wegmarken in die Literaturlandschaft. Es lohnt sich, sie immer einmal wieder zu lesen. So auch Thomas Braschs Prosaband Vor den Vätern sterben die Söhne aus dem Jahr 1977. Der Titel dieses Romans wurde zum geflügelten Wort. Ein Stück Geschichte der DDR lesen wir hier, Skizzen aus dem Alltag des Arbeiter- und Bauernstaates. Da schreibt Brasch von jenem lebenswilden Robert, dem es in jenem Land hinter dem Stacheldrahtverhau mit Selbstschußanlage, NVA-Posten mit scharfer Waffe, Grenzhund und Landminen zu eng wurde.

Ja, tatsächlich – Brasch wagte den Bitterfelder Weg, er schrieb die Geschichten aus der Produktion, Geschichten von der Arbeit, Geschichten aus dem Betrieb und er erzählt vom Leben, vom Wunsch nach Leben. Aber nicht in der Weise, wie es sich die Oberen der DDR gedacht hatten und wie es genehm war: „Kumpel, greif zur Feder!“. Es ist die Geschichte einer Generation, die keinen anderen Staat als den sozialistischen gekannt hat, die Erfahrungen ihrer Väter unter Krieg und Faschismus sind ihnen fremd. Die Generation der in den 40er und 50er Jahren Geborenen. Sie kennen nur die Enge der DDR. Ja, in diesem Sinne ist diese Prosa – soll und kann man sie eigentlich einen Roman nennen? Das wäre eine interessante Frage im Sinne der Gattung – dem Geschichtszeichen 1968 verhaftet, es ist ein Buch vom Protest, und zugleich schwingt darin im Ton die neue Subjektivität der 70er Jahre mit. Ausbrechen.

Es berichten meist junge Menschen von ihren Erfahrungen: zu dritt an die Ostsee türmen, das Leben im Arbeitsbetrieb. Brasch schreibt Szenen aus dem Alltag, aber genauso fließen in diesen Erzählfluß eine Parabel und ein fingierter Mythos ein, nämlich der von Apollon und Marsyas – jener Satyr, der Apollon im Wettstreit der Künste herausfordert. Eine Generation, die sich im Protest aufreibt. American Folk Blues Festival im Friedrichstadtpalast, Männer, die Mädchen kennenlernen und daran doch irgendwie scheitern. Vor den Vätern sterben die Söhne. Wir erleben die Filmvorführung Spur der Steine und wie im Kino organisiert einige Stasis den Film stören und dann verjagt werden. Es kommt zu tumultartigen Diskussionen. Und da lernt der Erzähler dieser Episode im Kino jenen rebellischen Robert kennen. Eine Jugend, die nicht am Gängelband gehalten werden will. Lost Generation in der Überbehütung, in der Überhitzung einer neuen Zeit, die da heranbricht, und insofern ist „Erfahrungshunger“ auch eine diesergelungenen  Metaphern.

„Vielleicht hast du recht, sagte er, tatsächlich zerspringt mir der Kopf von all den Theorien, Systemen und historischen Gesetzmäßigkeiten, die ich gelernt habe. Sie wollen unseren Blick auf die angeblich großen Dinge lenken, damit wir unsere eigenen Erfahrungen nicht ernst nehmen. Wir dürfen auf die Barrikaden gehen, wenn es um Musik geht oder um Frisuren oder um Hosen. Das schadet keinem, und nach einer Weile werden wir die Tür einrennen, die sie angelehnt haben, und wir werden auf der Nase liegen. Dann werden wir von dieser leeren Gegend in unseren Herzen sprechen wollen, aber sie werden mit großer Geste auf das Leid in Indien weisen und uns Kleingeister nennen. Nichts trifft sie mehr, als wenn wir beginnen, über unsere Erfahrungen zu reden so laut, wie sie über ihre und die Leute in Indien über den Hunger. Ich hab es von dir gelernt. Du redest über nichts, was du nicht kennst.“

Im Gang der Lektüre jedoch schält sich keine zusammenhängende Story heraus. Die Erzählerstimme blendet auf verschiedene Episoden, die Erzählperspektive wechselt vom Ich-Erzähler zu erlebter Rede oder zur Erzählung in der dritten Person. Brasch erzählt in Bruchstücken eine Geschichte, die jedoch immer wieder abreißt, auf andere Fäden verweist, kurze Prosastücke, die zunächst kein Kontinuum zu bilden scheinen. Vom Zimmer des Vernehmungsoffiziers – „Bitte kommen sie mit zwecks Klärung eines Sachverhaltes“ –, in dem der Erzähler nun hockt und über Roberts Flucht befragt wird, geht es in die Welt der Produktion. Oder nachts eine Fahrt mit der S-Bahn, ein Mann und eine Frau. Zwei Körper. Das Private war auch (oder gerade) in der DDR politisch. Robert, dem diese DDR-Welt zu eng wurde. Robert, der die Flucht aus diesem engen Land nicht gelang:

„Was ich will, schrie er, diese Nabelschnur durchreißen. Die drückt mir die Kehle ab. Alles anders machen. Ohne Fabriken, ohne Autos, ohne Zensuren, ohne Stechuhren. Ohne Angst. Ohne Polizei.“

Das, was Robert und all die anderen wünschen, wovon sie heimlich träumen – das gibt es nicht. Fraglos ist jener Robert, der das herausbrüllt, ein Alter Ego des Autors, wenn man denn biographisch lesen möchte. Eine jener rebellischen Figuren, jene, die eine andere DDR wollen. Wie Brasch. Der Staat DDR hatte viel mit Braschs Schreiben zu tun. Brasch verteilte Flugblätter gegen den Einmarsch der Sowjets in die ČSSR. Prager Frühling und der Wunsch nach einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Nun aber, nachdem der Aufstand mißlang, ist das Land wieder eng. Und grau. Man sucht sich die Freiräume, wo es irgend geht.

„Wir waren eine Woche lang an der Küste von einem Ort zum anderen gefahren, um ein Zimmer zu bekommen. Ich hatte mich von einem Arzt krankschreiben lassen, und nachts lagen wir in den Strandkörben und sahen auf das Meer. Robert hatte mir erzählt, wie er exmatrikuliert worden war, und hatte zugehört, wenn ich von Grabow, Ramtur, Fastnacht, Kirsch, Rita und den anderen aus meiner Brigade gesprochen hatte.

Ich würds nicht aushalten, sagte er, jeden Tag um vier aufstehen, zwei Wochen Urlaub und vielleicht vier Wochen krank. Ich würde zum Hund werden.

Er legte sich zurück.

Das ist Leben, sagte er. So liegen, nachts, und das Meer vor dir. Die Gedanken durch den Schädel treiben lassen im Rhythmus des Bebop: sanft und kräftig. Das Klopfen in der Erde spüren und die Haut auf den Knochen. Lachst du.

Ich hör dir zu.“

Aber so ist das Leben nicht und diese Utopie des Augenblicks kann nicht halten. „Es legt sich ein Grauschleier über die Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat“, dichtete 1980 die Band Fehlfarben. Dies paßt nicht nur für Westberlin, sondern spiegelt gut den Muff jener Sozialistenjahre wider. Jene Väter, die in guter Absicht ein besseres Deutschland schaffen wollten, gezeichnet vom Faschismus, und jene Söhne, die nichts anderes kannten als die Normenklatura und daran inzwischen erstickten. Allerdings geht diese Prosa doch weit über die DDR hinaus. Was Brasch beschreibt, ist eine Leere, die es in dieser Form genauso im Westen gibt, oder wie es die Franzosen sagen: Métro, boulot, dodo. Pendeln, arbeiten, schlafen. Auch die Revolte gegen dieses Lebensmodell – daß das Leben nicht mehr lebt – kennzeichnete den Aufbruch von 68 und schlug sich in der Literatur jener Jahre nieder und was dann in den 70er Jahren  in Ost- wie Westdeutschland unter dem Titel Neue Subjektivität firmierte, nachdem die Träume von Revolution und Revolte ausgeträumt waren. Ob dies Bernward Vespers Monumentalmonolog Die Reise war oder eben in pointierter Prosa mit einer Reise im kleinen bei Braschs Vor den Vätern sterben die Söhne.

Bei solchem Titel kann es nicht schaden, Braschs Lebensumstände zu kennen, wenngleich es für die Struktur der Prosa nur bedingt etwas hinzutut. Thomas Brasch wurde als ältester Sohn des jüdischen Emigranten Horst Brasch geboren, im englischen Exil, 19. Februar 1945 in Westow, North Yorkshire. Jener Horst Brasch, der später dann in der DDR zur Funktionärselite zählte, immerhin stellvertretender Ministers für Kultur der DDR. Als sein Sohn jene Flugblätter verteilte, zeigte ihn sein Vater bei der Obrigkeit an. Allein: Es nützte dies auch dem Vater nichts, der fortan, obwohl in tiefem Glauben an die DDR als besserem Staat, kaltgestellt wurde. Thomas Brasch hatte zwei Brüder, Klaus und Peter Brasch, der eine Schauspieler, der andere ebenso Schriftsteller, sowie die Schwester Marion. Von den vier Kindern lebt einzig Marion Brasch noch. Eine traurige, eine seltsame Familiengeschichte, aus alten Zeiten. Da gerinnen Nationalsozialismus, Flucht und Vertreibung aus Deutschland sowie das bessere Deutschland, das sich hinterm Drahtverhau verbergen mußte, zu einer dramatischen Familiengeschichte. DDR-Geschichte in nuce. Marion Brasch erzählt diese Familiengeschichte auf teils melancholische, teils amüsante Weise in ihrer ganz und gar wunderbaren Familienchronik Ab jetzt ist Ruhe. Es sei das Buch jedem ans Herz gelegt, der etwas über das Leben in der DDR und über die Familie Brasch wissen mag. Die Allüren des großen, wie auch der anderen Brüder. Alkohol und Drogen waren ihre großen Feinde. Ein großes Buch, fein erzählt.

Und wie ein Rausch in Sprache, eine moderne Collage aus Prosa-Miniaturen ist auch jenes Buch von den Söhnen geschrieben. Daß Brasch Lyrik macht, merkt man diesen Texten an. Sie erzählen nicht nur, sondern verdichten Szenen. Ein grandioses Buch, das mit Wucht in der Sprache auf den Leser eindringt, von jenem Hunger nach Erfahrung uns  erzählt, diese Sucht nach Mehr, die doch am Ende in der Aporieschleife sich verhängt. Noch heute insofern aktuell.  Wie mit einer teils verdichteten poetischen Sprache sich ein Ich in die Welt imaginiert, die es nicht gibt und doch immer nur bei sich selbst landet.

„Warum bist du nicht eine andere, das Licht hinter den Lidern. Das Fenster ist zu. Wenn ich mir den Schädel aufbrechen könnte. Ich will nichts hören. Das Brennen im Fleisch. Dieses endlose Selbstgespräch. Du und Ich. Das Trümmerfeld hinter der Stirn. Sei endlich ruhig, kein Wort mehr.“

Poesie und Prosa sind der Versuch, das Stirnwandgefängnis zu brechen. Das kann man im anderen Kontext auch außerhalb dieser Szenerie lesen,  und man kann genauso beim Blick in diese Szene dem gebrochenen Mann zusehen, der diese Sätze in seinen Gedanken ausspricht, während er nachts bei einer Frau hockt, die er in der S-Bahn halbbesoffen ansprach, ein Mann, der im Knast saß und das Leben mit einer Frau und in der Welt bereits verlernt hat. Prosa-Miniaturen, die in ihrer Anordnung die Prosa eben doch zu einem Roman machen.

Oder man kann das Zweifel- und Verzweiflungsprogramm als lyrische Verdichtung fassen, um qua Sprache eine Stimmung  zu intensivieren – ähnliche Sentenzen finden sich auch in der posthum herausgegebenen Gedichtsammlung „Die nennen das Schrei“ und auch in der seltsamen Prosa Mädchenmörder Brunke findet sich dieses Motiv des verkapselten Ichs, das nicht zum anderen zu gelangen vermag. Mauern auch im inneren. Ein Motiv, das sich zentral durch Braschs Werk zieht – Leit- und Leidmotiv in einem. Vor allem aber fällt einem an dieser Stelle ein anderer Autor ein, nämlich Georg Büchners Revolutionsdrama Dantons Tod. Wir erinnern uns an die Anfangsszene, an die Schwierigkeiten der Liebe im Zeitalter der Revolution. Das Private ist politisch und jedes Ich doch nur ein vereinzeltes Ich, in seinem Solipsismus befangen:

„Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren. –“

Diese Innenraumerkundungen, die doch zugleich die der Gesellschaft der DDR sind, unternimmt Braschs Prosa. In Berlin. Ein Lesebuch für Städtebewohner – und wie wir wissen, schätzte der Brasch den Brecht. Insofern verwundert die Allusion nicht:

„Spuren verwischen, dachte ich, mich ausradieren. Ich werde ihnen ein weißes Blatt vorlegen, wenn sie wiederkommen.

Ich steckte mir die Zigarette in den Mund und ging auf den S-Bahnhof zu. Er war leer wie meine Wut.“

So dachte jener Mann, nachdem er, noch in der Nacht, und im Danach, die Wohnung jener Frau verließ. Ohne daß es zu nennenswerten Höhepunkten gekommen wäre.

Thomas Brasch: Vor den Vätern sterben die Söhne, Rotbuch Verlag 2012, ISBN 9783867891813 144 Seiten, 12,00 €

Verwiesen sei auch noch auf eine Ausstellung von Uwe Behrens mit dem Titel „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin – für Thomas Brasch“. Sehenswerte Bilder, im Kulturhaus Spandau, noch bis zum 13.10.2018 zu sehen.

Bildquelle: Wikipedia, UrheberIN: Marion Brasch (= user Freitach), Genehmigung (Weiternutzung dieser Datei) CC-by-sa-2.0-de

91 Gedanken zu „Die Utopie des Augenblicks – Thomas Braschs „Vor den Vätern sterben die Söhne“

  1. Und es soll nicht unerwähnt bleiben, daß Thomas Brasch Opfer einer Stasi-Agentin wurde, die neuerdings als Anetta Kahane firmiert. Wie hellsichtig war doch der „Führungsoffizier“, der ihr den Namen „Victoria“ verlieh!
    Nach den Denunzianten kommen die Agenten. Wie uns „Tallhover“ lehrt, sind sie unsterblich. Haben auch keine Söhne.

  2. Ein wichtiger Hinweis, vielen Dank! Ich wollte dies hier in dem Text eigentlich auch noch unterbringen, doch hätte das einen weiteren Themenstrang aufgemacht.

  3. Herr Köbele – Ihre Lektüre-Erfahrungen mit „Tallhover“ würden mich interessieren. (Ich sag‘ mal nicht mehr).

    Die Annetta Kahane Sache ist unglaublich. Hat die Brasch-Schwester darüber auch geschrieben?
    – Wie kann man jemand, der sowas gemacht hat, weiter achten – außer er (=sie) bereut.

    Die enge Verbindung des vollkommen blauäugigen Wolfgang Thierse zu Annetta Kahane ist mir ebenfalls aufrichtig rätselhaft. Vielleicht kommt man da nur noch mit Maaz („Der Gefühlsstau“) heran.

  4. Anetta Kahane kenne ich nur als Vorsitzende der Antonio-Amadeu-Stiftung und als eine Art moralische Instanz. Gibt es für das, was Du hier schreibst, Wolf Köbele, irgendwelche belastbaren Belege?

  5. Und allerdings als eine der Top-Expertinnen zum Thema Scientology, seinerzeit journalistisches Vorbild für mich, also, die Beweise möchte ich sehen.

  6. Kahane ist alles andere als eine moralische Instanz. Die Spitzel-Vorwürfe hat Kahane zugegeben, sie hat sich dazu auch kritisch geäußert. Die Kahane-Stiftung beschäftig Leute wie Julia Schramm, die Kahane-Stiftung macht Kampagnenen gegen Hatespeech. Das ist schon irgendwie lustig. Ob da die Kahane-Antonio-Stiftung bei sogenanntem Hate-Speech, wie von Julia Schramm auf Twitter geäußert, dieselben Maßstäbe angelegt hat, die sie bei anderen veranschlagt? Schnell ist man da als Rassist gelabelt. Eine eher dubiose Organisation und genau die Art von „linker“ Identitätspolitik, die ich seit Jahren kritisiere.

    Ein wichtiger Text hier auch von Don Alphonso.

    http://blogs.faz.net/deus/2016/07/17/wie-man-gegen-satirische-journalisten-stasi-opfer-und-die-polizei-hetzt-3517/

  7. (Ganz nebenbei – die Freudenberg-Erben sind offenbar zumindest teilweise Salon-Linke. Das sei mein ich folgenreich, wenn man sich die Finanzquellen der Kahane-Stiftung anschaut).

    ((„Dä Freudebärg“ – „Audogummifabbrigg“ in dä Kuapalz (Kurpfalz)“. Uralt, sozusagen. Gewerblicher Middlstand wie Späth immer zu scherzen beliebte – so paar Tausend Beschäftigte.

  8. Das wusste ich alles nicht, kannte Kahane auch nur momentaufnahmemäßig im Zusammenhang mit einer Recherche die ich 1997 durchführte. @“Schnell ist man da als Rassist gelabelt.“ hat allerdings einen besonderen Haut Gout: Diese Stiftung selber wird in Antira-Kreisen des strukturellen Rassismus bezichtigt, da sie ein antirassistisches Programm hat und nach einem schwarzen Rassismus-Opfer benannt ist, selber aber praktisch nur aus Weißen besteht.

  9. nach einem schwarzen Rassismus-Opfer benannt ist, selber aber praktisch nur aus Weißen besteht.

    Sie eifern dem SPLC in ‚merika nach. – Keiner derjenigen der hunderte Mitarbeiter dieser Einrichtung der Groß-Inquisition, die dort mehr als 200 000 Dollar/ Jahr verdienen ist schwarz (die meisten derer, die noch mehr/ Jahr dort verdienen sind Juden).

    Ach ja – auch bei Freudenberg liegt Hitler-Schuld vor, der sich die Erben nun stellen, indem sie sozusagen die DDR wieder aufleben lassen.

  10. Mich interessiert, ob einer seine Arbeit gut oder ob er sie schlecht macht und weniger, ob da Schwarze, Weiße, Araber oder Juden sitzen. Die Ziele dieser Stiftung sind ja per se nicht schlecht. Und daß sich Juden besonders für Verfolgung interessieren – nun ja, man wird schon drauf kommen, weshalb das so ist. Insofern ist das Ansinnen von Anetta Kahane nicht verkehrt, nur über die Methoden und die Art kann man sich streiten. Und was nun vom Staat gefördert wird, darüber wird es immer und grundsätzlich in einer Gesellschaft Dispute geben.

  11. Eine Stiftung wie das SPLC, dessen Hauptzweck es ist, die Diskriminierung von Schwarzen zu bekämpfen, und an deren Top-Futtertrögen dann andere sitzen, das fällt auf, wie ich finde; also unangenehm auf.

    Ihre Formulierung, lieber Bersarin, dass sich Juden besonders für Verfolgung interessieren, hat ebenfalls einen sehr besonderen doppelten Boden. Kucken sie sich bitte mal die Listen der Ostblock-Geheimdienstler im Hinblick auf Ihre Aussage durch. Sie finden da eine Überrepräsentation, die schon so manchen sprachlos machte (meien Schätzung geht gegen 900%).

    (Ein kleiner Hinweis – die Sache hat auch damit zu tun, dass man einen sehr prominenten Dienst „Intelligence Service“ nannte. – Einfach mal „Verbal IQ Aschkenazim“ googlen.

    Zwei dieser Aschkenasim sind mir namentlich bekannt: Anetta Kahane (wenn ich recht weiß) und Marcel Reich-Ranicki.

    Für nähere Infos: Siehe Manès Sperber, „Wie eine Träne im Ozean“.
    (Ja, ich weiß… – – – aber ich würde vollkommen missgedeutet, wenn jemand hier den Schluss zöge, ich sei gegen diese lustigen Leute per se. Die Welt ohne die Aschkenasim wäre erheblich ärmer (und – aus Oskar Wildscher Sicht womöglich das Schlimmste überhaupt: langweiliger) als so.

  12. Sorry, Herr Kief, das ist billiger Antisemitismus. Vielleicht ist Ihnen dies nicht recht bewußt oder auch doch, zumindest aber sind das die typischen Merkmale antisemitischen Denkens, Individuales aufs Judentum aufzurechnen. Und Verrat mit dem Judentum zu koppeln, ist ebenfalls ein klassisches antisemitisches Stereotyp. Das, was Kahane und MRR taten, hat nichts mit der jüdischen Religion oder mit dem Judesein zu tun, und schon gar nicht taten sie es im Namen des Judentums – dann nämlich wäre es tatsächlich relevant. Insofern ist es unerheblich, ob die beiden Juden sind oder nicht. (Einmal davon ab, daß es Ihnen nicht im mindesten zusteht, über Marcel Reich-Ranicki zu urteilen, nach dem, was ihm widerfuhr und was er sich vielleicht von seiner Tätigkeit versprach, damit solches nie wieder geschähe.)

    Und nun mal was Grundsätzliches, Herr Kief, der Herr h.z. hat Ihnen das auch schon mehrfach ins Stammbuch geschrieben: Sie verkoppeln Aspekte, die für sich genommen beziehungslos sind und leiten daraus eine logische Beziehung ab, die aber sachlich nicht existiert. Das ist ein durchschaubarer rhetorischer Trick, und der wird auch durchs ad nauseam nicht besser. Ganz im Gegenteil wird hier von den Lesern dieses Wiederholen eines bestimmten Modells der Simplifizierung sehr genau bemerkt, egal ob es sich dabei um Muslime oder Juden handelt. Nach dieser Ihrer simplen Logik übrigens hätten die Deutschen nach dem Holocaust allesamt dahin gehört, wo Bomber Harris angefangen hat, die Deutschen hinzubefördern. Denn ca. 90 % der Deutschen taten von 1933 bis 1945 mit. Möchten Sie, daß diese Relation auch auf Sie übertragen wird? Sicherlich nicht. Und wenn doch sollten wir die Katholiken Hitler und Goebbels dann übrigens auch nicht vergessen. Dort würden Sie ganz sicher nicht das Katholischsein in den Vordergrund stellen, um deren Untaten zu erklären.

    Und wenn Sie die Juden zählen, die nicht nur verfolgt, sondern auch ermordet wurden und gegen die rechnen, die aus privaten Gründen oder aus politischen Verrat begingen, wie übrigens die meisten Deutsche, die fast alle bei der Deportation ihrer Landleute zusahen oder teils davon materiell profitierten, dann werden vielleicht selbst Sie diese Diskrepanz bemerken. Davon einmal abgesehen, daß schon solche eine Aufrechnung hanebüchener Unsinn ist. Was ein einzelner tut, hat in diesen Fällen kaum etwas mit der Religionszugehörigkeit bzw. der religiösen Herkunft zu tun. So wie die Durchführung der Shoah auch nichts typisch Katholisches oder Protestantisches ist.

  13. Und bitte noch eines, Herr Kief. Jetzt bitte nicht mit dem jüdischen Bolschewismus hier ankommen und daß da überproportional Juden bei der Revolution vertreten waren.

    Ansonsten zählen Sie doch mal die Anzahl der Protestanten und der Katholiken bei der SS, der Waffen-SS, der Gestapo und in anderen Vernichtungsgruppen wie den Polizeibataillonen. Das sieht nicht gut aus.

  14. „Ansonsten zählen Sie doch mal die Anzahl der Protestanten und der Katholiken bei der SS, der Waffen-SS, der Gestapo und in anderen Vernichtungsgruppen wie den Polizeibataillonen. Das sieht nicht gut aus.“

    In meinem link oben zum Wahlverhalten der Deutschen wird genau das getan, Bersarin, vielleicht gucken sie mal rein. Sie rennen mal wieder offene Türen ein. Ich habe auch über Reich-Ranicki hier nicht geurteilt. Freilich an anderer Stelle, nämlich da, wo er Christa Wolf moralisch komplett abservierte wg. ihrer Stasi-Verstrickungen. Das Leben ist kompliziert. Das gilt auch für die Causa Kahane.

    Über die prominente Rolle der Juden in der ruhmreichen Sowjetunion berichtet Manés Sperber in „Wie eine Träne im Ozean“. Das ist auch ein bitteres (und absolut notwendiges) Buch der jüdischen Selbstkritik. Der Kern von Sperbers Kritik an seinen schrecklichen Kommunistischen Verirrungen: Dass sie vom „jüdischen Messianismus“ gespeist gewesen seien. Karl Markus Gauss hat das ganz gut aufgeschrieben – nachzulesen in der NZZ:

    https://www.nzz.ch/articleDDFOB-1.190212

    Noch ein Beispiel:

    Wie Sperber hat Bloch hat seinen Stalinismus bereut – viel (viel!) zu spät, aber dann doch. Ich finde es nicht gut, dass er solange gebraucht hat, und ich finde es in keiner Weise ehrenührig, sondern richtig, das festzustellen.

  15. Es ist zweierlei, jemanden für ein Fehlverhalten zu verurteilen oder das Fehlverhalten an die Religion oder an sonst einen äußerlichen Bezug zu knüpfen. Die Kausalität zwischen des deutschen Nazis Liebe zur deutschen Musik und Literatur sagt nichts über die deutsche Literatur aus.

    Die größten Opfer der Verbrechen Stalins waren übrigens Juden. Und selbst wenn Stalin oder Hitler eben Juden oder Halbjuden gewesen wären, dem man das ja nachsagt, dann bestünde immer noch kein Bezug zum Judentum und einer ganzen Religion.

    Die jüdische Parteinahme für die Bolschewiken läßt sich übrigens mit einigem Nachdenken gut aufklären: In einem Land wie Rußland, das immer wieder von schrecklichen Pogromen erschüttert wurde und wo die Juden im Schtedl ums Leben bangen mußten, ist es nicht ganz unverständlich, daß viele ihre Stimme einer internationalistischen Bewegung gaben, der es egal war, ob einer Jud oder Christ. Da liegen die sozialen Ursachen. Und mal wieder wird hier also Ursache und Wirkung verkehrt. Der Fehler, den schon Ernst Nolte machte. Eine subjektive Annahme zu verabsolutieren und als objektiven Grund zu inszenieren, der er nicht ist. Weil der Führer an den jüdischen Bolschewismus „glaubte“ oder ihn eben als Mythos zu inszenieren wußte – wie zumindest viele seiner Gefolgsleute, die es objektiv hätten besser wissen können –, bedeutet das nicht, daß dies ein objektiver und damit sachlich zutreffender Grund ist.

    Etwas anderes ist es, zu bemerken, daß man bei Lenin und Stalin aufs falsche Pferd setzte. Und da ist Sperbers Werk ein wichtiges Buch, ebenso Koestlers Sonnenfinsternis. Nur hat all das nichts mit dem Judentum zu tun, sondern mit den drei großen totalitären Systemen des 20. Jhds: Stalinismus, Faschismus und liberaler Kapitalismus.

    MRR kann man für seine Kritik an Christa Wolf kritisieren. Das schoß weit übers Ziel hinaus. Deshalb aber muß man auch bei ihm selbst nicht zu den gleichen Methoden greifen. Und man kann ihm nicht einmal einen Widerspruch in der Performanz vorrechnen, denn anders als Reich-Ranicki ist Christa Wolf nicht dem Tode entkommen und von der Schippe gesprungen. (Wobei ihre „Sünde“ eben auch eine läßliche war und weit zurücklag. Insofern hatte diese Debatte damals etwas Überhitztes.)

  16. „schreckliche kommunistische Verirrungen“? Alfred Adler war, ähnlich wie Wilhelm Reich, zwischen Marxismus und Psychoanalyse angesiedelt, darin selbst ein wichtiger Theoretiker (eigentümlich, dass nur die Frankfurter Schule, nicht aber die übrigen Freudomarxisten von bleibender Bedeutung war), der während und nach der NS-Machtübernahme um sin unmittelbares Überleben kämpfte und während der Volksfront Propaganda für die KPD machte, um sich bei Bekanntwerden der stalinistischen Schauprozesse vom Kommunismus loszusagen. 1937 war ein sehr frühes Datum, Roosevelt sprach noch in einer kriegsentscheidenden Rede im Kongress von der „demokratischen Sowjetunion“. Ich vermag da keine schrecklichen Verirrungen zu erkennen.

    Btw Cohn-Bendit bezeichnete einmal Trotzki als talmudistischen Juden, der seine messianische Heilserwartung in den Kommunismus projiziert hatte. Solche Vergleiche sagen nicht über eine Religion aus, sondern über die Persönlichkeitsstruktur politischer Menschen, die über die Religion eine bestimmte Prägung erhalten haben.

  17. Na ja, man kann davon ausgehen, daß Roosevelt durch seine Geheimdienste von Stalins Terror wußte. Ein (zynischer?) Pragmatiker eben. Nur brauchte er 1941 eben einen Zusammenschluß gegen Hitler und da schmeichelt man dann gerne pragmatisch auch in die Todeszonen hinein. Einer, der von früh auf an wußte, wie das da in der UdSSR läuft, war Adorno (und im Grunde auch Brecht, der wohlweißlich nichts ins sozialistische Bruderland emigrierte, sondern in die USA). Ebenso roch Horkheimer den Braten und sie bezeichneten die UdSSR als das, was sie von Anfang an war: Ein gigantisches Arbeitslager.

    Daß messianische Heilserwartungen und Kommunismus eine Überschneidung aufweisen, können wir vielfach sehen. Etwa bei Walter Benjamin. Man nehme nur die erste Geschichtsphilosophische These und den Gedanken vom Materialismus und von der Theologie. (Wobei das eben auch nur ein Aspekt des Judentums ist. Gershom Scholem z.B. fährt da eine völlig andere Linie und ihm war, ganz zu recht, dieser Kommunismus mehr als Suspekt.)

  18. Dabei war die Rede die Roosevelt da gehalten hatte von weitaus größerer Sprengkraft als Churchills „Blut, Schweiß und Tränen“. Es hieß da, der Angriff der faschistischen Achsenmächte auf die demokratische Sowjetunion habe Roosevelt persönlich beleidigt, daher habe er die Boeing-Flugzeugwerke mit dem Bau von Langstreckenbombern beauftragt.

    „schreckliche kommunistische Verirrungen“? Manes Sperber war nicht nur politischer Aktivist sondern Journalist, Schriftsteller und Psychologe, Lieblingsschüler Alfred Adlers, und Alfred Adler war, ähnlich wie Wilhelm Reich, zwischen Marxismus und Psychoanalyse angesiedelt, darin selbst ein wichtiger Theoretiker (eigentümlich, dass nur die Frankfurter Schule, nicht aber die übrigen Freudomarxisten von bleibender Bedeutung waren), Sperber wiederum jemand der während und nach der NS-Machtübernahme um sein unmittelbares Überleben kämpfte und während der Volksfront – die Frankreich vor der Machterergreifung eines autochthonen Faschismus rettete – Propaganda für die KPD machte, um sich bei Bekanntwerden der stalinistischen Schauprozesse vom Kommunismus loszusagen. 1937 war ein sehr frühes Datum, Roosevelt sprach noch in einer kriegsentscheidenden Rede im Kongress von der „demokratischen Sowjetunion“. Ich vermag da keine schrecklichen Verirrungen zu erkennen.

  19. „Die Leistung solcher Wanderer zwischen den Welten und mutigen Antifaschisten sollte gewürdigt werden.“

    Volle Zustimmung, che!

  20. Dass Adorno von der Sowjetunion als einem „Arbeitslager“ sprach, Bersarin, ist keineswegs Ausdruck einer kritischen Einstellung, sondern das ist eine Bemerkung, die die Mordmaschine, die diese Sowjetunion zu Zeiten war, in ein entsetzlich mildes Licht hüllt. Es ist, mit einem Wort, ahistorisch, unverantwortllich und unmenschlich.

    War das vielleicht ein Zufall, eine einzelne unbedachte Äußerung? Nein, – das war die volle Absicht Adornos, die in einem Brief an Max Horkheimer so sich aussprach:

    „In der gegenwärtigen Situation sollten wir – sei es auch um den schwersten Preis – Disziplin halten und nichts publizieren, was Russland zum Schaden ausschlagen kann.“

    Adorno brieflich an seinen Co-Autor und Geldgeber Max Horkheimer, im Jahr des Herrn der Stalinschen Schauprozesse, 1936.

    Nochmal Manès Sperber: Der blinde Linksaktivismus, die blinde Vernichtungsbereitschaft vieler – und eben auch:jüdischer – Bolschewiki wurzelte im „jüdischen Messianismus“. Sperber macht genau den engen Konnex zwischen Judentum und den sowjetischen Gräueln.

    Sperbers Bemerkung ist keine, die auf den taktischen Aspekt zielt, wie Sie das offenbar annehmen, sondern eine Bemerkung, die auf die motivationalen Ressourcen zielt und auf die linke moralisch/ethische Blindheit, die die Parallelität, die man zwischen dem jüdischen Messianismus und dem Marxismus/Leninismus g e s eh e n hat, zur Folge hatte.
    Der Hinweis auf Nolte fruchtet in diesem Zusammenhang übrigens kaum, denn bis dahin ist dies eine ziemlich innerlinke Angelegenheit.

    Dass die sowjetischen Juden genau der revolutionären Dynamik in erheblicher Zahl zum Opfer fielen, die sie selbst an führender Stelle – wie gesagt, weit überrepräsentiert sowohl in der Armee als auch im NKWD – mit entfacht hatten, darf fast schon als eine anthropolgische Konstante, oder jedenfalls als wohlbekanntes Phänomen angesehen werden. Insofern ist Ihr Einwand zielführend, obwohl Sie ihn anders gemeint haben.

    Den entsprechenden Slogan kennen wir ja alle (es ist vielleicht nicht allzu differenziert, wenn ich anfüge, dass der Slogan selbst, der die Revolution als große Verschlingerin imaginiert, haufenweise Entsprechungen im archaischen Götterhimmel kennt – und auch das bestärkt mich in meiner Annahme, es handle sich hier um eine wenn nicht anthropologische, so jedenfalls menschheitsgeschichtliche Konstante.

  21. „Dass Adorno von der Sowjetunion als einem „Arbeitslager“ sprach, Bersarin, ist keineswegs Ausdruck einer kritischen Einstellung, sondern das ist eine Bemerkung, die die Mordmaschine, die diese Sowjetunion zu Zeiten war, in ein entsetzlich mildes Licht hüllt. Es ist, mit einem Wort, ahistorisch, unverantwortllich und unmenschlich.“

    Dieter Kief und die Logik. Ich glaube, die zwei kommen nicht gut zusammen. Zum einen ist diese von Adorno getätigte Bemerkung natürlich eine kritische über die Zustände in der UdSSR. Arbeitslager sind in der Regel negativ konnotiert. Das wird sicherlich selbst Ihnen einleuchten. Der Rest ihres Satzes ist ihre rhetorisch etwas billige und durchschaubare persönliche Zutat, mithin Ihr eigenes Ressentiment. Sie preßt hier einen Sinn in einen Satz, der dort nicht vorkommt, sie arbeiten sich mithin an einem Pappkameraden ab, indem Sie persönliche Unterstellungen hinzufügen. Denn nichts von dem, was sie behaupten, hat Adorno je so geschrieben. Und bevor Sie Begriffe wie „ahistorisch, unverantwortllich und unmenschlich“ benutzen, sollten Sie ihren Verstand benutzen. Wer sagt: „Die DDR ist ein Zuchthaus“ tätigt in einer bestimmten Hinsicht eine kritische Aussage über dieses Land. Das dürfte vielleicht auch Ihnen einleuchten. Ihre darauf folgenden Unterstellungen, indem sie ein aus dem Kontext gerissenes Zitat bringen, machen es nicht besser. Sie haben dieses Verfahren hier übrigens schon wiederholt angewandt, um – rhetorischer Trick – Aspekte zu verkoppeln, die in keinem Kontext stehen, um sie in Ihrem Sinne dann ideologisch aufzuladen und umzubiegen. Als Manöver ist dies durchschaubar.

    Wenn Sie den von Ihnen zitierten Brief komplett lesen würden, bekämen Sie natürlich auch einen Einblick in die Haltung Adornos. Stattdessen stellen Sie Dinge in einen falschen Kontext. Adorno spricht in dieser Passage exakt jene Schauprozesse an, und zwar zwei Sätze zuvor:

    „Ihre Notizen sowohl was den mechanistischen Weitergebrauch der Oberbau-Unterbau-Theorie in Rußland selber (womit übrigens eng der unselige Begriff der proletarischen Kultur und all diese uns zutiefst entgegengesetzten Dinge zusammenhängen, deren wahres Gesicht sich im Sinowjewprozeß enthüllt hat) anlangt (…), stimmen völlig mit meiner Überzeugung überein.“

    Im übrigen sollten Sie, wenn Sie schon zitieren, philologisch korrekt zitieren. Darauf hat Sie auch h.z. hier im Blog mehrfach schon hingewiesen. Und ich weise Sie darauf ebenfalls noch einmal hin. Im Anschluß an die oben von mir zitierte Passage geht es um Lenin und seine These vom Umschlag der imperialistischen Kriege in Klassenkämpfe sowie Adornos Kritik daran:

    „während wir es mit dem umgekehrten Phänomen zu tun haben, nämlich dem Umschlag der Klassenkämpfe selbst in imperialistische Kriege. Zur definitiven Formulierung dieser Dinge hätte ich nur freilich das eine Bedenken, daß mir trotz allem scheint, daß man in der gegenwärtigen, wahrhaft verzweifelten Situation wirklich, sei es auch um den schwersten Preis (und niemand kennt ihn besser als ich!) Disziplin halten soll und nichts publizieren, was Russland zum Schaden ausschlagen kann.“

    Die in ihrem Zitat ausgelassenen Teile habe ich fett markiert, damit die Leser sehen können, worin Ihre Auslassungen bestehen. Die Unterscheidung übrigens zwischen einem privaten Schreiben, wo für die aus Deutschland vertriebenen Juden taktische Erwägungen, auch im (überlebenswichtigen) Kampf gegen den Faschismus der Deutschen, gezogen werden, und den offiziellen Texten der Kritischen Theorie der frühen bis mittleren Jahre, sollte Ihnen eigentlich geläufig sein.

    Weiterhin, Herr Kief: Von einer Sache schweigen, heißt nicht, ihr zuzustimmen oder sie zu goutieren (argumentum ex silentio). Weil Adorno nichts über die Schauprozesse und übrigens auch nichts über Freislers Volksgerichtshof schrieb, heißt dies nicht, daß er diese Dinge guthieße. Mit ein wenig Logik kommt man weiter und muß sich nicht in unsinnigen Dekonstruktionen verrenken.

    Weil Sperber die Verbindung zwischen Judentum und den sowjetischen Greueltaten zieht, so sagt das nur, daß Sperber es macht – mehr aber auch nicht. Noch einmal im Klartexten: Etwas behaupten, heißt nicht, daß es automatisch auch Geltung beanspruchen kann. Es sagt dieser Sperber-Satz – sofern er ihn denn überhaupt so gesagt hat, denn bei Ihren Zitierkünsten muß man leider ein wenig Obacht geben – nichts darüber aus, ob das logisch und sachlich richtig ist. Sondern ganz im Gegenteil habe ich Ihnen oben in einem anderen Kommentar gezeigt, weshalb diese Verbindung logisch und sachlich falsch ist. Lesen Sie es bitte noch einmal nach und beziehen Sie sich darauf. Ad nauseam-Wiederholungen, wie Sie sie hier äußern, sind nicht wirklich überzeugend. Und eine Kollektivierung einzelner oder auch vielfach auftretender Verhaltensweisen, um diese als Merkmal einer ganzen Religion zu markieren: Genau das ist ein antisemitisches Stereotyp.

    Weil einige Exemplare einer Religionsgemeinschaft etwas Unerwünschtes machen, bspw. den Kommunismus unterstützten, von dem sie 1918 kaum wissen konnten, daß er zu Stalin führt – soviel auch noch einmal zu den von Ihnen unterschlagenen Kausalitäte –, so heißt dies nicht, daß alle Juden dies machen und es heißt schon gar nicht, daß deshalb eine hochkomplexe und in ganz unterschiedlichen Ausprägungen existierende Religion wie das Judentum über einen Leisten zu schlagen ist. Weil einige Juden im Schtetl leben, Schläfenlocken und eine schiefe Nase haben, leben nicht alle Juden im Schtetl, haben Schläfenlocken und eine schiefe Nase und es zeichnet auch nicht die Religion des Judentums aus, daß sich da nur Leute mit Schläfenlocken, im Schtetl lebend mit schiefer Nase tummeln. Nach ihrer Logik in bezug auf den Sowjet-Kommunismus und dessen spezifisch jüdischer Komponente müssen wohl alle Juden eine krumme Nase tragen und im Schtetl leben.

    Bemühen Sie sich bitte in Zukunft um eine konsistente Argumentation.

  22. Ich werde jetzt mal richtig böse: Das, was Du, Dieter Kief hier abziehst ist genau das, was der Strategie der Neuen Rechten im Sinne der Nouvelle Ecole entspricht: Schwarzen und Muslimen (was sollen Letztere abstammungstechnisch für eine Gruppe sein? Die Herleitung widerspricht selbst einer biologistisch-rassistischen Begründung, denn Religionen sind keine Ethnien und schon gar keine Abstammungsgeinschaften) wird mindere Intelligenz angedichtet mit Bezugnahme auf ausgewiesene Rassisten wie Herrnstein (Herrenmenschenstein, wie der in meinem Bekanntenkreis genannt wird) und Murray. Zwischen Juden und dem Kommunismus, AUSSCHLIESSLICH in seiner mörderisch-stalinistischen Variante wahrgenommen/dargestellt wird ein enger Konnex hergestellt. In der Quintessenz Ideologie der Neuen Rechten, von Neonazis nur in der feinsinnigen Argumentation unterscheidbar. Sorry, Dieter, Kief, genau da gehörst Du hin.

  23. @ che2001
    Murray /Herrnstein werden freilich häufig als rechts bezeichnet, besonders wegen der Bell Curve. Die Frage ist, was das heißt. Die Frage ist überhaupt, was für ein Vorwurf es sein soll, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse als rechts oder links labelt. Denn darum kann es unter aufklärerischen Voraussetzungen gerade n i c h t gehen, sondern immer um richtig oder falsch. Danke für den Feinsinn!

    @ Bersarin

    Yep, ich hätte Auslassungszeichen einfügen sollen in Adornos Satz, da haben Sie recht.

    Ich finde Adornos Idee, es sei über die entsetzlichen Stalin-Schauprozesse aus Gründen der „Disziplin“ zu schweigen sehr falsch. Ein durch nichts zu rechtfertigender Fehler.

    Und der Ausdruck „Arbeitslager“ ist meine bescheidenen Meinung nach v i e l zu gemütlich konnotiert für das, was in der Sowjetunion an flächendeckendem Unrecht und an Grausamkeiten unter revolutionärer Flagge passiert ist (Sie selbst sprachen ja oben davon, als Sie auf die massenhaften jüdischen Opfer dieses Systems hinwiesen).

    Dass der Sperber-Satz über die spezifisch jüdische Blindheit der jüdischen Bolschewiken gegenüber der verbrecherischen Seite ihres Tuns von der NZZ und von Karl-Markus Gauß und von mir falsch zitiert worden wäre ist nicht Ihr Ernst? – Den NZZ-link habe ich oben eingestellt.

    Nebenbei: Ihre Reaktion auf den Sperber-Satz ähnelt dem Entsetzenssturm, den Sperber auf Seiten der Linken weiland ausgelöst hat. Nicht zuletzt auch bei Jockl Fischer und Daniel Cohn-Bendit. Die besonnenen Stimmen pro Sperber kamen eher aus dem bürgerlichen Lager der WELT, der ZEIT usw. (Heinrich Böll und Siegfried Lenz!).

    – Aber lesen Sie mal, was Cohn-Bendit h e u t e über diesen Manès Sperber schreibt (ist am leichtesten zu finden im wikipedia-Artikel über Sperber, ganz am Ende). Ich glaube, ähnliches gilt auch für Wolf Biermann.

    Tatsachenfeststellungen sollen immer v o r der moralischen Bewertung kommen. Und dann soll erst die strategische Seite der Kommunikation zum Zuge kommen. Sagt Dr. Habermas.

    Sagte auch der Albrecht Wellmer hier in Konstanz und später sozusagen überall immer, übrigens.

    Er ruhe sanft!

  24. Tatsachen müssen nur eben auch Tatsachen sein. Hier aber handelt es sich um Verknüpfungen und Bewertungen, die Sie vornehmen. Daß bei den Stalinisten Juden dabei waren, sagt nichts über die Juden aus, sondern es sagt aus, daß AUCH Juden mit dabei waren. Wie ja auch der Umstand, daß bei den deutschen Faschisten zahlreiche Protestanten mitmachten, nichts über die lutherische Religion sich urteilen läßt. Zumal dieser Sperber-Vorwurf ahistorisch ist und die Umstände außer acht läßt, weshalb sich viele Juden dem Kommunismus zuwandten und andere dem Zionismus und wieder andere waren bürgerlich – sofern Sperber diesen Vorwurf denn überhaupt in dieser Art getätigt hat: dazu nämlich bedürfte es der Belege, um zu prüfen, was genau das geäußert wurde.

    Adorno hat sich in bezug auf den Ostblock deutlich geäußert. Er hat diese Äußerung in einem der Gespräche getätigt. Daß dort keine wissenschaftliche Analyse des Stalinismus stattfand, sollte evident sein. Eine ganze Gesellschaft als Arbeitslager zu bezeichnen, weist ganz deutlich auf die Stoßrichtung der Kritik hin – nämlich auch auf Stalins GULAGS, die ja genau solche Arbeitslager waren. Anders als die Lager der Nazis, in die etwa Juden deportiert wurden – das waren explizit Vernichtungslager. In dem Land, aus dem Adorno und viele andere fliehen mußten. Weiterhin: Da Adorno nie zu den Unterstützern des Stalinismus zählte oder KP-Mitglied war, besteht für ihn auch kein Bedarf, sich zu distanzieren. Ansonsten siehe: argumentum ex silentio.

  25. „Yep, ich hätte Auslassungszeichen einfügen sollen in Adornos Satz, da haben Sie recht.“

    Meine selbst auferlegte Kommentarabstinenz durchbreche ich ausnahmsweise, um Dieter Kief der kaltschnäuzigen Unverschämtheit zu überführen.

    Mit dem Zugeständnis, er hätte die Auslassungszeichen einfügen sollen in Adornos Satz, erweckt Kief nachträglich den Eindruck, den Brieftext Ardornos tatsächlich vor sich zu haben. Hat er aber nicht, folglich kann er auch den Kontext nicht kennen. Das Adorno-Zitat entnahm Kief bei Hubert Hecker, bekannt als Autor für „kreuz.net“, per copy&paste.

    Wie sich das belegen lässt? Man suche nach der Zeichenfolge „– sei es auch um den schwersten Preis –“ in jeder beliebigen Suchmaschine. Eine einzige Fundstelle enthält das Zitat auf das Zeichen exakt ( http s://www.katholisches.info/2018/04/die-wacht-am-nein/ ).

    Dieter Kief vertritt keine (politischen) Positionen. Am ehesten wäre er vielleicht als Mitläufer zu charakterisieren. Das aber interessiert mich so wenig, wie die Möglichkeit, dass er an die Existenz einer Erdscheibe glaubt. Hingegen lege ich ihm intellektuelle Betrugsversuche zur Last. Dafür gibt es mittlerweile einige Nachweise. Dies ist die allgemeine Bedrohung von rechts, wie ich sie wahrnehme. Dagegen hilft nur erhöhte Aufmerksamkeit und Benennung derselben.

  26. @“Die Frage ist, was das heißt. Die Frage ist überhaupt, was für ein Vorwurf es sein soll, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse als rechts oder links labelt. Denn darum kann es unter aufklärerischen Voraussetzungen gerade n i c h t gehen, sondern immer um richtig oder falsch“ Es gibt in den Humanwissenschaften keine wertfreie, unpolitische Forschung, und das was Murray und Herrnstein da gemacht haben ist hochgradig politisch tendenziell, wie schon die unsäglichen gefakten Zwillingsstudien von Burt und Jensen. Das ist apologetische Pseudoforschung, die politischen Zwecken dient: Der Reetablierung des Sozialdarwinismus als Theorie und der Rechtfertigung der schlechten Lebenssituation von Schwarzen zur Delegitimierung von affirmative actions und integrativer Sozialpolitik und zur Flankierung von COINTELPRO.

  27. Noch einmal@Über die prominente Rolle der Juden in der ruhmreichen Sowjetunion berichtet Manés Sperber in „Wie eine Träne im Ozean“. Das ist auch ein bitteres (und absolut notwendiges) Buch der jüdischen Selbstkritik. Der Kern von Sperbers Kritik an seinen schrecklichen Kommunistischen Verirrungen: Dass sie vom „jüdischen Messianismus“ gespeist gewesen seien. —— Dieses Buch würde ich ganz anders beschreiben: Als eine Abrechnung mit dem Stalinismus, zu dem Sperber sich erst anschmiegsam, dann kritisch verhalten hat, als eine Schilderung der Tragödie des 20. Jahrhunderts insgesamt und als eine verschlüsselte Autobiographie, in der es auch um das Scheitern von Sperbers eigenem Projekt ging. Dies bestand aus dem Versuch, die Psychoanalyse, genauer die Individualpsychologie mit der politischen Praxis der marxistischen Arbeiterbewegung zusammen zu bringen, eine Art der Therapie der kranken Gesellschaft. Das Buch auf eine Selbstkritk Sperbers zu reduzieren ist viel zu unterkomplex. Und wenn es schon um Verstrickungen geht ist es genauso bemerkenswert dass Sperber und Koestler später einen gegen den Stalinismus gerichteten Kongress organisierten der vom CIA lanciert war, das wäre genauso stark kritisierbar wie Sperbers „kommunistische Verirrungen“. Letztlich kommt der politisch aktive Mensch nicht umhin sich zu verstricken. Selbst bei den Sitzungen des Studentenparlaments und den Uni-VVS meiner Studienzeit wurden zu Beginn regelmäßig die Zivilbullen aufgefordert herauszugehen. Die kannten wir wenigstens. Verfaschungsschützer kannten wir nicht. Als ich Beweise dafür hatte dass bei einer militanten Aktion V-Leute dabei waren wollte das niemand wissen. Der Splitter im Auge war gewaltig. Wie ungleich größer musste der zur Zeit zwischen den Weltkriegen sein.

  28. Genau diese Details, che, über Sperber sind instruktiv und wichtig vor allem, um den Kontext und diese Epoche zu verstehen, und zwar ihne ex post-facto-Deutungen oder eben eine Juden-Kollektivschuld am Stalinismus, was nachgerade absurd ist.

  29. Die Angriffe auf Murray und Herrnstein drehen sich immer wieder darum, dass nicht sein kann,was nicht sein darf.

    Noch ein Zitat von Manès Sperber zu der links-rechts-Schranke, und zur Erkenntnisschranke che2001, die Du hier errichtest, und gleichfalls zu Adornos Schweigegebot in Sachen Sowjetische Gräuel:

    „Es gibt keine Wahrheit, die wir aus taktischen Gründen verschweigen müssten, keinen Betrug, den wir mit Schweigen, und wäre es auch nur vorläufig, übergehen dürften…
    Sprechen wir also von der Notwendigkeiten und Möglichkeiten unserer Zeit, die durch den Totalitarismus und seine Verderbtheit zwar verdunkelt, aber nicht verwandelt werden.“
    (Ahh – zitiert nach dem ehedem Ur-Sozialdemokratischen, später in der Tat konservativen Schreiber und Denker und Theologen Ulrich Schacht, der in der DDR im Gefängnis zur Welt kam, weil seine Mutter mit einem Sowjetsoldaten eine verbotene Liebesbeziehung eingegangen war und deshalb flüchten wollten, und der später ebenfalls in der DDR im Gefängnis saß wg. ideologischer Unzuverlässigkeit…: „Gewissen ist Macht“ 1992, S. 174 (Schacht ist letzte Woche noch nicht siebzigjährig in Schweden gestorben).

    Hier ist noch ein interessantes Gespräch über die Vor- und Nachteile von Revolutionen aus der Sicht des Free-Speech-Rebellen der ersten Stunde und späteren Sprachphilosophen John Searle

  30. Noch einmal, Herr Kief und bitte: Lesen Sie die Texte, über die Sie schreiben, statt zu mutmaßen: Es gibt kein Schweigegebot bei Adorno über den Stalinismus, sondern eine Aussage Adornos zu einem konkreten Text, worin eine Sache, nämlich die Politik Rußlands nicht zum Thema gemacht werden soll. Insofern ist es sinnvoll, auf das, was geschrieben wurde, sich zu beziehen und nicht auf das, was Sie meinen, daß geschrieben sein könnte. Das ist ein Unterschied ums ganze, auch von der Hermeneutik her.

    Ihre Äußerungen zeigen mir allerdings, daß Sie eben die Texte Adornos nicht kennen.

    „Dogmatisch bleibt der Kern der Theorie. Die gesamte moderne Literatur, soweit auf sie nicht die Formel eines sei’s kritischen, sei’s sozialistischen Realismus paßt, ist verworfen, und es wird ihr ohne Zögern das Odium der Dekadenz angehängt, ein Schimpfwort, das nicht nur in Rußland alle Scheußlichkeiten von Verfolgung und Ausmerzung deckt.“ (Adorno, Erpreßte Versöhnung, in: NzL)

    Was Sie hier machen, ist entweder einer partiellen Blindheit bzw. Ihrer Unwissenheit geschuldet oder es geschieht eben in bewußter, eine Position verfälschender Absicht.

    Was nun das Sperber-Zitat betrifft, so kann man das übrigens auch polemisch gegen Sie einsetzen, Herr Kief: Die ganzen Zeit schweigen sie hier über Hitler. Sollte uns dies Anlaß zu Mutmaßungen geben? Vielleicht sehen Sie an dieser Stelle, wie unsinnig solche Mutmaßungen und wie unsinnig solch alogisches Vorgehen ist.

  31. @“Die Angriffe auf Murray und Herrnstein drehen sich immer wieder darum, dass nicht sein kann,was nicht sein darf. “ —– Nein, es geht hier darum dass es erhebliche Zweifel an der Messbarkeit und erst recht der Erblichkeit von Intelligenz gibt. Wer etwas von Genetik versteht der weiß auch dass es kein spezielles Gen für Musikalität oder Rechenvermögen oder Sprachbegabung gibt, weil die DNA so gar nicht aufgebaut ist. Ich bestreite die Zulässigkeit der Forschungsmethode und des Bewertungssystems von den Grundlagen her. Btw. ich habe zum Thema Geschichte der Anthropologie promoviert, verstehe also Einiges von dem Thema.

    Da kommt dann noch hinzu dass das Ganze eben nicht als wertfreie Forschung sondern mit politischer Intention betrieben wurde, oder vorsichtiger gesagt dass es doch sehr arg in diesem Ruch steht.

    Vgl. hierzu Heidrun-Kaupen-Haas und Christian Saller, Wissenschaftlicher Rassismus: Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Stephen Jay Gould, The Mismeasurement of Man, AG gegen Rassenkunde, Deine Knochen – Deine Wirklichkeit

    sowie: https://blogs.scientificamerican.com/voices/the-real-problem-with-charles-murray-and-the-bell-curve/

    Intelligenz – Teil 6: „The Bell Curve“ & das dunkelste Kapitel der Psychologie

    http://www.taz.de/!384452/

  32. „Die Angriffe auf Murray und Herrnstein drehen sich immer wieder darum, dass nicht sein kann,was nicht sein darf.“

    Dieter Kief hält es wieder einmal für überflüssig, einen Angriff auf seine herbeizitierten „Zeugen“ – hier die Kritik Ches an Murray und Herrnstein – argumentativ zu parieren. Das unterließ er schon bei Peterson Pinker, Raffelhüschen und wie sie alle heißen.

    Che2001 legt seine Beschreibung des Sperber-Buchs dar und begründet damit seine Ablehnung, das Buch auf eine Selbstkritik zu reduzieren. Dieter Kief wirft ihm darauf die Errichtung einer „Erkenntnisschranke“ vor. Die Absurdität dieser Aussage besteht gerade darin, dass Che2001 die Erkenntnisschranke Kiefs durchbrochen hat.

    Analoges gilt für das „Schweigegebot in Sachen Sowjetische Gräuel“, welches Kief, unbeeindruckt von Bersarins ausreichender Aufklärung zum Kontext, Adorno unterschiebt. Die Erkenntnisfähigkeit Kiefs beschreibt er selbst dadurch in unübersehbarer Weise: als nicht vorhanden, nämlich.

    Man darf Kief als „Gläubigen“ bezeichnen, der sich ohne Unterlass auf seine „Propheten“ beruft. Naturwissenschaftlicher, philosophischer und historischer Widerlegung zum Trotz hält Kief unerschütterlich an seinem Glauben fest. Sogar das gesprochene Wort eines seiner „Propheten“ – hier Putnam, welcher Diversität langfristig als Gewinn für eine Gesellschaft bezeichnet – vermag daran nichts zu ändern.

  33. Oh. Soeben bemerke ich, dass mein Kommentar gewissermaßen parallel zu jenem Bersarins läuft.

  34. Ja, Bersarin, nur ein Text sollte laut Adorno aus Gründen der „Disziplin“ nichts über Stalins unsägliche Prozesse enthalten. Lt. Manès Sperber ist das aber falsch: „„Es gibt keine Wahrheit, die wir aus taktischen Gründen verschweigen müssten, keinen Betrug, den wir mit Schweigen, und wäre es auch nur vorläufig, übergehen dürften…“.
    Und besonders im Hinblick auf die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, ich habe das oben bereits zitiert.
    Das ist alles natürlich purer Kant.

    @ h. z.
    Putnams Aussagen über die Nachteile der Diversität in Sachen Vertrauen und Kooperationsbereitschaft und im Hinblick auf die Bereitschaft sich für Gemeinwohlziele zu engagieren sind harte sozialwissenschaftliche Erkenntnisse. Und sie passen zu vielen zeitgenössischen Phänomenen wie etwa der sozialen Erosion Berlins.

    Die Zukunft, auf die Putnam sich bezieht, wenn er sagt, Multikulturalität könne dereinst doch einmal ein Segen sein, ist – Ansichtssache, und ist ihm unbenommen.

  35. @ che2001
    Es gibt eine breite wissenschaftliche Drift in Richtung Anerkennung der IQ-Befunde.
    Nicht ganz unbedeutende Fachleute wie etwa die im Intellectual Dark Web von Eric Weinstein vertretenen (Jonathan Haidt, Jordan B. Peterson, Claire Lehman, Steven Pinker) sind der Meinung, dass es den IQ gibt und dass er aussagekräftig sei. Es ist wie so oft: Dass Darwin auch dumme Dinge gesagt hat – auch Kant und Freud und so weiter übrigens, ist wichtig anzuschauen, aber der Darwinismus ist deswegen trotzdem ist heute anerkannt – wie auch die Leistungen Kants und Freuds – oder Adornos und Blochs und Horkheimers…

    Hier ist eine neuere Untersuchung aus Claire Lehmanns online-Wissenschaftsmagazin Quillette. Er ist übrigens ein weiterer Beleg dafür, che2001, dass die Chninesen sich sehr für IQ- und verwandte fragen interessieren, ich zitiere nur einen Ausschnitt, der link zeigt den ganzen Artikel:

    https://quillette.com/2018/08/25/the-dangers-of-ignoring-cognitive-inequality/

    Eine wichtige Stelle aus dem Artikel – niedriger IQ geht einher mit Verhaltensauffälligkeiten und Antisozialer Persönlichkeitsstörung = höherer Gewaltneigung

    I

    The connection between intelligence and behavioral problems, such as Conduct Disorder (CD) or Antisocial Personality Disorder (APD), was well-known around the time of the Port Arthur Massacre. A review by biostatistician and UCSD professor Sonia Jain cites contemporaneous studies to suggest that low IQ scores in childhood should be considered a risk factor for APD and CD. In 2010, several psychologists published results from a longitudinal study containing data on over a million Swedish men, who were tracked from conscription for a little over 20 years. They found that IQ scores tested during conscription were a significant and robust predictor, not only for APD or CD, but for all categories of mental disorders. Conscripts with low IQ were substantially more likely to be diagnosed with one or more mental disorders, to suffer from mood and personality disorders, and to be hospitalized for mental illness. Those in the lowest band—like Bryant—were most at risk of severe psychological disorders.

    Eine andere wichtige Stelle – IQ ist in hohem Maße biologisch bestimmt – ein weiterer Baustein in einer langen wissenschaftlichen Reihe von Nachweisen dieses Faktums:

    II

    Recent research in genomics has confirmed this: a 2018 study in Nature1 used genes sequenced from over a million individuals to examine the genetic contributions to educational attainment. This process allows for the construction of profiles for individual ability by evaluating polygenic scores (PGS). In this study, those within the highest PGS quintile had around a 50 percent likelihood of graduating from college; those in the lowest bracket, only 10 percent. Yet none of this difference in ‘genetic quality’ can be accounted for by individual merit or achievement. It is a difference of crucial importance, yet it is determined for us as individuals by luck alone.

    Es ist bemerkenswert, dass China – anders als der Westen – kein Problem mit der IQ Forschung hat. Ganz im Gegenteil – dieser Artikel z. B. stammt von :

    Wael Taji – nun – und das ist Wael Taji:

    Wael Taji is the penname of a predoctoral student and intelligence researcher working in behavioral economics and neuroscience at Peking University. His first publication, “China’s Urban-Rural Cognitive Divide: Evidence from a Longitudinal Cohort Study,” is currently under review at the journal Intelligence, published by Elsevier. You can follow him on Twitter @coevolutionist

    Reference:
    1 Gene Discovery and Polygenic Prediction from a Genome-Wide Association Study of Educational Attainment in 1.1 Million Individuals by James J. Lee et al, Nature July 2018 https://doi.org/10.1038/s41588-018-0147-3

  36. Ich halte den IQ im Wesentlichen für ein Instrument zur Zurichtung des Menschen um in einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft optimal zu funktionieren odef drastischer gesagt verwertet werden zu können. In den Sozialwissenschaften und der Psychoanalyse im deutschsprachigen Raum jedenfalls wird das ganze Konzept als untauglich verworfen, die Anwendung von Persönlichkeitsinventaren zur Begutachtung halten führende Psychologen sogar für kriminell.

    https://open-mind-akademie.de/hochbegabung/intelligenztests-2/

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_am_Intelligenzbegriff

    Hierzu ist noch zu sagen, dass Eysenck und Jensen Rechtsradikale waren, deren sozialnativistische Vorstellungen in der Rassenhygiene fußen.

    https://www.robertfreund.de/blog/2007/08/28/uber-den-unsinn-von-intelligenztests/

  37. „Die Zukunft, auf die Putnam sich bezieht, wenn er sagt, Multikulturalität könne dereinst doch einmal ein Segen sein, ist – Ansichtssache, und ist ihm unbenommen.“

    Na bitte, wieder eine dieser rohen Unverschämtheiten. Putnam wörtlich: „Immigration and diversity in that sense [Anm. hz: im europäischen Kontext] is in the long run for a country a tremendous asset.[…]. So diversity in general is an asset.“

    Ich habe nichts dagegen einzuwenden, Putnams Erkenntnisse darzustellen, die sich mit den mit Einwanderung verbundenen Problemen befassen – aber korrekt, bitteschön. Er selbst bezeichnet Einwanderung als schwierige Angelegeheit, die allerdings bewältigt werden kann. Man darf, ja man soll sogar, dies als harte sozialwissenschfaftliche Ekenntnisse anerkennen.

    Ich habe alles dagegen einzuwenden, Putnams Erkenntnisse zu den mit Einwanderung und Diversität verbundenen Schwierigkeiten als „Nachteile“ zu bezeichnen.
    Und noch mehr habe ich dagegen einzuwenden, seine aus derselben wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zu den [weitaus überwiegenden] Vorzügen von Immigration und Diversität zu verschweigen. Dieter Kief ist nicht in der Lage anzuerkennen, dass er beim Betrug erwischt wurde. Er spielt deshalb diese Erkenntnisse zur „Ansichtssache“ herunter.

    Dieser Mann, Dieter Kief, lässt sich als Literaturwissenschafter und Philosoph bezeichnen. Als solcher tritt er nach meiner Beobachtung allerdings konsquent nicht in Erscheinung. Das von ihm gezeigte Verhalten ist vielmehr bei Demagogen zu finden. Davon hatten wir in der Geschichte bereits genug. Zudem irrt er gewaltig. Nicht Immigration und Diversität stellen eine Bedrohung für unsere Gesellschaften dar. Die „eigenen“ Leute von seinem Schlage sind es, die den gesellschaftlichen Grundkonsens sprengen, indem sie ihre eigenen Emotionen ad absolutum setzen, basale Denkarbeit ablehnen und ihre Agenda mit intellektuellem Betrug voranzutreiben suchen. Die Verweigerung von bislang allgemein anerkannten Diskursregeln gehört ohne Zweifel zu dieser Taktik.

    Für solche Leute habe ich sehr grobe Realitätschecks parat. Und wenn geordneter Diskurs wegen Ablehnung dessen Regeln nicht mehr möglich ist, formt sich letztlich die nackte Faust zur ultima ratio. Genau darauf legen es Leute vom Schlage eines Dieter Kief offenkundig an.

  38. Und dann kommt Kief zu allem Überdruss und zum erbrechendstenmal hier mit seinem Lieblingthema an, der Vererbung des IQ. Obwohl hier bereits harter Nachweis geführt wurde, dass z.B. einer seiner „Propheten“, J.B. Peterson, unwissenschaftlichen Unfug von sich gibt (IQ < 85 lasse keine wirtschaftlich sinnvolle Beschäftigung zu). Ein anderer, namentlich Pinker, wurde mit seinen Aussagen hier zum harten Widerspruch geführt.

    Man beachte, wie Kief dieses Thema einführt: "Nicht ganz unbedeutende Fachleute" (das waren, so beiläufig erwähnt, Hitler und Stalin auch: nicht ganz unbedeutend). Sie sind der Meinung. Dass es den IQ gibt und dass er aussagekräftig sei.

    Zunächst einmal sei Dieter Kief in Erinnerung gerufen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht auf Meinungen beruhen. Dann sei er darauf hingewiesen, dass eine vorgestellte wissenschaftliche Erkenntnis Bestätigung finden muss, um Geltung beanspruchen zu dürfen. Diese Bestätigung kommt am wirksamsten aus dem Lager der Gegner einer zur Diskussion gestellten Erkenntnis. In der IQ-Forschung bleiben diese Bestätigungen bislang aus, dagegen finden sie heftigen Widerspruch.

    Mit J.B. Peterson habe ich mich zu ausgewählten Standpunkten eingehend beschäftigt. Ich kann feststellen, dass er rein gar nichts an eigener Forschung veröffentlicht hat, was seinen formulierten Thesen widersprechen würde. Er stellt sich selbst nicht in Frage, wie es auch Demagogen üblicherweise zu halten pflegen. Nach meinem Urteil sind solche "Fachleute" mit dem nassen Fetzen davonzujagen. Einen Grund hiezu führe ich am von Kief zitierten chinesischen Vertreter dieser fragwürdigen Zunft vor:

    „The connection between intelligence and behavioral problems, such as Conduct Disorder (CD) or Antisocial Personality Disorder (APD), was well-known around the time of the Port Arthur Massacre.“

    „Well-known“ ist auch die Verbindung von Führungsposition und Merkmalen einer
    antisozialen Persönlichkeitsstörung in der extremen Form der Psychopathie. Betroffen davon sind ausnahmslos Individuen am anderen Ende der IQ-Nornalverteilung. Schon allein damit ist die Vermutung, wohlgemerkt: Vermutung!, des Chinesen vollständig vernichtet, dass niedriger IQ in irgendeiner Weise mit dem Risiko der Erkrankung an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung korreliert. Man muss noch dazu halten, dass die psychopathologische Auffälligkeit im Spitzenmanagement von einer Vielzahl an psychologischen Untersuchungen berichtet wird.

    Yet none of this difference in ‘genetic quality’ can be accounted for by individual merit or achievement. It is a difference of crucial importance, yet it is determined for us as individuals by luck alone

    Der Chinese spricht von Gen-Qualität. Ein Eugeniker am Werk. Kein Wort davon, welchen Einfluss der sozio-ökonomische Status des Elternhauses auf den Ausbildungserfolg haben könnte. Oder die Qualität des Schulwesens. Und Dieter Kief findet kein Problem darin, in welcher Art die von ihm wiederholt hereingezerrte IQ-Forschung unvollständg ist.

    Die Hartnäckigkeit, mit der er auf die Meinungen „nicht ganz unbedeutender Fachleute“ immer wieder zu sprechen kommt, schreibe ich einer mit unerhörter Überheblichkeit zur Schau gestellt absichtsvollen Ignoranz zu.

  39. Noch einmal Herr Kief, es ist das basale Logik: Über etwas schweigen, heißt nicht es zu goutieren: Argumentum ex silentio. Im übrigen hat sich Adorno hinreichend zum Ostblock geäußert.

    Zu den weiteren Aspekten haben che und h.z. das nötige beigetragen.

  40. Entweder es ist nur eine Mischung aus Unwissen, Vorurteil und Überheblichkeit, dann ist es etwas zwischen peinlich und ärgerlich. Oder es handelt sich um das bewusste Unterschlagen und Verdrehen von Sachverhalten um hier tröpfchenweise Fehlinformationen einsickern zu lassen, und das wiederum enspräche einer bewussten Desinformationsstrategie der Neuen Rechten.

  41. Ich muss nochmal kräftig nachtreten.
    Kief leitet ein Zitat des Chinesen mit einer Aneinanderreihung von Worten ein: „Eine wichtige Stelle aus dem Artikel – niedriger IQ geht einher mit Verhaltensauffälligkeiten und Antisozialer Persönlichkeitsstörung = höherer Gewaltneigung“

    Psychopathen gelangen in Führungspositionen gerade wegen ihrer höheren Gewaltneigung – in Wirtschaft und Politik. Der Schaden, den sie dort anrichten, ist unvergleichlich höher. Kief möge sich vor einem Spiegel die Frage stellen, weshalb sich der von ihm so intensiv wahrgenommene IQ-Forschungsausschnitt vornehmlich mit dem unteren Ende der Normalverteilung beschäftigt und welchen Schutzzweck dies erfüllt.

  42. Mal abgesehen davon ist die Tatsache dass in einem der staatsautoritärsten und illiberalsten Länder der Welt nativistische und eugenische Intelligenzkonzepte en vogue sind zwar signifikant aber sicherlich kein Beleg für die international anerkannte Gültigkeit solcher Konzepte.

  43. Aus meiner letzten Anmerkung könnte der Eindruck erwachsen, dass ich der Aussage „niedriger IQ geht einher mit höherer Gewaltneigung“ im Grunde zustimme. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Dem zitierten chinesischen Autor sei zugute gehalten, dass er in seinem mit Denkfallen gespickten Geraune davon wenigstens einmal klar Abstand nimmt: „But much of this correlation is due to street-level petty and violent offenses, not mass murder, and it would be abhorrent — obscene, even — to suggest that people with a low IQ should be treated with suspicion, or as murderers-in-waiting. In almost all cases, these individuals pose a risk to no one but themselves, and are more likely to fall prey to victimization by others.“

    „Victimization by others“ ist der entscheidende Schlüssel.

  44. Nieriger IQ u n d hoher IQ bergen Risiken, das ist klar.

    Ich bringe hier nochmal das Fazit von Wael Taji aus seinem IQ-Artikel, das gerade nicht von Unmenschlichkeit und Kälte geprägt scheint:

    Simply wishing away the fact that the genetic and environmental circumstances of a person’s birth inevitably endows everyone—for better or worse—with a personality, a level of sociability, and an intelligence is a form of denialism that serves only our urge for moral exculpation. Pretending that those burdened with low IQ are just lazy, or lack the appropriate motivation, is a way of absolving ourselves of responsibility to help them. Accepting that intelligence exists, that intelligence matters, and that the less intelligent are equal to us in moral worth and value and thus ought to be helped, constitute the first steps in addressing this increasingly urgent need to fully accommodate the cognitively underprivileged.

    Pinker ist ein hoch angesehener Fachmann, den man natürlich kritisieren kann und kritisieren soll. Aber sein Ansehen ist doch wohl ein Fakt und kommt nicht daher, dass er dauernd falsche Dinge sagt. Dasselbe gilt für Jpnathan Haidt, wie ich finde und für Heiner Rindermann (nochmal: Cognitive Capitalism ist ein hervorragendes buch). Oder für Martin E. P. Seligmann (What You Can Chang…and what you can’t) oder für den Konstanzer Biologen Axel Meyer. Oder für Claire Lehmann und ihr Magazin Quillette. Oder für das Intellectual Dark Web von Eric Weinstein, das diese Leute ja nicht ganz zufällig alle versammelt.

    Nochmal: Ich sage nicht, dass man die nicht kritisieren soll, aber ich sage zugleich, man soll die nicht als Pappkameraden hinstellen. Das wäre nämlich falsch.

    Und klar haben Diversität und Multikulturalismus ihre guten Seiten – aber sie haben auch Nachteile, man kann es übertreiben damit und, sagt Putnam, dann enstehen hohe soziale Kosten.

    @ Bersarin
    Ja, über etwas schweigen heißt nicht, es goutieren. Das ist unstrittig.

  45. „Diversität und Multikulturalismus haben ihre guten Seiten“

    Klar, sie helfen, die Profite zu steigern; egal, was dabei in der Gesellschaft abgeht. Die Vorteile haben die Kapitalisten und die Migrationsindustrie, die Nachteile haben die Gemeinden und die Menschen in ihrem Alltag zu tragen, finanziert vom Steuerzahler.

    Putnam hält die besagten Nachteile für vorübergehend und erwartet, dass sie überwunden werden können, wie es etwa im Amerika des 19. Jahrhunderts geschah („fifty years later, the grandchildren of the WASPs and of the immigrants were comfortable in one another’s presence“).

    Das ist aber so auf die europäische Situation nicht übertragbar, denn die frühere Immigration in den USA erfolgte nicht in die Sozialsysteme, sondern in einen boomenden Arbeitsmarkt, der noch keine besonderen Qualifikationen erwartete. Und die Einwanderer waren keine Muslime, von denen sich die Mehrheit der Integration nach Kräften wiedersetzt.

  46. Die Immigration erfolgte zum großen Teil nicht in einen boomenden Arbeitsmarkt sondern in eine flächendeckende Eroberung von Siedlungsland (Go West). Die Industriegesellschaft war bereits eine geschlossene Gesellschaft die niemanden mehr reinließ. Wird sehr deutlich in Martin Scorseses Film „Gangs of New York“, der die Zeit vor dem Bürgerkrieg als eine Zeit schildert in der der gesellschaftliche Druck den Kessel fast platzen ließ. Auch sind nicht alle Flüchtlnge der aktuellen Welle Muslime, es sind ebenso Christen wie Animisten dabei, und wer sich inwieweit der Integration widersetzt wäre noch zu untersuchen.

  47. Jedenfalls lebte in den USA des 19.Jahrhunderts kein Migrant von Steuerfinanzierter Sozialhilfe. Und natürlich sind die meisten Migranten Muslime, ein Blick auf die Herkunftsländer zeigt das.

  48. Herkunftsländer: Das sind im Augenblick vor allem Syrien, Syrien, Syrien und nochmal Syrien, dann Irak, Nigeria, Afghanistan, Eritrea, Somalia und Iran, im letzten Jahrfünft waren da noch Mazedonien, Serbien, Kosovo und Georgien auf prominenten Plätzen. Bei den Nigerianern sind es etwa gleich viel Christen und Moslems, von Letzteren flüchten viele vor den Steinzeit-Islamisten von Boko Haram. Die Tatsache dass es in Westeuropa abgeschottete Parallelgesellschaften von muslimischen Communities gibt sagt zunächst wenig über den Islam an sich oder über „die Muslime“ als Gesamtkollektiv aus (ein Solches zu konstruieren ist bereits Rassismus, übrigens finden sich da die Elemente des Antisemitismus ganz gut wieder). In Deutschland handelt es sich da grob um drei Arten von Nichtintegration: Nach außen hin abgeschottete islamisch-integristische Moscheegemeinden meist türkischer Provenienz, von Jungmachos dominierte türkische oder nordafrikanische Jugendgangs und mafiöse Klanstrukturen die fast ausschließlich aus Libanesen bestehen. Das sind nicht „die Muslime“ en bloc. Die Netzwerke unter Kurden, Iranern oder Afghanen haben eher mit gegenseitiger Hilfeleistung oder politischer Organisierung und nicht mit kultureller oder sozialer Abschottung gegenüber den Deutschen zu tun und nichts mit Religion.

    Der Witz bei der Gründung von Pegida war ja dass die sich anlässlich einer Unterstützungskampagne der Partei Die Linke für die PKK gründeten und die PKK da Levantinisch mit dem islamischen Fundamentalismus gleichsetzten – Dabei ist das eine strikt laizistische, atheistische, dem Programm nach halb marxistisch-leninistische und halb anarchoisyndikalistische Organisation, bei der übrigens Frauenemanzipation sehr hoch gehängt wird.

    Die soziokulturellen Unterschiede zwischen den einwandernden Gruppen haben wiederum einen Charakter der auf alles andere hinausläuft als auf einen monokulturellen und sich abschottenden Islam. Menschen aus Nigeria haben mit solchen aus Afghanistan, solche aus Syrien mit welchen aus Eritrea etwa so viel gemein wie Guanchen auf den Kanaren mit Samojeden, Isländern mit Griechen, Iren mit Armeniern.

    Btw. dem „mangelnden Integrationswillen“ bzw. dem Festhalten an eigenen Gewohnheiten bei der ersten Einwanderungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir es zu verdanken dass es bei uns italienische und griechische Restaurants gibt, dass vor den Kneipen draußen sitzen sich in Deutschland etablieren konnte und dass wir ein Mafia-Problem haben über das im Gegensatz zur Kriminalität von Orientalen in der Öffentlichkeit wenig gesprochen wird, noch weniger von dem was Triaden und Yakuza oder die Mara Salvatrucia in Deutschland so anstellen. Als übrigens in der zweiten Hälfte der Fünfziger Jahre hauptsächlich Italiener, Spanier und Portugiesen enwanderten sprach niemand von einem Katholikenproblem, wohl aber von Ordungs- und Sauberkeitsproblemen und von einer Bedrohung für deutsche Frauen. Die Perspektive des deutschen Spießers hat sich nicht verändert, nur das Objekt auf die sie sich richtet. Da sind wir dann wieder bei Adornos Elementen des Antisemitismus: „Aber der Jude ist austauschbar.“

  49. „Nieriger IQ u n d hoher IQ bergen Risiken, das ist klar.“

    Wenn das überraschenderweise so klar ist, muss eine Antwort auf die Frage dringend eingefordert werden, weshalb nur über die [vermeintlichen] Risken eines niedrigen IQ gesprochen werden solle, währenddessen allgemein und stilllschweigend akzeptiert wird, dass die psychopathischen Züge von Führungskräften mit hohem IQ in deren unmittelbaren Umgebung enormen gesundheitlichen (und damit volkswirtschaftlichen) Schaden verursachen. Aber nicht nur das. Auch die dramatische Delinquenz von Trägern hoher IQ-Werte wird akademisch gewusst, aus dem gesellschaftlichen Diskurs jedoch völlig ausgespart.

    „[…] das Fazit von Wael Taji aus seinem IQ-Artikel, das gerade nicht von Unmenschlichkeit und Kälte geprägt scheint“

    Der Eindruck ist zu bestätigen. Dazu steht in krassem Widerspruch die Hervorhebung Kiefs, „niedriger IQ gehe einher mit Verhaltensauffälligkeiten und Antisozialer Persönlichkeitsstörung = höherer Gewaltneigung“. Davon abgesehen, dass diese Hervorhebung im Artikeltext keinerlei Deckung findet, zeugt sie durchaus von Unmenschlichkeit und Kälte. Dies sei allerdings nur am Rande erwähnt.

    „Aber sein Ansehen ist doch wohl ein Fakt und kommt nicht daher, dass er dauernd falsche Dinge sagt.“

    Ja, trifft zu. Der Grund dafür ist darin zu suchen und auch zu finden, dass die Ansehensspender (nur für diese gilt das Faktum des Ansehens) auf kritische Distanz verzichten. Sie verdrängen das recherchier- und nachlesbare Faktum, dass die Thesen Pinkers, Petersons und Konsorten auf wissenschaftlicher Ebene höchst umstritten sind. Erst recht verzichten sie auf eigene kritische Überlegungen. Im Sinne des allgemeinen Erkenntnisgewinns ist die [Kult]Ebene, auf der sich dieses Ansehen versammelt, vollkommen irrelevant. Ich hingegen nehme diese Individuen als Pop-Ikonen wahr, denen ich Bauernfänger-Qualitäten zuschreibe.

    Was den Pappkameraden betrifft, sei dringend eine Auffrischung der Begriffsbedeutung anempfohlen. Grundsätzlich gilt: Wer sich des Strohmanns bedient, läuft Gefahr, selbst in Flammen aufzugehen. In diesem Bereich habe ich keine Hemmungen mehr, Feuer zu legen.

  50. Das Verhalten El Mochos/Willys in dieser Diskussion ist schon ein Faszinosum. Er wendet sich gegen Enwanderung und hält sie für ein Unheil, weil, so seine These, die MigrantInnen mehrheitlich Muslime und Muslime mehrheuitlich nicht integrationsbereit seien. Nun ist vom linken Standpunkt her allein schon der Begriff der Integration zu kritisieren, bin ich für eine andere, bessere Gesellschaft ist hierfür nämlich die Desintegration der bestehenden vonnöten, aber sei´s drum. Che erklärt plausibel die Eingleisigkeit und Falschheit der Mochoschen Position, da erstens nicht alle Geflüchteten Muslime sind und noch in den letzten Jahren recht große Gruppen von Nichtmuslimen zu den Geflüchteten gehörten (Serben, Georgier), zum Anderen aber die Integrationsprobleme mit Muslimen in Deutschland Probleme bestimmter Gruppen von Muslimen und nicht aller Muslime sind und die jetzt aktuellen Flüchtlingsgruppen ein noch viel disperseres Spektrum darstellen als die die schon in Deutschland sind und mit diesen ethnisch auch nicht identisch sind, und er weist darauf hin dass es auch mit den heute hochintegrierten Eingewanderten der 2. und 3. Generation früher ernste Integrationsprobleme gegeben hatte die nicht nur mit den Einwanderern selber sondern auch mit der Spießigkeit der Deutschen zu tun hatte. Alles, was El Mocho dazu zu sagen hat ist: „Es stimmt also, die Mehrzahl aller Migranten in Deutschland sind Muslime.“. Noch die differenzierte Widerlegung seiner These nimmt er als Bestätigung wahr. El Mocho/Willy, Dieter Kief und Der Herold haben eines gemeinsam: Sie führen Diskussionen ohne Interesse an Erkenntnisgewinn.Es geht nicht um These – Antithese – Synthese=Lernprozess sondern nur darum, bestimmte Vorurteile und Hypothesen, die allesamt rechts und biologistisch-sozialnativistisch verortet sind, beim Herold kommen noch Verschwörungstheorien á la Kopp-Verlag und ein bizarres Linkenbild das in den Klischees der späten Siebziger Jahre stehengeblieben ist hinzu missionarisch zu verkünden. Jede Kritik daran, auch jede empirische Widerlegung perlt an ihnen ab wie Laserstrahlen am Körper von R2D2. Mit dem Zitterwolf zu diskutieren ist unter Umständen ergiebiger als mit einem dieser drei Trolle. Alles, was mensch ihnen antwortet hat nur einen Wert für mitlesende Dritte und dient im Übrigen dazu, Grenzpflöcke einzuschlagen um die Ausbreitung dieses kruden Denkens zu stoppen.

  51. Mit der Integration ist es solch eine Sache: Wer hier leben will, sollte ein paar basale Grundsätze beachten und die Gesellschaft sollte dafür sorgen, daß diese Grundsätze durchgesetzt werden, ggf. auch mit robusten Mitteln. Dafür ist unter anderem auch der Rechtsstaat da. Wer als Asylant oder Migrant meint, diese Grundsätze nicht zu wollen, sollte sich überlegen, ob er hier in der BRD richtig ist. Wie Integration nicht funktioniert, konnte man gestern in Köln und kann man täglich in Berlin gut beobachten: Stichwort Schulen in bestimmten Problembezirken, Stichwort Parallelgesellschaften und das Unterstichwort dazu: Clankriminalität. Das sind keine Dinge, die man generalisieren darf, aber man muß sie ansprechen. Augen zu und zu tun, als wäre da nichts, wie das gerne bei der No-border-no-nation Linken oder bei den Gutmenschelnden getan wird: dieses Wegducken wird nur noch sehr viel mehr Probleme machen. Ein Aspekt übrigens ist der der Haltung: nämlich die Fähigkeit und den Mut zu besitzen, diese Dinge einfach durchzusetzen. Und bestehendes Recht konsequent umzusetzen. Stichwort § 54 Aufenthaltsgesetz. Die harte Hand führt in der Regel dazu, daß jeder weiß, woran er ist. In der Erziehung heißt dieses Prinzip übrigens „Liebe und Strenge bzw. klare Regeln“. Beides gehört zusammen. Soviel nur in Stichworten zum Thema Migration, Integration und Islam. Dieser ist in der Tat vielfältig und zugleich machen viele Mitglieder dieser Religion hier erhebliche Probleme. Nur eben: Das darf man nicht in Pauschalurteilte verpacken. Da liegt ja gerade der Witz bzw. die Dialektik der Sache. Und in diesem Sinne brauchen wir dringend einen Euro-Islam. Das wird nur mit dem Muslimen gehen und diese müssen sich fragen, ob sie zu Deutschland gehören wollen oder nicht.

  52. Euro-Islam ist meine Rede, lange schon (und oft schon auch hier).
    Auch staatliches Gewaltmonopol. Reformen statt der revolutionären Gewalt.

    Die Integrationsunterschiede zwischen Islamgläubigen und anderen Zuwanderern allein auf soziale Unterschiede zurückzuführen ist die alte linke Irrlehre, es würden motivationale (=einstellungsbedingte) Aversionen/Prädispositionen keine Rolle spielen.

    Das größte Hindernis auf dem steinigen Weg zu einem Reformislam (mir übrigens egal, wie der heißt), sind jedoch Islamgläubige selber – nicht zuletzt dadurch, dass sie elementare Gebote (und auch Gesetze) des zivilen Umgangs missachten: Fragt nach bei Elham Manea und Ahmad Mansour und Seyran Ates…). Wer bei der Feststellung solcher unschöner Zusammenhänge mitzieht, ist ein Verbündeter, wer sie leugnet, ein politischer Gegner.

  53. @Bersarin: Erlauben Sie mir, Ihre Anmerkungen zum Islam aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

    Wenn wir den Begriff „Sittlichkeit“ im rechtlichen Sinn in die Debatte einführen, gewinnen wir sogleich die Abtrennung des religiös motivierten Verhaltens vom zivilgesellschaftlichen bzw. sozialen Verhalten – die religiöse Glaubensausrichtung kann bei dieser Betrachtung vollkommen dahingestellt bleiben.

    Als europäische Zivilgesellschaften haben wir nach einem demokratisch-gesetzlichen Willensbildungsprozess festgelegt, dass geordnete Religionsfreiheit herrsche (hierzulande im Ursprung auf das Josephinische Toleranzpatent von 1781 zurückgehend). Die gesetzlich anerkannten Glaubensgemeinschaften genießen auf dieser Grundlage öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit und haben sich anstandslos dazu gefunden, dass zwischen zivilgesellschaftlicher Sittlichkeit und religiöser Sittlichkeit, wie angeordnet, keine Konflikte bestehen dürfen. Um als Kirche (mittlerweile durchsetzbare) Anerkennung zu finden, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen (Bestandsdauer, Mitgliederzahl, etc., nicht zuletzt: Lehrinhalt)

    Für Religionen, welche nicht alle gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen (etwa Mitgliederzahl) erfüllen können, besteht die Möglichkeit, hierzulande jedenfalls, den Status einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erlangen, was ebenfalls mit der Verleihung der Rechtspersönlichkeit verbunden ist. Sie müssen ebenso mit der zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit in Einklang stehen. Dem Rest an Religionen steht im Prinzip die Vereinsgründung offen. Wer nichts dergleichen unternimmt, hat kein wie immer geartetes Recht auf Ausübung seiner Religion.

    In verbindlichem Unionsrecht übrigens ist im Grundsatz die Gleichbehandlung von Religionen im rechtlichen Geltungsbereich sichergestellt.

    Daraus folgt nun, dass staatlicher Autorität vorbehalten bleibt, gesetzlichen Regelungen unterworfene Religions- und Bekenntnisgemeinschaften, aber auch Glaubensvereine in ihrer Lehre und Praxis zu überwachen. Gegebenfalls, wenn etwa in Lehre und Praxis Konflikte zur zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit entstehen, kann ihnen der verliehene Status aberkannt werden. Ein machtvoller Ordnungsrahmen ist also wegen der unzweifelhaften Vorrangstellung der zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit durchaus vorhanden.

    Wenn wir uns der zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit zuwenden, finden wir Auskunft über deren Beschaffenheit im Strafgesetzbuch und einer überwältigenden Fülle von Verwaltungsvorschriften. Nirgends aber ist geregelt, wie der Morgengruß zu lauten habe, oder dass bei der Begrüßung die Hand zu reichen sei. Die regionale Ausprägung von gelebter Sittlichkeit ist schließlich vernünftigerweise nicht in Gesetzesform zu gießen.

    Was gewinnen wir aber aus dieser Feststellung? Den Mitgliedern der [regionalen] Zivilgesellschaft ist nicht nur zuzumuten, sondern auferlegt, nicht gesatzte Sittlichkeit zu pflegen und durchzusetzen. An diesem Punkt scheitert Integration, wenn sich Mitglieder der Zivilgesellschaft mehrheitlich ihrer Verpflichtung entziehen. Ein besonders krasses Beispiel dafür habe ich in der berüchtigten Kölner Silversternacht beobachtet. Es reicht nicht hin, über abweichendes Verhalten – gleich, welcher Religionsgemeinschaft angehörig – am Stammtisch oder medial sich zu empören.

    Handfest zupacken ist Pflicht, wenn beispielsweise ein Übergriff im Kölner Silvesterkontext beobachtet wird. Dazu besteht sogar das gesatzte Recht. Wenn Mitglieder der Zivilgesellschaft ihre Rechte aus Feigheit, Unwissenheit oder vergleichbaren Gründen mehrheitlich nicht wahrnehmen, haben sie ihren Anspruch auf Gehör verwirkt. Denn dieselben Mitglieder haben ebenso bewirkt, dass der vorhanden Ordnungsrahmen wegen ausgedünnter Mittel (Stichworte: Exekutiv- und Lehrerplanstellen, Bezahlung) nicht mehr ausreichend zur Geltung kommen kann.

    Ich kann mich daran erinnern, dass Sie, werter Bersarin, in einer kleinen Anekdote einmal beschrieben hatten, wie Sie sich mit einzwei anderen schützend-abwehrend vor einen jüdischen Mitbürger schoben, als dieser von einem arabisch stämmig aussehenden Demonstranten angegriffen wurde. So sieht praktizierte Zivilcourage aus. Wie aber sähe eine Zivilgesellschaft aus, folgten Ihrem Beispiel die Mehrheit Ihrer Mitbürger?

    Mit dem Stichwort Parallelgesellschaft befinden Sie sich allerdings auf einem Blindgleis. In Ihrer unmittelbaren Umgebung sind Parallelgesellschaften, geformt von „Einheimischen“, existent. Denken Sie an Führungszirkel in Wirtschaft und Politik und überhaupt an Personenvereinigungen, die sich kollektiv z.B. Standesdünkel hingeben. Das gab es dicht gewachsen schon seit jeher. Für das Unterstichwort Clankriminalität wiederum ist die Staatsanwaltschaft bzw. Exekutive zuständig – und zwar ausschließlich. Dazu aber siehe oben.

    Sie finden regelmäßig meine [unausgesprochene] Unterstützung, wenn Sie dem einen oder anderen Kommentator entgegenhalten, dass es „d e n Islam“ nicht gibt. Ich gehe soweit zu behaupten, dass jemand, der die in seinem Lebensraum anerkannten oder eingetragenen islamischen Glaubensrichtungen aus dem Stand nicht vollständig aufzählen kann, sich zum „Islam“ ablehnend zu äußern, vernünftigerweise nicht berufen ist.

  54. Was die Religion betrifft, so ist die freie Ausübung durchs Grundgesetz geregelt und insofern sie nicht mit bestehendem Recht kollidiert. Hintergrund freilich ist eine christliche Gesellschaft, in die zunehmend der Islam hineinkam. Der Ordnungsrahmen ist ja durchaus vorhanden. Und es ist, hier wie auch in anderen Fragen, wesentlich diesen ggf. auch durchzusetzen. Insofern decken sich diesbezüglich unsere Einschätzungen.

    In der Tat sind die Formen der Begrüßung nicht Teil eines Regelwerkes. Wenn jedoch ein Muslim einer Lehrerin nicht die Hand gibt, weil sie eine Frau ist – hier kommt es nämlich auf die Begründung an -, dann wird es sehr wohl problematisch. Hier haben wir eine Kollision der Interessen. Natürlich kann dieser Muslim es so halten, wie er will. Und ich gehöre dann halt zu jenen, die diese Leute hier nicht goutieren, und entsprechend ablehnend wird auch mein Verhalten diesen Leuten gegenüber sein. Ich werde es zwar nicht ändern können, daß solche Leute hier leben, aber ich bin eben auch nicht gehalten, solche Menschen mit Entgegenkommen zu behandeln. Sie sind eben da.

    Das Problem liegt insbesondere darin, daß wir, also die Gesellschaft, diese Leute ins Land holten, teils für die Arbeit, damals in den 50er, 60er, 70er Jahren und sich eigentlich niemand recht darum kümmerte, was daraus wird. Das ist insofern nicht Schuld dieser Leute, die sich hier verdungen haben, um Geld in die Heimat zu schicken und die ihren Teil zum Aufbau der BRD beitrugen, (insofern gehören diese „Gastarbeiter“ halt irgendwie und in ihrer Weise auch zu Deutschland), sondern die Schuld der BRD, die klar hätte sagen müssen: Hier darf zwei Jahre gearbeitet werden und dann geht es zurück. Oder eben: hier bleiben, hier leben, hier die Sprache sprechen. Diese Dinge zu regeln, wurden in den 70ern versäumt. Und da sind wir dann bei der Frage der multikulturellen Gesellschaft. Ich halte sie für einen der schwersten Irrtümer, sofern nämlich „multikulti“ mit Gleichgültigkeit verwechselt wurde. Dazu noch Teile der Linken, die sich systematisch bei solchen Fragen wegduckt, abwiegelt oder es – schöne Spielmarke – auf „strukturelle Gewalt“ schiebt. Differenz ist eine feine Sache, wenn die Differenzen aber zu groß werden und kulturelle Gepflogenheiten klaffen, die zu gesamtgesellschaftlichen Konflikten führen, macht das Probleme, die man angehen muß. Wir stehen nämlich kurz davor, daß uns diese Fragen hier bei den nächsten Wahlen mächtig um die Ohren fliegen.

    Parallelgesellschaften gibt es in der Tat viele und unterschiedliche. Ich halte den Begriff insofern für wesentlich, weil er eine Form des (asozialen) Außerhalbs beschreibt. (Es geht bei solchen Begriffen übrigens immer auch um eine politische Dimension, die etwas markieren will.) Dazu können dann in der Tat auch Manager, der Adel und bestimmte Leute zählen, die von dieser Gesellschaft einen rein instrumentelle Gebrauch machen. (Wobei Adel und Manager der Gesellschaft durch ihr soziales Engagement – von Kunst bis charity – durchaus etwas zurückgeben. Eine von vielen Parallelgesellschaften sind jene Türken gestern in Köln und in Berlin. Diese Leute sind hier nie angekommen; sie zelebrieren hier ihr Türkei. Das ist teils unsere Schuld, weil die Gesellschaft diesen Leuten nie ein Angebot machte, und teils Schuld dieser Leute, die hier niemals ankommen wollten. Noch die dritte Generation spricht teils ein Deutsch, das mager ist. Mit diesen Kenntnissen ist der soziale Aufstieg schwierig. Worin sich insofern diese Migranten, Gastarbeiter, bzw. auch die dauerhaft hier lebenden Migranten vom Adel und vom Manager unterscheiden: Mit diesen existiert eine gemeinsame Sprache und eine geteilte Sphäre auch von kulturellen Gemeinsamkeiten. Natürlich nicht mit allen, und natürlich gilt dies alles nicht pauschal. Aber wenn ich, wie hier teils in Wien, in der U-Bahn nicht mehr die Sprache verstehe und mich irgendwo auf dem Balkan oder an der Levante glaube, dann ist das nicht die Welt, in der ich leben möchte. Gleiches gilt für den Brunnenmarkt. Ist eine Sache der Ansicht, das weiß ich wohl. Meine Ansichten sind da aber sehr deutlich und ich sperre mich strikt dagegen, daß ein unguter Zustand noch weiter verstärkt wird.

    Insofern ist es auch und vor allem die Aufgabe des Staates, bestimmte Standards für die Integration festzulegen und vor allem: einzufordern und bei Nichteinhaltung zu sanktionieren. Es fängt all dies im Kleinen an, auf dieses Kleine wird nicht gerne geschaut und man muß dafür wohl auch einiges Geld in die Hand nehmen. Läßt man dieses Kleine schleifen, werden daraus irgendwann große Probleme.

    Zu den Clans übrigens empfehle ich den sehr guten ARD-Bericht von dem Magazin Kontraste. Erschreckende Einblicke in eine Parallelgesellschaft, die explizit neben der unseren existiert. Angefangen damit, daß es eine Paralleljustiz gibt. Solche Ausprägungen haben mit vielen Faktoren zu tun, sie treten insbesondere in Gruppen auf, die aus Gesellschaften stammen, wo der Staat kein hohes Ansehen genießt und als korrupt wahrgenommen wird. Und ein weiterer Faktor ist vor allem, daß man diesem Treiben aus was für Gründen auch immer viel zu langezugesehen hat.

    Was das Zupacken und die Zivilgesellschaft betrifft, so wäre das in Köln Aufgabe der Polizei gewesen. Ich habe übrigens zu Silvester in Hamburg ähnliche Araber-Iraner-was-auch-immer-Zusammenrottungen gesehen. Und ich hätte dort nicht eingegriffen, weil mir mein Leben lieb ist. Allerdings hätte ich die Polizei informiert – nur hat das in Köln ja ebenfalls nicht geholfen, wie man bei über 1000 Anzeigen und einer völlig überforderten Polizei vor Ort gesehen hat. Und ich werde auch zukünftig nirgends mehr bei solchen Dingen eingreifen, außer passiv, indem ich die Polizei verständige.

  55. „bin ich für eine andere, bessere Gesellschaft ist hierfür nämlich die Desintegration der bestehenden vonnöten.“

    Klar, erstmal desintegrieren, wie es dann weitergeht, wird sich schon finden. Wie die bessere Gesellschaft dann konkret aussehen soll, wissen wir zwar nicht, aber wir haben die besten Absichten.

    Ich sag euch eines: Sie würde aussehen wie Venezuela oder Nicaragua, wo genau Leute wie Che und Netbitch die Macht übernommen haben. Leider musste man am Tag nach der Revolution mit den gleichen Leuten wie vorher weitermachen, und es ging dann alles in die Hose, trotz aller guten Absichten.

    https://amerika21.de/2018/07/207475/nicaragua-revolution-jahrestag-39

    https://www.deutschlandfunk.de/folgen-der-venezuela-krise-kolumbien-fuehlt-sich.1773.de.html?dram:article_id=427088

  56. Irgendwo weiter oben steht ein Kommentar mit dem Vorwurf bestimmte Kommentatoren würden Diskussionen ohne Interesse nach Erkenntnisgewinn führen. Das empfinde ich durchaus als richtig, aber diese Betrachtung ist eben auch nur einseitig. Man vergisst schlichtweg, dass man selber auch kein besonderes Interesse an neuen Sichtweisen hat.

    Die Diskussion hier ist auf einen guten Niveau, aber leider symptomatisch: Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Eine Seite skandalisiert, die andere nivelliert. Je nach Gesinnung wechseln die Modi auch schon einmal. Mal werden Einzelfälle vorgeführt, dann wiederum unzulässige Verallgemeinerungen vorgenommen. Dabei wird fast immer übersehen, dass beide Extreme Minderheitenpositionen sind, die niemals „zueinander“ finden werden. Das ist auch nicht schlimm, solange nicht in allgemeiner Panik suggeriert wird, dass man sich für die eine oder andere Position zu entscheiden habe. Genau dies geschieht derzeit im politischen Diskurs – vor allem in den sogenannten Massenmedien. Hier entsteht nämlich sukzessive der Eindruck, dass, wer sich nicht dezidiert gegen eine bestimmte politische Position stellt, diese übernimmt. Ausgleichende Meinungen, wie sie @Bersarin hier in den letzten Kommentaren formuliert hat, kommen unter die Räder; sie finden in der Kakophonie der Extreme keine Aufmerksamkeit.

  57. Du scheinst ja sehr genau zu wissen was für Menschen Netbitch oder meine Wenigkeit sind. Macht übernehmen ist schon einmal etwas das für meineneinen gar nicht zur Debatte steht.

  58. Na ja, El Mocho, ich würde nun auch sagen, daß Du nicht wissen kannst, was netbitch und che so denken, dazu nämlich müßtest Du in deren Kopf blicken können.

    Richtig ist allerdings ebenso, daß ich bei all diesen Experimenten mit sozialen Revolutionen desillusioniert bin. Mit den Menschen, die wir hier so haben, ist mir inzwischen diese bürgerliche Demokratie noch die liebste Form. Man muß eben für sein Anliegen Mehrheiten finden. (Daß dabei eine Reihe von Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa die Polit-Macht der Medien, ist nochmal ein weiteres Thema., daß sich hier in einem Kommentar kaum wird beackern lassen.)

  59. @ Gregor Keuschnig: Da kann ich Ihnen sehr zustimmen. Die gesellschaftlichen Zustände und ihre Komplexität zu fassen, ist im Grunde in binären Modellen kaum möglich. Und ein beliebter Fehler ist es eben, daß von „einigen“ auf „alle“ geschlossen wird und daß das Gegenteil von „alle“ eben nicht „nichts“ ist. Diese Komplexität überhaupt zu fassen, scheint in vielen der gesellschaftlichen Debatten mittlerweile schwierig.

  60. Diese Komplexität hatte ich in meinem entsprechenden Kommentar zu fassen versucht. Ich kenne auch andere Beispiele von Nichtintegration, die nichts mit Muslimen zu tun haben. Die Mutter eines meiner Kunden, der selber sehr deutsch ist ist 1981 im Zusammenhang mit der Solidarnosc-Unterdrückung aus Polen eingewandert, lebt also seit 37 Jahren hier und spricht kein Deutsch. Mit meiner Frage ob sie mir die Handynr. ihres Sohnes geben kann war sie überfordert. Russlanddeutsche Zusammenhänge hier (die übrigens militant antiislamisch sind) stellen so etwas wie die fünfte Kolonne Putins dar, über die Aktivitäten der Cosa Nostra (Mafia ist ein Medienbegriff), N´Dranghetta oder Camorra redet kaum jemand, dabei sind die einflussreicher als libanesische Klans. Im Augenblick wird ein Feindbild Islam konstruiert, das sehr parallel zu den Elementen des Antisemitismus aufgebaut ist und dabei der Faktor mafiöse Strukturen generell ausgeblendet, z.B. auch noch ehemalige Geheimdienstbelegschaften aus Rumänien und Bulgarien, die die Schutzgelderpresser- Drogendealer- und Zuhälterszene aufmischen bzw. neu definieren oder Stasi-Seilschaften in Immobilienmaklerkreisen. Integriert in eine deutsche Zivilgesellschaft sind die alle nicht, schwerstkriminell sind sie alle. Ich hatte mal in Hannover ein aufschlussreiches Erlebnis. Da war ein 30 Jahre junger spanischer Gastwirt mit einem 12,7 mm Flintenlaufgeschoss in einer Tiefgarage hingerichtet worden. Der hatte keinen Kopf mehr, das Geschoss war so tief in den Beton eingedrungen dass man es nicht bergen konnte, man hätte sonst das Gebäude abreißen müssen. Unsere Recherchen ergaben dass dahinter eine Bande von Schutzgelderpressern steckte die aus früheren rumänischen Securitate-Agenten bestand, die sich nach der Wende in Mannschaftsstärke nach Deutschland begeben hatte, um dort das zu machen was sie am Besten können. Alle Nichtdeutschen Gastwirte würden von denen erpresst. Außer den Sizilianern, den Kurden, den Palästinensern, den Chinesen und den Japanern. Warum wohl?

    Einer der findigsten und erfolgreichsten Immobilienhökerer die ich kennengelernt habe erzählte mir mal beim zweiten Liter Wein, dass er in einem Topp-organisierten Netzwerk agiere, das nur aus ehemaligen Komiltonen bestehe – alles Absolventen des Marx-Engels-Instituts für Ökonomie, d.h. Stasi. Von den Netzwerken der Burschenschafter mal ab.

  61. Ja, es gibt auch andere Parallelwelten. Um die aber geht es hier gerade nicht, che. Also bitte beim Thema bleiben. Und genau diese Relativieren (und Bagatellisieren) von Problemen unter dem Hinweis, daß da auch Polen sind, die kein Deutsch sprechen, daß auch andere kriminell sind, meinte ich mit dem Wegducken. Diese Leute mag es geben, die sind hier aber in bezug auf Schulen, auf Kriminalitätsschwerpunkte und die mangelnde Integration nicht das Problem. und quantitativ auch nicht weiter relevant. Und die setzen hier auch keine Regeln durch, daß in Schulspeisungen künftig kein Schweinefleisch mehr gereicht wird, die setzen auch nicht die unsinnige Forderung durch, daß muslimische Lehrerinnen Kopftücher tragen dürften. Und in Berlin machen die auch nicht einmal die Woche eine Schießerei, eine Schlägerei oder Übergriffe auf der Straße. Hast Du schon mal die Eröffnung einer katholischen Kirche gesehen, wo über 20.000 Polen mit Polenflaggen aufmarschierten? Oder wenn in Polen ein Referendum abgehalten wird, daß 200.000 Polen auf die Straße gehen? Hast Du schon mal eine Beerdigung eines italienischen Intensivtäters und Clanmitglieds gesehen, wo 2000 Leute mal eben zur Beerdigung aufmarschieren? Übrigens streng getrennt nach Männern und Frauen, die Frauen gehen dann hinterher ans Grab. Zweite Wahl.

    Und das gerade Genannte ist nur die Spitze eines Eisbergs. In Berliner Schulen machen muslimisch geprägte männliche Migranten erhebliche Probleme. Und um einem Whataboutism vorzubeugen: Es gibt auch deutsche Problemkinder. Nur: die sind nicht in die BRD migriert, sondern die sind hier – schon immer. Und die kann man leider auch nicht wieder nach Hause expedieren.

    Und all diese Kritik, die ich hier vorbringe, che, hat nichts mir Antisemitismus zu tun, sondern es geht hier um die Koppelung von kulturellen Ausprägungen, Verhaltensweisen im Sozialen und Religion. Ein Kausalnexus übrigens, der doch ansonsten gerne von links in Anschlag gebracht wird. Ach ja, und der Antisemitismus: der kommt übrigens bei der muslimischen Community auch noch hinzu, ich vergaß.

    Kritik an dieser Art des Islams, an den Integrationsunwilligen ist nicht antisemitisch, sondern absolut notwendig. Im übrigen sehe ich auf der Straße hier keine polnischen, russischen oder italienischen Jugendgangs, außer vielleicht in Hohenschönhausen, da trauen sich die Messer-Musels nicht hin, sondern es sind in den Polizeiberichten der Stadt überwiegend Araber und Türken, die hier und auch anderswo Probleme machen. Und über genau diese Leute reden wir hier: nicht über die Mafia. Insofern bitte beim Thema bleiben, che, und hier keinen Nebenschauplatz aufmachen.

    All diese Dinge haben auch etwas mit der Herkunftskultur dieser Leute zu tun, und die ist eben islamisch geprägt. Zwar ist der Islam nicht im ausschließlichen Sinne Ursache, aber er läßt sich im Sinne kultureller Prägung genausowenig ignorieren, weil es gerade nicht so gut ins Weltbild paßt. Und fragen der Schulspeisung, des Kopftuchs im öffentlichen Raum, der Rolle von Frauen, speziell von Lehrerinnen: Alles das hat – auch – etwas mit der religiösen Herkunft zu tun. Die gegenwärtige Linke scheitert übrigens gerade auf ganzer Linie, weil sie sich diesen Problemen beharrlich verweigert. Mit dem naiven Slogan „No border, no nation“ lassen sich im Augenblick wenig Stimmen gewinnen. Die brauchst es aber in einer parlamentarischen Demokratie für einen Politikwechsel.

  62. Und noch etwas, che: Wenn jährlich etwa 200.000 Muslime in die BRD migrieren, teils weil sie Asyl suchen, teils weil ihnen hier die Sozialsysteme angenehm scheinen, dann ändert und macht das etwas mit einer Gesellschaft. In diesem Sinne übrigens hat der gute Herr Seehofer, den man entstellend zitiert hat, teils recht: Die Migrationsfrage ist vielleicht nicht die Mutter – in diesem Falle wohl eher, hohoho, der Vater – aller Probleme, wohl aber eine entscheidende Frage, über die zu sprechen ist. Welche Art von Einwanderung wir hier wollen. Und es ist die Frage nach der Weise, wie wir hier und mit wem wir hier leben wollen. Wie geschrieben: Kopftuch- und Moscheedebatten haben wir bereits. Die hatten wir hier vor 30 Jahren nicht in diesem Ausmaß.

  63. che’s Kommentare sind exemplarisch für das, was ich Relativierungen nenne. Weil es die Mafia oder rumänische oder sonstwelche Schutzgelderpresser gibt, sind arabische Clans nicht so schlimm. Und weil Banker, Architekten, Bäcker oder Immobilienmakler Netzwerke haben, sind migrantische Parallelgesellschaften nicht relevant.

    Schon klar: Das ist nicht so gesagt worden. Aber es wird eben suggeriert. Natürlich kann man sagen, dass muslimische Friedensrichter in D ihre Klientel befrieden. Schließlich hat die Mafia in Teilen von Italien ja längst die Aufgaben des Staates übernommen und agiert dort als dritte Gewalt. Um polemisch zu werden: Dann sind die rechtsfreien Zonen in Meck-Pomm irgendwann auch nicht mehr so schlimm?

    @Bersarins Schluß, dass man diskutieren muß, welche Art von Einwanderung man möchte (und welche nicht), ist nur möglich, wenn innerhalb der Gesellschaft eine Verständigung über einen politischen und auch kulturellen Kanon erzielt wurde. Ein abstraktes Bekenntnis zum Grundgesetz ist was für Sonntagsredner. Habermas‘ „Verfassungspatriotismus“ elfenbeinfarbener Wohlklang. Die Gretchenfrage ist, was eine Gesellschaft duldet und was nicht. Wo sind die Grenzen eines Laissez-faire-Werterelativismus? Und wie wird dies umgesetzt. Die Diskussion scheint schwieriger denn je, weil jeder Form einer solchen Auseinandersetzung wird als Eingehen auf die Positionen der AfD denunziert. Das ist übrigens ähnlich dem Gerede in den 60er Jahren, als die rebellischen Positionen pauschal als kommunistische Unterwanderung diffamiert wurden.

  64. Bersarin, wenn ich von einem strukturellen Antisemitismus sprach entsprechend den Elementen des Antisemitismus aus der Dialektik der Aufklärung dann bezog sich das, das kannst Du oben nachlesen, immer auf die Argumentationsfiguren von El Mocho, niemals auf Dich. Ich weiß nicht ob es Massenaufmärsche bei Beerdigungen von Mafiosi in Deutschland gibt, wohl aber dass auch bei der Beisetzung eines deutschen Genossen von mir etwa 1000 Autonome erschienen sind, oder bei der Beisetzung des afghanischen Onkels einer Kollegin 2000 Afghanen die allerdings überhaupt nicht kriminell und hochintegriert sind (viele essen totz ihrer Religion Schweinefleisch) so what? Bei mir zu Hause gibt es polnische, russische, kroatische und serbische Jugendgangs aber keine arabischen, weil bei mir zu Hause, von den Flüchtlingen im Sammellager abgesehen fast alle Araber entweder in der Gastronomie arbeiten oder studieren, die Polen, Russen und Jugos aber Malocher oder Subproletarier sind mit ausgeprägter Armutskriminalität. Ich habe oben ganz klar darauf hingewiesen welche muslimischen Problemgruppen es aus meiner Sichtweise gibt (libanesische Klans, türkische und arabische Streetgangs, fundamentalistische Moscheegemeinden), lasse mir also nicht anhängen hier zu beschönigen, wegzuducken oder abzuwiegeln. Habe allerdings auch einige Jahre Engagement in der Flüchtlingssozialarbeit auf dem Buckel, die Perspektive dürfte einigen der hier Diskutierenden mal ganz gut tun.

  65. Nein, Gregor Keuschnig, meine Argumentation läuft auf etwas völlig anderes hinaus. Bin jetzt auf dem Sprung zu einem Kunden, daher später mehr.

  66. Ich bin schon dafür, aufzutrennen, worüber man debattiert. Und hier steht eben nicht die Frage nach der Mafia oder nach anderen Kriminellen oder nach unterschiedlichen Jugendgangs im Vordergrund – in Berlin und auch Hamburg überwiegend Türken und Araber, teils auch Jugos. Das schließt nicht aus, daß es eben auch deutsche Formen der Armutskriminalität gibt und daß es ebenso mit bestimmten Deutschen Probleme gibt. In Hamburg existierte in den 70er Jahren extra ein Rockerdezernat. Nur eben: das waren unsere eigenen Leute und keine von außerhalb hier importierte Kriminalität. Insofern 1.: Man man muß immer genau sehen, worüber man debattiert. Wenn wir über Rechtsradikale in Sachsen oder Meck-Pomm reden, wäre wohl ebenfalls niemandem gedient, wenn einer plötzlich mit türkischen Jugendgangs kommt und mit Quasi-No-go-Zonen in bestimmten Vierteln Berlins und daß es sowas ja auch anderswo und auch von Nichtdeutschen gibt und dann kommt man noch mit den Grauen Wölfen. (Die wir uns ebenfalls importiert haben. Warum eigentlich?) Und Insofern 2.:, auch um der Einwanderer willen, die ihr angetreten sind, ein besseres Leben zu wagen: Two strikes and you are out! Solche Härte und die konsequente Befolgung und Auslegung von Gesetzen spricht sich in der jeweiligen Community schnell herum. Und gerade um der Flüchtlinge willen scheint mir dieses konsequente Durchgreifen geboten. Und was die Integration betrifft, so hat das auch etwas mit einer Haltung zu tun, die ich bei einer bestimmten Linken vermisse.

    Was nun die Beerdigung betrifft, che, so gehe ich mal davon aus, daß jener Afghane kein Intensivtäter war. Da eben liegt für mich der Unterschied: gerne können 1000 Leute zu einer Beerdigung kommen. Das hier aber in Neukölln war zugleich ein eindeutiges Zeichen: seht her! Übrigens bin ich auch in diesem Milieu in bezug auf die Kinder für ein hartes Durchgreifen. Kindesentzug in kriminellen Clanfamilien wg Kindswohlgefährdung zum Beispiel, um diesen Teufelskreislauf mal aufzubrechen. Mit Phantasie und unter konsequenter Auslegung des Rechts und ggf. indem neue Paragraphen geschaffen werden, ist vieles möglich. Und genau das meine ich mit meiner Kritik an einer bestimmten Linken, daß da viel zu lange abgewiegelt wurde. Berlin ist da ein gutes Beispiel, r2g, besonders die Linkspartei und die Teile der Grünen, aber auch der SPD sind hier ein Verhängnis. Das fängt mit Leuten wie Sawsan Chebli an. Früher unter einem Helmut Schmidt wäre dieser Härte genauso Part der SPD gewesen – wobei an dem mangelnden Interesse für die Integration in den 70er Jahren eben auch die SPD ihre Schuld trägt: organisierte Gleichgültigkeit. Inzwischen liegt in den Umfragen die AfD sogar noch vor der SPD. Hier könnte man gut über die Ursachen für solche Verschiebungen nachdenken.

    Insofern, auch in bezug auf die Jugendgangs: Man sollte sich sehr gut überlegen, wen man sich ins Land holt und wen besser nicht.

  67. Zum politischen Islam im arabischen Raum hier auch noch ein feiner Link.

    „From Orwell to ‘Little Mermaid,’ Kuwait Steps Up Book Banning.
    No book, it seems, is too substantive or too insignificant to be banned in Kuwait. Recent targets of the government’s literary censors include an encyclopedia with a picture of Michelangelo’s David and a Disney version of “The Little Mermaid.”

    Hui, hui, voran erinnert mich das von einer bestimmten Linken her politisch nur? An jene Stokowskis und die Lantzschs und die Mädchenmannschaft et all.

  68. @ Gregor Keuschnig, Besarin, che2001

    Der Islam ist ein Problem, der Euroislam wird nicht von rechts bedroht, sondern von Islamischer Seit cf. David Murrays faktengesättigtes und sehr umsichtiges und ziviles Buch „The Strange Death of Europe“.

    Heinz Buschkowsky als einer derer, die die Realität der islamischen Parallelgesellschaft in Berlin kennt und anprangert, hat sich gerade voll und ganz hinter Thilo Sarrazins Islam-Buch gestellt. Nun soll auch er aus der SPD raus! – „Haltet den Vernunft-Dieb!“

    https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/dass-meine-botschaften-unangenehm-sind-ist-klar/

    In Thilo Sarrazins neuem Buch über den Islam wird Gregor Keuschnigs Gretchen-Frage mit Material über Material – mit Fakten über Fakten unterfüttert. Von den Heiratsbräuchen, die sich eben eklatant von denen der Deutsch-Russen z. B. unterscheiden, bis hin zu der Einstellung gegenüber westlichen (=universalisierbaren) Werten und der Beschäftigungsquote.

    Lauter Fakten, wie gesagt, die deutlich machen, dass Einwanderer mit islamischem Hintergrund – – n i c h t so integriert sind wie diejenigen aus Japan, Schweden oder Korea oder halt der ruhmreichen Sowjetunion.

  69. @Bersarin: Welch opulente Replik – danke dafür!

    Anhand des unterbliebenen Handschlags gegenüber einer Lehrerin möchte ich zunächst exemplarisch zeigen, wie die Betrachtungsweise die gezogene Schussfolgerung beeinflusst. Der verweigerte Handschlag kann unter ganz bestimmten Umständen durchaus die Qualität einer Beleidigung erreichen, einem Privatanklagedelikt also (im deutschen Strafrecht wird, wenn ich nicht völlig danebenliege, von einer Privatklage gesprochen). Genauso verhält es sich mit der beharrlichen Anrede mit einem unerwünschten „Du“. Ohne die Bedeutsamkeit der Verletzung – das ist solch verweigerter Handschlag, eine Verletzung der Ehre nämlich – bewerten zu müssen, kann unmittelbar festgestellt werden, dass der/die Verletzte vom Gesetz nicht wehrlos gestellt ist. Die Klagsmöglichkeit besteht grundsätzlich.

    Zu bewerten hingegen ist der tatsächliche Gebrauch dieses Rechts; damit sieht es aber nicht allzu gut aus. Von jedem Mitglied einer resilienten und wehrhaften Zivilgesellschaft muss erwartet werden, dass es seine Rechte ausübt. Die aus der Unterlassung resultierenden Konsequenzen einer unerwünschten gesellschaftlichen Entwicklung sind demnach nicht den Normverletzern – gleichgültig, welcher Religion sie angehören – anzulasten, sondern den rechtlich untätigen Mitbürger:innen selbst. Gerade auf der Ebene der alltäglichen Kleinigkeiten gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter.

    Für das Beispiel der Lehrerin trifft aber noch ein anderer, spezifischerer Betrachtungswinkel zu. Als Behördenmitarbeiterin hat sie keineswegs die Möglichkeit, sich die angebotenen Umgangsformen aussuchen. Mit dem Gesprächsabbruch gleich zu Beginn der Unterredung mit einem Elternteil hat sie sich ins verwaltungsrechtliche Unrecht gesetzt. Diese Erkenntnis dürfte wesentlicher Beweggrund für die förmliche Entschuldigung der Schulleitung beim betroffenen Elternteil gewesen sein.

    Damit komme ich zum dritten Aspekt des Beispiels. Der Betroffene ist Muslim und darüber hinaus Imam, ein Würdenträger seiner Religion also, der sich gegenüber der Lehrerin einer anderen, seiner Kultur entsprechend hohen Ehrbezeigung befleißigte. Die Lehrerin hatte die Bedeutung der Geste weder verstanden, noch hatte sie sich, offenkundig, darum bemüht. Hier wird die verworfene Chance zur Integration auf die krasseste Weise sichtbar. Wer die Höflichkeitsformen anderer Kulturen zu erkennen und verstehen lernt, wird sich ungleich leichter tun im Umgang mit dem fremdländischen Gegenüber. Mit dem bewussten Verzicht auf dieses Verständnis setzt man sich dagegen der Gefahr aus, als Dumpfbacke wahrgenommen zu werden.

    Zu den heimischen Umgangsformen zählt übrigens, einer Richterin (aber auch einem Richter) nicht die Hand zu reichen. Eine Verbeugung – wahrnehmbare Andeutung ausreichend – zu Beginn und zur Verabschiedung ist geboten. Doch sei das nur im anekdotischen Sinne erwähnt.

    Völlig konform gehe ich mit Ihnen hinsichtlich des historischen Rückgriffs auf Gastarbeiter, denen – wie Sie aus meiner Sicht zutreffend bemerken – blanke Gleichgültigkeit entgegengebracht wurde. Ob diese Gleichgültigkeit nur Teilen der Linken anzulasten ist, würde ich im Lichte des vorhin Ausgeführten nicht ernsthaft in Diskussion ziehen wollen. Dass gelingende Integration Geld kostet, liegt ebenfalls auf der Hand. Meines Erachtens wird aber das Aufklärungspotenzial in der heimischen Bevölkerung nicht einmal im Ansatz wahrgenommen. Dieser Hebel wäre meiner Einschätzung nach sehr mächtig.

    Ihrer Empfehlung, werter Bersarin, bin ich gerne gefolgt und habe nicht nur den Kontraste-Beitrag angesehen, sondern auch das nachfolgende „Q&A“ im Studio. Mein Eindruck mit einem Wort zusammengefasst: furchtbar. Mir war nicht bekannt, welche Zustände sich in Deutschland bereits etabliert haben. Am heftigsten aber hat mich eine Antwort des Berliner Oberstaatsanwaltes in der Sendung erschüttert. Auf die Frage, ob der Staat angesichts der Clan-Kriminalität machtlos sei, gesteht er unumwunden ein, dass die Justiz zulange zugesehen habe, dass sich kriminelle Strukturen verfestigen. Es wäre sicherlich besser gewesen, frühzeitig dazwischenzutreten, ergänzt er noch. Dies höre und sehe ich und fasse mir ungläubig an den Kopf. Das bedeutet nämlich, dass die Entwicklung wohl erkannt, aber verleugnet wurde. Dort würde ich in der Tat für angemessen halten, mit dem Vorwurf des „Wegduckens“ anzusetzen. Jetzt wird es wohl sehr viel mehr Geld kosten, die Folgen der Versäumnisse einzudämmen und die sprichwörtliche verschüttete Milch aufzuwischen.

    Was persönliche Ansichten betrifft, ist das so eine Sache. Lassen Sie mich eine kleine Schnurre wiedergeben, die mir ein lieber Freund (er verzeihe mir) kürzlich erst erzählte. Es begab sich, dass er sich mit einer Einheimischen dunkler Hautfarbe in einem Nichtraucherlokal traf. Mangels Aschenbecher am Tisch trat die Dame ihre Kippen auf dem Boden aus. Von einer Kellnerin wurde die Dame bestimmt aufgefordert, das Rauchen einzustellen oder das Lokal zu verlassen. Vor dem Lokal schließlich beklagte sich die Dame über einen rassistisch motivierten Rausschmiss. Nun kann man sich bemühen, die Dame zu beschwichtigen. Man kann sie aber auch fragen, ob sie noch alle Tassen im Schrank hat angesichts der vollzogenen absichtsvollen Verunreinigung des Lokalfußbodens, weswegen sie gerechtfertigt zur Ersatzleistung für erforderliche Reinigung heranzuziehen wäre. Von der Herabwürdigung des Lokalpersonals durch die Verunreinigung mal ganz zu schweigen. Ist es wirklich Ansichtssache, oder eine Frage der Haltung, für welche Möglichkeit man sich entscheidet? (der liebe Freund hat sich einer gänzlich anderen Möglichkeit bedient)

    Als bereits etabliert, so möchte ich meine Ausführungen beschließen, darf gelten, dass gesetzlich (allgemeiner: staatlich) anerkannte Religionen einer strikten Reglementierung (indisponible Vorrangstellung der zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit) unterworfen sind. Die Frage nach einem „Euro-Islam“, wie vorgeschlagen, kann sich daher vernünftigerweise nicht mehr stellen.

  70. @Bersarin „Das fängt mit Leuten wie Sawsan Chebli an.“ Was fängt mit der an? Das Einzige was ich von der weiß ist, dass sie, als sie ein Mann bei einem öffentlichen Plenum mit „Schöne Frau“ begrüßte sofort gegen ihn Anzeige wegen sexueller Belästigung erstattet hat. Die Steigerungsform von repressiven Moralinfeministinnen wie Lantzsch und Co. Daher weiß ich nicht was Du mir mit diesem Satz sagen willst.

    @H.Z. „Damit komme ich zum dritten Aspekt des Beispiels. Der Betroffene ist Muslim und darüber hinaus Imam, ein Würdenträger seiner Religion also, der sich gegenüber der Lehrerin einer anderen, seiner Kultur entsprechend hohen Ehrbezeigung befleißigte. Die Lehrerin hatte die Bedeutung der Geste weder verstanden, noch hatte sie sich, offenkundig, darum bemüht. Hier wird die verworfene Chance zur Integration auf die krasseste Weise sichtbar.“ In der Tat, er verweigerte ihr den Händedruck weil dem Imam nicht die Hand gegeben wird und begrüßte sie seinerseits mit der Hand auf dem Herzen, im Islam eine hohe Ehrenbekundung. Beim Militär oder in der Seefahrt ist ein Offizier mit der Hand über dem Auge zu grüßen, Handschlag gibt es nur bei Beförderungen oder Ordensverleihungen. Das sind halt verschiedene kulturelle Codes.

    @Bersarin „Ich bin schon dafür, aufzutrennen, worüber man debattiert. Und hier steht eben nicht die Frage nach der Mafia oder nach anderen Kriminellen oder nach unterschiedlichen Jugendgangs im Vordergrund – in Berlin und auch Hamburg überwiegend Türken und Araber, teils auch Jugos. Das schließt nicht aus, daß es eben auch deutsche Formen der Armutskriminalität gibt und daß es ebenso mit bestimmten Deutschen Probleme gibt.“ Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus. Seit Monaten diskutiert die deutsche Öffentlichkeit in ihrer wirklich sehr breiten Medienpräsenz, Trivia wie das Liebesleben der Lombardis, Deutschland sucht sonstwen oder Gendergaga nehme ich mal raus über nichts anderes als die Diesel-Krise und das Flüchtlingsproblem, letzteres mit breiter Fokussierung auf Kriminalität von Geflüchteten bzw. Arabern. Die von mir genannten Beispiele wie Kriminalität sonstiger, nichtmuslimischer MigrantInnen oder deutscher Seilschaften sind eben gar kein Thema für die Öffentlichkeit. Warum nicht? Weil sich die Neue Rechte auf die Muslime eingeschossen hat und anhand tatsächlich vorhandener und in nichts zu beschönigender Massendeliquenz eine Propaganda betreibt, bei der die muslimischen Geflüchteten und Eingewanderten nur das Mittel zum Zweck sind um die Gesellschaft insgesamt in die Richtung Irrational-autoritär-rechtskonservativ zu kippen, und alle machen wie die Blöden mit. Im Grunde regieren AFD, Pegida usw. schon mit, wenn etablierte Parteien auf deren Forderungen indirekt eingehen, indem sie etwa Abschiebungen forcieren. Ich bin voll bei Dir wenn es darum geht gegen die Unterdrückung islamischer Frauen zu sein, gegen „Sharia-Polizei“ auf deutschen Straßen oder Hassprediger in Moscheen. Aber es dermaßen in den Fokus zu stellen wie Du es tust mit einem, sorry, anders kann ich es nicht ausdrücken, so kommt es bei mir an, rechtsautoritären Furor und zugleich der permanenten Nichtbereitschaft, sich in andere Wahrnehmungen hineinzudenken, da stellt sich mir dann die Frage, ob das was Du hier schreibst nicht letztendlich dem Pegida und Co Spektrum sehr nützlich ist.

  71. Weil es mir gerade eingefallen ist und im debattierten Kontext relevant erscheint, möchte ich noch ein Dilemma aufzeigen. Ich hatte oben an Ihre mutige Aktion erinnert, gemeinsam mit anderen schützend vor einen jüdischen Mitbürger sich zu stellen. Gegeben sei, dass eine Frau an der mutigen Aktion sich beteiligte. Nachdem die drohende Gefahr abgewendet ist, bedanke jener jüdische Mitbürger, der ein orthodoxer Rabbiner sei, sich bei Ihnen und anderen mit Handschlag. Mit Ausnahme der Frau. Was nun?

  72. @ che: mit Leuten wie Chebli meinte ich jene lasche und laue Haltung. Bei der einen Sache, nämlich den Problemen, die existieren, abwiegeln, kleinreden, schönreden, und bei solchen Sachen wie „schöne Frau“ ein Faß aufmachen, als wäre gerade Hitler in Polen eimarschiert. Doppelte Standards also. Mit Leuten wie Chebli wird es die SPD noch zu einer Partei schaffen, die im einstelligen Prozentbereich dümmelt. Man muß die SPD nicht mögen, aber das hat diese ehemalige und große Volkspartei nicht verdient.

    Und noch einmal, che, mein Hinweis an Dich: bitte die Diskussionsbereiche genau zu differenzieren. Und weil eine bestimmte Rechte mit dieser Kriminalität der Tat Propaganda macht, kann es kaum der Sinn sein, als Gegenpropaganda einfach diese Dinge unter den Tisch fallen zu lassen. Besännen sich SPD (als ehemalige Volkspartei) und die CDU und bei den Linken sind es lediglich Wagenknecht und Lafontaine auf dieses Thema und schaffen keine lang- und kurzfristige Lösungen, dann werden es eben andere tun. So einfach ist dieses Prozedere im Grunde.

    Was nun die mediale Darstellung betrifft, so tobt gerade ein Kampf um Deutungen. Das beste Beispiel ist das fragwürdigen Chemnitz-Hase-du-bleibst-hier-Video, wo nicht mehr zu sehen ist als das, was wochenendlich vor deutschen Fußballstadien sich zuträgt, um mal die Argumentationsmuster einer bestimmten „Linken“ zurückzuspiegeln.

    „um die Gesellschaft insgesamt in die Richtung Irrational-autoritär-rechtskonservativ zu kippen, und alle machen wie die Blöden mit. Im Grunde regieren AFD, Pegida usw. schon mit, wenn etablierte Parteien auf deren Forderungen indirekt eingehen, indem sie etwa Abschiebungen forcieren.“

    Abschiebungen, che, sind nicht rechtskonservativ, sondern ein legales, rechtsstaatlich gedecktes Mittel, um solche, die nicht unters Asylrecht fallen und solche, die hier schlicht nicht erwünscht sind, weil sie wiederholt straffällig wurden, in ihre Heimat zu expeditieren. Und das ist richtig so. Diverse Messermorde, von dem Arzt in Darmstadt dieses Jahr, bis hin zu der Jugendlichen in Wiesbaden und dem Mann in Chemnitz, die alle noch hätten leben können, wenn der Rechtsstaat konsequent Recht umgesetzt und nicht hätte.

    Und wenn in Berlin und anderswo in der BRD die Polizei bei bestimmten Gruppen von – meist islamisch-migrantisch gepägten Gruppen – in Mannschaftswagenstärke anrückt, weil Jugendliche sofort einen ganzen Araber-Clan mobilisieren, dann sind das reale und relevante Probleme. Wenn wie in Chemnitz jugendlich, männliche Asylbewerber seit Jahren Probleme machen, dann muß darüber gesprochen und vor allem müssen Maßnahmen getroffen werden. Eine davon ist die Rückführung dieser Leute und ggf. sofern das juristisch nicht möglich ist, die Internierung von Straftätern, bis sie das Land freiwillig verlassen. Hierzu müßten allerdings Gesetze geschaffen werden.

    Daß die Linke, die von der Staatsgewalt eher wenig hält, für diese Maßnahmen nichts übrig hat und dann eben zur Strategie des Bagatellisierens greift oder das beliebte Rechtsnarrativ fährt, ist mir schon klar. Denn die staatliche Durchsetzung von Gesetzen ist ja von Übel. Nur: Anders als so und mit der konsequenten und harten Hand eines Rechtsstaates ist dem Problem nicht beizukommen.

    „da stellt sich mir dann die Frage, ob das was Du hier schreibst nicht letztendlich dem Pegida und Co Spektrum sehr nützlich ist.“

    Von der Argumentationslogik ist das Nonsense, das ist Dir schon klar, nicht wahr? Denn genauso ließe sich der Satz umformulieren: Gerade dadurch, daß einstmals etablierte Volksparteien diese Dinge endlich zum Thema machen und nicht wegmerkeln, werden es dies Parteien ermöglichen, nicht der AfD das Feld zu überlassen. (Davon ab, daß dieser Satz von Dir eben ein unterstellender und rein assoziierender logischer Fehlschluß ist. Weil Sache X relevant ist, aber den Falschen nützt, darf die Sache x nicht angesprochen werden. Gilt das dann übrigens umgekehrt auch für rechtsextreme Taten, deren Ansprechen ja nur der Linken nützen? ) Wegen genau solcher Sätze, wegen genau dieses Wegduckens vor Problemen übrigens ist die Linke gerade auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Versucht doch mal auf der Straße mit solchen Positionen oder mit „No border, no nation“ in einer Demokratie Stimmen zu gewinnen. Das wird bestimmt lustig.

    @ h.z.: Genau da, bei diesem Handschlag und bei diesem Imam liegt das Problem. Der Mann muß es nicht tun. Und das Gebenüber muß solche Leute hier nicht goutieren. Alles eine Frage der kulturellen Codes. Solche Fragen mögen sich noch über kulturelle Differenzen auflösen (oder eben verfestigen) lassen. Sie sind nicht das eigentliche Problem, weil man dafür noch irgendwie einen Umgang finden kann, insofern ist dieser reale Fall nur ein Beispiel für kulturelle Differenzen (und eben für die Frage, ob ich solche Leute hier haben will. Mein Statement ist hier klar: nein, will ich nicht.) Sehr viel problematischer wird es, wenn Lehrerinnen von islamisch geprägten Schülern nicht akzeptiert werden, wenn plötzlich (in öffentlichen Schulen wohlgemerkt) Forderungen nach getrennter Erziehung, nach getrenntem Sportunterricht etc. erhoben werden, wenn Mädchen nicht mehr auf Klassenfahrten mitdürfen. In einem Kulturkreis wohlgemerkt, in den die Fordernden migriert sind und wo man als Akömmling vielleicht einfach mal den Hals hält und sich an die tradierten Modelle im Bereich des öffentlichen Wesens hält. Was diese Leute zu Hause treiben, ist deren Privatsache. Ich kenne hier Lehrerinnen, die Zustände beschreiben, die erschreckend sind. Und in diesem Sinne würde mich natürlich auch interessieren, was Melusine Barby hier als Lehrerin zu sagen hat, eine Person.

    Ja, was die OK und auch die Straßenkriminalität der Clans betrifft, so ist hier viel versäumt worden und es sollten diese Fehler nicht noch einmal gemacht werden, indem sich hier Parallelstrukturen verfestigen. Und insofern sollten wir uns gut überlegen, wen wir ins Land uns holen und wen besser nicht. Unangetastet vom Asylrecht. (Nur heißt auch dies nicht dauerhaftes Bleiben, sondern nur vorübergehendern Schutz und anschließende Rückführung.)

    Was diese Zigarettensache betrifft, so hätte ich die Dame ganz einfach hinausgeworfen. Und hätte ihr das Instrumentalisieren von Rassismus bis ins Detail vorgerechnet und insofern de Spieß einfach umgedreht. Harte Hand eben und davon ab, daß ich keine Probleme damit habe, von einer bestimmten Linken als rechts oder als Rassist wahrgenommen zu werden. Im Gegensat zu den Haltungslosen lasse ich mich von solchen durchschaubaren Strategien des instrumentellen Gebrauchs solcher Begriffe und damit auch deren Entleerung nicht einschüchtern. Und das sollten viel mehr Leute beherzigen.

    Wie gesagt: Es ist nicht die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, sondern ob er zu Deutschland gehören will. Hier sind im Religionswesen grundsätzliche Änderungen erforderlich, und es kann nicht angehen, daß hier der politische Islam wie durch DITIB immer mehr Einfluß gewinnt. Was daraus wird und wurde, kann man gut in Köln und anderswo sehen. Hier ist also ein Umdenken erforderlich und das eben meint: Euro-Islam. So wie sich auch die christlichen Religionen Schritt für Schritt modifizierten. Insoern liegen hier die Dinge weitaus komplexer, weil es nämlich – auch unter dem Aspekt der Sittlichkeit – gesammtgesellschaftliche Komplexe betrifft, die sich auch, guter Hegeliander, der ich bin, auch in der Religion und ihren konkreten Praktiken (getrenntes Beten etwa) niederschlagen. Mit diesem Aspekt der Sittlichkeit ist übrigens auch gemeint, daß sich der Geist einer Gemeinde und deren kulturellen Ausprägungen eben auch in der Sozialisation niederschlagen. (Man denke nur an die Rolle des Mannes im gegenwärtigen, hier teils etablierten Islam, ein weites Feld übrigens für jene Aufschrei- und Netz-Feministinnen, die bei Brüderle derben Sexismus (t)witterten, aber hier gerne groß schweigen. Auch wäre hier zur Erziehung junger muslimischer Knaben auch Zana Ramadi gut zu lesen: „Die verschleierte Gefahr“)

    Insofern auch meine Dauerempfehlung von Ahmad Mansour, Seyran Ates und Hamed Abdel-Samad. Aufklärung ist, dies hat uns Europa gezeigt, ein langer Prozeß. Wollen die unterschiedlichen Formen des Islam hier in Deutschlannd irgendw

    ie ankommen, wird dort ein erhebliches Umdenken gefordert sein. Natürlich kann man seine Predigten weiter auf Arabisch oder auf Türkisch halten. Nur: Es muß sich dann halt niemand mehr über die mangelnde Sprachkenntnis wundern, und weshalb ich als Arbeitgeber oder als Vermieter solche Leute weder einstelle noch bei mir wohnen lassenn würde. Bei meinen Gängen durch Wien übrigens kann ich inzwischen eine wie Caroline Sommmerfeld immer besser verstehen. Aber das ist ein anderes Thema.

    Auch der Rabbiner muß sich dann ürigens die Frage gefallen lassen, weshalb er der Frau den Handschlag verweigert. Und so wie der Rabbiner den Handschlag nicht akzeptiert, bin ich eben nicht gehalten, den Rabbiner zu akzeptieren.

  73. In vielen Punkten stimmen wir ja durchaus überein. Es ist ein Skandal, dass im interkulturellen Dialog das Innenministerium mit Ditib als Ansprechpartner in Islamangelegenheiten verhandelt und nicht mit dem Liberal-Islamischen Bund oder einer noch zu schaffenden gewählten Vertretung der Moscheegemeinden. Ich bin sogar dafür Ditib zu zerschlagen und durch eine solche, nun nennen wir sie islamische Synode auf Delegiertenbasis zu ersetzen, aber das können nur die Muslime selber tun.

    Eine andere Sache ist das mit den Abschiebungen. Die Abschiebepraxis der Bundesrepublik Deutschland zählt zu den Menschenrechtsverletzungen, dafür ist die BRD auch wiederholt international kritisiert worden und regelmäßig im ai-Bericht. Abschiebungen spielen sich so ab dass im Morgengrauen überfallartig Bundespolizeikommandos Flüchtlingsunterkünfte stürmen und Familien ohne Rücksichtnahme auf Kinder, Greise, Behinderte und Traumatisierte in Haftanstalten verschleppen wo sie – auch Vierjährige – wie Schwerverbrecher eingesperrt werden. „Schüblinge“ (amtsdeutsch) die sich widersetzen werden an Händen und Füßen gefesselt und geknebelt ins Flugzeug gesetzt und mit zwei verschiedenen Neuroleptika, Haldol und Psyquil, abgespritzt, was sie öfter mal nicht überleben. Google mal den Namen Kola Bankole. „Abschiebung ist Mord“ ist nicht immer nur eine Demoparole sondern mitunter auch eine Tatsachenbeschreibung. Abgeschoben wird in „sichere Drittländer“ wie Algerien, wo man die Flüchtlinge auf LKW-Pritschen setzt, in die Zentralsahara fährt und dort aussetzt. Die Sonne wird´s schon richten. Also zur Ausschaffung unerwünschter Geflüchteter muss man sich schon etwas anderes einfallen lassen als die gängige Deportationspraxis.

  74. Amnesty ist eine parteiische Organisation, sie ist nicht neutral. Ebenso der Flüchtlingsrat. Insofern genieße ich solche Infos mir Vorsicht. Abschiebungen sind nie etwas Schönes. Sie sind jedoch notwendig. Auch um nach Außen ein Zeichen zu setzen. Trotz mancher unangenehmer Begleitumstände. Zudem gibt es den Rechtsweg. Sofern der ausgeschöpft ist, muß abgeschoben werden. Und mal unabhängig von Rechtsstaat und ehrlich gesagt che: Bei Wiederholungsstraftätern ist es mit meinem Mitleid nicht weit her und da geht mir bei solchen Prüglern und Messerstechern und Aggro-Typen deren Schicksal schlicht am Arsch vorbei. Es gibt ein Recht auf Asyl. Darüber entscheiden am Ende Gerichte. Aber es gibt kein Recht, hier Straftaten zu begehen. Bedauerlich und schade ist es freilich um die Leute, insbesondere Familien, die hier ehrlich leben wollten und die hier ein neues Leben anfingen, die hier Deutsch lernten, die hier ankommen wollen. Bei solchen Leuten müssen andere Regeln gefunden werden, wenn sich erweist, daß sie am gesellschaftlichen Leben der BRD teilnehmen und hier auch eine Arbeit finden werden. Das sind dann Fragen der Details.

  75. @Bersarin: Ich nehme bewusst mal Ihren Standpunkt ein und stelle die Frage, weshalb arabische Geschäftsleute im Westen in Anzügen aufzutreten wissen und nicht in ihrer religiösen oder länderspezifischen Tracht. Und wie kommt es, dass höchste arabische Würdenträger einer Frau die Hand reichen? Muss sie dafür tatsächlich Regierungschefin auf Staatsbesuch sein?

    Wenn dafür keine andere Erklärung angeboten wird, als dass man sich um des wirtschaftlichen Erfolges Willen den Gepflogenheiten des Gastlandes anzupassen habe, wendete ich an Ihrer Stelle sofort ein, dass sich besagter Staatsbesuch im eigenen Land ereignet.

    Gesetzt den Fall, es gäbe in der Tat keine schlüssige Erklärung, bestünde ich an Ihrer Stelle und höchst gerechtfertigt auf angemessene Anpassung der in den hiesigen Kulturraum Zuwandernden. Ich meine, was ich sage, ohne mich dabei zu verbiegen.

    Doch wechsle ich nun wieder in meine Position zurück und verweise auf das bereits Dargelegte. Für Pflege und Durchsetzung der zivilgesellschaftlichen Sittlichkeit ist jedes einzelne Mitglied dieser Zivilgesellschaft zuständig. Nicht nur Teile der Linken üben sich im „Wegducken“. Alle männlichen Einheimischen auf der Kölner Domplatte beispielsweise sind davon betroffen, die von den Übergriffen nichts mitbekommen haben wollten.

    Ihre Erinnerung spielt Ihnen einen Streich. Die Größenordnung von 1000 Anzeigen ist zwar korrekt, doch sammelten sie sich erst im Verlauf von mehreren Wochen danach an. Noch während der Silvesternacht waren es wenige handvoll. Dazu hatte ich damals einige statistische Berechnungen angestellt. Zur heißen Zeit rund um Mitternacht ereigneten sich nach meinen Berechnungen über zwei Stunden lang etwa drei Übergriffe pro Minute. Die einzige plausible Erklärung dafür, dass einheimische Männer sich nicht zur auf Rufweite koordinierten Abwehr der Übergriffe verständigt haben, lieferten Sie, werter Bersarin, weiter oben. Sie beriefen sich darauf, um Ihres Lebens willen nur passiv tätig werden zu wollen und die Polizei zu verständigen. Vollkommen nachvollziehbar und kann jeder so machen. Wenn es allerdings ALLE so halten, kann sich jene Kölner Silvesternacht ereignen. Über diesen Denkschatten muss man sich hinwegsetzen, wenn einem die eigene Sicherheit tatsächlich lieb ist. Und man kann sich die Frage nach dem Vertrauen in die Mitträger der eigenen Wertegemeinschaft stellen.

    Nun erhebt sich aber bei der Untersuchung des Migrationsthemas (den Ausdruck „Euro-Islam“ lehne ich nochmals entschieden ab; wenn schon, dann spreche man von einem „Deutschland-Islam“) in aller Vollständigkeit die Frage nach der Sozialisation der „kneifenden“ Mitbürger (auch die Fiktion des Nicht-Bemerkt-Habens im Köln lehne ich wegen der erdrückenden Zahlen rundweg ab). Sie ist, meiner aus eigener Erfahrung gewonnenen zynisch-verärgerten Erkenntnis nach, Folge eines geradezu militanten Liberalismus. Jeder nimmt für sich in Anspruch, in der Atmosphäre seines privaten Wohnzimmers unterwegs zu sein. Das machen praktisch alle mit immer weniger werdenden Ausnahmen. Dass sich dabei Interessenskollisionen zwingend ergeben müssen, liegt auf der Hand. Daraus resultierende Konflikte werden erstaunlich aggressiv ausgetragen. (eine Erklärung dafür, übrigens, dass der öffentliche Raum praktisch nicht mehr existent ist). Bevor nun jemand zum Widerspruch Luft holt, gebe ich zu Protokoll, dass ich schon mehrfach physisch, einmal sogar mit Verletzungsfolge, attackiert wurde – von autochtonen Wienern. Die Regel indes ist wohl die „blede Goschn“ (übersetzt in etwa „aggressive Anmache“).

    Gesamtgesellschaftlich droht dieser militante Liberalismus in den nächsten Jahren in den rechtsautoritären Staat zu führen. Wer die Entwicklung der Präsidentschaft Trumps aufmerksam und konsequent verfolgt, kann nachvollziehen, dass der aggressive Populismus auf allen Seiten Überhand genommen hat. Trump ist bislang unerreichter Meister seines Fachs. In Deutschland stehen die zukünftig tragenden Figuren auch schon auf der Matte: Bundespräsident Gauland, Bundeskanzlerin Weidel und Innenminister Höcke. Wozu noch zum Schmiedl gehen, wenn der Schmied ohnehin schon im Bundestag sitzt?

    Meine der Tagesverfassung geschuldet unwirsche Analyse der gesellschaftlichen Diskurslage lautet: Wir befinden uns in einem intellektuellen Bürgerkrieg. Bis der in physische Gewalt umschlägt, vergehen nur noch wenige Jahre. Mein „Trost“ ist, dass die Dumpfbacken genauso den wirtschaftlichen Konsequenzen sich stellen werden müssen, wie alle anderen auch. Da gibt es kein Entrinnen – nicht einmal für jene, die ihre Schäfchen schon im Trockenen geglaubt haben.

    Bersarin, was Sie sich hinsichtlich Migration wünschen, ist völlig legitim, kann aber im Ergebnis so nicht werden. Dagegen stehen absehbar „Clan-Bildungen“ der Einheimischen mit eben deren spezifischen Vorstellungen. Wenn kein Verständnis füreinander aufgebracht wird, geht’s dann mit Prügeln eben um Mohrenlampen und ähnlichen Schwachsinn. Gregor Keuschnig hat den aus meiner Sicht zutreffenden Gedanken eingebracht, dass eine Verständigung über einen politischen und auch kulturellen Kanon erzielt werden müsse, um bei der Diskussion zur Art von Einwanderung weiter kommen zu können. Davor steht aber erfolgsentscheidend ein Mindestmaß an Diskursdisziplin. Ein Mangel daran führt unausweichlich zum schmerzhaften Scheitern. Das ist gewiss nicht das Land, in dem Sie leben wollen.

  76. „Kultureller Kanon“, „Diskursdisziplin“ im“intellektuellen Bürgerkrieg“, der – warte nur balde – ein „physischer“ geworden sein wird?
    Alles Prophezeien freilich sind stets Mutmaßungen „im Blätterteig der Zeit“ (Enzensberger in Zickzack, 2005).
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    Die Stimme der Vernunft spricht leise – und sie ist höflich.

  77. Der Geschäftsmann aus Arabien, der einen Anzug trägt, paßt sich kurzfristig an, er reist aber auch in einer Woche wieder ab. All das ist kein Problem. Was das Händeschütteln betrifft, so ist dies eine Nebensache. Wesentlicher sind die Verhaltensweisen, die daran anknüpfen, insbesondere in der Erziehung: Welches Frauenbild wird dieser Iman den Jungen vermitteln? Sind Frauen, die mit Männern flirten tatsächlich Huren? Ich meine eher nicht. Und ich meine, wir setzen hier leichtfertig und ohne Not mühsam errungene Fortschritte aufs Spiel. Weiterhin wesentlich ist der Umgang muslimischer Schüler mit Lehrerinnen, Kopftücher für Lehrerinnen, die von einigen orthodoxen Muslimen inzwischen gefordert werden und all die Folgeprobleme, die wir uns hier ohne Not eingeschleppt haben. Und in diesem Sinne hängt an diesem Handschlag dann doch wieder ein ganzer Komplex an Fragen der Tradition, des Umgangs – das, was Hegel das sittliche Leben eines Volkes nannte. Und da gibt es erhebliche Kollisionen zwischen den meisten arabischen Ländern und dem Westen: Angefangen beim Staatsbegriff, beim Rechtsstaat und weiter über die Erziehung der Kinder. Nein, es ist Istanbul nicht mit den Tiefen Anatoliens zu vergleichen. Aber es kamen hierher nicht die Ärzte, Professoren und Journalisten Istanbuls, sondern die armen Bauern aus den Tiefen Anatoliens. (Und ich verdenke ihnen ihrer Kultur nicht einmal. Aber genauso muß man den Bruch mitdenken, den Kulturschock beim Übergang in die europäische Moderne.)

    Und in diesem Sinne, auch im Sinne eines Konzepts von sich wandelnder Sittlichkeit muß ein europäischer Islam her, der mit der europäischen Moderne und ihren hart erkämpften Errungenschaften kompatibel ist. Errungenschaften nebenbei, die ja nicht einmal für alle Europäer selbstverständlich sind.

    Die Anzeigen zur Kölner Silvesternacht sind exorbitant hoch. Selbst wenn man eine Quote an Trittbrettfahrern miteinrechnet. Und innerhalb einer Minute drei Übergriffe, so habe auch ich es errechnet: das ist schon eine außerordentliche Dimension.

    Daß es nur eine Handvoll Anzeigen waren, stimmt nicht. Eine Handvoll hieße fünf oder bei zwei Händen zehn. Es waren aber bereits bis zum 1.1.2016 erheblich mehr Anzeigen. Insofern spielt mir da meine Erinnerung keinen Streich, sondern ganz im Gegenteil habe ich mich recht intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. (Netter Nebenaspekt: Man sehe auch auf den Twitter-Account einer M. Stokowskis. Da kamen lustige Katzenbilder in diesen Tagen danach. Was wohl passiert wäre, wenn ein deutscher, weißer Politiker gesagt hätte: „Sie können aber ein Silvesterkleid gut ausfüllen!“ Es wäre kaum auszudenken.)

    Was die Zivilcourage betrifft, so frage ich mich da allerdings, wo denn die der arabischen Männer eigentlich gewesen ist, die da mit in der Mob-Menge standen und wenn, wie einige immer wieder betonen, ja nicht alle Araber und Nordafrikaner dort mitraubten und –grabschten. In diesem Sinne ist Ihre Frage nach der Zivilcourage natürlich interessant. Wenn ich übrigens die polizeiliche Einsatzleitung auf diesem Platz gehabt hätte, könnten Sie sicher sein, daß das nicht passiert wäre. Ich hätte dann allerdings ein Disziplinarverfahren am Hut. Ansonsten trifft leider Ihr Argument zur Zivilcourage nur dann, WENN auch deutsche Männer und Begleiter dagewesen wären. Und selbst dann ist in einer solchen Massenszene die Durchsetzung der Ordnung die Aufgabe der ANWESENDEN Polizei. Und die mußten ja nicht erst gerufen werden, sondern die waren ob dieses Mobs ganz einfach unfähig zu agieren. Eine Einsatzhundertschaft sowie etwa 20 Bundespolizeikräfte waren nicht in der Lage, der Situation Herr zu werden. Ich fürchte, da hätten auch die männlichen Begleitungen nicht viel ausrichten können. Auch Zivilpolizistinnen übrigens, die ich durchaus für robust halte, sagten ähnliches aus und wurden begrabelt. Also im Umgang mit körperlicher Gewalt erfahrene Kräfte. Insofern ist Ihr Hinweis auf die Zivilcourage zwar berechtigt, aber hier nicht umsetzbar. Es hätte womöglich Tote gegeben, wenn diese Araber und Nordafrikaner dort dann mit Messern agiert hätten. Zivilcourage ist eine gute Sache, aber es ist niemand gehalten, sich selbst in Gefahr zu bringen. Zumal wenn auch noch davon auszugehen ist, daß es sich hier um brutale Täter handelt. Insofern, h.z.: Täter sind immer noch die, die das getan haben und nicht die, die aus was für Gründen auch immer nicht helfen konnten – sofern denn überhaupt solche Leute vor Ort waren. Und noch etwas: ich habe in Hamburg am Hauptbahnhof einen ähnlichen Muselmob gesehen, und ich habe mit meiner Begleitung gemacht, daß ich wegkomme.

    Richtig ist allerdings, daß man hätte Freunde rufen können, wenn die Polizei nicht in der Lage ist, der Sache Herr zu werden. Aber ob es wirklich eine so gute Idee ist, dann mit 1000 Mann und mit Knüppeln auf die Grapscher drauf: ich weiß es nicht.

    Insofern noch einmal: Für die Sicherheit im öffentlichen Raum sind weder Schwarze Sheriffs, noch der einzelne Mitbürger zuständig, sondern die Polizei. Ich weiß zwar, worauf Sie hinauswollen und ich halte das Bürgerengagement und die Zivilgesellschaft hier für eine wichtige Sache. Aber wie hier vorzugehen ist, kann nur im konkreten Fall entschieden werden. Und ich bin definitiv nicht bereit, mein Leben aufs Spiel zu setzen, damit ich dann in der Zeitung stehe und weiterhin dort zu lesen ist, daß der Täter ein seit langem geführter Intensivtäter war, der schon lange hätte abgeschoben werden sollen, was man jedoch versäumte. Insofern wäge ich meine Einsätze wohl ab. Und das heißt in der Regel: Aus der Distanz die Polizei rufen.

  78. Von meiner Seite bloß noch eine kurze Tatsachenberichtigung: Dass es nur eine Handvoll Anzeigen in jener Silvesternacht gegeben habe, wurde von mir nicht behauptet. Ich sprach von wenigen Handvoll.

    Im übrigen danke ich sehr herzlich für den engagierten Austausch.

  79. Pingback: Vor den Vätern sterben die Söhne – Phrontisterion

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