Wolfgang Pohrt zum 5. Todestag

„Allah ist groß, ein Cadillac ist größer“ (Wolfgang Pohrt, gestorben am 21. Dezember 2018)

Ich selbst lese ihn mit gemischtem Eindruck: vieles ist witzig und treffend, vor allem seine linke Selbstkritik sowie Pohrts Polemiken, und hervorzuheben ist seine Fähigkeit, Einstellungen und Perspektiven zu ändern, weil sich die Umstände geändert haben. Pohrts Bissigkeit, sein Sarkasmus und seine Polemik bereichern oftmals eine politische Debatte auf produktive Weise, Pohrt spitzt zu und man muß zugleich auch wieder wegen des frechen Rundumschlags lachen. So auch in seinem Rückblick auf die 1970er Jahre in dem Text „Nachruf auf ein Jahrzehnt“ , wenn er die damaligen Grünen beschreibt:

„Die Umzüge der Grünen, in der Kluft uniformiert, physiognomisch gleichgeschaltet, bleich, aber zäh, geschmacklos, aber nicht verkommen, häßlich, aber nicht ungepflegt, erinnern eher an den geordneten Rückzug einer geschlagenen Armee, an die letzten Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen.“

Das ist auf angenehme Weise böse, das ist, wenn ich mich an die frühen 1980er erinnere teils wahr, aber es ist, als hyperbolische Beschreibung, vor allem erst einmal lustig.

Und auch jene Polemik bleibt aktuell was die Wirkungslosigkeit der deutschen Linken betrifft:

„…, daß man Prognosen für die jüngere weltgeschichtliche Entwicklung besser und müheloser im Kaffeesatz hätte finden können als in der Theorie, und es läßt sich nicht leugnen, daß diese Entwicklung denselben Gang genommen hätte, hätten die Genossen damals statt Marx Micky Maus gelesen. Überhaupt hatte die Linke keine besonders glückliche Hand im Umgang mit politischen Geschäften, man kann fast sagen, daß jedes, worin sie verwickelt war, am Ende eine Pleite wurde: die black Panthers, der schwarze September, Chile/Allende, Tel Zatar markieren in der linken Seele Stadien aufschäumender Euphorie, auf die schockhafte Ernüchterung folgte. Die Linke in den 70ern: der geborene Verlierer, der ewige Prügelknabe, der am Ende von den vielen Nackenschlägen des Schicksals zermürbt nur noch eines will: in Ruhe seiner selbt angebauten Hafergrütze kauen.“

Und diese Hafergrütze wird, metaphorisch gesprochen versteht sich, bis in die Gegenwart hinein noch verspeist, gemischt heute mit Hafer- und Sojamilch und nicht mit der Milch von guten deutschen oder buntscheckigen Kühen: Ob antideutsch oder intersektional, es ist und bleibt dieselbe Qual. Nämlich identitätspolitisches Festbeißen. Während die ersteren den ewigen Antisemiten mit ihrer brummdeutschen Art zu erschnüffeln meinen, glauben letztere, daß qua Negersein bereits eine besondere Sprecherqualität erreicht sei. Nein, ist es nicht. Man kann sehr wohl Israel kritisieren, was die Siedlungspolitik im Westjordanland betrifft und trotzdem die Verteidigung Israels gegen die Hamas in Gaza richtig finden. In einer solche Lage wäre sicherlich ein Essay von Pohrt spannend zu lesen gewesen. Spannend deshalb, weil Pohrt oftmals originelle bzw. neue Perspektiven ins Spiel bringt.

Pohrt schreibt am Ende dieses in seiner Kritik beißenden und polemischen Nachrufs in einem PS und als Antwort auf seine linken Kritiker:

„Die Behauptungen in diesem Text sind sowohl sarkastisch als auch ernst gemeint, nicht aber humorig. Du kritisierst den apodiktischen Charakter des Papiers, den Mangel an Argumentation. Es gibt aber Wahrheiten, die man durch Beweise und Argumente verwässert und um ihren Gehalt bringt. Man spricht ihnen damit die Evidenz ab, die sie besitzen, und bringt sie um ihren Stachel. Man unterschlägt, daß es sich dabei nicht um esoterische Produkte höherer Einsicht, sondern um Selbstverständlichkeiten handelt, und gerade im anstößigen Charakter von Selbstverständlichkeiten, die keiner zugeben will, liegt die Wahrheit von Erkenntnissen., die eigentlich sehr trivial sind – wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Man verharmlost bisweilen, indem man sich argumentativ auf einen Schwindel einläßt, diesen zum verzeihbaren Irrtum, wie wenn jemand irgendwo das fixe und das variable Kapital durcheinandergebracht hätte. Begründen heißt stets auch zugeben, daß es sich um eine Sache handelt, die divergierende Meinungen duldet und über die sich reden läßt. Bei jeder Sache ist dies aber keineswegs der Fall: über die Todesstrafe, über die Frage, ob Juden oder Schwarze Menschen sind und ob an der Astrologie nicht vielleicht doch etwas dran ist, lassen wir gar nicht erst mit uns reden.

Es ist also keineswegs der bessere Text stets und unter allen Umständen derjenige, welcher argumentiert und ganz manierlich diskursiv entwickelt, und insofern Ressentiments unerbittlicher urteilen als Argumente, urteilen sie im Falle von beispielsweise Strauß und Carstens gerechter.“

Von Fall zu Fall ist das richtig – solange solcher Zug nicht zum Dogmatismus erstarrt, sondern skeptisches Korrektiv bleibt. Leider neigen die unterschiedlichen Lager der Linken zum Dogmatismus. Im Leben zu erreichen – auch als philosophisch-lebenspraktische Weisheit und Wahrheit – wäre vielleicht jener heitere und gelassene Konservatismus, wie wir ihn bei Odo Marquard finden:

„Die Geschichtsphilosophen haben die Welt nur verschieden verändert; es kömmt darauf an, sie zu verschonen.“ (Marquard, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie)

Das galt für die alten und das gilt für die neuen Welterrettungsprojekte.

Viel wäre über Pohrt zu schreiben. Und so sollte man Pohrt auch nur mit Pohrt beenden (zumal das Thema des Geschlechterkampfes nachhaltig aktuell ist und bleibt):

„Von Mann zu Mann: Mit dem Vorwurf, wir seien autoritäre Patriarchen, Schwerenöter [ein Wort, das heute kaum noch jemand benutzt, leider (Bersarin)] und männliche Chauvinisten, lebt sich‘ prächtig, zur Not auch im Büßerhemd. Aber wenn die Frauen dahinter kommen, was für kümmerliche Wichte und arme Würstchen die vermeintlich männlichen Chauvinisten sind – dann geht’s uns wirklich dreckig. Wir haben nicht auf den Barrikaden gekämpft, wir haben auch keine kleine Fabrik umsichtig durch alle Krisen gesteuert, außer Problemen haben wir nichts zu vererben, die Therapie haben wir hinter uns, die Rente vor uns – und nun heißt es, wir seien zu männlich! Nicht nur, daß jemand auf die Schnappsidee verfällt, uns für herrisch mutig, tapfer, kühn, ritterlich usw. zu halten, sondern wir sollen sogar zu männlich sein, alle diese Tugenden im Überfluß besitzen! Das müßte uns ans Herz gehen wie einem lahmen Greis, wenn ihn die Courtisane mit den Worten tadelt: ‚Nicht so stürmisch, mein Herr. Sie rauben mir den Verstand.'““ (Wolfgang Pohrt, Nachruf auf ein Jahrzehnt)

 

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