Wagenknecht bei Anne Will

Vor einigen Tagen schaute ich mir, nach langer Zeit wieder, weil ich Talkshows in der Regel und meistens für wenig zielführend halte, Anne Will in der Mediathek an und es saß dort in der Sendung vom 17. September auch – wer hätte es gedacht? – Putins Botschafterin aus Moskau. Auf der Facebookseite von Erol Özkaraca hieß es dazu treffen: „Warum ladet ihr jeden Tag die Wagenknecht in eine Talkshow ein? Da könnt ihr doch gleich den Putin einladen, der spult auch stereotyp immer wieder den gleichen Mist ab.“ Das ist richtig. Dennoch kann es aufschlußreich und wichtig sein, sich die Rhetorik und das Getrickse des Feindes anzuhören. Insofern gehöre ich zu jenen, die dafür plädieren, auch solche wirren Stimmen einzuladen. Sie geben im übrigen und zugleich gutes Lehrmaterial, wie man besser nicht argumentieren sollte, wenn man sich nicht lächerlich machen und als geistiger Vollpfosten in die Geschichte eingehen will.

Aufschlußreich etwa Wagenknechts Aussage zum ukrainischen Beschuß der Krim-Brücke bei Kertsch: „Jede Zerstörung in Russland wird ja von Russland dann wieder mit Zerstörungen in der Ukraine beantwortet. Das fing ja bei der Krimbrücke an.“ Nein, Sahra, „das“ – was immer diese ominöse DAS auch sein mag, Sahra mag es nicht so recht aussprechen, weil sie weiß, daß sie dann in Straucheln käme – fing nicht mit der Krimbrücke an, sondern es fing dieser Krieg mit der Besetzung der Krim 2014 durch Rußland an und es setzte sich dieser Krieg dann fort mit dem russischen Angriff auf ukrainisches Territorium im Donbas und 2022 dann auch auf die übrige Ukraine. Mit anderen Worten: Die Ukraine wehrte sich gegen einen brutalen Aggressor, der auch vor genozidalen Verbrechen und Kriegsverbrechen nicht halt macht. In fast jedem Wagenknecht-Satz kann man die teils billige, teils triviale Rhetorik, die Lügen, Verdrehungen sowie die Tricksereien auseinandernehmen. Das hat sie mit Verschwörungsideologen wie Daniele Ganser gemeinsam. Frei nach dem Motto: Der Zuschauer ist schon so dumm, er wird oder er will es nicht bemerken.

Karl Schlögel und Roderich Kiesewetter (CDU) hatten für Wagenknecht die richtigen Antworten parat und zerlegten sie nach Strich und Faden – vor allem aber besaßen sie, anders als Wagenknecht, im Blick auf Mittel- und Osteuropa Sachkenntnis. Und auch was Wagenknechts Spielen mit der Kriegsangst betrifft, hatte Schlögel die passenden Sätze parat: „Sie, wie Sie reden, haben Sie überhaupt keine Angst. Sie könne die Angst anderer Leute instrumentalisieren.“ Schlögel schloß sein emphatisches Plädoyer mit diesen Worten: „Sie sind die Putin’sche Stimme in Deutschland, gemeinsam mit der AfD“. Auch beim Spiel mit dieser Angst wird genau das Geschäft Putins betrieben.

Waffen nicht an die Ukraine zu liefern, bedeutet eben nicht das Ende des Krieges, sondern es ist dies nichts weiter als unterlassene Hilfeleistung, wie es Kiesewetter treffend sagte. Und eine Feuerpause samt Verhandlungen bedeutet lediglich, daß Putin weiter die russischen Stellungen befestigen kann, was am Ende heißt, daß die Ukraine weitere Gebiete verlieren wird. Die einzige echte Option für ein faires Verhandeln kann es nur sein, daß Putin sich auf seine Ausgangsposition vom 23.2.2022 zurückzieht. (Traurig ist, wie auch in Berg-Karabach, die Rolle der UN. Hier ist eine grundsätzliche Reform nötig, unter anderem in die Richtung, daß Aggressoren, auch wenn sie einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben, nicht über Sanktionen oder über den Einsatz einer Internationalen Friedenstruppe mit abstimmen dürfen. Der gegenwärtige Zustand in der UN ist in etwa so, als würde in einem Geschworenengericht der Mörder mit bei den Geschworenen sitzen und dürfte über sein eigenes Urteil mit abstimmen.)

Wie auch immer dem sei: Wenn die UN Rußland keine Einhalt gebietet und es nicht vermag, daß die brandschatzende Soldateska sich nicht aus der Ukraine zurückzieht, denn müssen es die Länder des Westens bewerkstelligen. Es gibt im Blick auf die Russia Today-Fraktion, aber auch hinsichtlich der sogenannten Friedensfreunde und vermeintlichen Pazifisten einen schönen Satz: „Stell dir vor, du bist so gegen Krieg, daß derjenige gewinnt, ihn begonnen hat.“ Auf genau das nämlich laufen die durchschaubaren Phrasen von Wagenknecht hinaus. Und sie weiß das auch. Sie sagt all diese Dinge nicht aus Naivität

Amüsant sind dann auch solche Nachrichten: „Moskau wirft London und Washington Beteiligung an Krim-Attacke vor“. Darauf kann man nur antworten: Dies sollte doch das mindeste sein, was man tun kann.

6 Gedanken zu „Wagenknecht bei Anne Will

  1. Interessantes Video zu Wagenknecht. Sie ist also allen Ernstes 1898 in die SED einetreten?

  2. Ich habe kürzlich meine Frau vom Flughafen in Frankfurt abgeholt. Bin kit dem Zu gefahren und kam neben einem Ehepaar aus Litauen zu sitzen. Habe mich dann längere Zeit mit denen unterhalten, auf Englisch.

    Für die ist Russland der Feind, der sie schon früher unterdrückt hat und es weiter tun will. Der Mann erzählte mir, dass die Russen seinen Vater nach Sibirien verschleppt hätten, und er selber durfte nicht den Beruf ergreifen, den er gerne wollte.

    Da sind die Fronten ganz klar.

  3. Na, früh übt sich bei Wagenknecht.

    Ansonsten: In der Tat wird hier im Westen viel zu wenig über die Geschichte Mittel- und Osteuropas gewußt. Die meisten denken, daß das Baltikum doch irgendwie zum Sowjetreich gehört, wie auch die Ukraine. Leider ist das Denken bei vielen noch in der Zeit des Eisernen Vorhangs stehengeblieben. Und auch daraus, aus solcher Unwissenheit resultiert die heutige Sympathie oder zumindest die Gleichgültigkeit gegenüber Rußland.

  4. @che: Irre solche Leute, da ist gehörig die Zeit stehengeblieben. Fast könnte man meinen, solche Putinisten seien eine Erfindung. Aber es gibt sie und die meinen diesen Unsinn ernst. Man braucht nur auf eine dieser einschlägigen Demos zu gehen

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