Von Petitionen, offenen Briefen und was das mit Gazprom zu tun hat

Nehmen wir einmal an, Europa stellte die Waffenlieferungen an die Ukraine ein und die Ukraine müßte mit dem auskommen, was sie hat. Glaubt irgendjemand dann ersthaft, daß gerade und genau dann ein Typ wie Putin plötzlich sagen würde: „Jetzt verhandeln wir auf Augenhöhe. Ich ziehe mich aus den besetzen Gebieten zurück und wir klären unsere offenen Fragen!“?

Denn genau diese Annahme steckt hinter dem Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer. Wer jedoch solches annimmt, der hat sich niemals mit Putin und mit Rußland beschäftigt. Und das bedeutet: man ist im besten Falle naiv und im schlimmeren Falle dumm: „Im engeren Sinne bezeichnet Dummheit die mangelhafte Fähigkeit, aus Wahrnehmungen angemessene Schlüsse zu ziehen beziehungsweise zu lernen. Dieser Mangel beruhe teils auf Unkenntnis von Tatsachen, die zur Bildung eines Urteils erforderlich sind, teils auf mangelhafter Intelligenz oder Schulung des Geistes oder auf einer gewissen Trägheit und Schwerfälligkeit im Auffassungsvermögen beziehungsweise der Langsamkeit bei der Kombination der zur Verfügung stehenden Fakten (siehe Urteilsvermögen).“ (wikipedia)

Und wenn es nicht Dummheit oder Naivität sind, die Menschen bewegt, diese widerwärtige Petition zu verfassen und sie zu unterschreiben, dann ist es Bösartigkeit und kalter Zynismus: „Soll die Ukraine zusehen, wie sie klarkommt. Die waren doch schon immer korrupt!“ Ein Narrativ übrigens, das Putin seit Jahrzehnten hier in Europa zu verstärken half. Und das macht eben das Gefährliche an Leuten wie Putin aus: andocken an einen Aspekt, der teils nicht ganz von der Hand zu weisen ist, ohne dabei aber über die eigene Korruption je zu sprechen. Anders als Rußland ist die Ukraine nämlich immer noch eine Demokratie und die Menschen dort haben sich zunehmend gegen Putins Einflußnahme gewehrt: angefangen mit der Orangenen Revolution 2004 und dann mit den Freiheitsprotesten auf dem Maidan 2013 gegen Putins Einflußnahme auf die Politik der Ukraine. Wenige werden sich noch an die Gaskrisen in den Jahren um 2008 erinnern, als Rußland der Ukraine das Gas abdrehte und dreist log, daß die Ukrainer Gas rauben würden. Im Gegenzug zu dieser Gas-Erpressung – die Putin übrigens nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegenüber Weißrußland und Georgien anwandte – mußte die Ukraine Rußland Teile seiner Schwarzmeerflotte überlassen und später auch einen Pachtvertrag „unterschreiben“, so wie man eben bei der Mafia Verträge freiwillig unterschreibt, und zwar für den Hafen von Sewastopol, damit ihn die russische Kriegsmarine nutzen dürfe.

Eine sehenswerte Dokumentation, die implizit auch eine über Putins Gebaren ist, lief am 15.2.2023 auf Arte (Wiederholung am 24.2.): „Gazprom – Die perfekte Waffe„. Gas nämlich diente Putin als Waffe in einem seit Jahrzehnten vorbereiteten Hybridkrieg Rußlands gegen Europa. Im Jahr 1997 veröffentlichte Putin eine Disseration, darin es darum ging, daß Rohstoffe eine zentrale Grundlage für militärische Macht in Europa seien. Mit anderen Worten: Gas als Druckmittel, bereits 2008 gegen Georgien, davor gegen Weißrußland und später dann gegen die Ukraine. An jene Nachrichten von den abgedrehten Gasleitungen erinnere auch ich mich noch. Aber es ging alles das schnell wieder aus unserem Bewußtsein. Unsere ungeheure Naivität bzw. wir wollten es nicht sehen, wir wollten es nicht wahrhaben, was Putin im Schilde führte: gute Geschäfte waren wichtiger. Gerhard Schröder immer wieder als russischer Lobbyist. Die Energieversorung unter Merkel in der Hand eines ehemaligen Stasi-Mannes wie Matthias Warnig. Und ich muß sich auch selber fragen, warum ich alles das eigentlich nie richtig sehen wollte. Der Wunsch nach Ausgleich mit Rußland? Man hätte es wissen müssen und können.

Gazprom ist in diesem Sinne ein militärisches Unternehmen, daß dazu gedacht war, Abhängigkeiten zu erzeugen und Europa zu erpressen. Von Anfang an besetzte Putin es mit engsten Vertrauten. Eine perfide Form hybrider Kriegsführung, und nachdem ich mir diese Doku angesehen habe, muß ich sagen: Es ist Putin, als heimlicher Chef von Gazprom, auch gelungen. Fällig wäre ein Untersuchungsausschuß, der auch die Verstrickungen ranghoher Politiker aufarbeitet. Zu sagen, daß es nur jene SPD-Connections wären, ist gelogen und falsch. Die CDU war zu großen und größten Teilen, auch als wirtschaftsfreundliche Partei, an diesen Machenschaften mitbeteiligt. Vor Nord-Stream 2 haben lediglich Leute wie Norbert Röttgen gewarnt, der von Merkel kaltgestellt wurde.

Warum ich hier in diese Richtung abschweife? Wer sich diese Dokumentation über Gazprom, über Putins Erpressungen, nicht nur gegen die Ukraine angesehen hat, der wird sich nicht eine Sekunde mehr über Putins Charakter täuschen. Und er wird auch nicht mehr annnehmen, daß Putin den Krieg einstellt und verhandelt, wenn der Westen die Waffenlieferungen einstellt. Putin verfolgt konkrete Ziele und das unerbittlich. Eines dieser Ziele ist die Zerschlagung der Ukraine und ihrer territorialen Souveränität.

Die Seite „Ungesunder Menschenverstand“ formulierte es in einem Beitrag im Blick auf diese Petition wie folgt:

„Ich frage mich seit Tagen, warum die #Wagenknecht_und_Schwarzer Petition nicht über die Plattform des Petitionsausschusses des Bundestages läuft. Und wie man sicherstellt, dass dort nur deutsche Staatsbürger unterzeichnen.Oder wenigstens keiner aus St. Petersburg.“

Und es steht dort auch mein Mantra, das ich seit bald 12 Monaten sage:

„Seit einem Jahr hat mir noch keiner von jenen erklärt, wie es seiner Meinung nach konkret in der Ukraine weitergeht, wenn wir aufhören Waffen zu liefern. Keiner. Seit 354 Tagen.“

Das neue Ermittlerteam von „Tatort Moskau“

Passend zum vorgestrigen irrsinnigen „Manifest für den Frieden“ von Wagenknecht, Schwarzer und anderen überzog Rußland die Ukraine gestern wieder einmal mit Bombemterror gegen Zivilisten und gegen die Einrichtungen der Infrastruktur.

Waffenlieferungen an die Ukraine eskalieren nicht, wie Wagennknecht, Schwarzer et al. insinuieren, sondern diese Waffenlieferungen helfen, die Abschußstätten der Russen auszuschalten, damit Zivilisten am Leben bleiben. Solange Rußland Zivilisten tötet und die Ukraine angreift, braucht es Waffen, um diese Gewalt abzuwehren. Frau Schwarzer würde sicherlich einer Frau, die im Begriff steht, vergewaltigt zu werden, dazu raten, das Pfefferspray wegzutun und den Schlüpper freiwillig runterzuziehen – sonst macht es doch nur noch mehr Schmerzen. Und die Polizei solle sie mal besser nicht rufen, denn wer weiß, was der Vergewaltiger sonst noch tut. Und irgendwie war die Frau mit ihrer Aufmachung doch auch selber schuld. Das ist die Logik von Schwarzer, Wagenknecht und anderem Gesindel. Verhandelt werden kann nur dann, wenn Rußland seine Kriegshandlungen unmittelbar einstellt. Das macht der bleiche Lurch aus Moskau aber nicht.

Wie zu erwarten bei den Zarenknechten findet jene Demo in Berlin, die von dieser Gruppe für den 25.2.2023 geplant ist, nicht etwa vor der russischen Botschaft statt, da, wo sie hingehört, sondern vorm Brandenburger Tor. Es ist ein Trauerspiel. Und ich hoffe, daß genügend Gegendemonstranten dort und an diesem Tag erscheinen werden, um diesen Leuten einzuheizen.

Im besten Fall kann man solche Leute, die diesen Aufruf unterstützen, naiv nennen – bei Reinhard Mey und Henry Hübchen gehe ich davon aus. Aber einen Großteil dieser Unterzeichner muß man dumm und vor allem: bösartig nennen. Verhandeln läßt sich nur, wenn der Aggressor unmittelbar und sofort seinen Angriffskrieg einstellt. Wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, gibt es keine Ukraine mehr. Wenn Rußland die Waffen niederlegt, dann ist der Krieg zuende. Es ist dies sehr einfach.

Das abstoßend-widerliche Grinsen dieser beiden Gestalten bleibt gut im Gedächtnis haften.

Sahra Arschloch und der Parteitag der Linken

Um eine Redewendung Wolf Biermanns im Blick auf den Dichterspitzel Sascha Anderson zu gebrauchen, hier im Blick auf den Unsinn, den diese Dame im Blick auf NATO und Ukraine fabrizierte. Nein, diese Person ist nicht dumm, sie weiß, was sie sagt und sie weiß um ihre Manipulation von Menschen, und das eben macht es um so schlimmer. Es gibt freilich Äußerungen, hinter die es kein Zurück mehr gibt, mögen Wagenknechts Überlegungen zur Sozialpolitik auch manch Gutes und Sinnvolles enthalten. Ihre Äußerungen zur NATO wiederum und zum Austritt Deutschlands waren schon immer im besten Fall naiv zu nennen. Aber mit dem, was sie zur Ukraine und zu Rußland von sich gibt, ist eine Zäsur gesetzt. Wagenknecht ist und Wagenknecht bleibt persona non grata und sie bleibt jener Zarenknecht, der hier die Agenda Putins fährt. Wer wie sie auf dem Parteitag in Erfurt den Vorstand dazu zwingen will, darauf zu verzichten, den russischen Angriffskrieg zu verurteilen, um stattdessen frühere Kriege der USA anzuprangern, hat sich aus dem Kreis der Menschen verabschiedet, die für Humanität und Freiheitsrechte eintreten. Und das eben diskreditiert die Position von Wagenknecht im ganzen, und solange da bei ihr keine Rücknahme und keine Entschuldigung folgt, wird das auch so bleiben.

Zum Glück wurde dieser Vorschlag von Wagenknecht und ihrer Riege mit Mehrheit abgelehnt. Dieses Denken von Wagen- wie Zarenknecht und Konsorten folgt einer allzu simplen Logik des Anti-Amerikanismus, und dieser sozusagen internalisierte und institutionalisierte Haß auf die USA samt eines Trivialmarxismus alte Schule, der dahintersteckt, macht diese Leute blind gegen Putins Kriegsverbrechen wie auch gegen Putins imperialistische Phantasien eines Neuen Reiches. Der Gegner ist grundsätzlich die NATO – ein Verteidigungsbündnis nebenbei. Und auch zu einem repressiven Staat, einer Diktatur wie Rußland verhalten sich die Zarenknechte von Pohlmann bis Wagenknecht, bis Jens Berger und Albrecht Müller auffallend schmallippig. Eine Kritik, die derartig den doppelten Standards anheimfällt, bleibt nicht nur unglaubwürdig, sondern sie diskreditiert sich damit auch selbst und begibt sich ins gesellschaftliche Abseits. Daß allein deshalb, weil es die NATO gibt, bis heute Länder wie Estland, Lettland und Litauen, aber auch Polen ihre Souveränität und eine demokratische Grundordnung sich erhalten, schafft leider nicht den Weg in den Knallkopp von Wagenknecht. Soll es vermutlich auch gar nicht. In diesem Sinne ist und bleibt Wagenknecht eine Kasperle-Puppe, in deren Inneren ein ganzer Putin steckt – sie mag all das aus taktischen Gründen noch so sehr dementieren. Deshalb eben bleibt es dabei: Sahra Arschloch.

Daß es in der Frage, ob der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt werden soll, überhaupt eine Diskussion gibt, zeigt ein erhebliches Defizit in dieser Partei und weist auf den desolaten Zustand der Linken. Wollen wir nächstens eine Debatte darüber, ob der Angriffskrieg Hitlers auf Polen zu verurteilen ist oder nicht? Wird uns Sahra Wagenknecht auch diese Debatte aufdrücken wollen? Doch wohl eher nicht. Es gibt, um dieses andere Extrembeispiel zu wählen, Themen, da lassen sich nicht zwei Meinungen formulieren, die man im Sinne eines Erörterungsaufsatzes mit Pro- und Kontra bespricht. Angriffskrieg und Kriegsverbrechen sind keine Meinung, bei der man dieser oder auch einer anderen Ansicht sein kann. Das ist nicht anders als bei antisemitischen „Kunstwerken“, die in Wahrheit Propaganda sind. Und nein: Wenn ein Land ein anderes völkerrechtswidrig überfällt, dann ist dies nicht die Schuld der NATO oder der USA, sondern es liegt die Verantwortung für solchen zudem blutig und grausam getätigter Angriffskrieg wie ihn die Russen durchführen allein dem Aggressor: Rußland und Putin eben.

Die ukrainischstämmige Linken-Politikerin Sofia Fellinger faßt ihre auf dem Parteitag der Linken vorgetragenen, großartige Rede in einem SpOn-Interview vom 24.6. derart zusammen:

„Mir ist der Umgang meiner Partei mit diesem Krieg ein Rätsel. Wenn man sich ein bisschen mit der Situation dort auskennt, muss einem klar werden, dass die Menschen sich wehren müssen. Welche Alternativen bieten wir denn an, wenn nicht Waffen? Also wo kommt er her, der Frieden, wenn Russland einen Vernichtungskrieg führt und Menschen foltert und ermordet? Meine Partei redet von Frieden. Aber das ist ein leerer Begriff, wenn da nichts dahintersteckt. Sollen die Ukrainer die russischen Panzer umarmen? Wenn Leute für eine linke, befreite Gesellschaft kämpfen wie in Kurdistan oder Rojava – natürlich gebe ich denen Waffen!“

Zum Glück gibt es in der Linken auch solche Leute, Eine halbwegs vernünftige Rede hielt auch Bodo Ramelow, der im Grunde in der Linken falsch ist, sondern eigentlich den linken Flügel der SPD verkörpert. Und ansonsten bleibt es dabei:

„Frieden kommt nicht, wenn man die Leute sterben lässt“ (Sofia Fellinger, Die Linke)

Diese Erkenntnis ist bei Wagenknecht nicht angekommen. Das eben diskreditiert leider ihre Position im Ganzen. Und in diesem Sinne ist auch ihr als Monstranz zur Schau getragener Humanismus unglaubwürdig geworden. Team Wagenknecht läßt sich nach solchen Äußerungen in einem grundsätzlichen Sinne nicht mehr sein. Nein, Wagenknecht ist, wie manche denken, nicht auf der rechten Seite angekommen, sondern sie fährt vielmehr die abgelebten Denkmuster einer DKP-Mufflinken, sie ist eine von jenen, die die Zeitenwende nicht mitbekommen haben und die noch in den alten Strukturen denken, als Väterchen Stalin der Welt mit seinem Stahlbesen den Arsch rot schrubbte und die das auf klammheimliche oder auch offene Weise irgendwie dann doch gut fanden. „Wer aber über dieser Art von Kommunismus nicht reden will, sollte auch vom Kapitalismus schweigen.“

Clewe2807, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Das widerliche Weib

„Hat Sarah Wagenknecht gestern bei Lanz ernsthaft gesagt: ‚Butscha ist kein Grund, Verhandlungen abzubrechen‘? Hat sie das wirklich gesagt? Oder habe ich das geträumt in einem der übelsten aller Alpträume, wo man noch mit den schlimmsten Kriegsverbrechern reden, verhandeln, an einem Tisch sitzen will?“ (Hasnain Kazim)

Der einzige Grund, Verhandlungen einzugehen, wäre der, wenn Putin umgehend alle Kriegshandlungen einstellt und die okkupierten Gebiete räumt. Ansonsten sollte er damit rechnen, daß es eine Ukraine wieder geben wird, wie sie vor 2014 existierte.