Weimar, Gartenhaus und Klopapier

Johann Wolfgang von Goethe zu lesen, lohnt sich. Immer wieder – allein aufgrund der Vielfalt seiner Texte. Seien das seine Gedichte, des Wilhelm Meisters Lehrjahre, der West-östliche Divan, das Theater, insbesondere die „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ – eine Parabel auch auf die Tücken und die Schrecken der Revolution, ein Lehrstück über Öffentlichkeit, Kommunikation und Geselligkeit mit schönem, geistreichen Gespräch, wenn man auf der Flucht ist. Für Schüler lohnt es sich sowieso und erst recht für Erwachsene, deren Blick zuweilen verschlossen ist. (Das nicht nur heimliche, sondern geradezu öffentliche und von allen anerkannte Oberhaupt dieser illustren Runde ist übrigens eine Frau, eine Baronesse – für all die der Literatur nur schlecht kundigen Verdachtsschnüffler angemerkt.)

Literatur ist kein Entweder-Oder und auch keine Cafeteria, wo man sich leckere Küchlein wählt oder worin nett harmonisierende Dinge geschrieben stehen – da sollte die vorgeblichen Feministinnen dann doch besser Utta Danella lesen. Daß (sexuelle) Gewalt in manche der Goethe-Texte „eingeschrieben“ sei – ein dummes Wort, dieses „eingeschrieben“, es gehört, seit die kläglichen Adepten des Poststrukturalismus sich allüberall einschrieben, von Diskurs bis Text, in die Verbannung: eingeschrieben ist man allenfalls an der Uni. Daß also in Literatur Gewalt Thema sein kann, bedeutet nicht, daß Prosa oder Lyrik Gewalt affirmieren – man lese Goethe, man lese Curzio Malaparte. Und selbst da, wo es so scheint, daß dies der Fall ist – man lese genügend Kleist, den herrlichen Kleist und so geht mein Rat: immer wieder Kleist lesen -, besitzt der Text unterschiedliche Ebenen. Differenziertes Lesen gelingt nicht jedem und der Unterschied zwischen Realität und Fiktion scheint nicht jedem geläufig. Manche picken nach den Trauben des Zeuxis.

Die Kinder vom Gartenhaus des Goethe in Weimar tun niemandem was. Sie sind lustig. Wir haben damals als Benjamin-Ästhetik-Punks Goethes Provokationen geschätzt – so z.B. im „Faust“, mit Mephisto gegenfeuern:

„Für euch sind zwei Dinge // Von köstlichem Glanz: // Das leuchtende Gold // Und ein glänzender Schwanz. // Drum wißt euch, ihr Weiber, // Am Gold zu ergetzen // Um mehr als das Gold // Noch die Schwänze zu schätzen!“

Teuflisch gut der Goethe, und wer je die Szene mit Philemon und Baucis im „Faust II“  las, wußte als Schüler sofort, daß da die „Dialektik der Aufklärung“ harrt. Einem Teil der heutigen Linken sind nicht einmal mehr die basalen Momente der Bildung vertraut. In restringierter Form fahnden die Hermeneutiker des Verdachts in Gedichten herum, ohne je die subtilen Töne und insbesondere die Kritik Goethes gerade auch an einer solchen menschenvernutzenden Figur wie dem Faust mitzulesen – spät erst schaudert es ihm. Bildung setzt eben Kenntnis und vor allem gründliche Lektüre voraus und nicht das Reiz-Reaktion-Schema.Dieses gilt es nämlich gerade zu überwinden. Vor allem aber bedeutet es, den Sinn für subtile Töne in Literatur zu entwickeln. Und dazu leistet Goethe einen erheblichen Beitrag. Sie aber sehen das, was im eigenen Kopf schwirrt und kommen derart über den eigenen Horizont nicht hinaus.

Die Aktion der leseunlustigen Frankfurter Rotzlöffel hat etwas Gutes: Immerhin kann ich auf diese Weise ein paar Photographien aus dem schönen Weimar zeigen.

49 Gedanken zu „Weimar, Gartenhaus und Klopapier

  1. ich weiß ja nicht, was die „Rotzlöffel“, wie Du sie nennst, mal wieder angestellt haben. Meine Erinnerung ist da etwas löchrig, aber wieder so etwas wie der Aktionismus versus H. Münkler – der zugegeben einen unerträglichen Redestil pflegt und dessen Buch zum Dreißigjährigen Krieg tatsächlich für meine Begriffe etwas dürftig ausfällt (Nietzsche-Zitat am Anfang, Nietzsche-Zitat am Ende, dazwischen .. was eigentlich?), der aber seinerzeit brilliante Analysen zum Georgien-Konflikt abgeliefert hat? .. Also, wenn´s mal drauf ankam, stimmte jede Silbe, also alles weit entfernt von seinem üblichen Bramarbasieren … In jeder Hinsicht lächerlich die Aktionen gegen den. Entweder jemand macht sich ohnehin lächerlich, was soll dann die Anti-Aktion, oder eben nicht, dann macht man sich selbst lächerlich, wenn keine Argumente gegen den überlegenen Gegner vorgebracht werden können. Wie gesagt, ansonsten brillante Analysen. Was hatten die? Was hatten die jetzt?

    Ein Freund eines Freundes, beide Chefarzt-Psychiarter, riet mir von Goethe ab. „Lies doch mal Mann, Der Zauberberg“! „Nee, Thukidides, Aristopohanes, Grimmelshausen, Platon, Proust, ‚Der Zauerberg‘, Doctor Faustus – (leicht übertrieben) alles mindest dreimal gelsen.“ (Tatsächlich halte ich Goethes Dichtung und Wahrheit für ein Standartwerk, das jede/r dreimal gelesen haben sollte.)

    „Also der ‚Zauberberg‘ – alles, aber nicht Goethe!“

    Ich hatte unterdessen den “Zauberberg‘ zum – jetzt wirklich – dritten Mal gelsen, nicht zu schweigen von „Lotte in Weimar“, ansonsten nur Neuscholasik und dergleichen mehr, kein Goethe, – und dann wollten mich diese hochdekorierten Doktores nicht mal mehr empfangen, kühl:

    „Aha, dreimal ‚Der Zauberberg‘. Kein weiterer Goethe. Wenn Sie ein Medikament versuchen zu bekomen, wenden Sie sich bitte an meine Assistentin!“ – Das waren also meine Freunde aus der Kindheit!

    Kein Witz, als wir uns einigten, ich mich mit meinem Psychiarter und der sich mit seinem Fachkollegen, meinem Sandkasten-Kindheits-Freund, beide inzwischen zu Chefärzten aufgestiegen, über die richtige Lektüre, wurde ich für gesund erklärt.

    Aber die ‚Wahlvrewandschaften‘ sind echt brutal. Ottilie – so hieß doch das Opfer des Romans, den ich nicht zuende gelesen habe. Immer wieder wird sie entpersonalisiert, – ich will es einmal weiter in die Fiktion hineinsteigern, genau die Person, mit der ich mich identifiziere, wird am Ende das Opfer eines Verbrechens.

    Wie geht es aus, oder ist das jetzt echt n Snuff-Video? – Oh man, die Sandkastenfreunde sind manchmal die besten Freunde.

  2. Genau: diese Leute machen sich lächerlich und sie sind es auch. Ob das im Umgang mit Münkler, mit Baberowski, mit Gedichten an Häuserwänden oder aber mit Bildern in Museen und Galerien ist. Das eine ist eine hermeneutische und literarische bzw. ästhetische Kritik, der sich jedes Denken, jedes Kunstwerk, aber auch jede Kritik aussetzen muß (eben eine Kritik der kritischen Kritik), das andere ein simples Reiz-Reaktionsschema mit dem diese Leute unterkomlpex auf komplexe Dinge reagieren. Höflich und abschärfend vielleicht: Man muß sie als junge Menschen nehmen, sie sind keine Kenner und Leser von Goethe. Sie müssen und können lernen. Oder besser noch: der Ästhetiker ignoriert sie oder versucht es mit der Methode des Sokrates: er läßt sie auf ihre eigenen Widersprüche stoßen und daran entweder zerschellen oder sich gewinnen. Die Vermädchenmannschaftung und der Verstrohkowskisierung des Politischen allerdings ist für die Linke nicht ganz ungefährlich. Da sehe ich erhebliche Probleme

    Ansonsten: Literatur ist keine Caféteria und auch kein Schonraum für Halb- oder Ganzderrangierte, die ihre privaten Probleme nun ausgerechnet im Feld der Kunst austoben.

    Mein Rat eh: Man lese, so viel es geht und so viel wie möglich. Und Goethe gehört auf alle Fälle mit dazu. Und was „Dichtung und Wahrheit“ betrifft, hast Du recht. Ebenso wie die lange Zeit von der Forschung als Nebenwerk gehandelte Novelle „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“, darin auch das Märchen enthalten ist. Und dazu lese man dann Novalis‘ „Heinrich von Ofterdingen“. Und zuvor den „Wilhelm Meister“. Den „Heinrich von Ofterdingen“ kann man, was das Feld der ästhetischen Kritik betrifft, ja auch als eine Reaktion auf Goethes Meister lesen, und zwar als eine Literaturkritik in Form von Literatur und nicht bloß diskursiv. Eben ganz nach dem Schlegelschen Programm einer transzendentalen Universalpoesie. Eine derart spannende Zeit, dieses Jahre um 1800 – nicht nur ästhetisch.

    Was die „Wahlverwandschaften“ betrifft: ich kann mich nicht erinnern, daß Ottilie Opfer eines Verbrechens wird. Du meintest nicht zufällig Les Liaisons dangereuses? Interessant ist der Roman aber auf alle Fälle, wenngleich meine Lektüre über 25 Jahre her ist: zum einen von den Gesellschaftsschichten her und zum anderen wird darin ein Konzept von (freier) Liebe zum Thema, das für diese Zeit doch ungewöhnlich ist – wobei Goethe eben auch die Aporie vorführt. Liebe Und Entsagen. Freiheit und Notwendigkeit, Natürliches und Kultur. Also im Grunde Themen, die bis in die Gegenwart reichen: Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit, so könnte man mit Spinoza und Hegel und eben auch Goethe sagen.

    Da heute Goethes 270. Geburtstag ist, scheint mir dies eine schöne Fügung zu sein, heute kurz auf diese Werke zu weisen. Seine „Wahlverwandschaften“ stehen auf alle Fälle jetzt auf meiner Liste der Bücher, die ich noch einmal lesen werden.

  3. Meine alte Genossin Anne meinte schon in den 1980ern, damals noch auf Betroffenheits-Antifas die aus jedem Yuppie und jedem Korpsstudenten einen Nazi machten und auf Höhere-Töchter-Feministinnen für die jeder Kette tragende Mann zuhälterike war bezogen: „Du musst zu diesen Leuten ein pädagogisches Verhältnis haben!“

  4. Vermutlich ist das so und es funktioniert dann, wenn diese Leute anderen nicht schaden, wie eben in Weimar. Hinterher läßt man sie dann den Kindergarten wieder aufräumen. Sobald die Angelegenheit jedoch restriktiv wird, muß eben, wie auch bei Kindern, ein striktes „Stop, hier nicht weiter!“ folgen.

  5. ja ~Auseinandersetzung mit – in diesem Falle mit Novalis´ Auseinandersetzung – geht. Wir sind betrachtend Theoretiker, ein wichtiger Punkt. „Betrachtend“ nimmt allerdings meine wenigkeit eine viel bescheidenere Position ein als Novalis (wen wundert´s). Aber das ist für mich zuerst neu, dass die Auseinandersetzung mit, in diesem Fall, dem Wilhelm Meister, Reflexionen über Kriterien für Litaraturktil eröffnene soll oder kann (ich hege ja kaum Zweifel).

    Aber ich will Dich warnen, über die „Wahlverwandschaften“ wirst Du Dich kaum zu solchen Höhen, die, ich verstehe, essentiell sind, hinaufschwingen können, wie ich befürchte.

    Mit Wittgestein, wie überliefert worden, halte ich es nicht gering mit „Dichtung und Wahrheit“. (Der übrigens sich gut mit Platon und gar nicht mit Aristoteles auskannte.) Deshalb meine Betonung, weil „Dichtung und Wahrheit“ sozusagen ein „Portrait des Jungen Künstlers“ liefert, ohne das Goethe insgesamt nicht zu verstehen ist, meiner bescheidenen Meinung nach.

    Eine kleine biographische Notiz wird hoffentlich dieses Blog vertragen, aber ich nahm in der Jugend auch an Kursen bei diesem Typen (dessen Sohn mich immer davon wegdirigieren wollte, weil sein Vater im Begriff war, sich mit Harry Rohwoldt totzusaufen, stattdessen kifften wir im Wettbewerb uns um den Verstand ) teil, obwohle ich hochausgezeichene Kunstlehrer hatte. Ich scheiterte total an der Ölmalereri – währed ich von Goethe und Nietzsche-Zitaten von diesem Lehrer nur so bombardiert wurde …

    … das war mir eine Lehre (der Lehre konnte aber a uch echt malen …).

    So sehr ich zwar diesen herrnhutischen Verniedlichungskult (meine Vorfahren begannen dort gerade ihren bescheidenen Aufstieg vom Schriftsetzer zum Prediger, als Karl Philipp Moritz dort Zuflucht suchte – ähnlich ´wie Goethe zeitweise selbst) nicht unbedingt nur schätze, so sehr ist er mir auch der Code, immer verharmlosend, in dem Goethe – immerhin rückblickend – mir seine Künstlerbiographie in „Dichtung und Wahrheit“ erzählt. – Kurz, ich lese „Dichtung und Wahrheit“ als Künstlerroman.

    … Eines, ja, fast schon Snobs. Das muss man immer sehen. Steht alles in DuW. Der sehr selbstbewusste Vater, bürgerlich, aus Frankfurt. Der, selbstverständlich, seine Kinder selber erzog – Tochter u. Sohn (fast) gleichebrechtigt … (Es sind Fragen gestellt worden, ob da was war mit G´s Schwester usw.., er hat sie ohne Zweitel sehr geliebt …)

    Ich sehe in Goethe also eher einen Künstler, der es sich nicht nehmen lässt, sein eigenes „portrait of the young artist“ eigenhändig zu hinterlassen. Vielleicht war er auch hier seiner Zeit voraus.

    Ottilie ist in den „Wahlverwandschanschaften“ jedenfalls reisens Objekt. Sie liebt diese verbotene Liebe. Nie aber kommt sie authentisch zu Wort. Immer ist es dieser allwissende Erzähler, der ihr diesen Entwicklungsroman in den Mund lengt. Dabei hätte ein De Sade ihre Qual nicht besser hätte darstellen können. Sie ist immer nur Objekt, nie mit eigenem Willen. Ihre Karriere, als Subalterne, wird ausgiebig geplant usw.

    Also, was wird mit dem unterdrückten, „daring“, diesem „Weibsbild“ am Ende geschehen, während der ganze Roman nie eine andere Haltung als die der Affiramtion der herrschenden Verhältnisse einnimmt, geschehen? –

    Nach heutigen Kriterien läuft der ganze Plot von den Wahlverwandtschaften, erst das große Daring, auf den der ganze Suspense des Romans hinausläuft, dann die notwendige Enttäuschung, auf ein unausdenkbares Verbrechen hinaus.

    Ich bin nicht mehr bereit, mir sowas anzutun, wirklich nicht.

    Wiliam of Ockham oder Duns Scotus nannten das noch „cognitio intuitiva“, – ich übersetzte: unmittelbar einichtige Evidenz. Goethe geht einfach manchaml zuweit. Für mich geht die Litertur los mit Montaigne, mit Moritz, mit der Selbstbefragung, und damit auch mit der DuW – als künstlerische Selbstbefragung.

  6. Der Wilhelm Meister ist in der Tat der zentrale Bildungsroman der Epoche, nicht nur für Novalis‘ Ofterdingen, sondern ebenso in bezug auf Friedrich Schlegels Lucinde. Darin entfaltet Schlegel mit den Mitteln der Literatur eine Reflexion über Romantheorie – gewissermaßen Postmoderne avant la lettre, wenn man den solche Schlagworte mag. Und darin zeigt sich konsequent, daß Literatur eben auch auf die Form des eigenen Erzählens reflektieren kann. Goethe betreibt das im Wilhelm Meister ja ebenfalls, etwa wenn man sich das vom Bild her Theaterhafte mancher Szenen vor Augen führt – so bereits den Anfang des Romans. Und genau vom Theater handelt dieses Buch dann unter anderem. Ich muß beim Wiederlesen mal ein Auge darauf haben.
    Die Lektüre der Wahlverwandtschaften liegt bei mir schon zu lange zurück – über 25 Jahre. Da müßte ich noch einmal hineinlesen. Erzählerisch arbeitet Goethe also mit einem auktorialen Erzähler. Das ist bei der Darstellung der Ottilie methodisch konsequent, wenn sie in dieser (herrlichen) Kälte also als Opfer gezeichnet wird. (Wobei ich das, wie gesagt, nochmal gegenlesen müßte. Dir wird – nebenbei geschrieben – dann sicherlich auch der Benjamin-Text über die Wahlverwandschften bekannt sein.) Man könnte bei Otillie auch sagen: die Leidenschaften sind still, es sind eben im Wortsinne Passionen – also etwas, das einer oder eine erleidet und dazu eben paßt methodisch-erzählerisch dann Goethes Form des Erzählens. (Bei aller Kritik darf man eben bei solchen Szenen nicht die Darstellung mit Affirmation der Sache verwechseln. Diesen Fehler machte leider die „Frankfurter Hauptschule“ bei ihrer Aktion. Die Darstellung von Gewalt bedeutet nicht, diese Gewalt zu bejahen. Das Heideröslein kann man auf ganz unterschiedlichen Ebenen lesen und deuten. Eben das Schöne an Kunst: die Ambivalenz, die Mehrstimmmigkeit, und eine solche Ambiguitätstoleranz geht heute leider zunehmend verloren. Es müssen immer Schafe oder Böcke, es muß schwarz oder weiß sein. Aber diese fehllektüren und ein Kunstwerk in der Reaktion ganz unmittelbar zu nehmen und es aufs eigene Gefühlsleben eins zu eins zu applizieren, so daß dann kein Anderes mehr übrig bleibt, ist ein Extrathema für sich)
    Ohne Frage ist Dichtung und Wahrheit unerläßlich. Andererseits ist das immer auch die Frage nach Henne und Ei. Ich fing bei Goethe ganz klassisch mit dem Faust an , dann jung wie man war, der Werther. Autobiographisches kann man DuW immer auch als Fiktion lesen, in diesem Sinne teile ich Deinen (Joyce)-Hinweis auf den „Künstler als junger Mann“ und in einem bestimmten Sinne ist solches Wahrsprechen wie in DuW – auch, aber eben nicht nur! – eine Fiktion, weil im Erzählen niemand ganz über sein eigenes Leben Herr ist. Unsere eigene Deutung von uns und von unseren Lebensszenen deckt sich nicht immer mit der anderer Menschen, wie sie es sehen. Was zu fatalen Mißverständnissen führen kann. Julian Barnes hat solche Deutungsverschiebung von bestimmten Szenen, die sich in der Jugend abspielten, mit literarischen Mittelnin seinem Roman „Vom Ende einer Geschichte“ wunderbar ausgefaltet. Ein Buch, das ich ganz und gar empfehlen kann. In der Erzählform zwar konservativ, aber doch wird da eine unerhörte Begebenheit erzählt.

    Die Frage nach dem Eigenwert der intuitiven Erkenntnis – übrigens auch bei Spinoza ein Thema – stellte sich dann insbesondere bei Baumgarten und wurde zentrales Thema der Ästhetik – bis heute hin, wenn es um die Frage nach den Erkenntnismöglichkeiten von Literatur und Philosophie geht. Von Gottfried Gabriel bis Martin Seel immer wieder Thema. In der mittelalterlichen Philosophie deutete sich an, was dann erst in der bürgerlichen Epoche, als eine entsprechende Öffentlichkeit sich ausbildete, die Kunst als autonome rezipierte, zur vollen Entfaltung kam. Kunst hat das Wahre und hat es doch nicht ganz, zumindest nicht diskursiv, wie Adorno es, übrigens ganz in Anlehnung an Hegel, schrieb. Nur ging er darin über Hegel hinaus, daß er Kunst und Philosophie nicht mehr in ein hierarchisches Verhältnis setzte. Den Eigenwert der Kunst als Medium von einer bestimmten Art von Erkenntnis sahen jedoch beide gleichermaßen. Daß sich im Kunstwerk eine Wahrheit ästhetisch ausdrückt, die diskursiv mit den Mitteln etwa einer herkömmlichen auf Begründungslogiken fußenden Philosophie nicht leisten kann. (Wobei uns die Lektüre Nietzsches und Kierkegaards und auch die Hölderlins eben zeigt, daß es durchaus auch anders gehen kann und sich Philosophie und Literatur und Erzählen koppeln und qua Stil eine neue Form des Denkens erzeugen. Wobei man hier eben auch Platon mit hinzunehmen muß. Die literarische und auch rhetorische Form seiner Philosophie ist nicht gering zu schätzen.)

  7. klar, die Darstellung darf nicht mit der Ausübung verwechselt werden. Und ich müsste es selber im Detail nochmal nachprüfen (und dann zeigen), dass tatsächlich in den Wahlverandschaften diese Verwechslungsgefahr so nahe liegt und wir es sozusagen es mit einer Art „Koplizenschaft“ zu tun haben, die dann auch wirklich als ursächlichen Kandidat dafür infrage kommen und mir die Lektüre zuletzt ziemlich unerträglich machten. (Dazu binich jezt nicht hinreiched gekommen, wenn, dann kommen lediglich Andeutungen).

    Wir könnten uns aber sicherlich darauf einigen, vermute ich, dass wir hier beim Goethe (wofern wir von einer Darstellung von Gewalt ausgehen – für mich fraglos der Sachverhalt) kaum, ohne unsererseits ihm Gewalt anzutun, eine trickreiche Ironie hineinlesen könnten. Das Stichwort „herrnhutischer Verniedlichungskult“ (oder vielleicht „pietistische Verharmlosungstendenz“?) hatte ich ja bereits gebracht. Hier wäre doch viel mehr eine beißende, zumindest bittere Ironie zu erwarten gewesen. Ohne seine Affirmation der herrschenden Macht wäre es andererseits Goethe wohl kaum möglich gewesen, etwa seine Ideen, wie er einige bereits in Dichtung und Wahrheit zumindest andeutet, in den Wahlverwandschaften auszubreiten. Etwa, wie eine wohlgefällige Garten- oder Parklandschaft anzulegen sei. Um hier differenzieren zu können, schien und scheint mir ja DuW unverzichtbar. Die Einbettung z.B. der Gestaltung des Anwesens ins örtliche Brauchtum, dass er das Handwerk schätzt – wobei ich in diesem Punkt mit ihm sozusagen mitschwinge.

    Die „cognitio intuitiva“, die ich oben zitierte, entnahm ich aktuell meiner (erneuten) Auseinandersetzung mit Husserl (ja, es geht mir immernoch darum, die Causa E. Stein/M. Heidegger im Einzelnen durchzugehen, dazu aber jetzt nur noch die Anmerkung, dass Aristoteles die Intuition der höchsten Tätigkeit oder Erkenntnis, der philosophischen vorbehielt). Die Aura jedoch eines Kunstwerks höchster handwerlicher Vollendung lässt mMn nicht verfehlen. (Fr. Bacon, Turner, teilw. Picasso …)

    Nochmal zur Ironie: Die Frage ist also, ob es wirklich Ironie ist, dass Goethe nie, wirklich nie, die Konsequnz in aller Deutlichkeit ausspricht. Hier unterstelle ich ihm dann doch eine gewisse Komplizenschaft mit den damaligen Machtverhältnissen. Ich spüre nicht die geringste Empathie (siehe hier auch Husserl/Stein) mit dem „Opfer“, wenn er sich noch so drollig-pietistisch ausdrückt. Selbst wenn er die architektonische Aus- bzw. Umgestaltung seines Elternhauses in Frankfurt durch seinen Vater beschreibt, kann er sich nicht (in DuW) zu einer klaren Darstellung durchringen. Die Ironie – wenn – kommt dann erst in der berühmten mann´schen Ironie voll durch, Thomas Mann, der Goethe bewunderte, und die sich sozusagen im Unausgesprochenen „ausspricht“. – Meine These: Wenn wir Goehte voll verstehen wollen, müssen wir – heute – Mann lesen!

    Deshalb also „Lotte in Weimar“! Lotte wird dermaßen durch den Kakao gezogen, dass wir erst hier eine wohlwollende Ironie gegenüber diesem „literarischen Opfer“ seines absolut unsäglichen „Werter“ verspüren. (Abgesehen davon, das Lotte in Weimar ein sprachliches Kunstwerk erster Güte ist.) Das ist ja eigentlich der Sinn jener Verniedlichung: die Empathie, das Mitgefühl mit der (jeder) Kreatur, wie ich aus erster Hand weiß (ebenjene Tradition, die in meiner Familie fortlebt).

    Intuition im Bereich der Ehtik, auf die ich hier in diesem Felde abheben wollte (Werte werden bei Husserl auch im Zusammenhang mit Intersubjektivität und Empathie – hier steht Steins Doktorabeit bei mir wieder auf der Lektüreliste – „konstituiert“), ist übrigens nicht bloß „Meinung“ im kantischen Sinne, denn eine Meinung ist bei Kant sowohl subjektiv wie objektiv nicht zureichend gegründet. – Sodass sich in der Tat die Frage stellt, ob sie überhaupt aussprechbar ist. Entsprechend die Andeutung von Kant in der KdrV.

    Goethe legt ja die Entstehungsbedingungen seiner Romane in seier Biographie dar. Wir lernen, er hat sie, z.B: die Wahlverwandschaften, mehr oder weniger einfach so „runtergeschrieben“.

    Das lässt sich auch formal, wie ich meine, festmachen. Und ist es dann wirklich verwunderlich, dass Ottilie überhaupt keine eigene Simme hat? Eine sehr unglückliche Wahl, sie ausgerechnt in fiktiven Tagebucheinträgen zu Wort kommen zu lassen als unfertige Person, die sich gerade erst entickelt. „Show – don´t tell!“ Er zeigt eben nicht, was die Aufgabe eines Schriftstellern wäre, wie, und dass die Arme sich erst entwickelt, sondern er erzählt es – ziemlich unverkennbar in den Worten des jungen Goethes.

    Und hier ist Goethe eben doch als schaffender Künstler erkennbar. Er hat selber die Ankleitung dazu in DuW gegeben. Und als ebendiesen sehe ich und schätzt ihn. Aber genau an dieser Stelle fängt er an, mich anzuekeln; gerade weil ich um sein Vorgeghen weiß. Dieser offensichtliche Mangel an Selbstreflexion. Ich finde das absoßend. In der Sphäre der Kunst erwarte ich etwas anderes.

  8. Meine Lektüre der „Wahlverwandtschaften“ ist zu lange her, ich müßte es noch einmal lesen, und nach dem, was Du schriebst, reizt mich dies auch. Insofern nur ganz allgemein gedacht: Der Begriff Komplizenschaft ist – sofern er mit der Intention des Autors korreliert ist – deshalb problematisch, weil solche Sicht ein Wissen voraussetzt, das nur Goethe haben kann. Wie er über Ottilie dachte wird man allenfalls seinen persönlichen Zeugnissen, also den Briefen und ggf. „Dichtung und Wahrheit“ entnehmen können. Wie stand Kafka zu Josef K.? Kaum auszumachen. Josef K. wirkt wie ein Getriebener, ohne Entwicklung, ohne Zukunft. Und vielleicht ist genau das seine Funktion und liefert das entscheidende Bild. Wie steht Goethe zu Ottilie? Wir wissen es nicht, wir wissen nur, wie beide Autoren die Figuren angelegt haben und wie sie auf uns wirken – wobei Wirkungen immer auch Interpretationen unterliegen und ihnen damit eine gewisse Ambiguität eigen ist –, wir sehen, wie diese Figuren strukturiert sind und welche Handlungen sie begehen. Und daraus können wir Schlüsse ziehen: Bspw. daß Ottilie eine gewisse mystische Aura umgiebt, daß da bei ihr eine intuitive Ebene ist und daß ein (inzwischen gesellschaftliches) Schicksal über sie hinweggleitet und sie erfaßt. In diesem Sinne auch eine Tragödie.

    Wie gesagt: Die Darstellung von Gewalt – oder im Falle von Ottilie eines tragödienhaften Schicksals, dieser antike Aspekt sollte bei Goethe nicht außer acht gelassen werden – muß nicht die Affirmation oder die Gleichgültigkeit gegenüber der Figur bedeuten. Ganz im Gegenteil. Was ich bei Goethe qua seiner Äußerungen, wie Du auch, ebenfalls nicht vermute. Dennoch benennt Goethe in zahlreichen Stellen seines Werkes die Gewalt: sei sie schicksalhaft wie beim Harfner und bei Migion im Wilhelm Meister, sei es Gewalt gegen Frauen, wie beim Gretchen, an dem sich Faust vergeht oder eben politisch-gesellschaftlich bei der Szene mit Philemon und Baucis: einer der größten Goethe-Sätze: „Auf Vernichtung läuft’s hinaus“

    „Mephistopheles (bei Seite): Du bist doch nur für uns bemüht
    Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;
    Denn du bereitest schon Neptunen,
    Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
    In jeder Art seyd ihr verloren; –
    Die Elemente sind mit uns verschworen,
    Und auf Vernichtung läuft’s hinaus.

    Faust: Aufseher!

    Mephistopheles: Hier!

    Faust: Wie es auch möglich sey
    Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
    Ermuntre durch Genuß und Strenge,
    Bezahle, locke, presse bei!
    Mit jedem Tage will ich Nachricht haben
    Wie sich verlängt der unternomm’ne Graben.

    Mephistopheles (halblaut): Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
    Von keinem Graben, doch vom – Grab.“

    Sehr zur Lektüre empfehle ich Dir Malapartes „Die Haut“. Andere Zeit, anderer Ort, Italien nach der Befreiung vom Faschismus, aber ein Buch, das die Gewalt und den Schrecken in allen Facetten uns zeigt und dazu eine gehörige Portion auch von Mythos, wenn es um die Stadt Neapel geht.

    Was Goethe selbst angeht, so saß er in Weimar ganz gewiß am Pool der Macht und gehörte der Oberschicht an. In diesem Sinne partizipierte er an der Macht und machte sich als Schriftsteller doch zugleich nie mit ihr gemein und betete sie an. Was er allerdings bejahte war eine gewisse Ordnung und die Notwendigkeit einer (guten) Regierung, gerichtet gegen das gesellschaftliche Chaos. (Aus heutiger Perspektive sehr aktuelle Gedanken.) Konservativ – ich bin es in diesem Sinne auch – war er, weil er Revolutionen wie die Französische mit Ablehnung gegenüberstand, zumindest, was ihre gewalttätigen Resultate betrifft.

    Dennoch ist ein literarischer Text keine Biographie und die Intentionen eines Autos beim Anlegen einer Szene oder einer Figur, ob er sie mochte oder nicht, sind kaum auszumachen. Zu Fragen wäre bei der Gewalt gegen Ottilie, sofern es diese gibt, nach der Motivation im Text. Weshalb? Und was ist ihre Funktion? Beim Park scheint mir also eher interessant, welche Funktion er im Text hat und dann erst, welche Bedeutung er für Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ besaß. Da lassen sich gewiß unterschiedliche Aspekte zusammentragen. Goetheforscher können da sicherlich aushelfen. Um solche Szenen zu dechiffrieren, kann es auf alle Fälle hilfreich sein, zahlreiche Parallelstellen zusammenzutragen, in denen z.B. Parks auftauchen.

    Wie gesagt: Dazu ist nicht die Empathie des Autors erforderlich. Man kann übrigens als Autor auch für eine durchs Leben gerüttelte und vom Leben gebeutelte Figur Empathie empfinden, ohne daß der Autor in diesen Zügen irgendwas beschönigt oder im Erzählen Mitleid walten läßt: Weil es nämlich die Konstruktion so verlangt und man sich jeglicher Regung enthält. Diese soll ja gerade beim Zuschauer entstehen und sich dort entwickeln. Ein Autor, der alles vorsagt, ist da kein kluger Autor. Davon eben abgesehen, daß wir bei den Intentionen des Autors in seinen Kopf schauen und hellsehen müßten, um zu wissen, was er dachte und wollte. Das können wir aber nicht. Und auch solche Selbstaussagen wie in „Dichtung und Wahrheit“ sind, wie der Titel schon nahelegt, mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Ob Ottilie keine eigene Stimme hat, das müßtest Du schon am Text festmachen. Das Tagebuch ist übrigens, wie auch der Brief, das Medium der literarischen Subjektivität, insbesondere in der Frühromantik ausgefahren. Dazu vor allem K.H. Bohrer „Der romantische Brief. Die Entstehung literarischer Subjektivität“. Du solltest in diesem Sinne nicht Goethe verachten, sondern an dieser Stelle eher darüber nachdenken, welche Funktion diese Art der Darstellung der Ottilie besitze. Ottilie ist eben keine Nebenfigur, die Goethe nachlässig abhandelt.

    Warum „Werther“ unsäglich ist entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist eine in seiner Ambivalenz und in seiner für uns heute seltsamen Liebe, eine der spannendsten Figuren, aporetisch zwar für den armen Menschen endend, aber es dekliniert auch dieser Brief-Roman die Fragen gesellschaftlicher Moral und der Codierung von Intimität und Liebe durch. Bis ins Philosophische.

    Bei Literatur, also bei Prosa und Poesie, würde ich primär nicht von Ethik sprechen. Man kann an der Illias sicherlich ethische Fragen erörtern, aber das geht eben an der Analyse des Textes insofern vorbei, weil die ethischen Konzepte einer Antike zunächst einmal ganz andere waren als die unsrigen und im Abstand von ein paar tausend Jahren nicht leicht rekonstruiert werden kann, welche Moralsysteme herrschten, und zum anderen sagen solche Verfahren nichts über die Struktur eines Textes aus.

    Die intuitive Erkenntnis ist ein Thema für sich, im Deutschen Idealismus, ausgehend von Kant, als intellektuelle Anschauung gedacht, an der sich Jacobi, Fichte, Schelling wie Hegel in ihrer Weise abarbeiteten. Und da kam ganz sicher dann auch der Spinozismus ins Spiel. (Damals übrigens noch ein Vorwurf, der von der Seite der Herrschenden zur gesellschaftlichen Ächtung führen konnte.) Auch diese Aspekte spielen in die Literatur Goethes hinein. Man denke nur an den „Faust“, seine Dialoge mit dem Mephisto oder eben jener Chorus Mysticus zum Ende hin:

    Alles Vergängliche
    Ist nur ein Gleichnis;
    Das Unzulängliche,
    Hier wird’s Ereignis;
    Das Unbeschreibliche,
    Hier ist’s getan;
    Das Ewig-Weibliche
    Zieht uns hinan.

    In literarischen Bildern eine Philosophie des Absoluten. Und ebenso geschieht dies in der Dichtung Hölderlins. Literatur liefert Bilder für solche scienca intuitiva. Womit man vielleicht auch bei Spinoza und der Ästhetik wäre, die es in diesem (klassischen) Sinne bei ihm nicht gibt.

  9. Volle Zustimmung. Wobei Hölderlins Hyperion die absolute Vollendung der Sturm-und-Drang-Dichtung mit ihrer Himmelsstürmerei darstellt. Es wäre interessant zu untersuchen inwieweit die Französische Revolution eine Zäsur in der deutschen Ästhetik, Dichtung und Philosophie einleitete: Der Sturm und Drang war radikal und weitaus kompromissloser als die dann einsetzende reife Klassik. Meine These wäre dass die Ernüchterung bzw. das Entsetzen über den Verlauf der Französischen Revolution eine Ursache für das konservativerden der Klassik darstellte. Entscheidend in der Philosophie dürfte hier Schelling als Mittler zwischen Kant und dem Hegelianismus sein.

  10. Zwei und zwei ist vier (zum mitschreiben: 2 + 2 = 4), gelegentlich sollte man sich sowas vor Augen halten. Durch welche magische Kraft verstehen wir den Satz des Pythargoras? Für diese magische Kraft, durch die wir die einfachsten logischen Zusammenhänge verstehen, finden wir in den Aristoteles-Übersetzungen den Begriff der Intuition. Wer sich damit begnügt, in der Erkenntnistheorie sich durch Übersetzunsschwierigkeiten, Schelling, Kafka, Hegel oder anderen, auf den Anspruch einer wahren Erkenntnis zu verzichten, mag sich in diese Vagheit, die das deutsche Wort mit sich bringt, flüchten. Für eine Erkenntnistheiorie brauchen wir aber ein Axiomatisches System. Wenn die Grunbegriffe nicht versatanden sind, ist folgerichtiges Denken nicht möglich.

  11. aber das ist doch klar! Habe ich eine intutive Erkenntnis des objektiv moralisch Guten, ja oder nein? Ich zum Beispiel bin der Meinung, dass Goethe in den Wahlverwandscaften nichts weiter gezeigt hat als seine chrakterliche moralische Minderwerigkeit. Bersarin hat zwar Gründe in Sachen Interpretation von Literatur vorgebracht, die mich fast überzeugt hätten, ansonsten aber lediglich mit großen, teilw. übergroßen Namen (Schelling) herumgefuchtelt.

    In erinem Fall wie diesem, meine ich, müssen wir uns doch die Frage stellen, ob wir nicht eine Verbindung zw. Erkenntnistheorie und Ethik herstellen können. Also reiner „postmoderner Strukturalismus“ der Interpetation (bitte die Anführungszeichen als solche, nur als solche lesen!), wie ihn bersarin vertritt, indem er noch den häßlichsten Fehltritt Goethes in einem Nirvana des Alles-ist-möglich am besten noch – den Lacher wil ich uns nicht ersparen – „aufheben“ will, oder die objektive moralische Erkenntnis, die allein durch die Intuition möglich ist, deren Tatsache sich aber bersarin, obwohl er in seinem vorigen Kommentar mich fast überzheugt hätte, nicht eingestehen kann oder will.

    Der einzige Unterschied zu diesen „Rotzlöffeln“, wie bersarin sie zu nennen belibte, zu mir ist, dass ich mir die Frage stelle, ob es nicht objektive moraklische Werte gibt. Aristoteles zufolge ist die letzte Garantie die „intuitive“ Einsicht in solchen Sachen wie 2+2 = 4.

    Wenn ich mich aber für unfähig für eine Erkenntistheorie, wie sie überhaupt nur denkb
    ar möglich wäre, nämlch auf gewissen logischen Prinzipuien fußend, erkläre, wie kann ich mich dann fähig dazu erklären, moralische Urteile zu fällen?

  12. Nein, ziggev, das ist mal wieder alles ein ziemliches Durcheinander, was Du produzierst, insofern kann ich Netbitch da nur zustimmen. Nicht nur etwas, sondern sehr viel mehr Konsistenz und Strukturierung täten Dir gut. Und leider braucht das Entwirren ein wenig Zeit, die ich im Augenblick aber nicht habe. Und auch bei der intuitiven Erkenntnis vergalloppierst Du Dich. Wenn Du Dich tatsächlich mit dem Begriff und der Genese der intuitiven Erkenntnis beschäftigt hättest, etwa über Kants KdrV, dann kommst Du auf die intuitive und die diskursive Erkenntnis, und dann gelangst Du auch zu Schellings intellektueller Anschauung.

    „Ich zum Beispiel bin der Meinung, dass Goethe in den Wahlverwandscaften nichts weiter gezeigt hat als seine chrakterliche moralische Minderwerigkeit.“

    Mit solchen Sätzen kannst Du beim Bullshit-Bingo gewinnen, hier gewinnst Du damit keinen Blumentopf, nicht mal eine Klopapierrolle. Und das geht mir hier bei Dir zunehmend auf die Nerven. Plötzlich bist Du dann vom Gartenhaus über die Wahlverwandtschaften bei „objektiven moralischen Werten“. Alles natürlich ohne jegliche Begründung und als Behauptung. Ich verliere hier langsam die Lust, immer wieder mit Dir diese Art von Diskussionen zu führen.

    Beziehe Dich hier bitte auf das, was ich oder was andere schreiben. Ansonsten müßtest Du Deine Ausführungen auf Deinem Blog bitte unterbringen.

  13. @che: Die Französische Revolution und ihre Schrecken dann waren auf alle Fälle auch in Deutschland bzw. in den Fürstentümern ein erheblicher Einschnitt, insbesondere für die Kunst. Hölderlin ist, denke ich, in diesem ganzen Gefüge, wie auch Kleist, schwierig zu lokalisieren, entzieht sich den Bestimmungen. Wobei ich von den Weimarer Klassikern Goethe eigentlich als gar nicht so konservativ sehe. Im Faust II nimmt er die Dialektik der Aufklärung vorweg, siehe auch das Zitat zur Landgewinnung. Diese Szene halte ich für sehr instruktiv. Und Goethe sah in der Tat auch sehr hellsichtig den Terror der Revolution – das mochte bei ihm wie auch bei Schiller dann dieses konservative Element mit sich bringen. Bestes Schaubild dieses Schreckens aber findet sich immer noch in Büchners großartigem Stück „Dantons Tod“. Wo zum Schluß von Lucile das Gegenwort gerufen wird: Es lebe der König.

    Hegel schätzte die Revolution. Vor allem ihre bürgerliche Seite. Auf alle Fälle sah er ihre geschichtliche Notwendigkeit. Ansonsten stimmt ich Dir in Deiner Einschätzung zum Sturm und Drang zu. Eine teils moderne Bewegung, in der das Subjekt, freigesetzt von zahlreichen Konventionen, einen besonderen Raum einnimmt.

  14. Noch nie was von der Frage gehört, ob moralische Werte objektiv gelten? Wenn nicht, dann ist es in der Tat dein Problem.

  15. kleiner Tipp nebenbei: sich überhaupt mal mir Erkenntnistheorie beschäftigen. Wenn eine solche überhaupt unmöglich ist, kann für ein solches vernebeltes Dasein natürlich überhaupt nichts verstanden werden. Ja, wirklich, jedes Urteilen ist nicht durchführbar? Dann müssen wir aber auch jede Bewertung z.B. Goethes im selbigen Neben belassen.

  16. Dem kann ich nur zustimmen, che! Und es ist schade, ziggev, daß eine Diskussion interessant beginnt, aber dann immer wieder ins Absurde abgleitet.

  17. Wer ein Werk zum Gradmesser der Moralität des Autors macht, hat sich für solche Diskussionen total disqualifiziert, da helfen auch keine Nebelkerzen von Erkenntnistheorie und Moralphilosophie. Mit anderen Worten: Ziggev hat mal wieder den Vogel abgeschossen.

  18. Na ja, die ganze Ziggev-Thematik sehe ich so:

    Es gibt für Ziggev ein objektiv existierendes Gutes, dieses ist intuitiv erkennbar, ganz im Sinne herrnhutscher pietistischer Moraltheologie, und das wird von Bersarin bestritten, die ganze komplexe dialektisch-diskursive Philosophie auf die Bersarin sich bezieht ist sozusagen das Gegenteil dieser einfachen Aussage, und Bersarin ist deshalb ein amoralischer Zyniker, Subjekt-Objekt-Trennung und Unterscheidung Diskurs-Inhalt fehlen also gänzlich. Das wird dann noch ineins gesetzt mit Essentialismus: Weil Ziggev das moralisch Gebotene erkannt hat engagiert er sich in der Flüchtlingsarbeit und ist damit ein besserer Mensch als der scheinbar zynische Bersarin.
    Das hat mensch in den völlig wirren Ausführungen zum Thema Menschenrechte auf meinem Blog gesehen.

    https://che2001.blogger.de/STORIES/2723063/#2724918

    Im Grunde kann er sich da mit Momo treffen der nach unserem Bruch und nachdem sich auf seinem Blog Spinner wie Vuvuzelariotqueer tummelten genauso draufkam.

    Ziggev zentrales Problem ist, daß er sich nicht diskursiv und in sinnvollen und nachvollziehbaren Zusammenhängen aufs Geschriebene bezieht und vor allem, daß er bei seinen Sprüngen die Übergänge und Verbindungen nicht kenntlich machen kann. Die Schwierigkeiten das zu bestimmen und was das Gerechte sei, zeigte schon Platon in der Politeia. Vor allem bleiben solche Sätze am Ende, ohne den Bezug zur gesellschaftlichen Realität leere und abstrakte Formen, das also was Hegel an Kants Moralphilosophie kritisierte: Ohne eine Eingebundenheit in die Sphäre der Sittlichkeit und in die Sphäre des objektiven Geistes damit, bleiben solche Sätze leicht auch frömmelndes Gewäsch. Und auf dieser Stelle bleiben eben ziggev und auch Momorulez oder bestimmte Vertreterinnen der Mädchenmannschaft stehen. Erkenntnisgewinn ist auf solche Weise gar nicht möglich.

  19. Nein, nein Mark. Ich habe mich anders besonnen. Wir sollten ziggev hofieren. Wir sollten ihm sein Geheimnis entlocken und es für uns nutzbar machen. Denn ziggev scheint ein Hellseher und Gedankenleser zu sein, er vermag es sogar, Gedanken zu lesen und Absichten zu erraten von Personen, die ein paar hundert Jahre bereits tot sind. Denn wie sonst als durch einen Blick in den Kopf eines Autors könnte er zu solchen Schlüssen gelangen?:

    „Ich zum Beispiel bin der Meinung, dass Goethe in den Wahlverwandscaften nichts weiter gezeigt hat als seine chrakterliche moralische Minderwerigkeit.“

    Um solche Aussagen sinnvoll zu begründen und über die Intentionen, die moralischen Absichten und die moralische Haltung eines Goethe oder überhaupt eines anderen zu urteilen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ziggev ist Goethe oder aber er kann in die Köpfe anderer Menschen sehen, sozusagen eine divinatorische Intuition. Die wiegt sicherlich höher noch als die moralische.

    Aber Scherz beiseite: Wer die Intentionen und Absichten eines Autors eruieren will, der braucht sehr handfeste Begründungen und Dokumente, die darüber Aufschluß geben. Denn es ist uns eben nicht möglich, in den Kopf eines anderen Menschen zu blichen.

    @ che: mein Reden, was Hegel betrifft, seit Jahren. Diese Debatten wären überflüssig, wenn jene genannten Leute zumindest ihre leere Abstraktheit und die damit verbundenen Setzungen überwinden oder zumindest im Denken einholen würden. Bei Kant hat die Frage nach der Moral und der darin involvierten Vernunft eine Logik der Begründung. Dabei spielt in Fragen der Moral nicht die Intuition eine Rolle – das wäre ja fast eine protestantische Gnadenwahl: der eine hat diese Intuition eben und der andere nicht: so what, da kann man nichts machen -, sondern vielmehr kommt es auf die diskursiven und vermittelunsgdidaktischen wie dialektischen Möglichkeiten an. Wir sind an sich im Besitz dieser Vernunft und qua eines logos haben wir teil, aber wir sind dort noch nicht an und für sich, was bedeutet, daß wir im Modus des Wissens um genau diese Aspekte uns Rechenschaft ablegen können und eben auch derart handeln können. Und in diesem Sinne sind Hegels wie Kants auch Einsichten zu vermitteln und nicht bloß irgendeine abstrakte moralische Intuition.

  20. @che „Subjekt-Objekt-Trennung und Unterscheidung Diskurs-Inhalt fehlen also gänzlich. Das wird dann noch ineins gesetzt mit Essentialismus“ das geht noch einen Schritt weiter – ziggev vermischt das dann auch noch unentwirrbar mit persönlichen Alltagsbefindlichkeiten und befördert damit seine eigenen Aussagen in die Bedeutungslosigkeit.

  21. @bersarin: Es ist ja so, dass ich mich (trotz allem) immer wieder bemühe, in dem Gedankengeflimmer von Ziggev das eine oder andere stimmige Einzelbild zu erhaschen. Wär’s immer nur Rauschen, würde ich seine Kommentare erst gar nicht lesen.

  22. Hi, Che! – Zunächst danke, für deinen Versuch einer Rekonstruktion meiner Position! Klar geht die jedoch hier oder dort doch ziemlich in die Irre! Ich wollte doch eigentlich bloß die philosophische Frage anreißen, ob Erkenntnis in Sachen Moral objektiv ist! – Und hier auf Husserl hinweisen, der international eine Renaissance von nicht schlechten Eltern erlebt. – Also, international, auch in der – vormals – „analytischen“ Philosophie (wo Husserl gerade als Gründervater gefeiert wird, gegen Psychologismus usw., frag mal Shaldon Cooper …).

    Das brennt doch unter den Nägeln (oder nicht?): Müssen wir uns wirklich mit lediglich relativen Urteilen in Sachen Moral zufrieden geben?

    Religiös ist ja gerade nicht der herrnhuterische Pietismus (mein Vater, von dorther stammend, legte seine ganze Energie darin, mich nur ja so atheistisch wie möglich zu erziehen) für mich der Fluchtpunkt, nein, gar nicht, gerade diese beschönigende Tendenz, die ich ja immer wieder bei Goethe zu entdecken vermeine, ist es, was mich bei Goethe misstrauisch macht …

    Ich versuche, den Exkurs so knapp wie möglich zu halten. E. Stein ist nun mal ein ziemlicher „Impakt“ gewesen (biographisch würde das zuweit führen). Das aber der doppelte Verrat: Gegen den radikalen Athismus, zu dem ich erzogen wurde (das zumindesr die Absicht meines Vaters, eines Bischofssohnes) und die Hinwandung zum Katholizismus ….

    In der neueren (angelsächsichen) Husserl-Forshung wird nun aber Steins Doctorabrbeit „Zum Problem der Einfühlung“ nicht mehr nur als ein Nebenprodukt innerhalb der Phänomenologie angesehen, sondern als ein paradigmatisches Werk.

    – Denn, wenn ich so kolportieren darf, Husserls himself habe nicht nur jene Einheit der Wissenschaft angestrebt, sondern eben, jetzt crasy, über die Idee der Intersubjektivität die Idee der objektiven Moral. Schluss. Einfach ein höchst interessantes Forschungsgebiet. Ich hatte noch vor, das zu entwickeln

    Goethe „konstruiert“ gewissermaßen diese „abzuknickende“ Blume dieser absolut wehrlosen Otiilie.
    Ich plädiese für eine „Phänomenologie der Phänomenologie“ – um es einfacher zu sagen: „was macht das mit dir?“ Wir müssen doch als Rezipienten von Kunst auch uns selbst gegenüner Rechenschaft ablegen!

    z.B. Proust; das ist ein Werk, das allein durch sich lebt. Nur solchen Werken gegenüber bin ich bereit, Rechenschaft abzulegen.

    … Und, Che, glaubst du, gerada du, nicht, dass ich nicht unter all den Flüchtlingen keine „Zigeuner“, Betrüger, Mafiosie usw. kennen gelernt hätte? §s sind etwa 0, 5 %

  23. „Goethe „konstruiert“ gewissermaßen diese „abzuknickende“ Blume dieser absolut wehrlosen Otiilie.“ Ziggev, wenn Du solches behauptest, dann mußt Du das mit Zitaten oder der Angabe von Textstellen belegen. Was Du über die Anlage und Konstruktion von Ottilie schreibst, finde ich in dem Text nicht. Also mußt Du es belegen. Wenn Du Dir selbst Rechenschaft ablegen willst, ziggev, dann solltest Du übrigens bei der Lektüre von Texten nicht andauernd Deine eigenen Befindlichkeiten und Deine Sichtweise als Maßstab nehmen, sondern Du solltest Dir den Text nehmen. Dann vermeidest Du eine erhebliche Anzahl an Problemen.

    Den Witz von dem Mann der auf der Autobahn die Verkehrsnachrichten hört mit der Warnung: „Achtung, auf der A 1 ist ein Geisterfahrer unterwegs!“ Und der Fahrer so: „Einer???? Hunderte!“ Das Ding nennt sich Bestätigungsfehler und bei der Lektüre von Texten kann das für einen Philosophen oder Germanisten verhängnisvoll sein.

  24. Und das, was Du zu Husserl und zu den „relativen Urteilen in Sachen Moral“ schreibst, erläutert leider gar nichts. Vielleicht solltest Du einfach mal anfangen, Ebenen zu unterscheiden und in Deine Ausführungen eine gewisse Klarheit und das bedeutet auch: Kleinteiligkeit zu bringen. Die Aneinanderreihung von Positionen und Namen belegt gar nichts. Es ist in diesem Falle nicht einmal ein Argumentum ad verecundiam, sondern einfach nur eine Aufzählung, bei der sich mir nicht oder nur unzureichend erschließt, was das nun soll. Wenn es Husserl um Moralbegründung ginge, was ich zunächst mal bezweifeln würde, aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, dann muß Du das irgendwie darlegen können und Passagen oder Textstellen bei Husserl nennen, die eine solche Deutung nahelegen.

    Wenn Du hier also weiter mitdiskutieren willst, ziggev, möchte ich Dich bitten, in Deine Beiträge eine gewisse Konsistenz und auch eine gewisse Ordnung zu bringen. Das tut den Lesern gut und das wird am Ende auch Dir guttun und die Debatte beflügeln. Und unterlasse es einfach mal, anderen Leuten, egal ob das nun ich bin oder Hegel oder eben Goethe, etwas unterzuschieben, was sie nicht gesagt haben. Und wenn Du über Aussagen eine These aufstellst, dann mußt Du sie belegen können. Und zwar mit Zitaten und nicht mit Deinen privaten Assoziationen. Mal so als Tip.

  25. bersarin, ich rede keinesfaklls lediglich von meinen Befindlichkeiten. Als guter Buddhist oder Shiva-Anhänger (oder nenne ihn „Osho“), gehen mir solche Beschuldigungen dermaßenam Arsch vorbei.

    In den „Wahlverwandschafen“, wie in DuW, gelingt es Goethe nicht, sich auch nur einnmal aufrichtig in seine Heldinnen hineinzuversetzten. Es hat hier absolut abgeloost, period. Wie gesagt, sein syntaktisches Zeriminoiell scheint zum Sebstzweck, kein eigenes Statement, das sich nicht der Macht der Herrschenden unterwerfen würde. An Erbärmlichkeit nicht zu überbieten.

    …. Aber irgend so ein kleiens Mädcheni wird geknickt.

    Wenn du nur nur seine Biographie gelesen hättest, dann wärest du nicht so borniert. Manchmal ist Dummheit die direkte Folge von Unwissenheit.

  26. Aus der Rubrik „Finde den Fehler“

    „bersarin, ich rede keinesfaklls lediglich von meinen Befindlichkeiten.“
    „In den „Wahlverwandschafen“, wie in DuW, gelingt es Goethe nicht, sich auch nur einnmal aufrichtig in seine Heldinnen hineinzuversetzten. Es hat hier absolut abgeloost, period.“

    Die zahlreichen Belege, die Du in bezug auf Goethe bringst, ziggev, sind ganz und gar überzeugend.

    Ich lasse ansonsten Deinen Kommentar mal so stehen, weil er performativ genau das illustriert, was ich gerade eben im vorherigen Kommentar anmerkte. Schön auch, wie Du Goethes Gedanken lesen kannst. Magst Du mir diesen geldwerten Trick verraten?

  27. ja, das ist gar nicht so schwer, das habe ich immer so gehalten, mit dem Aquarellkasten ´raus in die Natur, Pfanzen zeichnen, immer erst die Empirie. What the Fuck, erst hinterher habe ich gemerkt, dass Goethe denseben Weg gegangen ist. Wie leicht ist es dann gewesen, Wittgenstein – vom Atilier her zu verstehen. Glaub es mir einfach, diese Philosophen – ein nicht geringer Stellenwert nimmt für mich Adorno mit seinen gescheiterten Kompositionsversuchen ein (nicht zu erwähnen Manns Doctor Faustus!) – ich komme von Atilier her … Gerade deswegen ist für mich Goethe, weil er alles offengelegt hat, gewissermaßen einer Übergröße. Moralisch gesehen ist er aber für mich eine Wüste.

  28. Ziggev, das sind alles nette Meinungskundgebungen. Nur: mir geht es nicht ums Glauben, sondern um Belege und ich denke auch nicht, daß Dir die moralische Beurteilung eines zudem noch toten Menschen zusteht und als ausgewiesenen Goetheforscher, der aufgrund erheblicher Textkenntnisse und Dokumente eine gewisse Expertise hat, bist Du mir bisher leider auch nicht aufgefallen. Davon ab, daß Ferndiagnosen über die moralischen Befindlichkeiten mehr als fragwürdig sind. Und ein Kunstwerk und seine Konstruktion mit dem Verfasser gleichzusetzen, ist auch nicht wirklich hilfreich, um es höflich zu formulieren.

    Sowenig wie man über dem Marquis de Sade nun sagen kann, ob er moralisch oder unmoralisch war, wenn man nur seine Romane liest. Es könnte diese „Unmoral“ oder vermeintliche Unmoral in seinen Romanen auch der Ausdruck höchster Moralität sein. Davon ab, daß es für ein ästhetisch gelungenes Kunstwerk und für dessen ästhetische Kritik völlig unerheblich ist, welche persönlichen Eigenschaften der Künstler besitzt.

  29. Es isr sehr, sehr traurig zu beobachten, wie jemand sich selber kein eigenes ästhtisches Urteil zutraut. Wenn du dir nicht mal das zutraust, dann bitte, verzichte weiterhin auf Bemerkungen zum Thema. Wenn du dich immerzu auf Autoritäten berufen musst, bleibt mir dein Urteil so gleichgültig wie zuvor.

  30. Ziggev, Du hast hier Deine Behauptungen nachzuweisen. Nicht mehr und nicht weniger. Wer eine These aufstellt, ist dafür belegpflichtig. Das ist erstes Semester Philosophie. Und zwar nicht an der Universität, sondern im Grundkurs in der 10. Klasse.

    Die einzige Autorität auf die ich mich berufe, sind Vernunft und Sachverstand. Und diese Vernunft sagt mir: Wer eine Behauptung anbringt, muß sie begründen können und wer zu einem Buch eine These aufstellt, muß das am Text nachweisen. Und solange Du diese elementaren Dinge nicht begreifst, setze ich Dich nun auf die Blockliste und wenn Du wieder zur Besinnung gekommen bist, kannst Du hier weiter kommentieren. Sofern nicht, schalte ich weitere Kommentare von Dir hier nicht mehr frei.

  31. @“ Als guter Buddhist oder Shiva-Anhänger (oder nenne ihn „Osho“)“ —– Wie geht das denn? Der Buddhismus entstand aus der Abwendung vom Hinduismus und kennt in seiner strengen Form auch keine Götter. Und Osho bedeutet nichts anderes als die Verkitschung fernöstlicher Religionen, ein Ragout aus den mystischen Denktraditionen Indiens, Chinas und Tibets, aus Hinduismus, Jainismus, Buddhismus und Sikhismus, innerbuddhistisch auch noch aus Hinayana und Mahayana. Das ist so wie zu sagen „Als guter Christ oder Hussein-Anhänger (oder nenne ihn Joseph Smith)“.

  32. ok., das ist missverständlich ausgedrückt. Aber als „guter“ „Osho“-Anhänger ist natürlich jede Formulierung, die eine „gute“ Anhängerschaft – oder überhaupt eine jede solche – benennt, ironisch zu verstehen. Es ist zwar schön zu lesen, dass du dich offenbar soweit aukennst, dass du eine Reihe fernöstlicher Traditionen aufzählen kannst. Als Klassifizierungssüchtiger fällt es dir allerdings offenbar schwer, dich von solchem Schubladendenken zu lösen, weil du damit bedauerlicherweise eine Erkenntnis, ein vermeintliches Verstanden-Haben verbindest … Das ist schon etwas seltsam, dass du dich zum Verteidiger dieser ehrwürdigen Traditionen aufschwingst, „Oshos“ Eklektizismus (der Vorwurf der protestantischen Kirch) als Verkitschung brandmarkst. Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht könnte ja der Protestantismus diesen Eklektizismus tatsächlich auf einen solchen der fernöstlichen Traditionen verstanden haben. In gewisem Sinne wäre das ja auch sinnvoll. Denn Bhagwan war schließlich ein Inder, denn, obwohl über weitgehende Kenntnisse verfügend und obwohl er etwa die Philossophien unterschiedlicher abendländischer Philosophen nie ganz falsch darstelllt, würde dieser Vorwand sicherlich nur in diesem Bereich zutreffend sein können. – Aber wenn ein indischer Anarchist all jenen fernöstlichen (wie gesagt, ehrwürdigen Traditionen) eine höcht persönliche, westkompatible (universalistische?), teilw. auf umfassendem Wissen fußende Interpretation angedheien lässt, ist das offenbar für dein Besser-wissen-Wollen“ zuviel.

    „Don´t shoot the messenger“! Dass viele seiner angeblichen „followers“ sehr schlechte Botschafter gewesen sind, darfst du nicht ihm selbst vorwerfen … Für das, was du in deiner Aufzählung (der Einflüsse auf „Oshos“ Denken) vergessen hast, wäre etwa ganz klar Jesus zu nennen, über den er nie direkt einen Witz macht (wie über selbst Buddha) und den er wegen seiner „welthafigkeit“ eindeutig gegenüber Buddha vorzieht. (Ich bin sogar der Meinung, unter Verweis auf die Bergpredigt, aber das ist jetzt Sacher der Interpretatioin …) Auch gibt es klare mohamedanische Einflüsse.

    Genau um gegen solche Leute wie Dich, die Ihr Klassifizierungsdenken für Erkenntnis halten, – und bitte, genau aus solchem resultieren solche Sachen wie die Praxis, dass in Indien Frauen verbrannt wurden (werden?) im Falle des Todes des Gatten (war diese Lebendigverbrennung wirklich immer freiwillig?) – anzugehen, ist er in die (indische) Öffentlichkeit getreten.

    All diese Klassifizierungen, die man sich auch aus jeder beliebigen zweit- oder drittklassigen Quelle ohne jeden Verstand anlesen kann, können keine Erkenntnis ersetzen. Denn Erkenntnis kann nur über die Beschäftigung mit der Empirie erworben werden.

    Das ist aber offenbar für dich zuviel, dass da irgendein Inder, über ein überbordendendes Wissen verfügend, frei kommentiert (es handelt sich immer um Kommentare, beim frühen „Osho“ wenigstens, nie um vertretende Dogmen) vom Buddhismus, über die Chan-Phuilosophie, Zen, bis zu Jesus. Lieber hängst du einer rein konstruierten Vorstellungi von Gnosis an, die sich vollständig aus zweifelhafen Quellen speist (einschließlich Koketieren mit Blavatsky und dergl. Brtigkeiten mehr) speist, ohne dich je der Möglichkeit einer „wahren“ spirituellen Erfahrung zu öffnen. Osho sagt, „sag ja!“ Er nennt das, terminologisch vielleict nicht ganz korrekt, „Tantra“.

    Osho hat also ganz offensichtlich sich gegen jeder organisierte Form von Religion gestellt, es ist einfach lächerlich, ihn in eine läppisch angelernte Klassifizierung religiöser Tradition einordnen zu wollen.

    Dir gilt offensichtlich nur dein eigener Anachisus. Wenn aber ein Inder dieselbe Anarchie vertritt, bist du genervt, weil du nicht mehr deinem peinlchlien Eklektizismus einer erkenntnistheoretisch lächerlichen Gnosis fröhenen kannst, die bei nazistischer Ideologie Anleihen zu nehem etwas zu bereit ist.

    Mit derselen Moral könntest du auch für Frauenverbrennungen eintreten.

  33. Ohne das, was Du Klassifizierung nennst, nämlich das systematische und historisch-kritische Einordnen von Denktraditionen kommt keine Philosophie aus. Das war genau mein Fehler in meiner jugendlichen mystisch-gnostischen Phase, als ich ohne jegliche Kenntnisse von Religion (ich wusste nichtmal mit Begriffen wie Eucharistie oder Theodizee etwas anzufangen, das waren für mich interessante exotische Worte wie auch Om mani padme om oder En Soph oder die Namen von Außerirdischen bei Perry Rhodan oder Star Wars, Hauptsache fremd und neu für mich) mir Inhalte der Kabbala, des Buddhismus und der christlichen Mystik aneignete ohne deren Grundlagen im Entferntesten zu kennen.

    Was Du dann allerdings zu einem nicht existenten Bezug von mir zu Blavatsky, die von mir vertretene Moral usw. schreibst offenbart zumindest ebenso wenig Verständnis von dem was ich in der Folge dann vertreten hatte und schon seit mehr als 30 Jahren nicht mehr vertrete. Der für mich damals entscheidende geistige Lehrer war Bo Yin Ra. Weder mit Steiner oder Blavatsky hatte ich etwas zu tun, die ganze New-Age-Jugendsektenbewegung, zu der ich eben auch Osho rechne, erscheint mir als ziemlich jämmerlicher Neuaufguss der mystisch-gnostischen Bewegung des späten 19./frühen 20. Jahrhunderts.

    Spirituelle Erfahrungen aus eigenem unmittelbaren Erleben kenne ich und schätze ich sehr hoch, sie sind für mich zum Teil mit Meditation und zum Teil mit Erlebnissen beim Bergsteigen verbunden. Ohne solche Erfahrungen hätte ich mich nie mit mystischen Lehren beschäftigt. Also auch insofern schätzt Du mich völlig falsch ein.

  34. Ob der politische Anarchismus – eigentlich Libertärmarxismus – eines Che und die religiöse Dogmenlosigkeit eines Osho – oder auch eines Krishnamurti – irgendwie zueinander in Bezug gesetzt werden können erscheint mir höchst zweifelhaft. Ziggev, da wirfst Du Sachen zusammen die nicht passen.

    „Mit derselen Moral könntest du auch für Frauenverbrennungen eintreten.“ Damit hebst Du endgültig vom Boden ab, das ist ganz haltloser Tinnef.

  35. Mal wieder auf dem Punkt, netbitch. Ich habe diesen Beitrag von ziggev auch eher zu Dokumentationszwecken freigeschaltet. Zudem ist der Beitrag voll von zweifelhaften Thesen und falschen Voraussetzungen, unbegründeten Annahmen („Denn Erkenntnis kann nur über die Beschäftigung mit der Empirie erworben werden.“ Dem würde jeder Mathematiker widersprechen und ebenso jeder Physiker, der sich mit mehr als nur dem Wiegen von Goldtalern oder Bleigewichten beschäftigt.)

    Das ärgerliche an diesen Thesen ist, daß es eben kostbaren Aufwand von Zeit bedeutet, um im Detail zu zeigen, wo es bei ziggev an allen Ecken und Enden klemmt.

  36. ok., Che, dann bin ich dir aus polemischen Gründen etwas zu nahe getreten. Ich habe es vielleicht falsch verstanden, was du sonst berichtetest. Diese ganze Sache mit der „Gnosis“ gehört also eher einer früheren Phase deiner Entwicklung an. Das konnte sich aber auch anders
    anhören. Dich in die Nähe von Blavatky et al zu bringen, da du dich nun überzeugend distanzierst, nehme ich hiermit zurück und entschuldige mich!

    Dennoch: Ich habe Zweifel hinsichtlich eines Denkens, das sich unfähig zeigt, gedankliche Hervorbringungen für sich anders zu rekontruieren als in irgendeinem dogmatischen Korsett. Osho (ich lasse die Anführungszeichen jetzt mal weg, eigentlich ist das ein Ehrentitel für einen Zen-Meister, ausgesucht von seinen Anhängern, zu denen ich nur bedingt zähle) ist ein gutes Beispiel, wie undogmatisches Denken funktioniert. Bei Osho kommen einfach ein paar Dinge zusammen: Er hatte in seiner frühen Jugend verscheidene „Satori“-Erlebnisdse, also ein Vorgefühl eines All-in Eins, oder wie soll ich es auch sonst ausdrücken (sehr schön übrigens bei Schelling), dann verstarb seine Schwester (oder war es seine Cousine?), die er sehr liebte, er stürzte sich in die Lektüre von „esoterischer“ Litaratur, jeder Art von Lektüre, einschließlichi Nietzsche …

    Dann dürfen wir nicht vergessen, dass Osho über eine beträchtliche Intelligenz verfügte, wie auch über eine nicht geringes rhetorisches Talent. Und über sehr viel Phantasie und Erfindungsgabe. Was er z.B. über seine Zeit als Philosophie-Professor erzählt (also die Einstellungsprüfung usw.) glaube ich einfach nicht. Ist aber sehr lusig erzählt!

    Aber das ist, glaube ich, eine späte Erzählung. Ich finde es selbst etwas traurig, dass er am Schluss (ich gehe davon aus: im Zuge einer schweren Suchterkrankung), nur noch Witze erzählte. Aber selbst das gelang ihm unnachahmlich. … Genaueres weiß ich nicht, jedenfalls quittierte er seinen Job als Philosdophieprofessor in Indien, die natürlch Wissen über jahrtausende Tradition bedingte, und trat als Vortragender auf. Er reiste also herum und hielt Vorträge. U. a., vertrat er die sexuelle Selbstbestimung der Frau. Das mag er sich von den Hippies abgeschaut haben. Wie auch immer, ihm zufolge sei es für die indische Gesellschaft seiner Zeit (70ger-Jahre) von Wert, die spirituelle Dimension der Sexualität wiederzuentdecken. Insbsondere sei die Sexualität der Frauen in Indien in dieser Hinsicht unterdrückt. Dafür erlitt er zwei (oder drei?) lebensgefährliche Messeratacken.

    Er hatte aber die Aufmerksamkeit höherer Kreise (mit Geld) durch seine Lehrtätigkeit erweckt, und die rieten ihm, damit er überleben würde, dass er eine Art „Ashram“ gründete. Also einen Ort, wo er weiter seine Lehrtätigkeit ausüben könnte, aber geschützt wäre. Aber er hat sich von Anfang an gegen die Rolle, dass er als Lehrer „einer Lehre“ auftreten würde, gewehrt!

    In diese Zeit fällt, dass er sich Praktiken ausdachte, etwa die berühmte und sehr effektive sog. Kundalini-Meditation. Es fällt uns heute etwas schwer, uns das vorzustellen, aber Osho war zu Anfang ein Natural – Born indischer Hippie! Nach seinen Vorträgen forderte er dann seine ZuhörerInnen dazu auf, auszuflippen – freak out! .- Daraus entstasnden die „Dynamischen Meditationen“, – die, falls nicht berkannt, auf derwische Traditionen zurückgriffen.

    Es benötigt gar nicht so viel Intelligenz, um zu verstehen, dass seine Vorträge, obwohl im Indikativ gehalten, nie mehr bedeuten als seine persönkliche Sicht. Nie behauptet er anderes.

    Anders gibt es natürlich die Möglichkeit, den Schiffbruch des eigenen Denkens sich einzugestehen und alles, was sich nicht in irgendeine Kategorie einordnen lässt, zu denunzieren.

    PS. bersarin : sehr erfreulich, dass du anfängst, dich mit Epistemologie zu beschäftigen !!

  37. Ziggev, ich bin ausgebildeter Philosoph. Und wenn ich Deine wirren Äußerungen hier lese, dann ist nicht die Epistemologie das Thema, sondern überhaupt erstmal kommt es darauf an, logische Bezüge sinnvoll herzustellen.

  38. Tatsächlich kann ich bei Ziggevs Überzeugungen zu Bersarins oder meinen Haltungen zum Werturteil oder zu Moral an sich mir vor Lachen die Schenkel halten. Das hat etwa solchen Unterhaltungswert wie ein Frühstyradiospot mit Kurt und Gürgen.

    „Der Iwan, der is nich ohne“ oder so.

  39. na, immerhin, das Lachen ist eine Vorstufe zur Erkenntnis. Che, welche Haltungen habe ich eigentlich vertreten? Ich lese deine Schilderungen von Flow-Erlebnissen beim Bergsteigen mit derselben Freude wie Oshos Ausführungen zum, nur ein Beispiel, Yoga usw. Es ist immer amüsant, einigermaßen witzig, und auch wenn man das Gefühl hat, er füge nur einen Gemeinplatz an den anderen, dann doch irgensdwie originell. – Osho ist einfach nur irgendein – wortgewandter – Blogger unter vielen, nur ein paar Jahrzente vorverlegt. Um Osho zuzuhören, ist natürlich spirituelle Mündigkeit vorausgesetzt. Also ganz im kantischen Sinne: sich ihrer ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Genau dazu ruftt Osho unablässig auf!

    Aber nein! Um ja nicht selber denken zu müssen, bloß nicht die Verantwortung für sein eigenes spirituelles Schiksal übernehmen zu müssen, ist es ja so simpel, sich einfach ein Gegenbild zu konstruieren – rein ausgedacht -, um seine eigenen, alteingeprobten Denkmechanismen, weil es so guttut, durchzupraktizieren, irgendwelche Kategorisierungen vorzunehmen. Wie gesagt, es ist immer leicht, all jene Schulen, die du auch nennst, anzuführen. Es ist aber Fakt, dass Oshos Wissen bzw. Bildung sich weit darüber hinausi erstreckte. – Ich habe wirklich Respekt vor Deiner Praxis! Aber einfach dahingesagte Kategorisierungen – die genausogut anders hätten ausfallen können – bringen für uns leider keinerlei Erkenntnisgewinn.

  40. @Ziggev, was Du über Osho referierst ist ja richtig und interessant, dennoch unterstellst Du mir Dinge die nicht sind. Das Bilden von Kategorien, das Einordnen von Sichtweisen und Weltbildern ist zunächst mal kein Dogmatismus sondern sinnvolle geisteswissenschaftliche Praxis die Voraussetzung ist Realität und Gedankengebäude überhaupt beschreiben zu können. Darin drückt sich kein Scheitern aus sondern Realitätstauglichkeit. Deine Annahmen von intuitiver Erkenntnis des moralisch Richtigen, der Verbindung von Erkenntnistheorie und Ethik und vorher schon auf meinem Blog von Zivilisation und Menschenrechten sind so unklar formuliert und zugleich emotional so aufgeladen dass total unklar bleibt was Du eigentlich damit meinst.

    BTW was die Sache mit der Gnosis angeht hatte ich von Anfang an dargestellt dass ich diesem Denken als Achtzehnjähriger angehangen hatte und dass das für mich eine Art Spätpubertätsneurose dargestellt hatte.

  41. ja, ok – das ist eine konkrete Kritik, mit der ich was anfangen kann. Es stimmt, den Zusammenhang von intuitiver Erkenntnis zu moralischer Intuition habe ich bisher nicht einsehbar dargestellt. Gescheitert bin ich aber zunächst daran, dass hier im Blog nicht einmal der aristotelische Begriff der Intuition vorausgesetzt werden kann. Für Aristoteles gibt es Sätze (in der Mathematik), die nicht mehr auf andere zurückführbar sind. Die werden „intuitiv“ verstanden. Wenn solches Basiswissen nicht vorausgesetzt werden kann, ist es natürlich umso schwerer, den großen Bogen zu spannen, bis hin zur (gewagten) These, dass Moralische Werte gleichermaßen objektiv erkannt werden können. – Weil ich gerade direkt dabei war, hatte ich vor, das anhand Husserls Theorie (ja, es gibt eine Theorie der Theorie!) auszuführen. Etwas gewagt, zugegeben … Aber, um zum Thema zurückzukehren, dass Ottilie in Goethes Roman Unrecht angetan wird, dieser Intuition (nicht streng aristotelisch) wollte ich doch Nachdruck verleihen. Wenn ich erst einen riesigen Bombast an Theorie aufbieten muss, um dieses Unrecht wegzudiskutieren, dann ist das für mich eher eine Bestätigung. Weil wir zusammen derselben Spezies angehören, gibt es Dinge, die wir teilen; es gibt Dinge, die nur verständlich sind, wenn wir sie als „Gemeingut“ verstehen. Kürzestmöglich eine Werttheorie. – Und jetzt immer nur die „Arschkarte“ für Ottilie? Da mach ich nicht mit! Sie tut mir einfach unablässig sehr, sehr leid – und dafür nehme ich einfach Goethe in Haftung

  42. Du sollst hier nicht namedroping betreiben, sondern Positionen begründet darlegen. Und dabei kann Dir auch Aristoteles nicht helfen und schon gar nicht, wenn man ihn verkürzt darstellt, ums auf die eigene Behauptung zurechtzubiegen, ihn simplifiziert, ihn für einen Kontext benutzt, der in etwa so viel mit Aristoteles zu tun hat, wie eine Kuh mit der Metaphysik oder wenn man ihn einfach für die eigene Referernzrahmenbestätigung in Anspruch nimmt. Davon einmal abgesehen, daß ein Argumentum ad verecundiam nicht funktioniert: etwas ist nicht deswegen bereits richtig, weil Aristoteles es behauptet. Du mußt schon selbst zeigen, weshalb Deine Behauptung richtig ist. „Schon Aristoteles hat gesagt …“, zeigt einzig, daß da jemand es nicht in eigenständiger Begründung machen kann. Wenn Du also Aristoteles in Anspruch nehmen willst, dann mußt Du das methodisch anders aufziehen. Was Du hier ablieferst, fabulieren bei mir nicht einmal die Erstsemester sich zusammen. [Davon einmal abgesehen, daß der Begriff der intuitiven Erkenntnis bei Aristoteles so nicht auftaucht. Seine These funktioniert da in der Analytik etwas anders, ebenso beim Beweis des Satzes vom Widerspruch und auch in der Ethik. Und wenn Du bei Aristoteles, weshalb auch immer, mit intuitiver Erkenntnis argumentieren willst, dann mußt Du das spezifizieren und eben mit Zitaten anhand des Aristoteles-Textes darlegen und Dich zudem davor hüten Metábasis eis állo génos zu arbeiten.]

    Ebenso ist, was Du zu Goethe schreibst, eine Kette von Assoziationen. Du projizierst etwas in den Text, ohne Textbeleg. Stülpst dem Text etwas über. In anderen Kontexten nennt man das Rape Culture.

    Ansonsten: Du mußt keinen Bombast an Pseudo-Theorie aufbieten, sondern Du mußt einfach nur eine These begründen. Und wenn es um die „Wahlverwandtschaften“ geht, dann bitte einfach am Text, ohne daß Du hier eine Gelehrsamkeitssimulation betreibst. Zeig das, was Du über Ottilie sagen willst, am Goethe-Text und hör endlich damit auf, Goethes Absichten zu erschnüffeln. Die kennst Du nicht, weil Du nicht Goethe bist und weil Du nicht seine Gedanken lesen kannst. Das habe ich Dir jetzt schon das dritte Mal geschrieben. Davon abgesehen, daß sich Literatur nicht in der Intention des Autors erschöpft, selbst da, wo man sie kennt, weil der Autor sie einem mitteilte.

    „Weil wir zusammen derselben Spezies angehören, gibt es Dinge, die wir teilen; es gibt Dinge, die nur verständlich sind, wenn wir sie als „Gemeingut“ verstehen.“

    Und bitte spare Dir auch solche Trivialitäten. Wovon Du hier gerade sprichst, ist kein Gemeingut, sondern ein Allgemeinplatz. Wir teilen sehr viele Dinge miteinander, aber daraus folgt eben nicht, daß wir deshalb auch Werte oder Ansichten teilen müßten. Du führst hier Voraussetzungen ein, die Du begründen mußt – davon einmal ab, daß auch Gemeinsames je nach kultureller Ausprägung variieren kann. Und auch mit den „Wahlverwandtschaften“ hat das zunächst mal gar nichts zu tun. Auch hier wieder lose assoziierte Bögen. Bezeichnend auch, daß Du dann für den logischen Mangel in Deiner Darstellung andere verantwortlich machst. Es ist aber nicht die Aufgabe des Lesers X oder Y zu kennen, sondern es ist Deine Aufgabe, eine These luzide, klar, deutlich und logisch begründet darzustellen. Und dabei hilft Dir kein Argumentum ad verecundiam.

    Also noch einmal: Wenn Dein nächster Beitrag nicht den üblichen Formen des Begründens entspricht, bist Du wieder draußen. Mein Vorschlag: Du formulierst eine These, diese begründest Du, weshalb X oder Y so ist. Du unterläßt Unterstellungen und Weitschweifigkeiten, Du unterläßt auch Gelehrsamkeitssimulationen. Und weil Adorno, Marx, Aristoteles oder Plato etwas geschrieben haben, heißt das nicht, daß es nur deshalb, weil sie es so geschrieben haben, per se zutrifft. Sofern Du Dich auf Autoren beziehst, mußt Du begründen und zeigen, weshalb es sinnvoll oder richtig ist, mit einer solchen These Deine eigene These zu stützen. Wenn sich Deine These auf Literatur oder Philosophie bezieht, die Du in Anspruch nimmst, führst Du dafür Textbelege an, mit den üblichen Zitierregeln. Sätze mit Begründung sehen von der Form so aus, daß darin Begriffe wie „weil“, „denn“, „insofern“ vorkommen. Ich hoffe, Du hast verstanden, was ich meine und was ich von Dir hier erwarte.

  43. Ich picke mal heraus: „Weil ich gerade direkt dabei war, hatte ich vor, das anhand Husserls Theorie (ja, es gibt eine Theorie der Theorie!) auszuführen. Etwas gewagt, zugegeben“ Das liest sich für mich so, als ob ein Hauptschulabsolvent irdenetwas von oder über Husserl gelesen hat dass er nicht begriffen hat und dann als Argument verwendet. Das ist so ärmlich wie alles was von Dir kommt. Kurz gesagt: Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen.

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