Die Tonspur zum Samstag – oder der 75. Geburtstag von Jim Morrison

He he: „No One Here Gets Out Alive“ war mein Lieblingsslogan, obwohl ich in den seligen Punktagen die Doors eher scheiße fand. Hippiekram eben. Wie Slime.Gedöhns.

Inzwischen bin ich mit den Doors versöhnt. Vielleicht durch den herrlichen Film Apokalypse Now (Sie erinnern sich: Wenn man zum Surfen mit Wagners Wallkürenritt einreitet). Im Auftakt erst der seichte Gitarrenstoß und als da so gemählich und zischelnd das Ridebecken und Glöckchen klangen, dann wieder die Gitarre einsetze, und da liegt ein Mann auf dem Bett, er schaut an die Decke, der Ventilator dreht sich und dreht und der Blick des Mannes verliert sich in dieses Quirlen bis aus den Flügen des Ventilators Rotorblätter werden. Ein faszinierender Filmanfang und besser konnten sich das System Pop, Protest, Politik und die Ästhetisierung des Außerordentlichen nicht koppeln.

Im Winter 1987 besuchte ich mit zwei Freundinnen in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise das Grab des schönen Sängers. Damals war die Büste noch nicht gestohlen und frei zugänglich. Irgendwo im Ordner des Jahres 1986 müssen noch Kodak- oder Ilford-Negative von der Büste und dem Friedhof lagern. Es lungerte und lümmelte dort am Grab immer eine Meute Langhaariger herum, die rauchten und tranken. Unangenehm und meinen Widerwillen erregend. Einige davon waren Deutsche, eine schmutzige Frau, zwei runtergekommene Männer, die betrunken grölten, die dann, nachdem sie lange genug am Grab gehockt hatten, lärmend und singend über den Friedhof zogen, daß die schwarzgekleideten Witwen, die französischen Frauen, wie man sie noch aus alten Filmen kennt, aus ihrer Trauer aufgeschreckten, verstört und mißmutig blickten sie drein, wagten aber nichts zu sagen. Es war eine unendlich peinliche Szene. „Deutsche Besatzer in Paris!“ rief ich den schmutzigen Hippies zu. Sie schauten ärgerlich, drohten. Wir machten, daß wir fortkamen. Nein, ich habe an die Fan-Meute der Doors keine gute Erinnerung. Doorsfans erschienen mir als ein Gemisch aus schlecht angelesenem Nietzsche, einem faden Musikgeschmack und dazu ein Hang zu gräßlicher Mode. Aber der läßt sich vielleicht am ehesten noch entschuldigen, denn diesen Hang besaßen damals viele. Und was anderes ist Pop-Kultur als die Zelebration des schlechten Stils.

Heute ist es anders, wir schreiben das Jahr 2017, als ich zuletzt in Paris weilte, war es ruhig am Grab, ab und an ein paar Fans oder Touristen, sie wirkten fast wie Verirrte. Die schauen, manche legen Blumen nieder. Mich hat nie etwas mit Jim Morrison verbunden. Blumen legte ich auf Becketts Grab auf dem Montmartre. (Davon hier ein andermal mehr.) Seine Musik fand ich zunächst nur über das Doors-Stück in Coppolas Film und dann erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts interessant und dies vermutlich auch nur wegen des Filmes von Oliver Stone. Die Texte der Band halte ich bis heute, wie eigentlich das meiste im System Pop, für kunstgewerblich. Rilke für Anfänger. Wen aber die Musen verschmähen, den küssen die Drogen.

Zum 75. Geburtstag von Jim Morrison nehmen wir dieses hier. Es ist Apokalypse. Zeit der Umkehr. Beckett-Szenario, dachte ich mir damals, als ich in Jugendtagen jene Zeilen hörte: „No One Here Gets Out Alive“. Auch eigentlich eine gute Musik für einen Film

79 Gedanken zu „Die Tonspur zum Samstag – oder der 75. Geburtstag von Jim Morrison

  1. Mein Besuch auf dem Pére Lachaise war 1985, ich traf dort Anarchos aus Turin, die kifften und still gedachten, da wo ich lebte waren Doorsfans zugleich auch Autonome. Und eine Sonja, 25, hatte ihre Pariser Telefonnummer auf einen Begrenzungsstein gesprücht mit dem Text „He was a rider on the storm, please ride me!“.

    Die Doors hätten sich vehement dagegen gewehrt eine Hippie-Band genannt zu werden, es gab ja sogar einen Song in denen Morrison sich über Hippies lustig machte. Hippies, Yippiehs und Freaks waren unterschiedliche Subkulturen, so wie Rocker, Punks und Headbanger auch nicht miteinander identisch sind.

  2. Die Lage in den USA kenne ich nicht aus der Anschauung, sondern nur vom Darüber-Lesen. Ich habe eher die alte BRD wahrgenommen. Damals waren die Doors so ganz und gar nicht mein Geschmack. Vermutlich auch wegen einiger Leute im Bekanntenkreis und wegen dieser Typen und Typinnen da auf dem Friedhof. Entsetzlich, wie ich damals fand, und ich denke, ich finde das noch immer. Heute höre ich die Musik gelassener. Vielleicht auch, weil es an alte Zeiten erinnert. Das ist dann, als wenn man CIndy und Bert oder Smookie hört.

  3. Für mich war das „We want the world and we want it now!“ und die explosionsartige musikalische Sentenz die darauf folgte die ästhetische Zusammenfassung unseres gesamten politischen Programms. Und aus meiner Sicht bis heute unübertroffen.

  4. Ich habe schon damals und früh all diesen Sentenzen und Ideen mißtraut. Es war für mich im Grunde immer eine Imagination, also eher ein ästhetisches Moment, das dann freilich in seiner entschärften Form tatsächlich besser im Pop aufgehoben war. Wenn ich die Leute in Schwarzen Block sah, wußte ich manchmal nicht, ob nun Strauß, Kohl und Friedrich Zimmermann schlimmer waren oder halt jene. Das gut Gemeinte wurde leider von manch Entsetzlichem transportiert und die stalinistischen Tribunale in solchen Szenen waren mir ebenfalls nicht geheuer.

  5. Ich würde es nicht stalinistisch nennen wenn eine Szene versuchte mit Missetätern in der eigenen Szene umzugehen ohne sie der Justiz auszuliefern. Immerhin ging es bei diesen Plena um sexuelle Belästigung, Vergewaltigung oder Diebstahl. Was Anderes sind die Schwundformen die sich ab Ende der Achtziger daraus entwickelten. Und es ist immer sehr entscheidend in welchen Szenekreisen sich das abspielte. In meinem ab frühe Neunziger engeren Umfeld wurde so etwas ganz ohne öffentliches Tribunal, intern und gewaltfrei geregelt.

  6. jaja – sie wollten „bloß alles“ (Hermann Peter Piwitt, der diese Seite der sozusagen Universalpotenz der ästhetischen Seite des Protests stets im Sinne Bersarins traktierte – und dann halt auf der anderen Seite „Die stärksten der Parteien“ – die K-Gruppen-Form der irdischen Allmacht…

  7. Mit k-gruppen hat unsereins nie etwas am Hut gehabt, und die wir wollen-alles-bewegung bestand aus operaiiste und anarchos

  8. Es wäre einmal interessant, eine Geschichte der Linken seit 1970 bis 1999 (also bevor der Tugendwächterrat und die sogenannte Criticla Whiteness, die sich wesentlich aus der weißen Mittelschicht rekurrierte, zu schreiben. Aber sicherlich gibt es auch das schon. Aber ich dachte eher an so ein Projekt mit Texten, Bildern und Essays, das ganze wiegt ca. 3 bis 4 kg, so wie der neue Buchblock von Kraushaar zu den 68ern.

  9. Vielleicht sollte ich mich selbst mal daran machen. Ich lese gerne „Die Autonomen zwischen Subkultur und sozialer Bewegung“ von Jan Schwarzmeier und bin völlig entsetzt. Das will eine Dissertation sein und schmeißt Diskursentwicklungen und Debattenabläufe wild und anachronistisch durcheinander. Obwohl in Göttingen entstanden wo es bis heute genug alte Hasen der Szene gibt scheint die Studie völlig ohne Zeitzeugeninterviews auszukommen, gestützt ausschließlich auf Szene-Literatur und Zeitschriftenartikel. Der Neue Antiimperialismus, eine theoretische Richtung die 1982 auf den Internationalismustagen erstmals ausformuliert wurde und bis heute weiterentwickelt wird ist bei ihm eingedampft auf eine kurze Phase 1987/88. Er folgt der Subkulturthese des unsäglichen Wolfgang Sofsky, derzufolge die Autonomen ein Zwischending aus neuer sozialer Bewegung und einer Jugendsubkultur zwischen Punks und Rockern sind. Die Bedeutung des Operaismus seit der „Wir-wollen-alles-Bewegung“ 1972/73 ist nicht bekannt und wird als Rückprojektion aus den 1990er wahrgenommen, die Bedeutung von Leuten wie Roth, Hartmann, Heim, Aly wird nicht wahrgenommen obwohl der Mann die „Autonomie“ gelesen, aber offensichtlich nicht begriffen hat. Ich erinnere mich lebhaft an eine Debatte, bei der eine KZ-Überlebende dem Sofsky vorwarf sein Ansatz entpolitisiere und entmündige soziale Bewegungen und die Debatte beendete mit den Worten: „Herr Sofsky, Sie sind ein Wicht!“.

    Wenn ich Zeit habe sollte ich mehr darüber schreiben.

  10. Ich war anno 82 auf Studienfahrt in Paris, und am Grab von Jim Morrison lungerten damals sehr seltsame Leute aus aller Herren Länder herum. Nicht meine Welt. In gewisser Weise waren die Doors zwar kanonisch, aber echte Fans waren in meinem Umfeld ziemlich rar.

    Ansonsten ist die Musik der Doors bei mir sehr stark verknüft mit Bildern aus Vietnam, sei es aus der Bordschützenperspektive eines Choppers oder das Napalm-Feuerwerk einer F 4.

  11. Na ja, was die Subkulturthese betrifft, scheint mir das bei einigen nicht ganz abwegig. Problematisch wird es bei den Generalisierungen.

    Interviews, Befragungen etc. pp. sind sicherlich gut, solange das nicht die einzige Ebene der Analyse bleibt. Den Gesagtes und Wahrheit müssen nicht immer identisch sein, und leider ist der linken Szene eben auch ein gewisses Maß an Selbstverblendung eigen. Insofern reichen Interviews allein nicht aus. Und es ist ja auch die Frage, welche Systematik Schwarzmeier wählte. Eine qualitative Befragung ist sicherlich etwas anderes als eine diskursanalytische Studie, die die Bedingungen sichtet. Und auch Marx hat ja für sein „Kapital“ nicht unbedingt, Arbeiter und Kapitalisten befragt.

    Das Problem einer solchen Studie ist sicherlich auch die Vielfalt der Szenen, sozusagen die Judäische Volksfront gegen die Volksfront von Judäa. Das dürfte nicht ganz einfach abzubilden sein. Wie schon bei einem Buch über Punk: Da gab es die eher eklig-siffigen Crass- und Exploited-Punks, da gab es die Neubauten, die von eben jenen wild ausgepfiffen und angegangen wurden und da gab es auch noch Palais Schaumburg. Stilmixtape eben.

  12. @ Mark: Dies ging mir in Paris ähnlich. War mir eigentlich auch egal. Schlimm fand ich nur diese grölenden Deutschen, die sich für besonders rebellisch hielten.

    Die Vietnambilder verbinde ich ebenfalls mit den Doors.

  13. Die Doors – Weird Scenes Inside the Gold Mine. Doors of Perception (Huxley, LSD). Clevere, gute Rockmusik. Westküste. Nix Paris, eigentlich. Toughe, ziemlich gescheite und gebildete Jungs.

    Ray Manzarek über die ersten Gehversuche mit Morrison zusammen: „When he sang those lines, ‚Let’s swim to the moon/ Let’s climb through the tide/ Penetrate the evening/ That the city sleps to hide‘, I said that’s it…It seemed as though, if we could get a group going, we – – – – – could make – – – – – a – — – – – – miliion dollars.“

  14. Weiß ich nicht, ich konnte erst spät den Doors was abgewinnen. Aber vermutlich ärgerten mich auch mehr die Doors-Fans damals. Und vor allem die schmutzigen Hippies dort auf dem Friedhof.

  15. @Mark: F5 Napalm-Feuerwerk, F4 war die Phantom.

    @Bersarin: Abwegig ist da gar nichts, absurd nur die Setzung: Dass die Autonomen aus den Spontis hervorgingen kommt da nicht vor, der Bezug zum Operaismus wird aus einer Rückprojektion aus den Neunzigern abgeleitet und nicht sich darauf bezogen dass der Operaismus Vorraussetzung von Spontiaktivitäten der Siebziger war, vollends absurd wird es wenn der subkulturelle Habitus der frühen Autonomen -zwischen Punks und Rockern – als Voraussetzung ihrer Selbstverortung gesehen wird, ich würde eher sagen dass das Kostüm und die Musik wechselten, aber die politischen Inhalte von den Spontis – subkulturell eher Freaks und Yippiehs – übernommen wurden. Das wechselvolle Verhältnis der Autonomen zu der zweiten nichtparteiförmigen linksmilitanten Bewegung in Westdeutschland, den Antiimps, wird gar nicht behandelt und daher auch der Neue Antiimperialismus völlig falsch bewertet. Das ist nicht nur Volksfront von Judäa vs. Judäische Volksfront, sondern hat weltpolitische Dimensionen: Der alte Antiimperialismus ist bis heute Grundlage der Weltsicht von ANC, OAU und nahezu allen Gruppierungen im Trikont – Der „Dritten Welt“, die sich kommunistisch definieren, der Neue Antiimperialismus ein fundamentaler Bruch damit, der zum Bleistift beim Weltsozialforum zum Tragen kommt. Es hilft nichts, ich werde wohl diese Geschichte selber schreiben müssen, sie scheint nicht mehr sehr bekannt zu sein. Meinerseits war ich 25 Jahre lang in diesen Zusammenhängen zu Hause und gehörte 15 Jahre lang zum inneren Kern der Autonomen, wahrscheinlich setze ich viel zu viele Dinge voraus, die sonst inzwischen unbekannt oder verschüttet sind.

  16. Um das zu beurteilen, muß ich das Buch kennen. Allerdings frage ich mich, ob es sich nicht eher um unterschiedliche Perspektivierungen handelt. Und wenn ich das struktur- und diskurslogisch analysierte, ohne die parteipolitische Perspektivierung, käme mir das vermutlich schnell in den Blick. Zumal ja nun gerade bei diesen Zirkeln die Differenzen doch sehr erheblich mir scheinen und dies eben auch die Sichtachse mitbestimmt. Sicherlich sollten in einer Darstellung wesentliche Aspekte nicht fehlen. Allerdings sind solche (innerlinken) Debatten durch Differenzen mitbestimmt, die in Diskussionen ausgetragen werden, wofür jeder gute Gründe für seine Sicht anführt. Interessant sind solche Ausführungen sicherlich im Sinne des Medialen, als Kommunikationsformen, die durch mehr oder weniger langsames Einsickern in öffentliche Diskurse am Ende auch die Politik mitbestimmen. Wobei ich mich immer noch nach frage, wie es mit der der politischen Wirksamkeit für die BRD ausschaut. Bereden kann man viel und Theorie ist eine feine Sache. Allein, die Praxis … Adorno wußte da einges zum Anfang der „Negativen Dialektik“ zu sagen. Solange alle korrekt gendern, muß man hier nichts ändern. So denkt die heutige Sabbellinke und verzehrt sich im Klein-Klein. Mit Minderheiten erreicht man eben nur Minderheiten. Und damit wird keine einzige Schlacht gewonnen. Auch die sogenannte letzte nicht, um ein theologisches Motiv von Ton Steine Scherben aufzugreifen.

  17. Freilich muß man,wenn man mit etwas nicht zufrieden ist, es selbst anpacken. Wird sicherlich keine einfache Arbeit. Bleibt bei solch einem Projekt nur die Frage, ob man es für Fachleute von Fachleuten macht – und da hat man dann schon das Volksfront von Judäa-Problem – oder ob man es schafft, weitere Kreise, also auch Leute wie mich anzusprechen, die politische Theorie machen, aber nicht aus dieser Szene kommen und damit auch nicht viel zu tun haben wollten.

  18. Um es noch mal klarer zu machen: Es gibt da mehrere Ebenen, eine die sich auf die Linke in der BRD bezieht, eine wo es um weltweite Bewegungen und Entwicklungen von 1968 bis jetzt geht und was das Thema Antiimperialismus angeht eine noch viel komplexere bei der zum Beispiel das Verhältnis weltweiter marxistischer und befreiungsnationalistischer Bewegungen zum Zionismus bzw. zu Israel eine Rolle spielt (und wieso manches, was in Deutschland oder GB als „linker Antisemitismus“ gelabelt wird einer gesonderten Untersuchung bedarf), dann die globale Perspektive die sich für die Linke aus der Synopse ergibt und auf einer ganz anderen Ebene meine persönliche Eingebundenheit und subjektive Erlebnisweise.

  19. @“Zumal ja nun gerade bei diesen Zirkeln die Differenzen doch sehr erheblich mir scheinen und dies eben auch die Sichtachse mitbestimmt. Sicherlich sollten in einer Darstellung wesentliche Aspekte nicht fehlen. Allerdings sind solche (innerlinken) Debatten durch Differenzen mitbestimmt, die in Diskussionen ausgetragen werden, wofür jeder gute Gründe für seine Sicht anführt. “ —- Mir geht es da primär allerdings um die Faktenebene auf einer so basalen Ebene wie welche Ereignisse haben wann stattgefunden und welche Debatten sind ab wann geführt worden wo der Autor nachweislich geschlampt hat bzw. Dinge faktisch falsch wiedergibt.

  20. Na ja, nachweisliche Fehler auf der Faktenebene, falsche Daten etc. (sofern es sich nicht um Erinnerungsprotkolle handelt und selbst da muß man das in einer Dissertation anmerken, daß sich der Sprecher irrte), haben in einem Buch nicht verloren und müssen natürlich kritisiert werden.

  21. Um das auf Deinem Blog nicht ungebührlich auswalzen, bei Interesse kann dann bei mir weiterdiskutiert werden in aller Kürze 2 zentrale Punkte: Der Autor schreibt, im Zusammenhang mit der IWF-und Weltbanktagung in Westberlin 1988 hätten die Autonomen 1987 den Neuen Antiimperialismus als Theorieansatz entwickelt um die IWF-Politik angemessen kririsieren zu können, dieser sei nach 1988 in Vergessenheit geraten da dann Sexismus in der Szene Hauptdiskussionsthema gewesen sei. In den Neunzigern hätten die Autonomen dann den Operaismus für sich als Theorie zur Herleitung ihres Selbstverständnisses entdeckt.

    Tatsächlich war der neue Antiimperialismus, ein Ansatz der die 3-Welt-Solidarität nicht mehr über marxistische Parteien, Guerrillagruppen und Regime, sondern durch unmittelbare Solidarität mit Armenbewegungen definiert und die konventionelle Entwicklungshilfe als gewaltförmige Modernisierung die gewachsene Strukturen zerstört kritisiert von entwicklungspolitischen Gruppen seit den Siebzigern entwickelt, auf den Tübinger Internationalismustagen 1982 als Theorie formuliert und seither in der Zeitschrift Autonomie und der Nachfolgeschriftenreihe Materialien für einen neuen Antiimperialismus bis heute weiterentwickelt worden. Der Operaismus, ein linker Ansatz bei dem die Kritik an der entfremdeten Arbeit selbst im Mittelpunkt steht wurde seit den Siebzigern ebenfalls kontinuierlich in der Autonomie, den Materialien und der Wildcat thematisiert, bis heute. Die Eigenbezeichnung Autonome geht auf diese Zeitschrift zurück. Und Schwarzmeier zitiert aus der Autonomie ohne den ganzen Theoriezusammenhang überhaupt wahrzunehmen.

  22. Das kann ich nicht beurteilen, dazu müßte ich zunächst das Buch lesen. Doch diese Fragen gehört nicht und werden wohl auch nicht unmittelbar zu meinem Forschungsfeld gehören.

  23. naja, ich will weder Sie noch jemand anderen herausfordern.
    ich hab nämlich ne ganzganz fundamentale sache am laufen, auch in richtung eines hanswerner (un)sinns verquickt mit sprechblasengetexte uswuf.
    exempel : ein paar leute werden exemplarisch gezeigt als eine ganze band , die widerum jim morrison heisst ( Ihr textchen oben )
    was regen Sie sich auf über sone twiiterscheisse, sone sprechblasenagitessen und -agiteure.
    sprechblasen aka bildzeitung ( langharige pp ) gediegen ( naja kokett formuliert ) in serie ergeben noch lang kein besseres bild.
    usw.

  24. ick koof mich oof den letzten eybin wa der alte oof dem hinterletzten schrain
    ging farbuss odda bar fuss
    schrieb mir was in dei kladde
    rain

  25. du befindest dich itzo ( nunc <<<<<<<<<9 in gans genau besseren gansen welt trottalitaetsintelligibilitaETEn )
    traumatisieren sie selbst sich zu fördertrst

  26. @ check zhe knife: Bitte beim nächsten Mal in lesbaren Sätzen, sonst geht es ins Kommentariats-Verließ. Und bitte diesen Block hier auch nicht für eigene Produktionen nutzen, sofern sie in der Performance nicht wirklich gelungen sind.

  27. Es klingt irre, che. Es spamt auch gerade den Block zu. Aber es gibt ja Wolfsverließe und wir Jungs von der ästhetischen Putztruppe sind da nicht zimperlich: Schwert und Schild der Bloggerei

  28. Zurück in die Welt: Morrison war Dichter, Lyriker. Er trug in Kneipen vor, es hörte aber niemand zu. Als er dann seine Texte zur Gitarre sang, begann der Aufstieg.

  29. „Das kann ich nicht beurteilen, dazu müßte ich zunächst das Buch lesen. Doch diese Fragen gehört nicht und werden wohl auch nicht unmittelbar zu meinem Forschungsfeld gehören.“
    Wir übersetzen von Bersarinisch in Deutsch: Leck mich sonstwo.

  30. @ Nörgler: Den Song-Texten merkt man allerdings ihre Herkunft an. Und das ist diesmal positiv gemeint. [Ich fürchte ja, im Alter werde ich Heidegger immer ähnlicher – nur daß ich ne hübschere und weniger antisemitische Frau habe.]

    Und zum zweiten Part: Nein,so hart würde ich es aus Respekt vorm che nicht formulieren. Aber ein gewisses Minderinteresse hast Du da aus dem Satz in der Tat richtig herausgehört. (Wobei ich das nie absolut setze: in anderen, neuen Kontexten kann es mich plötzlich packen. Nur eben nicht gerade im Augenblick. Ich befasse mich im längeren Moment der Jahre mit dem Ende der Kunst als wissenschaftliche Qualifikationsarbeit.)

  31. Die Annotation „ne hübschere und weniger antisemitische Frau habe“ sollte es dann gewesen sein.

  32. Na gut, zur Ergänzung wäre dann von meiner Warte zu sagen, dass der Themenkomplex Autonomie-Operaismus-Neuer Antiimperialismus mit allen weiteren Aspekten, da gibt es ja auch Bezüge zur Kritischen Theorie und zu Foucault und Bourdieu das für mich absolut Zentrale ist, dem sich, abgesehen von Sexualitä, Astrophysik und meinen unmittelbaren persönlichen Erlebnissen, alles andere unterordnet. Auch unsere Auseinandersetzung zum Thema Israel/Palästina oder der gesamte Momorulez-Komplex ist aus meiner Sicht unter diesem Aspekt zu verstehen.

  33. Sicherlich gibt es diese Bezüge, Bourdieu ist da wichtig, ebenso Ranciere, aber auch in anderer Hinsicht Deleuze und es gibt ebenso Bezüge von Heidegger und von Nietzsche zur Kritischen Theorie. Und dann wieder Bezüge von Heidegger und insbesondere von Husserl zu Derrida und zu Foucault, davon ab, daß in Derrida eine ganze Geschichte der Abendländischen Philosophie abgelagert ist: sozusagen eine Art dekonstruktiver Hegelianismus mit Heideggerschem Ereignis versehen. Um ein paar Wegmarken zu setzen.

    Unter welcher Perspektive etwas zu sehen ist, kann leider auch leicht zu einem Relativismus führen. Insofern sind bei den Perspektiven ebenso die Hinsichten wichtig, unter denen man betrachtet und dies zudem selbstreflexiv in den Blick zu bekommen. Weil allerdings etwas von einer bestimmten Perspektive aus gesehen wird, muß es übrigens deshalb noch nicht richtig sein, sondern vielmehr kann eine solche Perspektive, mit der man vorab schon die Sache ausmißt, zu einer eklatanten Blickverengung und zu einer falschen Fokussierung führen. Für mich als Philosophen ist insofern die Sache selbst der Maßstab. Weiterhin betrachte ich als Philosoph neben den Inhalten ebenso die Operationalisierungen, unter denen die Inhalte zur Darstellung kommen und gleichfalls das semantische Feld. Der Momorulez-Komplex freilich interessiert mich weniger – man will ja am Ende nicht der Sektenbeauftrage der Blogosphäre sein.

  34. Na so eng wie sich das eben bei mir las ist meine Fokussierung dann doch nicht, neige ja manchmal zu Starkdeutsch. Ansonsten: Ich BIN der Sektenbeauftrage der Blogosphäre ;-)

  35. Ich vermisse die Planstelle des Sektbeauftragten der Blogosphäre, che2001 – immer übersprudelnd vom moussierenden Gedankenreichtum und mit einem ganz leisen Knistern am Ohr der Fremden, das manche mit wohligem Schauer an sanfte Explosionen gemahnt. Das ist doch viel schöner, nedwahr?!
    Teju Cole über die Schweiz z. B. – ohhh, das ist klischeestarrende Plörre. Verspricht keinen Genuss, leider.
    Mal das schweizbiuch von Miachel Rütz dagegenhalten! Oder Guido Mangolds dollen Tirol Band (gibts übrigens beide antiquarisch parktisch geschenkt – Tipp!).

  36. Na ja, Genuß will Teju Cole bei einem Thema wie dem Waffenexport und millionenfachen Tod durch Profiteure, die man eigentlich vor eine internationalen Strafgerichtshof stellen müßte, da auch nicht hervorrufen. Im übrigen, Dieter Kief, findet sich auch hier wieder der Aspekt der fehlenden Hinsichtenunterscheidung. Das eine zu kritisieren bedeutet nicht, das andere zu lassen und durchaus auch Angenehmes oder Schönes an einem Land zu loben oder auch andere Aspekte in die Kritik zu nehmen. Nur eben: Das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Und wer das reine Idyll will, der muß zur Strafe halt Heino hören – er feierte gerade seinen 80. Geburtstag. Solche Waffenexporte und solche Finanztransaktionen übrigens beschädigen am Ende auch die vermeintlich schöne Landschaft. Die ungebrochene Darstellung der vermeintlich heilen Landschaft gerät damit unterkomplex. Und in diesem Sinne würde Cole, wenn er einen solchen Bildband zur Schweiz machte, sicherlich komplexere und damit von der ästhetischen Form her angemessenere Photographien produzieren.

  37. Das Problem bei Morrison/Doors, wie so oft und die Ursünde im Pop: sich selber ernst nehmen. Für das Pop-Publikum ist dann eh´ alles zu spät. In die Sprache des Kommerz übersetzt, das als Produkt verkaufen zu wolle, führt es dazu, dass das anvisierte, hippe Publikum, das sich dazu zu fein ist, sich leicht genervt abwendet. Was übrigbleibt, ist schlechte Musik aus bloßer Unfähigkeit, die es unmöglich macht, das Ergebnis wenigstens unter camp-Bedingungen wahrzunehmen, geschweige zu genießen. Das Geschäftsmodell Doors war einfach naiv, Jim Morrison war zu dumm, um naiv zu sein. (Gegenprobe: absichtich schlechte Musik zu machen, kann dagegen funktionieren, wie bei den frühen Einstürzenden Neubauten. Das nichtnaive Modell wäre Zappa.) Umso verwunderlicher, dass das „Geschäftsmodell“ ab den 80ern dann doch aufing, als ein paar Bücher über Morrison erschienen. (am interessantesten scheint noch das von Craig Strete zu sein.)

    Dann entblöste sich Morrison bei einem Konzert in Miami, und keine Sau interessierte sich mehr für ihn. Musikalisch, abgesehen von ein paar Ausnahmen (nach Miami), war es nicht mal Handwerk, also popmusikalisch nicht mal das. Für Hippie-Träume desilliusionierend, allerdings ohne auch nur das geringste Gefühl eines Verlusts zu hinterlassen. Die Inszenierung: „Father? I want to kill you. Mother? — I want to ——- ahhhhhh…“ – Nicht einfach ein Stern zu sein, sondern lieber als Sternschnuppe verglühen zu wollen, stellt sich als ein mega Ego-Trip heraus. Welchen anderen Affekt als den der langen Weile vermag das auszulösen.

    Als Soundtrack zu „Apocalypse Now“ allerdings eine gute Wahl. Die Bilder sind stark genug, um den musikalishen Sinn zu betäuben. Subkutan nervt hier irgendetwas unsäglich, egal wie vollgedröhnt man ist: irgendetwas läuft hier fundamental falsch!

    Dass inden 80ern Morrison noch mal herhalten konnte (in linken Kreisen – wofür, kann ich nicht beurteilen), zeigt, dass – trotz aller ostentativen Hippie-Verachtung – die Hippie-Lektion durchaus nicht gelernt wurde. Vielleicht schafft hier „Fear and Loathing in Las Vegas“ abhilfe?“ – LA Woman (Stück) hat mich allerdings etwas mit Morrison versönt. Kann jede gute Rock-Band überall auf der Welt ohne Attitüde spielen, ich meine einfach nur spielen. Hier offenbar in Sarajvo:

  38. „Als Soundtrack zu „Apocalypse Now“ allerdings eine gute Wahl. Die Bilder sind stark genug, um den musikalishen Sinn zu betäuben.“

    Hier ist es vor allem die Musik/Bild-kombination, die den Irrsinn dieses Krieges und zugleich das Moment auch des Psychedelischen zu zeigen vermag. Insofern ist die Musik im Auftakt für diesen Film gut gewählt. Wie ja auch sonst diese von Conrad verfilmte Reise ins Herz der Finsternis nicht nur eine Parabel ist, sondern realiter den Abgrund uns Betrachtern öffnet.

  39. Und Coppolas Film ist ja auch einer über die Verrücktheit, den Wahnsinn. In diesem Sinne ist der Vietnam-Krieg ein Anlaß. Und dieses gemächlich auftaktende Doors-Stück vom Ende, das dann immer weiter in den Wirbel gleitet, deutet leitmotivisch geradezu an und führt ein in das, was uns dann die Bilder zeigen werden.

  40. @Bersarin – Cole hat in der NYT eine CH-Foto-Serie veröffentlicht, – sterbenslangweilig – und die von Ihnen zitierten CH-Prosa-Bausteine tauchen auch in der NYT treulich auf im Rahmen der kapitalismusaffinen Mehrfachverwertung geistiger Leistungen. Weil die NYT bekanntlich so ein waffenexportkritisches Blatt ist, das von der Rüstungsindustrie keinen Cent nimmt, nedwahr, passt Coles in Tat und Wahrheit vom Blutgeld finanzierte Kritik zu seinen blutleeren Fotos. Es folgt schon alles treulich einem höheren Plan.

    Idyllen sind nichts schlechtes.

    @ Ziggev
    Was meinen Sie mit Ihren Bemerkungen über die Doors und deren Erfolg?

  41. @ Herr Kief: kürzer fassen kann ich mich jetzt nicht mehr. Ich meine, dass der Misserfolg der Doors vollkommen berechtigt ist. Sind halt Popgeschichtlich vollkommen unbedeutend gelieben Weiteres oben.
    (ziggev https://bersarin.wordpress.com/2018/12/08/die-tonspur-zum-samstag-oder-der-75-geburtstag-von-jim-morrison/#comment-15567)

    Interessanter finde ich jetzt bersarins Kommentare – die Marriage mit dem anderen Medium zu betrachten: dass, und zu analysieren, warum und wie das jetzt plötzlich ästhetisch doch funktioniert!

  42. Die Erfolglosigkeit der Doors haben Sie ziemlich exclusiv, Ziggev.

    Filmmusik, jaja, können Filminteressierte natürlich drüber sinnieren – stellen sie schon nix Böses an in der Zeit, ne.

  43. @ Dieter Kief: Daß eine Zeitung mit ihrem journalistischen Part und dann dem der Finanzierung und dem Anzeigenteil zwei verschiedene Dinge sind, muß ich Ihnen nicht sagen. Anzeigen und Redaktion und damit auch Inhalt und Berichterstattung sind zweierlei. (Als in Deutschland zur guten alten Zeit einmal ein Unternehmen Herrn Augstein (oder war es Bucerius?) wegen eines Artikels erpressen wollte, entgegnete dieser lakonisch: „Machen Sie nur, dann steht das eben morgen im Spiegel!“ Und flugs war die Sache vom Tisch.) Und es ändert dieser Cole-Artikel am Inhalt des Textes und an der Kritik an solchen Waffenprofiteuren nichts. Allenfalls verhält Cole sich performativ widersprüchlich. Andererseits kann man es dialektisch sehen und sagen, daß diese Kritik erst durch die NYT Verbreitung erfährt.

    Was man bei Cole tatsächlich kritisieren kann, ist ästhetisch gegründet: nämlich die Vereinzelung von Bild und Text. Dieses Prinzip funktioniert nur in der Serie. Coles Photographien wirken einzig in dieser seriellen Form. Als Einzelbild bleibt dieses Schweiz-Photo insofern problematisch, weil den menschenleerenn Bildern eine (ästhetisch freilich interessante) Statik eignet. Es fehlt das Blättern im Buch.

    Idyllen sind dann etwas Schlechtes, wenn sie Medium des Betrugs sind und wenn sie ästhetisch in den Kitsch gleiten, weil sie eine Welt vorspielen, die es so nicht gibt. Wie man Schönes mit dem Bruch versehen kann, zeigen die Gemälde von Carl Blechen. Und in anderer Weise C.D. Friedrich.

    @ziggev. Ich würde überhaupt denken, daß die Musik der Doors durch solche Filmbilder wirkt. Interessant wurden sie für mich erst durch den Stone-Film.

    Wie sogar ein Schlager in einem Film gut wirken kann, zeigte der Film „Sommer vorm Balkon“ von Andreas Dresen, darin von Vicky Leandros das Lied „Ich lebe das Leben“ gespielt wurde. (Wobei man zu diesem Lied schon wieder sagen muß, daß es kein Schlager ist, sondern in Frankreich würde man dazu Chanson sagen.)

  44. Bersarin, Teju Cole ist ein prätentiöser Langweiler und er vertrickt sich in der Tat in einen performativen Widerspruch, indem er das blutgetränkte New York Times Geld annimmt.

    Was Sie über die Idylle sagen hat nichts mit den Alpen-Fotos von Ruetz und Mangold zu tun, das ist ja mein Bezug hier gewesen.

  45. Zunächst einmal müßten Sie bitte nachweisen, weshalb Cole ein Langeweiler ist. Sie ergehen sich in Behauptungen und liefern dann nicht. Weiterhin: Wiederholungsschleifen sind auch nicht wirklich zielführend. Zumal ich Ihnen ja die Ebenenunterschiedung oben relativ klar erläutert habe. Davon ab, daß das Geld der NYT nicht blutgetränkt ist. Das ist schlichter Unfug.

    Und was das Idyll und die Alpenphotos betrifft, so ist es schlicht unsinnig, ganz unterschiedliche Photographieansätze und auch von der ästhetischen Form ganz anders gearbeitete Bücher miteinander zu verrühren. Das ist in etwa so als spielte man Andread Gursky gegen Robert Frank aus.

  46. „dass der Misserfolg der Doors vollkommen berechtigt ist.“: Ich würde sagen, ziggev, daß man unterscheiden muß zwischen dem System Pop, in dem die Doors eine erfolgreiche Band waren, und ästhetischen bzw. künstlerischen Kriterien in bezug auf diese Art von Pop-Musik. Wieweit hier die Musik mit der Lyrik korrespondiert, muß man dazu, wie auch bei Bob Dylan, ebenfalls in den Blick nehmen.

  47. Das Verhältnis der Doors zu den Hippies ist zwar heute rein historisch, aber ebenfalls sowohl unter soziologischen als auch unter ästhetischen Gesichtspunkten interessant. Die Hippies vertraten einen naiv-unpolitischen Pazifismus (Morrison-Terminus: „Peacefrogs“) gepaart mit einer allgemeinen Leistungsverweigerung und der Bewusstseinserweiterung durch Drogen als einen Weg der Selbsterfahrung und mystisch-gnostischen Einweihung („Drop out, turn on and get experienced“), die Musik dazu idealisierte die Hippie-Lebensweise als Idyll („Goog bye, Ruby Tuesday“, „Hotel California“, die Bands Gratefull Dead, Jefferson Airplane, Unity of Men, The Mamas and the Papas, Janis Joplin). Jim Morrison war hingegen disharmonisch, sein Bezug zur Psychedelik hatte sowohl schamanistische als auch ernsthaft psychoexperimentelle Züge, es ging den Doors auch durchaus darum sich qua Drogen- Sex- und Grenzerfahrungen selbst zu revolutionieren. Gleichzeitig war ihre Gegnerschaft gegen den Vietnamkrieg weitaus politischer als die der Hippies, für Morrison war das ein einerseits politischer und andererseits ödipaler Konflikt (er war Sohn eines Admirals der US-Navy, der beim Zwischenfall von Tonking, dem auslösenden Ereignis des Vietnamkriegs den Flugzeugträger USS Bonhomme Richard kommandierte). Der Bandname kommt daher weil sie die Türen sein wollten zwischen der psychedelischen Subkultur und der linken Szene, ihre Musik sollte Blues, Soul, Psychedelik Beat und Hard Rock miteinander verbinden. Die Doors verachteten die Hippies weil diese das subversive Potenzial der Subkultur auf einen lifestyle reduzierten, sie verachteten auch das Gammlertum, bei allen Drogenexzessen sahen sie die psychedelische Bewusstseinserweiterung durchaus als Arbeit an sich selbst an.

  48. @Ziggev, es hieß nicht „Father? I want to kill you. Mother? — I want to ——- ahhhhhh…“ , sondern „Father? I want to kill you. Mother? — I want to fuck you!“ , das wurde nur bei jeder Aufnahme hinterher von der Zensur überspielt.

  49. Bei Jefferson Airplane würde ich allerdings nicht nur einfach in der Hippieecke verorten. Ansonsten zu dieser Zeit sehr schon zu lesen von Tom Wolfe „Der Electric Kool-Aid Acid Test: Die legendäre Reise von Ken Kesey und den Merry Pranksters“ und halt William S. Burroughs. Hier kommen dann auch eher die Beatniks ins Spiel bzw. die Hipster von damals. Sowieso mischt sich da vieles und es sind in bezug zu den Beatniks und Hipsters die Bezüge zu den Surrealisten und auch zu Dada interessant. Für diese ästhetisch-politische Komponente fand ich damals ganz lehrreich von Michael Kohtes und Kai Ritzmann: „Der Rausch in Worten. Zur Welt- und Drogenerfahrung der Surrealisten und Beatniks“.

  50. Herrje Bersarin, jetzt werdn Sie kleinlich – ich sprach zweimal über die NYT-Fotoserie über die Schweiz von Teju Cole, kann man googlen, aus der auch Fotos in dem von Ihnen besprochenen Buch abgedruckt sind – das der Bezug. Warnung für die googler: Ist furchtbar langweilig.
    Interessant dagegen die CH- und Alpen-Fotos von Michael Ruetz und Guido Mangold. Sehr interessant. Nicht zuletzt Ruetzens gerade bei Nimbus wieder aufgelegte Serie Die Absolute Landschaft. Die ist sogar umwerfend. Gucken Sie ruhig mal.

  51. Darauf hinzuweisen, sich auf das zu beziehen, was Thema ist, und analytisch exakt zu sein, ist nicht kleinlich, sondern dies nennt sich Genauigkeit. Ich bin in diesen Dingen schon für Gründlichkeit. Und hier geht es primär um das Buch, nicht um die Zeitungsserie, die nicht Gegenstand der Besprechung ist. Weiterhin: Man kann ein Land unter verschiedenen Aspekten photographieren. Und diese verschiedenen Hinsichten erzeugen über ein und dieselbe Sache verschiedene Bilder. Das Interessante an Coles Bildern übrigens: Daß sie gebrochen sind und uns keine heile Welt inszenieren. Cole zeigt, was die Schweiz auch ist: eine Idylle aus Blut. Und daß er dazu auch die NYT benutzt, ist umso besser. Nämlich eine entstellte Welt zu spiegeln. Und darin sind Coles Photographien nicht langweilig, sondern sie folgen einem genauen Blick. Ohne großes Geschrei, ohne Überinszenierung und grelle Kontraste und schrille Motive. Darin liegt die Stärke dieser Bilder. Daß auf subtile Weise sich unter die Photos eine zweite Geschichte legt. Das Alpenpanorama auch als Marketing zu zeigen. Die gesellschaftlichen Verwicklungen haben selbst der Landschaft ihre vermeintliche Unschuld genommen.

  52. Bersarin, wenn Sie mir e i n Beispiel dafür gegen könnten, wie Cole zeigt, dass die Schweiz „eine Idylle aus Blut“ ist, wäre ich Ihnen in der Tat sehr verbunden.

  53. Nehmen Sie z.B im Buch die Seite 66/67 und dazu das in meiner Rezension gebrachte Zitat zur Schweiz. Ganz zentral dann S. 158/159: Zur Photographie einer idyllischen Berglandschaft, davor in nettes, wohl modernes Schweizerhaus, geschreiben ein lesenswerter Text über die Kindersklaven. Kinder, die damals ihren Familien entrissen wurden und die man zur Arbeit einsetzte, als die Schweiz noch kein so reiches Land war. Verdingkinder genannt. Aber hier geschieht das Nennen ohne Bitterkeit. Es sind die wie nebenhergeschilderten Fakten, die umso stärker ins Auge springen.

    Ebenso Seite 92/93. Cole macht das nicht anklagend, nicht mit moralischem Zeigefinger, sondern eher beiläufig und als kontemplative Reflexion. Genauso kann man Seite 124/125 als eine subtile Kritik deuten. Cole macht nebensächliche Photos, doch sind diese Sujets nur scheinbar Nebensache, sondern sie laden zum Denken ein

  54. Die Verdingkinder. Oh. Da hat er ja ein heißes Eisen angebpackt, unser Artist in Residence in Zürich; eins von dem die ganze Schweiz rauf und runter jahrelang sprach. Und zu dem es sogar eine – Achtung, jetzt wirds populistisch – – – eine Volksabstimmung (!) gab – die kryptofascistischen schweizerischen Stimmbürger waren klipp und klar f ü r eine Wiedergutmachung an den Verdingkindern. Hm. – Wahrscheinlich haben Einflussagenten aus Moskau dahinter gesteckt, genau wie bei Trump! Müsste noch genauer recherchiert werden.
    Wenn der Verdingkinder-Geschichte eine russische Verschwörung zugrunde lag, so steckte da bestimmt auch der brave Sozialdemokrat Jean Ziegler mit drin, übrigens, Che2001! – Die linken Demokratiezerstörer stecken nämlich immer unter einer Decke, hehe!

  55. Schauen wir uns doch einmal die Bedingungen an, unter denen Pop entsteht, mit besonderem Augenmerkt auf die Anfangsbedingungen! Da können wir zunächst zweierlei festhalten: 1. Als billiges Massenprodukt, als welches er von Anfang an auf den Markt geworfen worden ist, ist er unter den Bedingungen, die die Geburt eines solchen Massenphänomens unvermeidlich begleiten, nicht ernst zu nehmen*. 2. Als Massenphänomen schafft er selber wiederum (Markt-)Bedingungen, unter denen er sich in der Folge weiter hervorbringt, wozu notwendig seine Rezeption gehört*. Pop schafft sich also selber die Bedingungen seiner Rezeption, sofern diese auf ihn selbst zurückwirkt.* D.h. dass die Arten und Weisen, die Formen, mit denen (über) Pop kommuniziert wird, eine durch diese Popbedingungen bedingte „Gestalt“ (um mich so verallgemeinend wie möglich auszudrücken) annehmen werden. Radio- und Fernsehsendungen, Magazine, Fanzines, (Sprech-)Moden. All diese „Gestalten“ müssen als Kommunikationsmittel ein Mindestmaß ans Markttauglichkeit aufweisen. Auf diese Weise wird teilweise ein besonderes Vokabular geschaffen; Symbole, Arten von Fetischen, damit meine ich insb. Medien, die für das Phönomen selber stehen, es in gew. Sinne verkörpern, wie das Transistorradio, die Single, die LP, die Gitarre usw., und die in Pop-Hervorbringen oft eine besondere Rolle spielen, als Zitate oder direkt als Thema eines Songs (paradigmatisch bei Chuck Berry). Ich möchte hier noch erwähnen, dass zu diesem Vokabular auch bestimmte musikalische Schöpfungen, Formen, Stilkennzeichen usw. gehören, die, abgelöst vom musiklischen Wert, zurückgespeist, in diesem selbstreferentiellen System ein Eigenleben gewinnen können.

    Erste Zusammenfassung: Es werden Codes, Symbole, Stile geschaffen, die, nicht selten abhängig von ihrer markttauglichkeit (Frisur- Kleidermoden etc.), in dieses System wieder eingespeist werden. Abgesehen von der affektiven Ebene (das Phänomen des Fans), und den Möglichkeiten eines neuen Martes, wäre im Pop anfangs nie jemand auf die Idee gekommen, das „ernst“ zu nehmen. Zuallerletzt die Prodzenten selbst. (Jimi Page sagte es neulich auf Arte sehr treffend: Pop sei am Anfang eher etwas wie „Spielbudenzauber“ gewesen (genauer Wortlaut mir z.z. leider nicht präsent). Bereits bei der Geburt des Phänomens wurde unbeabsichtigt die Möglichkeit für seine Wahrnehmung als camp gelegt.)

    Wir können also sagen, dass an diesem selbstreferentiellen System Konsumenten wie Produzenten gleichermaßen beteiligt sind. John Lennon war besessen vom frühen Rockabilly (eher ein Markt- denn ein musikalisches Phänomen), Elvis von zeitgenössischen (auch früheren) Soul-Formationen, die er dann (1969) auch auf die Bühne holte. Er pflegte zur Vegas-Zeit nachts um 3h alle anzurufen, und zwang seine Freunde, das Zeug in seinem Studio bis in den nächsten Mittag hinein mit ihm zu singen und Unmengen zu trinken usw. Genau die Zeit, in der für Elvis´ Konzerte, sofern gelungen, kein anderes Adjektiv mehr übrigbleibt als absolut „magisch“.

    Die Doors haben nun so gut wie nichts in dieses selbszreferentielle System ein- oder zurückgespeist. Das ist zunächst für den Pop bedauerlich, denn Morrisons Auftritte waren (rein äußerlich) immerhin die wildesten seit Elvis!

    Was ist hier passiert? „Dann kam er auf die Bühne und war kein Mensch mehr, überaupt nicht, er war ein Phantom. Er trug schwarze Lederhosen, so eng, dass man seine Maschnine sehen konnte, und er litt Höllenqualen, (…). Er zuckte, taumelte, wand sich. Er tastete nach dem Mikrophon wie ein Blinder, und sein Gesicht verzerrte sich in Wut und Schrecken. (…)“

    Hier hat der Pop „die Bedingungen seiner Rezeption“ in dem Sinne geschaffen, als Nick Cohn über das Mittel der Mimesis (wie der Blogbetreiber sagen würde, ich würde „Anähnelung“ bevorzugen) versucht seinem Gegenstand/ dem Phänomen gerecht zu werden. Ich meine seinen Stil, wo sich die Bilder überstürzen. Hieran zeigt sich nun ein weiteres, interessantes Phänomen, dass nämlich, wie bersarin oben schon bemerkte, Pop wunderbar mit Bildern in Verbindung gebracht werden kann. Ich möchte hier aber hervorheben, dass interessanterweise die Geschichte des Pop in der Tat in Bildern erzählt werden kann, aber nur, insofern Pop diese Bilder selber hervorgebracht hat oder sie selbst Teil des Pop geworden sind:

    „There she is again standing over near the record machine, looking like a model on the cover of a magazine, she´s too cute to be a minute over seventeen“ (Ch. Berry)

    Worum, bitte, geht´s hier? Es geht um die reine Selbstrefentialität des Pop (und nichts anderes!). Natürlich hat sowas nie jemand ausgerechnet von Morrison/ den Doors erwartet. Die Gründe dafür haben wieder mit kontingenten Gegebenheiten zu tun, u.a. damit, dass typischen Pop-Produzenten durchaus nicht bewusst war (oder es sie schlicht nicht kümmerte), dass es seit Ginsberg durchaus eine stabile Szene gab, wo derselbe durchaus als Eintrittskarte galt. Das unterschätzen wir immer auf dem Kontinent: Dob Dylan, selbst Joan Baez (Adornos keine Zweideutigkeiten lassende Kritik eingeschlossen), sind nicht denkabar ohne die „Beat-Generation“, die – im Gegensatz zu heutigen Vorstellungen auf dem Kontinent – für die Hipster jerner Zeit allgegenwärtig war. – Hipster ist übrigends ein Ausdruck, der aus der Zeit des Bebop stammt, das waren die Leute, die mindestens so cool waren wie Miles Davis …

    Zu behaupten, dass das Pop-Publikum „in general“ keine Ahnung hatte von der „Beat-Generation“, wäre so, wie wenn ich behaupten würde, dass unsere Genration nichts von Punk mitbekommen hätte. Hier können weniger als 10 Jahre schon einen Unterschied ausmachen ..

    Was ich sagen wollte, ist, dass der Pop, nicht zuletzt die Doors, die (kommerzeiellen) Bedingungen für eine Pop-Literatur geschaffen hat, die eine eine Pop-Literatur hervorgebracht haben, die dem Phänomen des Pop letztlich äußerlich bleibt.

    Auf dieser Ebene bewegen sich die Publikationen, die seit den 80ern den Markt überschwemmen. In dieser Pop-Rezeption spielen die Doors eine gewisse Rolle; nicht aber im System den Pop selbst-

    Wir haben es in der Tat mit „Pop-Literatur“ zu tun, dass heißt aber nicht, dass wir das Phänomen „Doors“ richtig oder überhaupt eingeordnet haben.

  56. * 1 anfangs hat sich dafür auch niemand geschämt.
    * 2 denn ohne sie wäre er als „Pop“ entweder durch ein anderes Phänomen abgelöst worden oder hätte aufgehört, zu existieren.
    * 3 natürlich auch die ohne Rückwirkung, weil es sich um ein wirtschaftsmächtigs Phänomen handelt.

  57. Es ändert nur nichts daran, Dieter Kief, daß die Schweiz ein Idyll aus Blut ist. Zudem verwechseln Sie Kunst mit politischem Diskurs. Ein Kunstwerk verweist auf Gesellschaft, explizit oder implizit, ohne dabei einen politischen Essay zu liefern, sondern indem es daruaf deutet, anspielt, Szenen vergegenwärtigt. So wie auch Coles Romane uns etwas von der nigerianischen und der westlichen Gesellschaft „zeigen“. (Und das, was ein Werk explizit thematisiert, muß politisch auch nicht „neu“ sein, sondern es kann genauso die „gleiche alte Scheiße“ (Marx) sein, die da hochquillt.)

    Übrigens ist es für den Inhalt eines Kunstwerkes völlig unerheblich, ob der Künstler nun Privilegien genießt. Sie denken da wie die Critical Whiteness-Leute und die Stowkoski-Mimis, die beständig einen Privilegiencheck fordern.

    Coles „Blinder Fleck“ muß man natürlich im Zusammenhang sehen und lesen. Sich vereinzelt ein Bild und einen Text herauszugreifen funktioniert nur bedingt. Denn die Wirkung und die Struktur dieses Buches, auch als Fluß von photographischer Meditation, läßt sich nur begreifen, wenn man das Buch – als Werk – im Ganzen wahrnimmt. Es ist eine Art visuelles Tagebuch. Daß darin auch einige weniger geglückte Skizzen sind, wie etwa das Nürnberg-Bild samt Text, schrieb ich. Aber gerade dieser subjektive Fehl (des Privaten) macht die Stärke dieses Buches aus. Und vor allem, daß Cole nicht naiv auf dem Politischen herumreitet, sondern es nur im Vorübergehen streift.

  58. @ ziggev
    Dies sind zum Teil interessante Ausführungen zum System Pop, ziggev. Wobei ich denke, daß die Intentionalitätsthese (also die von der Industrie produzierten, marktförmigen Musikwaren) nur bedingt funktioniert, was Du indirekt ja auch mehr oder weniger sagst, nämlich einzig in dialektischer Korrespondenz. Denn Pop ist zudem auch eine Ausdrucksmöglichkeit, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg, für ein bestimmtes Lebensgefühl. (Man lese nur Boris Vians Romane, um zu sehen, wie das in Frankreich lief. Insofern könnte man über Vians Literatur auch sagen, daß dies Popliteratur avant la lettre ist.) Dieses Lebensgefühl, um eine Begriffabreviatur zu verwenden, sastilisiert sich über Musik, Kleidung, Habitus. Für dieses Lebensgefühl, das ja grundsätzlich nichts Neues ist, von gelben Wertherwesten bis zum Punkoutfit, das es seit Mitte der 80er dann auch beim Kaufhof gab („Prunk mit Punk beim Kaufhof!“ so die Werbung) standen je andere Kommunikationsmedien bereit. Insofern ist für die späten 40er, 50er Jahre der Blick auf die neuen elektronischen Medien, von der E- Gitarre bis zum Radio und dem aufkommenden Fernsehen interessant.

    Mehr zu Deinem komplexen und anregenden Kommentar später. (Das Pop-Buch von Diederichsen brauche ich Dir sicherlich nicht zuempfehlen, ziggev.)

  59. Bersarin, ich wies zart darauf hin, dass Cole mit seiner Vergegenwärtigung der Verdingkinder-Thematik sperrangelweit offenstehende Türen einrannte. Und dass sein Verfahen ästhetisch überaus einschläfernd ist, hatte ich schon gesagt. Es ist die ewige Delektation der Zeitgenossen an stattgehabtem Leid. Wird es gmacht wie von Cole, ist es leer. dAs ist nicht zuletzt schade wegen des Themas.
    Kennen Sie den Ausdruck: Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing? Ja? Na – sehen Sie!
    Man muss nicht swoeit gehen wie – hehe – – Houllebecq gerade in Haper’s – oder ich, – – – die wir offenbar beide aufrichtige Bewunderer der Schweizerischen Demokratie sind. Und die wir beide glaub‘ ich die Schweizerische Demokratie nicht mit historischer Schuldlosigkeit verwechseln oder gleichsetzen. Sowas gibt es sowieso nicht, und kann es gar nicht geben. Aber auch die verdingkinder-Geschichte ist eine, in der die schweizerische Gesellschaft wirklichen Gemeinsinn, die Schuld anerkannte und dazulernte.

    Ich kann mir nicht helfen, ich finde Coles CH Fotos langweilig und seine CH-Texte bräsig.

  60. crasy! was ich ja immer schon gesagt habe, dass Pop Ausdruck eines „Lebensgefühls“ sei, hast du jetzt kurz thematisiert. Aber um nicht wieder ins Schwafeln zu geraten, habe ich ja versucht, mehr über die Negation zu gehen. Ich möchte mich aber ausdrücklich dafür bedanken, dass du offenbar meine kleine Analyseversuche gelesen hast. Für den Fall, dass du Dich noch weiter äußerst, schonmal Danke!, ich hab´s jetzt zwar mal versucht, aber der rein analytisch vorgehende, nur in Negationen denkende Weg liegt mir in Sachen Pop so gar nicht: Mit z.T. an Trivialität nicht zu überbietenden Mitteln etwas zu schaffen, das überhaupt nicht mehr einholbar ist, – dieses für mich subjektiv so erlebte Phänomen , Elvis zur bestimmten Zeit, ist es, was mich eigentlich antreibt.

    Strukturell – wollte ich nahelegen – im Popsystem, spielen die Doors in einer anderen Liga, nämlich überhaupt nicht mehr in irgendeiner Pop-Liga (Diedrichsen wünsche ich mir zu Weihnachten, ganz sicher!!) frohes Fest !

  61. Dieter Kief, das Buch handelt aber nicht nur von der Schweiz, sondern darin sind diverse Länder das Thema. Was in der NYT steht, kenne ich nicht. Ich rezensierte das Buch. Bitte beziehen sie sich darauf und eröffnen Sie hier keinen anderen Schauplatz. Daß Sie diese Bilder langweilig fanden, schrieben Sie. Nur begründet haben Sie es nicht. Davon einmal ab, daß eine Zeitungsserie andere Ansprüche hat als ein Buch.

    „Es ist die ewige Delektation der Zeitgenossen an stattgehabtem Leid.“ Wofür oder wogegen soll das ein Argument sein? Verstehe ich nicht. Es ist Ihre persönliche Bekundigung. Sie haben es halt gerne idyllisch und behaglich. Ich empfehle da den Sissi-Dreiteiler, den ich ebenfalls schätze. Da ist auch eine sehr schöne Bergwelt zu sehen, in Bad Ischl. Das Studio ist fast so schön wie die Wirklichkeit. Zudem: Cole geht es in seinem Buch nicht um das Leid-Motiv und das Leiden in der Welt. Insofern ist Ihr Einwand relativ sinnlos.

    Daß übrigens jemand vom Abstand heraus kritisiert, ist prinzipiell kein Kritikpunkt gegen das von dem Kritisierenden Vorgebrachte. Und ebenfalls nicht, daß man von Unternehmen bezahlt wird. Es gibt im Kapitalismus kein draußen. Allenfalls kann man Coles Kritik vorhalten, daß sie nicht an die Wurzeln geht und nicht radikal genug ist. Daß er also die Bürger nicht zum Widerstand gegen ein solches System aufruft, daß er nicht drastisch genug die Schweinereien zeigt. Aber auch das wäre ein verfehlter Einwurf, weil hier das Werk eines Künstlers mit dem eignen Referenzrahmen und mit den eigenen Voraussetzungen gemessen wird.

  62. @ ziggev: Pop ist auch, aber eben nicht nur Ausdruck dieses Lebensgefühls – und daß etwas Ausdruck ist, sagt ja noch nichts über die Qualität dieses Ausdrucks aus. Es ist also eine Frage, von welcher Ebene aus ich das Geschehen mir betrachte. Denn zugleich kann man ja auch analysieren, weshalb solch ein Bedürfnis nach Ausdruck in dieser Form vorhanden ist. Und in diesem Sinne ist Pop zugleich ein Ventil, das Druck im Kessel abbaut und darin ist Pop wiederum zu kritisieren. (Auch das freilich nur ein Aspekt von vielen.) Zumal ja auch andere Ausdrucksformen für ein Lebensgefühl denkbar sind.

  63. Ich glaube, wir können uns darauf einigen, dass das Phänomen Pop nicht denkabr wäre ohne die kapitalistische Verwertung diverser „Lebensgefühle“, wobei noch fraglich ist, inwiefern die jeweiligen Formen des Ausdrucks im Pop hierfür angemessen sind. Wesentlich scheint mir der affirmative Aspekt zu sein; also die frenetische Bejahung der speziellen popmäßigen Ausdrucksform, d.h. der kapitalistisch verwertbaren.

    Das Faszinierende am Pop scheint mir nun weiter zu sein, dass umso emphatischer seine durch diese jeder Sinnhafigkeit entbehrende, kapitalistische Produntion seiner Symbole, seines Vokabulars, sie gefeiert wird, dass dann, wenn der Pop gewissermaßender in seiner Selbstreferentiliät, als seiner wesensmäßgen Leere, seines eigentlichen Wesens gewahr wird, gerade dies dier Grund seiner umso mehr gesteigerten Selbstfeier zu werdenscheint.

    Also die frenetische Bajahung der eigenen Trivialität, „you are making me frantic“ (J. Lennon); ein perfektes System, denn diese Feier kann ja nur noch idiotischer Sein als die der vorigen, und so weiter ad infinitum.

    Nun, das wird ja jetzt wahrscheinlich klar, dass das eine nur ziemlich persönliche Sichtweise sein könte, irgendein ziggev, der sich mal irgendwie „existenzialistisch“ fühlte. Eine solche Erklärung wäre aber mMn recht dürftig. Wir hätten eine Erklärung eines Phänomens, aber nur, wenn wir uns über sein Wesen vorher versändigt hätten. Pop als Lückenbüßer in einer Welt ohne „metaphysisches Obdach“. Eine ohnehin lächerliche Idee: nur weil sich ein paar Jahrhunderte lang eine Minderheit von Scholastikern damit abgemüht haben, erfolglos ein solches „Obdach“ zu kontruieren, ist zwinged von einer Art Phantomschmerz auszugehen, wenn die Menschheit (in Europa) wieder zur Normalität zurückkehrt?

    Es gibt keinen Phantomschmerz einer angeblichen metaphysischen Obdachlodigkeit.

    Daher meine Idee, spezifische Formen, typisch fürn Pop, ausfindig zu machen und zu analysieren. Hier wiederum können wir wieder ganz klassisch im Sinne einer Form/Inhalt-Analyse u.s.w. vorgehen, (wobei die Doors keinen Pokal gewinnen werden).

  64. Ganz genau, ziggev. Es ist dieser Doppelaspekt. Einerseits ist Pop ein Medium des (Gefühls-)Ausdrucks, auch des Widerstands gegen Konventionen und gegen eine Erwachsenenwelt, für die man vielleicht Max Webers Satz vom Stahlgehäuse der Rationalität ansetzen kann, und zugleich werden diese Gefühle industriell produziert, auf den Markt der Waren geworfen. Musik aus der Retorte entsteht. Standardisiertes, Konfektionsware, wie Adorno dies auch dem Film der 30er und 40er Jahre vorwirft, worin dann die Autonomie des Werkes wie auch sein widerständiges Potential qua Hermetik gegenüber dem unmittelbar Gesellschaftlichen verloren geht. Aber dies ist eben nur ein Aspekt. (Ähnlich wie Adorno die Potentiale des Films nur unzureichend realisierte bzw. in seinen Hoffnungen in dieses Medium pessimistisch war.) Zugleich existiert auch innerhalb des, sozusagen, verdinglichten Phänomens der Gefühlsaneignung, eine Schiene, die Subversives, Neues produziert. Etwas anderes, das was sich Subkultur nennt, mit eigenen Regeln und Codes. Die wiederum, wie beim Rock, beim Punk, Rap oder Hip Hop gesellschaftlich angeeignet werden. In diesem Sinne gibt es kein gesellschaftliches Draußen und alles das ist, gut Hegelianisch gesprochen Ausdruck des absoluten Geistes.

    Wobei ich nicht denke, daß da im Pop eine selbstreferentielle Leere nur west. Es sind da durchaus die Ausdrucksformen und die Inhalte vorhanden: Die Geburt der Rebellion aus dem Geist des Kinderzimmers. Und das sind ganz reale Konstituenten.

    „Pop als Lückenbüßer in einer Welt ohne „metaphysisches Obdach“.“ Nein, das sagen nicht einmal eingeschweißte Konservative. Die Sache ist um vieles komplexer. Zumal diese Obdachlosigkeit eigentlich bereits die Erfahrung seit der Sattelzeit, spätestens seit der Jahre um 1800 ist. Zumindest für die reflektierenden Menschen einer bürgerlichen Öffentlichkeit, die nicht nur ins Joch der Arbeit gespannt war. Und wenn man die Prozesse der Philosophie nimmt, ist dieses Suchen nach dem letzten Grund womöglich eine Sache von 2500 Jahren, kulminiernd vielleicht in den vier Kantischen Fragen sowie dem Kantischen Antinomiekapitel.

    Eine Ausweitung dieser Fragen nach Sinn bzw. die Forcierung der sozialen wie auch der ästhetischen Moderne entstand dann sicherlich mit der Zunahme an freier Zeit seit dem Ende des WW II. Eine Zeit, die mit irgend etwas ausgefüllt werden mußte. Hinzu kommt der neue Status der Jugendbewegungen, in den USA dann noch die aus dem Krieg zurückgekehrten Männer. Zur Geschichte des Pop bzw. des Populären (ein Begriff bereits aus dem 18. Jhd) kann man Thomas Heckens Buch zur Geschichte des Pop nehmen.

  65. ja, aber du bleibst hier irgendwie auf der rein deskriptiven, gesellschaftswisenschaftlichen Ebene. Auf dieser erfahren wir nur, dass ein billiger Allerweltsexistenzialismus, dem ich ja zugegebenermaßen in gewissen Graden anhänge, für die Erklärung des Pop nur unzureichend hinlangt; einen solcher Ansatz vermagst Du u.A. erfolgreich über den Verweis auf die „Sattelzeit“ zu destruieren. Bin da ganz auf Deiner Stete.

    (siehe auch hier: https://www.iep.utm.edu/lao-s-k/)

    Doch den Pop rein gesellschaftskritisch zu interpretieren, nämlich als mehr oder weniger zum Scheitern zu verurteilte Versuche, der Rebellion (die notw,. von kapitalistischen eingeholt werden werden), begibt sich der Möglichkeit, den Pop hinsichtlich seiner eigenen. selbstgeschaffenen ästhetischen Kriterien zu beurteilen. Es ist natürlich ein kompliziertes Unterfangen zu zeigen zu versuchen: dass bestimmte Formendes Pop rein material eine größere innere, popgemäße Stimmigkeit aufweisen als andere.

    Was ich glaube zu zeigen zu können, ist ja, dass das Werk der“Doors“ durchaus nichtc den ästhetischen Kriterien genügt, die sich der Pop selbst geschaffen, hat.

    Betrachten wir nun die „Doors“ von einem Standpunkt, der sich eher dem einer soziologischen Betrachtungsweise verdankt (mir scheint, bearsain, davon hast du dich noch nicht ganz gelöst), so kommen wir um die Erkenntnis nicht herum, dass möglicherweise die Intelligentia er Welt sich noch viel einfacher hat hinters Licht hat führen lassen als der gewöhnlicher Pop-
    Konsument.
    Weil es viel einfacher ist, der Eitelkeit der Intelligenz zu schmeicheln – nur desh. reden wir überhaupt noch von den „Doors“.

    Die noch so kritische Auseinandersetzung mit Pop-Phänomenen ist oft und in diesem Falle nichts als eine Funktion des Marktes-

    Die Intelligentia ist auf einer Meta-Ebene der der soziologischen „Erklärung“ über „Lebensgefühle“ oder derglaichen mehr, viel leichter zum Kauf zu verführen als das originäre Publikum selbst!

    Umgekehrt die Stimmigkeit, die Qualität von Pop-Werken immanent nachweisen zu versuchen, dass das möglich ist, das ist meine These, die soweit ich weiß, kaum jemand je überprüft hat. Es bleibt ein tatsächliches Phänomen, – anhand dessen wir zwar die Plausibilität der Thesen von Weber oder Nietzsche überprüfen können. Aber das kann doch nicht alles gewesen ein. : Nein! Viel interessanter als der Ausweis, dass widerspruchsfrei im weberschen oder nietzschesianischen Modus über Pop (oder mit Adorno et al) reflektiert werden kann, ist doch die Frage, ob, und wenn ja, der Pop die Mittel zur eigenen Analyse bereitstellt !

    Der Pop hat sich eben nicht nur bestimmte „Codes“ geschaffen, sondern auch ganz bestimmte musikalische Ausdrucksformen, die durch er sich selbst bereits die Kriterien bereitgetellt hat Mittels derer wir zw. billiger Imitation und Originalität unterscheiden können.nn.

  66. Man kann das Medium Pop genauso als Ausdrucksmedium betrachten. Und man kann sich die Leute, die Pop aus bestimmten Gründen anhören, betrachten und wird da ganz unterschiedliche Motive feststellen: Unterhaltung, Subversion, Politik, schöne Melodien, Kunstwille und vieles mehr. Nur: all das, wie auch das Beurteilen der Ausdrucks- und der Kunstqualität eines Pop-Stücks sind in Gesellschaft gebetet. Und insofern muß man diese Bezüge vermittelt nehmen. Nicht anders als beim Kunstwerk: die reine Immanenz der Deutung, ob das nun Kommerll oder Emil Staiger ist – man denke nur an den Zürcher Literaturstreit – ist in ihrer Verabsolutierung einseitig. Zumal im Pop jede Musik immer auch eine soziale Funktion hat: Über Codes, Kleidung, Abgrenzung zu anderen Gruppen, Abgrenzung zur Welt der Alten, der „Erwachsenen“

    Was nun die Rebellion betrifft: Ab wann ist denn eine solche erfolgreich, ziggev? Ist diese Moment der Rebellion nicht in der Regel etwas Situatives – an eine Zeit, an ein Alter gebunden? Und wirkt die Protesthaltung, fast bin ich geneigt, Pose zu schreiben, nicht irgendwie auch antiquiert? Pop mag in der Lebenswelt im Sinne evolutionärer Veränderungen (hehe, da ist ja der Beatles-Song, der gute alte!!) etwas bewirken. Eine Öffnung des gesellschaftlichen Klimas im Hinblick auf sexuelle und denkerische Freizügigkeit, wie man es seit den 50er Jahren erleben konnte. (Nicht erst durch die 68er.)

    Die Rebellion, die Tocotronic etwa auf ihrem Roten Album in „Rebel Boy“ besingen, (früher noch Johnny Cash: „Johny Yuma was a Rebel“ oder der Slogan der Teds „Rebel, Rebel!“), ist doch immer auch eine aus dem Geist des Jugendzimmers. Man nennt es Pubertät und Twen-Sein. Und auch Tocotronic bringen diese Rebellion dann in eine musikalische, also bereits auf den Reflexionsabstand gebrachte Form. Klar ist Pop immer ein Ausdrucksphänomen und nicht primär eine Sache für Intellektuelle. Aber Intellektuelle können all diese Mechanismen eben analysieren. Es ist dies eben das Verhältnis von Unmittelbarkeit/Nähe und vermittelte Denken. Ein wenig wie in Kleists Marinonetten-Theater in bezug auf den anmutigen Jüngling. Seine Anmut liegt im Nicht-Wissen, in der schönen Geste. Beim Pop jedoch schließen sich beide Haltungen nicht aus. Denn Pop ist ja nicht nur hören, sondern genauso ein Sprechen über das Gehörte. In diesem Sinne kann ich nur immer wieder das Diederichsen-Buch „Über Pop-Musik“ empfehlen.

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