Gilles Deleuze zum Geburtstag

Ich bin, das gebe ich zu, was die Philosophie und sein Denken betrifft, kein ausgewiesener Deleuze-Fan, aber manche seiner Überlegungen, Pointen und Polemiken treffen doch einen Kern, den ich vom Moment des Gedankens her und auch als Blitz einer Idee teile. Ereignishaftes sozusagen. Manchmal verhält es sich in der Philosophie derart, daß man einen Philosophen oder Denker nur mäßig schätzt und mit dem „System“ oder dem Komplex seines Denkens zwar wenig anfangen kann, aber durchaus manche Gedanken dieses Systems und manche Sätze daraus für bemerkenswert hält. Bei Gilles Deleuze ist dies so. Sein Buch zum Kino ist natürlich instruktiv, ebenso seine zusammen mit Guattari verfaßte „Einführung“ Was ist Philosophie? (Und der Komplex von Kapitalismus und Schizophrenie ist sowieso nochmal eine Sache für sich, auf die komplexe Gedankenführung von Differenz und Wiederholung läßt sich hier ebensowenig eingehen.) Bei Deleuze finden wir einerseits ein eminent politisches und vor allem gesellschaftskritisches Philosophieren, aber andererseits auch ein Form von Narration und Literarischem, die für eine Philosophie innerhalb ihrer – wie man heute so schön sagt – performativen Aspekte ganz wesentlich sind. Auch Metaphern gehören zum Werk des Philosophen, wie wir mit Hans Blumenberg wissen und insbesondere auch seit dem Debatten um das Verhältnis von Literatur und Philosophie in den 80er und 90er Jahren, als die französische Postmoderne und vor allem Derrida durch die deutschen Hörsäle wehten. Ein ganz anderer Geist. Zu diesem gehört auch das Denken von Gilles Deleuze.

„Im Kapitalismus gibt es nur eine einzige universelle Sprache, das ist der Markt. Es gibt keinen universellen Staat, gerade weil es einen universellen Markt gibt, dessen Zentren und Börsen die Staaten sind. Aber dieser ist nicht universalisierend, homogenisierend, sondern ein phantastischer Produzent von Reichtum und Elend. Die Menschenrechte werden uns nicht dazu bringen, die ‚Freuden‘ des liberalen Kapitalismus zu segnen, ohnehin sind sie aktiv daran beteiligt. Es gibt keinen demokratischen Staat, der nicht zutiefst verwickelt wäre in diese Fabrikation menschlichen Elends. (…) Wir verfügen nicht mehr über das Bild des Proletariers, der nur Bewußtsein zu gewinnen bräuchte. “ (G. Deleuze, Kontrolle und Werden, in: Unterhandlungen, mit Dank in den Twitterer Letnapark, dessen Account ich obiges Zitat mit einer Ergänzungen entnehme.)

„Die idiotischsten Spiele im Fernsehen sind nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil sie die Unternehmenssituation adäquat zum Ausdruck bringen. (…)

In den Disziplinargesellschaften hörte man nie auf anzufangen (von der Schule in die Kaserne, von der Kaserne in die Fabrik), während man in den Kontrollgesellschaften nie mit irgend etwas fertig wird: Unternehmen, Weiterbildung Dienstleistung sind metastabile und koexistierende Zustände ein und derselben Modulation, die einem universellen Verzerrer gleicht. (…)

Zum Zentrum oder zur ‚Seele“ des Unternehmens ist die Dienstleistung des Verkaufs geworden. Man bringt uns bei, daß die Unternehmen eine Seele haben, was wirklich die größte Schreckensmeldung der Welt ist. Marketing heißt jetzt das Instrument der sozialen Kontrolle und formt die schamlose Rasse unserer Herren. Die Kontrolle ist kurzfristig und auf schnellen Umsatz gerichtet, aber auch kontinuierlich und unbegrenzt, während die Disziplin von langer Dauer, unendlich und diskontinuierlich war. Der Mensch ist nicht mehr der eingeschlossene, sondern der verschuldete Mensch. (…)

Viele junge Leute verlangen seltsamerweise, ‚motiviert‘ zu werden, sie verlangen nach neuen Ausbildungs-Workshops und nach permanenter Weiterbildung; an ihnen ist zu entdecken, wozu man sie einsetzt, wie ihre Vorgänger nicht ohne Mühe die Zweckbestimmungen der Disziplinierung entdeckt haben. Die Windungen einer Schlange sind noch viel komplizierter als die Gänge eines Maulwurfsbaus.“
(Gille Deleuze, Postskriptum über die Kontrollgesellschaft, in: Unterhandlungen)

Die Photographie, deren Idee ich, besonders für den Antihegelianer Deleuze, witzig fand, wurde dem Blog Indecent Bazaar entnommen, und zwar hier: https://indecentbazaar.wordpress.com/2011/02/22/deleuze-marx-and-politics/

2 Gedanken zu „Gilles Deleuze zum Geburtstag

  1. Thank you very much. Since I don’t speak Persian and I don’t know what you write on your homepage, I took the liberty to remove the link.

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