Es mischt ein begnadeter, provokanter Regisseur – endlich einmal – eine todlangweilige Pressekonferenz während der Filmfestspiele zu Cannes auf mit, nun ja, nicht so richtig witzigen Sätzen, aber immerhin: er sorgte für Stimmung im traurigen Einerlei. Allein der Blick von Kirsten Dunst, die neben ihm auf dem Podium saß, der schwankte zwischen Ungläubigkeit und Kuhblick , war diese Sätze schon wert. Man sah förmlich, daß sie nicht so recht wußte, zu welcher Richtung hin sie sich entscheiden sollte. Karriere, Karriere.
Solches Zeug haben wir schon in der Oberschule erzählt, um linksliberale Lehrer zu schockieren, und auch die fielen nicht darauf herein. Gut, wir sprachen nicht vor laufender Kamera und nicht vor der Weltpresse. Aber es sind mir diese Provokateure allemal lieber als die Leisetreter in Cannes, die sich durch nichts in der Weltgeschichte beunruhigen lassen. Für gute Worte sind sie zu haben, solange es nichts kostet, zumindest nicht das eigenen Geld.
Die Äußerungen von Triers stünden „im Widerspruch zu den Idealen der Menschlichkeit und Großzügigkeit, die dieses Festival auszeichnen.“ Wenn es derart menschelt und so unendlich generös zugeht, da gruselt es einem doch recht. Gut zeigt sich an solchen Szenen jedoch, wie eingefahren und eingeschränkt in ihrer Kunst solche Institutionen sind.
Ein wenig, zumindest in einer Analogie, mutet diese Geschichte an, wie jener zu Beginn des Jahrtausends von der rot-grünen Regierung inszenierte Aufstand der Anständigen gegen Nazis und die NPD-Verbotsfrage, um im Schatten dieses geheuchelten Antifaschismus eines der größten Umverteilungsprogramme in der BRD vorzunehmen, welches von unten nach oben gerichtet ist, welches auf den Namen Hartz hört, so Wolfgang Pohrt. (Dem Nörgler hier noch einmal großen Dank dafür, daß er den Aufsatz FAQ zur Lektüre empfahl. Er ist äußerst lesenswert. Ich denke, Pohrt wird ein Autor, von dem ich mehr rezipieren werde. Er war mir lediglich aus den 80er Jahren von „konkret“ her bekannt.)
Es will mich bedünken, daß es auf dieser Welt zahlreiche Anlässe zur Empörung gibt. In Cannes schuf man einen künstlichen. Diese Sache ist nachgerade läppisch und reicht allenfalls zu einem Aufstöhnen hin. Vielleicht sollte man einmal das Thema Mel Gibson anschneiden. Im Unterschied zu ihm hat sich von Trier nicht antisemitisch geäußert. Aber es manifestiert sich in solchen Aktionen die doppelte und dreifache Verlogenheit der Veranstalter. Es wird heute jedes Detail dramatisiert, psychologisiert, um die Nebenschauplätze zu den Hauptschauplätzen zu machen. Und es wären in diesem Zusammenhang einige Auslassungen fällig über die selektive Berichterstattung der Medien: „Weisen der Welterzeugung“. Worüber berichtet wird und worüber aus guten Gründen nicht. Die Verseuchung des Golfs von Mexiko durch den Konzern BP war vor einen Jahr in aller Munde. In Nigeria am Delta des Niger fließt beständig Öl in die Meere, in der gleichen Menge wie im Golf von Mexiko. Und und und. (Deswegen mache ich hier auch einen Blog zur Ästhetik und streife diese Dinge der Politik und des Sozialen nur am Rande, weil ich sonst in den Zorn gerate, doch leider abstandslos und nicht in dieser Art: „Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,/Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,/Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs/Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden/,Und dem Gevögel umher.“
Bei unserm Hitlergerede in der Schule, bei meinen Imitationen des Führers damals wären, geschähen diese Dinge im Hier und Jetzt einer Oberschule in Berlin, wahrscheinlich eine Gruppe von Schulpsychologen und ein Experte für Amoklauf aufgekreuzt, um durch solche Maßnahmen erst die Devianz zu erzeugen, die sie zu bekämpfen vorgeben. Gräßliche Vorstellungen.
Auf SpOn schreibt Hannah Pilarczyk:
„Von Trier hat während einer Pressekonferenz von Mitgefühl für den Menschen Hitler geschwafelt und gesagt, er könne ihn sich in seinem Bunker ganz am Ende vorstellen. Bernd Eichinger und Oliver Hirschbiegel haben nicht über Hitler als Menschen geschwafelt, sondern daraus einen Film gemacht und Hitler über 150 Minuten hinweg in seinem Bunker ganz am Ende gezeigt: ‚Der Untergang‘ heißt der Film und war 2005 sogar einer Oscar-Nominierung würdig.“
Recht hat sie. Schriebe heute ein Schriftsteller „Bruder Hitler“: es fände der Aufstand der Zwerge statt, die sich an den Banalitäten kratzen, um von großen Dingen, die in die Kritik genommen werden müßten, lassen zu dürfen. Einen Gefallen hat sich die Festivalleitung nicht getan und Generosität sieht anders aus. Warten wir also auf den neuen Film, den Lars von Trier liefert. Mit Wagnermusik: „Tristian und Isolde“. Ob „Melancholia“ freilich der richtige Name für einen zerstörenden Stern sei, das bleibt dahingestellt, und diese Frage wird sich der Blogbetreiber und ausgewiesene Experte für Melancholie beim Betrachten des Films womöglich stellen.
Vielen Dank für diese gerechte Verteidigung des Gröraz. Aus Frankreich kam in letzter Zeit nur Schund; Roma-Ausweisungen, Bomben für Libyen, Ungastlichkeit gegen aus Italien anreisende Flüchtlinge, Zimmermädchenansprünge, schlechte Filme und jetzt diese dazu passende Selbstexculpierung der Filmfestspiele. Nicht nur aus Sympathie zu von Trier gebe ich zu Protokoll, dass ich niemandem zu nahe treten möchte, aber eines klar sein muss: ich liebe Adolf Hitler.
Auch körperlich? Auch körperlich!
Ausschließlich körperlich.
Ich gelobe, nie mehr ein Zimmermädchen zu vergewaltigen, ohne ihr zuvor zu sagen:
„Und nun schenken wir dem Führer ein Kind!“
Bedauerlicherweise teilt die Festivalleitung mit, daß vier weitere Ausschlüsse für Cannes zu verkünden sind, die insbesondere für die Zukunft gelten.
Schade ist dies vor allem für Hanneswurst, dessen bundesrepublikanischer Neo-Western. „Das Bergische Land. Argonauten des Verstummens“ gute Chancen auf eine Teilnahme gehabt hätte. Es gibt in Cannes leider nicht so viele deutsche Wettbewerbsbeiträge.
Ein guter Titel, der die Harpien von Cannes etwas lehren soll.
Als absoluter Idealist mache ich da keine Unterschiede, bin mir jedoch sicher, dass ich den Führer im Jenseits wiedersehen werde.
„Und es wären in diesem Zusammenhang einige Auslassungen fällig über die selektive Berichterstattung der Medien: „Weisen der Welterzeugung“. Worüber berichtet wird und worüber aus guten Gründen nicht.“
Man könnte diese Frage aber etwas kleiner formatiert durchaus auch bezüglich des konkreten Geschehens selbst stellen. Nicht zuletzt da die massenmediale Berichterstattung, so vermute ich jedenfalls, durchaus eine Rolle gespielt haben dürfte bei der Erklärung zur „Persona non grata“. Ich fands erstaunlich, wie man da skandalisierbares herauspräparieren konnte, das dann kontextbefreit je nach gusto garniert wurde.
Schon die Frage der Journalistin beispielsweise wurde ja grösstenteils ausgeblendet oder falsch wiedergegeben und auch das in der Frage erwähnte Interview spielte nirgends eine Rolle.
Der einzige meines Erachtens grösstenteils gelungene Artikel jedenfalls erschien erst zwei oder drei Tage später:
„Oh, Lars, das war aber heftig“
http://www.welt.de/print/wams/kultur/article13386653/Oh-Lars-das-war-aber-heftig.html
Ansonsten ist mir im Rahmen meiner kleinen massenmedialen Skandalforschung wenig erbauliches begegnet. Das weitesgehend sinnbefreite, negative Highlight:
Mitteldeutsche Zeitung: zum Fall Lars von Trier
Halle (ots) – Dabei geht es weder um politische Korrektheit noch darum, dem Regisseur zu zeigen, dass er zu weit gegangen sei. Derlei Interpretationen würden den Vorgang schon wieder verharmlosen. Lars von Trier ist nicht einfach zu weit gegangen, er hat gesagt, er sei ein Nazi. Das ist eine schwerwiegende Angelegenheit, aus der man drei Schlüsse ziehen kann. Entweder versteht sich der Mann wirklich als Nazi. Dann sollte man sich dauerhaft von ihm verabschieden, weil er die Grundverabredung des Humanen bricht. Oder er will um jeden Preis auffallen. Dann ist er ein Zyniker. Oder er ist psychisch krank. Dann gehört er in Behandlung und vorerst nicht auf das Podium eines internationalen Filmfests.
Wahsinn, oder?
Fast noch wahsinniger aber fand ich , dass sich Bernd Graff in der Sueddeutschen der Interpretation Nr.3 bedient hat, um Lars von Trier zu verteidigen: er sei ob seiner kuriosen Biographie traumatisiert, deswegen möcht man doch bitte Nachsicht üben.
Peinlich. However, hier noch der Link zum von der Journalistin zitierten Interview:
http://www.dfi.dk/Service/English/News-and-publications/FILM-Magazine/Artikler-fra-tidsskriftet-FILM/72/The-Only-Redeeming-Factor-is-the-World-Ending.aspx
Danke zunächst für Deinen Kommentar, schöner Unbekannter oder schöne Unbekannte. Ja schlimm sind in der Tat solche Psychologisierungen wie in der Mitteldeutschen oder in der Süddeutschen Zeitung. Das sind Pathologisierungen, die mich schon als Jugendlichen genervt haben. So schaltet diese Gesellschaft alles aus, was am Rande liegt: Punks, Skins, Drop-outs, überhaupt Auffällige(s) und Exzentrisches.
Ehrlich gesagt: ich bin vor Lachen zusammengebrochen, als ich das Statement hörte und vor allem als ich das dusselige Gesicht von Kirsten Dunst sah, wußte ich daß diese Sätze die einzig richtigen waren.
Was für Statements zu Lars von Trier kommen als nächstes: „Dieser Mann braucht Hilfe!“?
Natürlich teile ich von Triers Aussagen nicht inhaltlich (man muß so etwas heute immer dazu sagen), was ja für einen bekennenden Rationalsozialisten, wie ich es bin, auch eher schwierig sein dürfte. Das Thema wurde jedoch drei Etagen zu hoch aufgehängt. Eher könnte man sich mit Mel Gibson auseinandersetzen.
Diese Sätze von Triers stehen in guter Andre Breton Tradition: épater le Bourgeois! Mit nichts kann man den Bürger mehr schockieren als mit dem Nazikram, das machte sich auch Sid Vicious zunutze. Wobei man, sozusagen als ästhetische Beilage, den Satz von Breton im zweiten Surrealistischen Manifest auch wortwörtlich zu nehmen hat. Er wollte mit dem Revolver auf die Straße gehen. Es ging ihm um die Faktizität.
Nebenbei: was Bruno Ganz als outrierte Darstellung des Führers in „Der Untergang“ gegeben hat, das haben ein Freund und ich bereits in den frühen 80ern zu unserer Schulzeit abgezogen: teils zum Entsetzten, teils zum Kopfschütteln unserer Mitschüler. Die coolen Frauen erkannten wir daran, ob sie uns gut und witzig sowie in der schauspielerischen Leistung überzeugend fanden. In meinem Jugendzimmer hing eine Photographie mit den KZ- Leichenbergen. Eine Freundin, die zu Besuch war, hat sich über mich und dieses in meinem Zimmer hängende Bild aufgeregt. Nicht jedoch über die Leichenberge und über die, welche diese Berge fabrizierten.
Was jedoch nichts daran ändert, daß alle – und ich betone: alle – die dieses Blog hier besuchen oder jemals besucht haben, durch Absicht oder Zufall, schwer geisteskrank sind.
Erwartungshaltung schafft Fakten: Las zuerst: „Dieser Mann braucht Hitler“.
Weitaus weniger kontrovers wollte ich einst die Coolness einer Dame an ihrer Reaktion auf mein Werk „Onan bei der Arbeit“ messen. Sie war nicht so sehr cool.
Die Bewohner des Grandhotel Abgrund sind zuweilen zwar Melancholiker, aber krank und gestört sind sie nimmer: Vielmehr ist es der Fall, daß sie die Ordnung stören.
Ach, bei mir gab es schon einige coole Frauen, aber die sahen dann nie so aus, wie ich es wollte. Auf diese Weise kam ich dann aber an Max Webers Lehre vom Idealtypus und da habe ich einfach mal „Wirtschaft und Gesellschaft“ gelesen.