Kookbooks Verlag

Es ist, was das Politische betrifft, sicherlich nicht mein favorisierter Verlag – vermutlich trennen die  Verlegerin und mich Welten. Aber das ist in diesem Falle egal. Ich erinnere mich noch an die immer freundliche Daniela Seel, wenn sie auf den Buchmessen dort an ihrem wunderbaren Stand saß, alles ästhetisch ansprechend. Schön gestaltet waren vor allem die Bücher. Die lagen so herrlich angeordnet in den Regalen, daß allein das Zusehen ohne Blättern Freude machte. Farbenpracht in öden Hallen. Eine feine Atmosphäre, die ich im Vorbeischlendern gerne mitnahm.

Nun ist es so, daß der Kookbooks Verlag angeschlagen zu sein scheint, ja man kann sogar sagen, nahe am Abgrund und das heißt dann auch, vor der Insolvenz steht. Dies wäre für die Verlagsbranche und damit auch für uns Leser ein großer, ein herber Verlust: nicht nur wegen der Inhalte der Bücher, an denen viele begabte, begnadete Autoren schufen und wirkten, sondern auch wegen der Optik und der Haptik dieser Bücher: Die ausfaltbaren Schutzumschläge zum Beispiel. Schön gemachte Bücher, mit Liebe und Leidenschaft gefertigt, sind nicht oft anzutreffen. Solche Bände bereiten Arbeit, die keine Verlegerin, kein Hersteller im Vorbeigehen leistet.

Um ein solch herrliches Unternehmen also zu erhalten, sind jetzt unbedingt Gewinne nötig. Denn wenn das Finanzamt zum Prüfen kommt und (meines Wissens) im zweiten oder dritten Jahr hintereinander von einem Unternehmen nichts eingefahren wurde, dann verlöre der Verlag den Status eines Unternehmens, was am Ende noch höhere Besteuerung nach sich zöge.

Hauptsächlich ist Kookbooks ein Verlag für Lyrik, aber auch ein solch großartiger, verspielter und assoziationsreicher Essay-Band zur Theorie und Praktik von Literatur, nämlich Monika Rincks „Risiko und Idiotie“ kann man dort erstehen. (Eine Rezension des Buches folgt hier die Tage, so daß die geneigte Leserin, der geneigte Leser sich überlegen dürfen, dieses Buch zu kaufen.)

Ich will hier gar nicht groß ins Detail gehen, was Daniela Seel alles macht und tut: Gegründet hat sie den Verlag 2003, zusammen mit dem Illustrator Andreas Töpfer. Dies ist eine lange Zeit. 2006 erhielt sie bzw. ihr Verlag den Kurt Wolff-Preis. Solche Preise sind wichtig, um kleine Verlage, die nicht zu Konzernen gehören, am Leben zu halten. Verluste können in solchen kleinen Unternehmen selten gut abgefedert werden.

Man kann nun sagen: Pech, persönliches Risiko, es gibt für Unternehmen kein Recht aufs Überleben: Wenn die Bilanzen nicht stimmen und mehr ausgegeben wird als eingenommen wurde, wirtschaftete der Verlag schlecht. Mag alles sein. Aber dennoch ist es mehr als nur traurig, wenn ein solch ambitioniertes Unternehmen verschwindet. Für die Lyrik ist das ein Verlust, aber auch für die Atmosphäre innerhalb einer Branche, die von solcher Vielfalt lebt.

Man kann nun überhaupt über die Buchbranche debattieren. Wenn angeblich so viel gelesen wird und alle in Literatur machen, wieso der Verkauf bei fast allen Verlagen stagniert. Nun, wenn alle nur in den sozialen Netzwerken abhängen, bleibt womöglich weniger Zeit zum Lesen. Was sich einst als Segen und Weitung der Kommunikation zeigte, erweist sich nun womöglich als Verhängnis. Poesie und Prosa wollen still genossen werden, und womöglich ist am Ende doch noch der gute, alte, analoge Lesekreis am besten, wo in einer kleinen Gruppe jeder einen Lyrikband von Steffen Popp oder Monika Rinck in der Hand hält, um sich daraus vorzulesen und hinterher darüber zu sprechen, wild zu debattieren, sich zu streiten, sich gegenseitig in den Ideen hochzusteigern – gleichsam ein Symposion. Rot- oder weißweinselig versteht sich.

Egal wie: Geht bei Kookbooks kaufen! Ich empfehle hier also ein paar Bücher zum Kauf und rate jedem, die Homepage mit den Büchern und Autoren durchzustöbern. Und dann einfach direkt beim Verlag, sofern das geht, oder über den Buchhändler bestellen. Meine persönlichen Empfehlungen:

Monika Rinck: Risiko und Idiotie. Eine Streitschrift

Monika Rinck: Honigprotokolle, Gedichte

Katharina Schultens: gorgos portfolio,·Gedichte

Daniela Seel: was weißt du schon von prärie,· Gedichte

Gerhard Falkner, David Moss: Gegensprechstadt – ground zero, Gedicht. Music by David Moss

Gerhard Falkner Pergamon Poems, Gedichte & Clips, deutsch-englisch, ins Englische von Mark Anderson

Sabine Scho Tiere in Architektur,· Texte und Fotos  http://www.kookbooks.de/buecher.php#a-9783937445588

Uljana Wolf: meine schönste lengevitch, Gedichte

Man kann das alles unbesehen kaufen! Nicht nur, daß es schöne Bücher sind. Und wichtig ist es allemal, solche Projekte am Leben zu halten. Zumal bald Weihnachten ist und auch im letzten Nikolausstiefel ist noch neben der fetten Schokolade ein Platz.

6 Gedanken zu „Kookbooks Verlag

  1. Ja, verkauf‘ die mal! – Du wolltest dir ein Stichwort kaufen – allein bei wem? Bei Wolf im Golf, oder nicht doch bei Benn im Venn?

    Uljana Wolf, Meine kleine Lengevich

    KLEINE STERNMULLREDE

    sist zappenduster im gedicht, welche sprache es wohl spricht? sternnase anstellen, tasten, fahnden. schmale fläche hier, seidene falz. könnten tofuwürfel sein. oder toffee, wenn die ränder schroffer wären. an den rändern liegt so manches, nur wo lieg ich? verweilung, auch am vertrautesten nicht. lange gänge, mischung der schichten, luft rundum – will sagen: terrine. oder terriersnack. ach käm ich weg, nach draußen, wo die fahnen der namen wehen, ich fänd ein wort für meine lage. aber wo nehm ich, wenn in dunklen regalen, wo so ein sauberes sprechen, eigen rechts und feigen links? ich höre husten, dumpfes traben. naht er schon, der hundefreund? ein grenzermund? oder trecker, ja: verkauf die mal.

  2. Für jeden was dabei. Ich sag es mal so: Es ist für die Literatur immer ein Verlust, wenn solche kleine, engagierte Verlage wegbrechen. Andererseits muß sich ein Geschäft eben rentieren. (Es gibt keinen richtigen Kapitalismus im falschen.) Und rentieren kann sich ein Verlag nur, indem er Kunden hat oder auf andere Weise Geld erwirtschaftet. (Uljana Wolfs Gedichte sind in der Tat witzig.)

  3. Vielleicht helfen ja die aufmunternden Worte von Jochen Jung dem/der einen oder anderen auf die Sprünge in die Poesie. Zu wünschen wäre es dem von Dir empfohlenen Verlag wie auch seinen Autoren/innen:

    „Gedichte sind seltsam unbeliebt. Sie sind ja keine Romane. Gedichte sind klein. Aber oho. Das finden freilich nicht viele, fragen Sie sich mal selbst. Die meisten finden Gedichte offenbar igitt; als säßen sie immer noch in der Schule und müssten bis übermorgen die ganze Latte auswendig lernen. Dabei sind Gedichte kleine Überraschungseier. Sie sind aha. Zwar sieht man ihnen schon von Weitem das Leckere an, weiß aber ja nicht wirklich, was drin ist und ob das für einen das Richtige ist. Sie sind nicht jedermanns und jederfrau Sache. Wäre ja wirklich auch noch schöner. Aber vielleicht auch nicht, würde man ja eh nicht glauben.
    Gedichte sehen harmlos aus. Sind sie aber nicht. Und das nicht, weil einige von ihnen Kirchenlieder, Nationalhymnen oder Marschtexte sein oder werden können. Nein, sondern weil selbst die lieblichsten, ja bescheidensten unter ihnen unbedingt gelesen werden wollen. Sie haben sich extra ihr Reimkostüm an- oder ausgezogen, drängen sich an deine Schulter und möchten umarmt, also wenigstens gelesen werden. Dann schau mer mal.
    Und sag nicht, Du hast grad keine Zeit. Es zu lesen dauert nicht länger als ein Whisky. Es zu begreifen, nicht länger als ein Achtel Riesling; es wirklich zu begreifen, einen Schluck (also gleich) oder eine Flasche (also gar nicht oder nie, weil du – leider gibt es das – zu blöd für Sprache bist). Im Übrigen dauert das Gedicht nicht beim Lesen und Begreifen, sondern hinterher, danach. Das Gedicht hat so etwas Einprägliches, nicht unbedingt das ganze, aber diese Wendung oder jenes Bild. Oder eben das, was die in einem angerichtet haben, die sogenannte Empfindung, das Wettergefühl, der Ausblick, der Einblick und die Einsicht, die schmerzhafte Erinnerung. Ja, Gedichte können auch Aua! sein.

    (Jochen Jung, Kleine Liebeserklärung an das Gedicht, Vollrext 3/2017)

    Gruß Uwe

  4. Danke für diese Würdigung, allerdings denke ich, daß im Zeitalter der kurzen Texte, von Instagram und Schnell-schnell und Poetry-Slam eigentlich die Zeit für Gedichte sein muüßte.

    Aber davon ab würde ich natürlich immer auch sagen, daß das Gedicht keine Liebeserklärung braucht. Es steht für sich. Und das kann eben auch seinen Bedeutungsverlust implizieren. Dichtung ist immer auch mit dem Element des Tragischen behaftet: Der Möglich ihres eigenen Verschwindens. Und wie eine bestimmte Art der Kunst aus der Geschichte einst auftauchte, so kann sie auch wieder vergehen.

    Was nun Gedichte betrifft, so ist es schwierig: Einerseits die Prägnanz, was Joyce auf 800 Seiten erzählt, kann ein Gedicht in wenigen Strophen ausdrücken und womöglich ebenso reichhaltig. Andererseits ist das Bedeutete derart dicht und tief in Versen gefügt, daß es durchaus manchmal dauern kann, zu sehen und zu verstehen, was da in den einzelnen Zeilen vor sich geht. Und das kann eine Fülle sein, die bei weitem 800 Seiten übersteigt. Ob die Menschen dafür noch die Muße mitbringen, ist fraglich, wo in kürzester Zeit immer mehr Texte auf den Markt oder in die Timeline spülen. Inflation von Texten und Lyrik braucht eben genau diese Ruhe, dieses Maß an Zeit. Schwierig also. Dem Kookbooks Verlag kann man nur die Daumen drücken.

  5. In Coleridges Ballade vom alten Seemann ist das ganze Pathos des Entdeckerzeitalters, der komplette Aberglaube des Mittelalters und der frühen Neuzeit und die geordnete Irrationalität der Romantik versammelte und die Literaturgattungen Horror und Fantasy sind dort im Grunde schon angelegt.

  6. Dieses Nuancierte, die Schattierungen, die Assonanzen sind es gerade, die lyrische Dichtung so spannend macht. In diesem Sinne hast Du ganz recht, che!

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