Volker Beck und was das mit Pauperismus zu tun hat

 „Es läuft glatter, wenn  die Elite sich moralisch in Positur werfen kann, während sie Arme, Alte und Arbeitslose beklaut“
(Wolfgang Pohrt: FAQ)

Ich gucke mir gerade das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten zu den Hartz IV-Gesetzen vom Dezember 2003  an – der größte Sozialabbau, den die BRD je sah und der von den GRÜNEN mitinitiiert wurde. Und wer stimmte fürs „Ja“? Volker Beck. Meine Trauer über seinen Fall oder genauer, seinen Absturz hält sich nicht nur in Grenzen, sondern es mischt sich eine geradezu offene Freude bei. Man mag über Becks Leistungen hin und her spekulieren: Er gehörte jedoch in den Jahren 1998 bis 2005 maßgeblich zu dem Politiker-Personal, das uns soziale Umverteilung bescherte: die Unterhosenschnüffler vom Amt, die private Schränke durchwühlen und Sanktionsmaßnahmen bei solchen verhängen, die sowieso nie mehr aus ihrem Elend herauskommen. Schikane heißt das Prinzip: Wer nicht zu Niedriglohn arbeitet, soll auch nichts essen, so geht der Slogan der SPD-GRÜNEN Solidargemeinschaft. Dazu trugen und ermöglichten DIE GRÜNEN – und mit ihnen Volker Beck – weiterhin die ungehemmte Deregulierung der Finanzmärkte wie auch die Privatisierung der Rentenversicherung. Das wollen wir bei dem Namen Volker Beck schön miterwähnen. Unmittelbar hat dies alles zwar nichts mit dem läppischen Drogenfund bei ihm zu tun. Mittelbar aber zeigt es uns das Polit-Personal der GRÜNEN und was dahinter steckt. Bis heute.

All die sogenannten Linken, die nun über Becks Fall ihre Tränen vergießen, sollten vielleicht auf dies mit im Auge behalten. Aber immerhin haben wir nun Dank der GRÜNEN wieder eine rechte Opposition im Bundestag, so witzelte ganz gut „konkret“.

Pauperismus ist seit den Hartz-Gesetzen das Stichwort. Und damit das Sozialabbauprogramm ungehemmt durchgezockt werden konnte, erfand die SPD im Zusammenspiel mit jenen GRÜNEN den „Aufstand der Anständigen“ gegen rechts, stellte sich öffentlich gegen den Irakkrieg und beteiligte sich von hinten herum über die Airbase Rammstein und den BND, der in Bagdad Ziele ausspähte und Informationen für die USA lieferte, dennoch an diesem Krieg. Während im Fernsehen drittklassige Prominenz wie Jasmin Tabatabai herumnöhlte,  wie stolz sie auf Gerhard Schröder und diese SPD ist. Aber hinter den Türen sieht die Sache eben anders aus. Abstieg und umverteilen lautet die Parole.

Wolfgang Pohrt schreibt in „FAQ“ über die Jahre 2002/2003:

„Während die Arbeitslosen auf den Status von Almosenempfängern zurückgeworfen werden und die arbeitende Bevölkerung zwecks Altersvorsorge zum Kauf von Spekulationspapieren angehalten ist, welche dem Verkäufer einen Platz an der Sonne und dem Besitzer einen im Armenhaus sicheren, währenddessen also kennt diese Linke keine Klassen mehr, nur noch Rassen. Rassismus, Antisemitismus, nichts sonst.“

Diese Sätze mögen überspitzt sein, aber in der Pointierung zeigt sich die Wahrheit. Sie legen den Subtext frei, der hinter den vermeintlich unmittelbar zugänglichen Phänomenen liegt. Und so richtet sich Pohrts Blick ganz richtig auf die Verelendung. Pohrt schreibt weiter, und diese Bemerkungen sind heute aktueller denn je:

„Die Ablehnung von Zuwanderung zum Beispiel wird gern als rassistisch und fremdenfeindlich verfemt, obgleich ein Bauhelfer, welcher Zugangssperren eingerichtet wissen möchte, sich nicht anders verhält als die Agrarlobby, wenn sie Importrestriktionen für irgendwelche landwirtschaftlichen Erzeugnisse fordert. Was als Rassismus erscheint, ist nichts anderes als der Protektionismus von Menschen, die ihre eigene Arbeitskraft verkaufen  müssen, und zwar Arbeitskraft von der Art, wie sie durch Zuwanderung eine Angebotsvermehrung erfahren würde. Das trifft selbstverständlich nicht für Ärzte, Sozialarbeiter oder Lehrer zu, für welche die Zuwanderung Umsatz und Einkommen bedeutet.“

Interessante Perspektive, die allerdings leicht in einem politischen Rechtsswitch benutzt werden kann. Insofern scheint es mir, wenn man denn diesen ökonomisch-politischen Blick der Kritik einnimmt, ratsam in dieser Argumentation nicht die einen gegen die anderen auszuspielen – denn Menschen, die ihre Haut zu Arbeitsmarkte tragen, sind beide gleichermaßen –, sondern diese Kräfte zu bündeln. Aber von einer schlagkräftigen linken Opposition in der BRD sind wir meilenweit entfernt. Stattdessen haben wir bei SpOn und anderswo kolumnisierende Mediennetzwerker_Innen.

Wolfgang Pohrts FAQ-Aufsatz ist immer noch lesenswert, weil immer noch aktuell. Allein wegen solcher Sätze:

„Gott hat es gefügt, daß die Menschen, die die nützlichsten Berufe ausüben, überreichlich geboren werden.“

Dieser Satz freilich stammt nicht von Pohrt, sondern er zitiert hier den Aufklärer Abbé Galiani, welcher im 18. Jahrhundert wirkte und schrieb – rund 100 Jahre vor Marx.

Wolfgang Pohrt: FAQ, erschienen in der Edition Tiamat, 176 Seiten, 14,- EUR 

 

36 Gedanken zu „Volker Beck und was das mit Pauperismus zu tun hat

  1. Dass auch das Thema Flüchtlinge seine Arbeitsmarktkomponente hat, die es einem Besserbio schneller erlaubt, pro Aufnahme zu votieren, darf nicht verschwiegen werden. Natürlich haben diejenigen, die außer ihrer nackten Arbeitskraft nichts mehr haben (und folglich auch nichts zu verlieren haben), da berechtigte Ängste. Denn die Gesellschaft ist auch mit ihnen in den letzten 15 Jahren nicht sehr zimperlich umgegangen.
    Das gegenseitige Denunzieren der unteren Stände, der Besitzlosen war immer ein probates, allzu wirkungsvolles Mittel der Besitzenden, um unangenehmen Fragen auszuweichen. Es wird deswegen nach Kräften gefördert.

  2. Pohrt, für den u. a. „der Ostblock“** das Paradies darstellt – – –

    – – – Wolfgang Pohrt, ehedem Angestellter der FH Ludwigsburg.

    »Gott hatte uns aus dem Paradies** durch seinen Erzengel Gabriel vertreiben lassen, wir haben es zurückerobern und Gott stürzen wollen. Anfangs kam die Offensive flott voran, aber inzwischen steckt sie fest. Das ist die Lage, mit der wir uns befassen müssen.« (so Pohrt).
    Nana.
    Ausserdem irrt der Ex-Angestellte der FH Ludwigsburg, wenn er meint, dass Hilfebezüger nichts zu verlieren hätten. Aus seiner Sicht – vielleicht. Sonst eher nicht.
    Auch Hilfebezüger zu sein verleiht handfeste materielle und immaterielle Gratifikationen und damit Status.
    Ich habe mir hier am See eine Flüchtlingsunterkunft angeschaut. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Pohrt da nicht würde leben wollen – aber das unterscheidet ihn eben von den Flüchtlingen.
    Und genau das macht die Flüchtlinge und die unproduktive Klasse in D’land zu – zumindest virtuellen – Konkurrenten.
    Das wirkt bis nach Sachsen und Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sowieso und Thüringen zweifellos hinein.

  3. Das irdische Paradies ist immer relational. Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Pohrt diesen Satz äußerte. Über seine Tätigkeit bei einem Sozialforschungsinstitut berichtet Pohrt ebenfalls in seinem FAQ-Text, schrieb dazu Treffendes im mehrfachen Sinne.

    Pohrt formuliert böse und spitzt verdeckten Subtext zu. Das läßt sich auch gut zusammen mit Nietzsches „Genealogie der Moral“ lesen. Ein von mir hoch geschätztes Buch. „Es läuft glatter, wenn die Elite sich moralisch in Positur werfen kann, während sie Arme, Alte und Arbeitslose beklaut.“ Das kann man gar nicht oft genug zitieren.

    Die Konkurrenz ist genau das Prinzip, das zu schüren sich lohnt. Das Spiel Einer gegen den anderen. Und der weiße Mann in Marzahn oder andernorts findet immer einen, dem es noch dreckiger geht und der als Fußmatte sich benutzen läßt. Hier pflichte ich summacumlaude bei.

    Aber ich sehe in diesen Dingen nichts allzu rosa oder gar rot, daß sich da irgendwer mit irgendwem solidarisierte oder zumindest kooperierte. Deshalb mein Grandhotel Abgrund.

  4. „Aber ich sehe in diesen Dingen nichts allzu rosa oder gar rot, daß sich da irgendwer mit irgendwem solidarisierte oder zumindest kooperierte. Deshalb mein Grandhotel Abgrund.“
    -zum Wohle. Und: Hochdieinternationalesolidarität! Aber nur, wenn der Jahrgang stimmt!

    Mal Ernst: Die Situation ist revolutionär und schreit nach der Revolte. Nur findet die von Rechts her statt. Revolten von Rechts sprechen halt das eigene Unterhemd an (das angeblich geklaut werden soll) und sind damit vielen plausibler als irgendeine Solidarität, von der niemand weiß, wer diesen schönen idealistischen Wert zu zahlen hat.
    Das bleibt die entscheidende Frage und gibt dem Soli-Spiel erst den richtigen, dialektischen Drive: Wer ist für den materiellen Aspekt der Solidarität zuständig? Die wohlfeilen Berliner Redaktionsstuben in Mitte werden es wahscheinlich nicht sein. Von dort kommt nur die idealistische Aufrüstung. Unter Brüdern: Auf die kann ich auch gut verzichten.

  5. An Sie beide: SFDRS, Sternstunde Philosophie zum Thema Dada, vor ca. vier Wochen (steht übrigens im Netz), der Moderator fragt die beiden eingeladenen Experten über das Protestpotential von Dada heute und da sagt der eine der beiden, wenn ich ihn mit Schäuble paraphrasiere: Isch over.
    Die Sekundärliteratur liegt in den Regalen wie Blei (hier spricht der Experte aus eigener – wenn die Anschauung nicht trügt, leidvoller Erfahrung) und die Primärtexte sowieso.
    Und seuzt er abschließend und schwermelancholisch: Von links kann man heute nicht mehr provozieren.

    Diese Situation hat Vor- und Nachteile.
    Ich denke, die Vorteile nutzt Peter Sloterdijk in der Zeit mit einwandfreien Rückgriffen auf – Sie habens vielleicht auch bemerkt: Jean Paul und Adorno.
    Und weil er ein bißchen verspielt ist, macht er beide Bezüge nicht explizit.
    Aber er führt sie korrekt durch. Jibt nischt ze meckan

  6. „Isch over“ sehe ich allerdings genauso, wie man auch sehr bequem auf meinem Block unter der Miniserie „Die Kunst ist tot“ nachlesen kann.
    Kann man von links wirklich nicht mehr provozieren (spricht einiges dafür)? Oder hat „LInks“ die Provokateure in den eigenen Reihen im Lauf der Jahrzehnte einfach nur aussortiert?

    Diese Situation hat natürlich auch Vorteile, v.a. muß man nichts mehr „erreichen müssen“. Wenn auch Engagement ohnehin nur eine zu dekonstruierende Metapher, ein psychischer Kompensationsmechanismus ist, kann Engagement auch gleich ausfallen – metaphorisch und tatsächlich (smilie).

  7. Die Zeiten, in denen die dem Kapital nützlichsten Menschen überreich geboren wurden sind vorbei. Heute ist das Land vielleicht überreich an chancenlosen Menschen, aber diese sind immer weniger nützlich, es gibt die Hausarbeiten und Manufakturen nicht mehr, in denen die Arbeitskraft aus dieser Art von Pauper gequetscht werden kann wie der Saft aus einer Apfelsine. Deswegen krepiert der Pauper auch nicht mehr im Alter von durchschnittlich 20 Jahren, sondern lebt bis ins hohe Alter ohne den Eliten irgendeinen Vorteil einzubringen, sondern im Gegenteil auch noch zu kosten und zwar Geld und Nerven. Deswegen ist die Revolution von rechts absehbar. Wer sich den Gesetzen der Produktivitätssteigerung nicht unterwerfen kann oder will, wer also nachhaltig eine negative Bilanz aufweist, der wird in den Maghreb deportiert, de Maizière hat gerade die Verträge gemacht.

  8. @summacumlaude/Dieter Kief
    Richtig, Provozieren von links – zumindest solches, das ernst genommen werden will – kann man heute kaum noch. Allenfalls dadurch, sich in die Sache, also die Texte von Marx, Marcuse und Adorno (und anderen) zu versenken, das Niveau zu halten und hinreichend komplex zu denken, sich nicht der Schemata zu bedienen, diese Texte zugleich auch weiterzudenken. Verhältnis von Theorie und Praxis eben. Aber das bedeutet eher Exegese. In den Aktionen sieht es schwieriger aus. Das meiste verrinnt und selbst solche Äußerungen, wie von der Antifa in Berlin über den Innensenator anläßlich einer bevorstehenden Räumung der Rigaer Straße: „ Kofferraum“ sind bloß noch Aufbäumen. Morgen wird im Diskurs des Medialen, auf Twitter, Facebook, auf SpOn oder anderswo das nächste Skandälchen inszeniert.

    Sloterdijks „Zeit“-Text muß ich noch lesen. Ich kann mich in dieser Flüchtlingsfrage nicht auf eine Seite schlagen, dafür ist mir die Materie zu komplex. Was an Safranskis Äußerungen rechtsradikal sein soll, wie ihm vorgehalten wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Insbesondere der Vorschlag, an den Grenzen Lager zu erreichten, scheint mir nicht ganz abwegig. Ja, das Lager, der Nomos der Moderne (G. Agamben), da haben wir es wieder: alles das, was gegen die Humanität steht. Aber es gibt, was die Kapazitäten für die Aufnahme in Europa betrifft Grenzen. Wer behauptet, wir schaffen das, muß sagen können, wie wir das schaffen können. Wichtiger scheint mir, daß Europa in Syrien endlich Frieden verhandelt. Ohne die USA, die es einzig vermochten, ganze Großräume zu destabilisieren und für anarchische, tribalistische Zustände zu sorgen, was Münkler eigenartig unterschlägt oder bei ihm nur eine Randerwähnung findet. In diese Richtung sollte man geopolitisch ebenfalls denken. Zumal die USA nun einmal keinerlei Anstalten machen, für das von ihnen angerichtete Chaos in irgend einer Weise aufzukommen. Aber Waffenverkaufen sich ja nunmal besser als aufzubauende Häuser, Verwaltungsgebäude und Infrastruktur.

    Es bleibt das Denken in Modellen, auch wenn das eine hoffnungslos utopische Angelegenheit ist. Nehmen soll man sich diese Kraft jedoch nicht lassen. Ich denke da immer wieder an das letzte Kapitel der „Negativen Dialektik“.

  9. Na ja, hanneswurst, eine Deportation ist es nicht; insbesondere dann nicht, wenn es sich um Straftäter handelt, die in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Wer allerdings meint, daß seine Chance in Europa darin besteht, Handys zu klauen und Frauen dabei auch noch irgendwohin zu fassen, wie bei dem Sexübergriffen in Köln, hat irgend etwas nicht verstanden. Mein Mitleid hält sich da arg in Grenzen. Kann man natürlich machen, sollte sich dann aber nicht über die Konsequenzen beklagen. Es sind übrigens die Flüchtlinge selbst und auch die Marokkanischen Community in Köln, die für ein hartes Vorgehen plädiert. Kann man aber nur dann, wenn eine Straftat auch nachgewiesen ist. Schwieriges Ding also, diese Sache.

    Was wir benötigen ist – neben dem Asylrecht, das bedingungslos für Verfolgte gilt – ein Einwanderungsrecht. Aber auch hier handelt es sich um Kriterien der Produktivität, die zum Einsatz kommen. Das alte Dilemma vom richtigen Leben im falschen, das es eben nicht gibt. Es bleibt die Verwertungslogik. Sich aus dem Elend zu erlösen, können nur die Elenden tun. Aber ich hege hier wenig Hoffnung; die Gewalt und das Blutbad werden nur anders ausfallen als es bisher geschlachtet wird. Wie geschrieben: Mit dem Lumpenproletariat sehe ich für die kommenden Aufstände eher Schwierigkeiten. Ich bin in dieser Linie Leninist – Avantgarde der Partei undso. Mit Unorganisierten werden allenfalls von Zeit zu Zeit riots aufbrechen und wie es bereits Mitte der 80er die Band Oberkampf sang: „La banlieu est en flamme“. https://www.youtube.com/watch?v=YVLBdd5qD8M Oder aber, wie in London machen sich die ohne Geld über die Warenwelt her: Im Grunde die ideale Zielgruppe für die Werbung. Wenn man den Menschen beständig um die Ohren haut, daß Flachbildschirm, Smart- und iPhone unabdingbar sind. Dann holen sich die Leute das halt von Zeit zu Zeit aus den Auslagen.

    Aber ich bin kein Ökonom, ich habe für diese Dinge wie Einwanderung undsofort keine Antworten oder sonst etwas parat. Vermutlich bleibt nur der pragmatische Umgang.

  10. Herr Bersarin, Sie sind Herrn de Maizière wohl komplett auf den Leim gegangen: nicht die kriminellen Maghrebiner sollen in erster Linie deportiert werden, sondern die ganz normalen ALG II Empfänger. Diese Menschen nutzen nichts mehr und kosten nur. Im Vormärz hat man ihnen das Leben zur Hölle gemacht, indem man kleinsten Lohn für 80 Wochenstunden bezahlt hat. Das geht leider nicht mehr, denn heute flechten die Roboter die Körbe. Also muss der Pauper in den Maghreb.

    Apropos Abschiebung von Straftätern (anderes Thema): wann genau sollen die eigentlich abgeschoben werden? Wenn sie mindestens zu einer Haftstrafe verurteilt wurden? Das scheinen Sie zu denken, Herr Bersarin, und es wäre wohl fast jeder damit einverstanden, wenn die Bösewichte in die Heimat zurückgeschickt werden. Aber in Wahrheit werden Flüchtlinge wohl hauptsächlich wegen illegaler Einwanderung abgeschoben. Ich halte es aber nicht für ein Verbrechen, aus dem Land, in das man hineingeboren wurde, ausbrechen zu wollen, zumal wenn die Perspektiven dort mager, der Staat autoritär, die Frauen verschleiert und Homosexualität geächtet sind. Stellen sie sich einfach vor, sie wären in Stuttgart geboren und dürften nicht nach Berlin, höchstens nach Ulm.

  11. Nicht falsch hanneswursts Argument. Nur stimmen manchmal die Voraussetzungen so nicht. Leider kommen viele Intentional hierher um zu klauen, weil über den „geregelten Weg“ nicht genügend Geld fürs Nachhauseschicken abfällt. Dass Köln wenig mit irgend einem kulturellem Frauenbild, sehr viel aber mit sozialen Fragen zu tun hatte, habe ich bereits mehrfach und an mehreren Stellen geschrieben. Platte Frage: Wie geht man, wenn man das weiß, mit diesen Menschen um.
    Sie sind also hier, um Geld nach Hause zu schicken. Das kann nur übers Klauen klappen, denn ungelernte Arbeit ist einfach zu schlecht bezahlt. Deswegen ist ein Resozialisationsansatz zwar löblich aber zum Scheitern verurteilt. Nochmals die Frage: Was tun mit Ihnen, den wahrlich Verdammten dieser Erde? Ich verurteile sie ja nicht, weil sie im Magreb geboren sind. Und auch nicht, weil sie auf ihre Art an Europas Reichtum Teil haben wollen. Nur: Ihre Art ist eben so nicht zu tolerieren. Ergo bin ich ratlos.

  12. Meine Meinung dazu ist einfach, eindeutig, naiv und utopisch: keinem Mensch darf aufgrund von Nationalität, Geschlecht, Hautfarbe oder Religion benachteiligt werden. Ich votiere also für einen radikalen Eine-Welt-Ansatz und als nächstes würde ich auch gerne das Recht auf Privateigentum stark beschränken und fordere ein bedingungsloses Grundeinkommen.

  13. Es ging mir, Herr Hanneswurst, nicht um ALG II-Bezieher, sondern, wie ich meinte deutlich geschrieben zu haben, um Straftäter, denen man ihre Taten nachwies und die dann abgeschoben werden. Dieses harte Vorgehen fordern übrigens insbesondere Flüchtlinge, die hier friedlich leben wollen und in der BRD ihre Chance suchen.

    Illegale Einwanderung darf kein Delikt sein. Hier herrscht juristischer Änderungsbedarf. Was eben wieder auf ein Einwanderungsgesetz verweist. Aber wie das machen, wenn es keine Arbeit mehr gibt? Daß die, die fliehen nicht wegen ein paar Nike-Turnschuhen abhauen oder um hier per se zu klauen, ist mir durchaus klar. Am besten wäre es, wir subventionierten nicht europäische Bauern, damit die noch günstiger die EU-Produkte nach Marokko exportieren können, damit die heimische Produktion am Boden liegt und Menschen in Armut gedrückt werden. Aber das alles sind Reden am grünen Tisch. Klingt gut, nützt nichts. Ich halte von solchen Diskussionen im luftleeren Raum eigentlich wenig bis gar nicht. Denn wir sind es nicht, die die Lösungen liefern dürfen. Und auch nicht setzen sich die besten Lösungen durch.

    Doch, summacumlaude, Köln hat auch mit einem bestimmten Frauenbild von bestimmten Männern zu tun. Es wäre absurd, das auszublenden. Die „Kölner Botschaft“, auf die ich verlinkte, halte ich immer noch für aussageekräftig. Das eine ist es, etwas zu klauen, das andere Frauen die Finger in Körperöffnungen zu stelchen.Das gilt allerdings ebenfalls für biodeutsche Männer mit bestimmter Sozialisation. Wer hier die Frage der Sozialisation und auch des Gebrauchs der Religion ausblendet, die für diese Sozialisation nun einmal zentral ist, bleibt unterkomplex. Und dieses Verhalten in Köln und anderswo hat auch nichts mit Armut zu tun. Arm heißt eben nicht automatisch Arschloch. Was also führt dazu, daß Männer nicht nur antanzen und klauen, sondern ebenfalls angrapschen? Dies eben hängt mit einem bestimmten Frauenbild durchaus zusammen.

    Der Eine-Welt-Satz ist die Sicht einer schönen Seele, sehr nett. Aber sich dem Negativen zu stellen, bleibt die Arbeit der Dialektik.

    „Stellen sie sich einfach vor, sie wären in Stuttgart geboren und dürften nicht nach Berlin, höchstens nach Ulm.“ Das wäre für mich das höchste Glück der Erde, nicht mehr im „Reichshauptstadtslum“ (Don Alphonso) wohnen zu müssen. Dürfte ich denn wenigstens bis nach Freiburg? So wegen Heidegger und dem guten Badischen Wein? Bitte, bitte, bitte!

  14. Das Frauenbild kann aber nicht unbedingt etwas mit „dem Islam“ zu tun haben, dann wären alle hier gestrandeten, muslimischen Gruppen an den Sex/Klau-Übergriffen beteiligt gewesen. Waren sie aber nicht! Warum nicht auch die Syrer? Warum waren sogar weniger Syrer und Iraker an den Attacken beteiligt als Deutsche? Von der Religion her hätten sie dabei sein müssen. Oder ist dieser Zusammenhang zwischen Religion und Frauenbild zu konstruiert und es passt eher der Zusammenhang zwischen dem (berechtigtem) Gefühl, abgehängt zu sein und der Überzeugung, bei den westlichen Arschlöchern (nach deren Leben ich mich eigentlich sehnt) darf ich mir alles herausnehmen. Ein Motivgemisch aus Sehnsucht und Neid, dessen Veräußerlichug Aggression bedeutet. Und klauen natürlich, denn darauf kam es ja schließlich an. Badiou scheint es so zu sehen, muß aber noch diesbezüglich mehr „Lektüre machen“.
    Jedenfalls ist der alte, naturwissenschaftliche Zweifel immer wieder angebracht, der zwischen Inzidenz und Korrelation streng unterscheidet. ZUNÄCHST sah es so aus, als ob die strengste Korrelation zwischen Tat und Variable die Religion war. In der Multiregressionsanalyse aber kam dann heraus, dass es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen muslimischen Ländern gab. Also KANN der Zusammenhang NICHT die Religion sein. Der soziale Stand aber bleibt weiterhin korreliert und dann würde ich eher dort die Ursache suchen. Durchaus mit den von Bardiou vorgegebenen Prämissen.

    Lächerlich UND gefährlich zugleich sind die Versuche gewesen, Köln den Syrern und damit – denn darum ging es ja – Merkel unterzujubeln. Ich bin erst stutzig geworden, als diese verrückte Meldung auftauchte, ein Syrer habe sich auf Merkel berufen. Die hat uns eingeladen! Da war klar: Hier läuft ein Riesen Fake.

  15. Die Begriffe Inzidenz und Korrelation sind in diesem Zusammenhang argumentativ nicht stimmig und der Schluß ist zudem ein Fehlschluß. Es geht nicht um Monokausalitäten, sondern um ein Bündel an Einflüssen, weshalb Männer sich sexuell übergriffig verhalten – wozu auch die Sozialisation gehört. Sofern der Islam bzw. seine unterschiedlichen Varianten mehr oder weniger (in den nichtsäkularen islamischen Ländern meist mehr) Bestandteil der Erziehung und Teil des Erziehungssystems sind, ist er eben auch Bestandteil der Sozialisation und hat natürlich etwas mit dem Frauenbild zu tun, das darin vermittelt wird. In diesem Sinne existiert dann natürlich auch eine Korrelation. (Dazu muß man übrigens nicht einmal nach Marokko reisen, sondern es reicht ein Blick in bestimmte Communitys in Berlin und anderen Städten, um sich von einem ausnehmend problematischen Frauenbild zu überzeugen. Menschen also, die hier aufgewachsen sind.) Und darüber muß gesprochen werden.

    Diesen Aspekt auszublenden, mag der guten Absicht geschuldet sein, Islamophobie zu vermeiden, aber die gute Absicht ist der Feind der treffenden und hinreichend komplexen Analyse. Den Islam bzw. bestimmte Aspekte des Islams als Bestandteil für die Heranbildung von Männlichkeit auszuklammern, ist in etwa so sinnvoll, wie bei Mißbrauch von Kindern durch katholische Priester die Sexualmoral des Katholizismus und das Zölibat herauszuhalten: „Nein, das hat natürlich gar nichts mit dem Katholizismus zu tun. Das gibt es doch genauso bei Moslems!“ Doch hat es! Weil genau diese Entsagungslogik jene Defekte hervorbringen kann. Das bedeutet nicht, daß alle Katholiken so sind. Denn dies wäre ein logischer Fehlschluß: Vom Einzelnen auf ein Allgemeines zu schließen. Aber wenn alle immer und zugleich auch alles sein können und Kultur und Sitten dabei keine Rolle spielten, dann benötigen wir in Zukunft keine Sozial- und Kulturwissenschaften mehr. Und es bleiben dann die Erklärungen sehr dünn: Ist nun mal so, kommt überall vor, selbst in den besten Familien. Mir reicht das als Erklärung nicht.

    Diese religiöse Komponente mit heranzuziehen, heißt nicht, daß sie das einzige Erklärungsmuster für Sexualdelikte abgibt. Doch die Religion – und insbesondere die monotheistische – unterliegt einer höchst patriarchalen Struktur. Und die prägt, ob gewollt oder ungewollt, und sie gehört qua Sozialisation für diesen Kulturkreis in Marokko und anderen Ländern mit dazu. In Köln waren hauptsächlich moslemische Männer beteiligt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die nun aus Marokko, Syrien, Bangladesch, Irak, Thailand oder aus der chinesischen Provinz Xinjiang kamen, sondern wieweit die Religion in einem Lande Einfluß auf das Leben hat und Weltbilder bestimmt. DAS ist der Punkt. Ich glaube nicht, daß wir in Marokko ein säkulares Lebensmodell haben wie in den 50er, 60re Jahren in Bagdad, Kabul oder im Persischen Teheran.

    Sehr schön zu Köln brachte es Feridan Zaimoglu auf den Punkt: „Wir haben eine Krise des muslimischen Mannes“. http://www.welt.de/politik/deutschland/article151620452/Wir-haben-eine-Krise-des-muslimischen-Mannes.html

    Daß in der causa Köln viele ihr Süppchen kochen, schrieb ich mehrfach: Von selektiv denkenden Netzfeministinnen, die ansonsten gar nicht genug von rape culture schwadronieren, hier aber ausnahmslos die Klappe halten, bis hin zu Pegida, bis hin zu Islamhassern steht auf einem anderen Blatt. Kulturelle Ausprägungen jedoch auszuklammern, ist unheilvoll. Mag sein, daß nicht DER Islam ein Problem mit Frauen hat, vielleicht gibt es in Saudi-Arabien oder Marokko auch säkulare Varianten. Kollektivsingularen ist immer zu mißtrauen – es ist schließlich auch nicht DER Mann grundsätzlich patriarchal oder DER Sachse fremdenfeindlich. Aber es existieren wesentliche Ausprägungen, die in Anschlag zu bringen sind.

    In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf den sehr guten und klug analysierenden Text von Melusine Barby hinweisen, dessen Argumentation ich teile: „Kölner Botschaft“ statt #ausnahmlos http://gleisbauarbeiten.blogspot.de/2016/01/kolner-botschaft-statt-ausnahmlos.html

    Wenn übrigens der soziale Stand Deiner Meinung nach korreliert, dann sind sexuelle Übergriffe also ein Unterschichtenphänomen und jene kommen gehäuft bei Armen vor? Kann man natürlich behaupten, ist aber in meiner Sicht eine problematische Perspektive.

  16. In Frage steht die Tatsache, warum nicht ALLE muslimischen Gemeinschaften an Köln Teil hatten, wenn doch der Islam es ursächlich gewesen sein soll. Vor dieser Antwort kneifen viele, weil dann zu allgemein gehaltene Mems nicht mehr bedient werden können.
    Sexualdelikte in Tateinheit mit Eigentumsdelikten sind in der Tat ein Unterschichtenphänomen, weil die Eigentumsdelikte der Oberschicht grundsätzlich anders aussehen (Betrug, Devisengeschäfte usw.). So nun Schluß, so groß ist der Unterschied zwischen uns ja auch nicht. Über das problematische Frauenbild vieler Jungmuslime schrieb ich unlängst. Ich sehe das aber hier nicht im Vordergrund. Dagegen ist die Analyse der meist minderjährigen „Megrebiner“ als dominante Täterschicht nicht von der Hand zu weisen.

    Wenn man ein multifaktorielles Geschehen erklären muß, ist mein Ansatz durchaus korrekt. Der Islam mag seinen Anteil haben, kann aber nicht im Vordergrund stehen. Sonst hätten – ich wiederhole mich – sowohl die in Köln ebenfalls anwesenden Syrer mitgemacht, wie auch die längst schon dort lebenden Türken. Haben sie aber nicht. Es ist nur anfangs aus durchsichtigen Motiven behauptet worden.

  17. Aber das ist doch ein Argumentationsdreher: Weshalb nahmen nicht Vertreter aller katholischen Gemeinschaften am Mißbrauch teil? Genauso könnte man antworten: die anderen hätten mitgemacht, wären sie dabeigewesen. Es waren nun einmal die vor Ort, die vor Ort waren. Die Täter entstammen einem bestimmten Milieu. Und da fragt es sich, was dieses Milieu von der Sozialisation her motiviert. Nur Armut kann es nicht sein. Ich schrieb es und wiederhole mich: „Das eine ist es, etwas zu klauen, das andere Frauen die Finger in Körperöffnungen zu stecken.“ Ich weiß nicht, womit es sonst zu tun hat als mit einem bestimmten Bild über Frauen, das von Verachtung geprägt ist. Und da muß man sich fragen, woher dieses Bild stammt. Wer arm ist und klauen will, der macht Taschendiebstahl oder begeht Raubüberfälle.

    Übrigens waren unter den Tätern nicht ausschließlich Marokkaner. Es waren genauso Männer aus anderen arabischen Ländern wie dem Irak darunter. Man kann jetzt auch noch die sexuellen Übergriffe in den Flüchtlingsheimen auszählen und schauen, wer alles dort mitmachte. Daß der Islam nicht die einzige Ursache für die Übergriffe ist, steht außer Frage. Sexuelle Übergriffe gibt es in fast allen Kulturkreisen. Aber bei Köln geschahen eben nicht nur und ausschließlich Diebstähle. Da liegt die Crux.

  18. Richtig ist allerdings und dies muß man genauso mitdenken, daß der Islam eine komplexe Religion mit vielen Aspekten ist und daß sich aus Köln (mal als Metapher genommen, denn es wird sich in dieser Sache zugleich von bestimmten Medien und von bestimmter Seite sehr auf eine Seite kapriziert) keine Universalaussagen über den Islam ableiten lassen.

    Richtig ist ebenfalls, daß auch soziale Indikatoren für Köln eine große Rolle spielen. Der Sexismus in den Oberschichtskreisen von Weißen bei Devisengeschäften sieht anders aus als der der Köln-Tätern. Ohne Frage. Und es gab in Köln ebenso Raubüberfälle, die nicht zusammen mit einem Sexualdelikt geschahen.

  19. „…daß sich aus Köln (mal als Metapher genommen, denn es wird sich in dieser Sache zugleich von bestimmten Medien und von bestimmter Seite sehr auf eine Seite kapriziert) keine Universalaussagen über den Islam ableiten lassen.“
    Aber genau das wird ja getan und daher die Kritik. Der muslimische Mann an sich. Es gibt ihn nicht.
    Die Zahlen des BKA bezüglich Flüchtlingskriminalität sind eindeutig: Kein Anstieg insgesamt, weil der sehr kleine Teil der Intensivtäter bei diesen Mengen statistisch nicht ins Gewicht fällt. Die Gruppe der Intensivtäter aber sind soziologisch sehr homogen: Meist aus dem MAGREB-Raum und meistens minderjährig (was das Abschieben fast unmöglich macht) oder als Minderjährige hier eingewandert. Meist Alleinstehende! Bei solchen eindeutigen Daten und bei der Suche nach den sicherlich komplexeren Handlungsmotiven einer Straftat kann ich mich nur wundern, dass die Meinung es liege v.a. am muslimischen Frauenbild immer noch geglaubt wird. Wo doch durch diese BKA-Daten gestützt ganz andere Faktoren/Variablen in den Fokus geraten.
    Wenn es nur reinen Raub gab, dann war das Smartphone schon ohne sexuelle Erpressung in den Händen des Räubers. Zugleich kann manche rein sexuelle Straftat als versuchter Raub gesehen werden, bei der der Raub dann nicht klappte. Ich glaube, da war ein relativ einförmiges, kriminelles Muster unterwegs. Aber das nur nebenbei. Etwas anderes ist viel wichtiger:
    Ich wende mich nämlich genauso gegen die Argumentation, der Katholizismus verursache per se Mißbrauch. Mag sein, dass das Zölibat bestimmt Gepolte anzieht. Meistens hat aber die Gemengelage aus Mißbrauch und schwerster (!) körperlicher Gewalt in katholischen Heimen doch eher mit bestimmten Erziehungslehren zu tun, die damals (und heute?) sehr wohl auch in weltlichen Heimen gelebt worden sind. Und: Auch protestantische Heime sind „erwischt“ worden. Von der alltäglichen Gewalt in den Familien damals (und heute?) ganz zu schweigen – man lese dazu etwas über die Kindheit von Jürgen Bartsch. Auch hier kommt eine starke, weltlich-zeitbedingte Komponente mit hinein. Eine bürgerliche Erziehungshaärte, ein Trimmen, dessen Ursache nicht ausschließlich kirchlich sein muß.
    Die Katholen mißbrauchen Kinder? Nein, diese Aussage lehne ich in ihrer Allgemeinheit genauso ab wie die Aussage, der Muselmann verachte halt Frauen.

    Einen abschließenden Gedanken kann ich mir nicht verkneifen: Das Angehen gegen solche Allgemeinaussagen in der öffentlichen Wahrnehmung vergeudet Kräfte, die bei der Suche nach den wirklichen Motiven dann fehlen. Ist das etwa Absicht, hier wie dort?

  20. Religiöse Prägungen – auch in ihren säkular gewordenen Spielarten wie sie in der Erziehung in deutschen Haushalten vorherrscht – können ihren Teil dazu beitragen, sind aber mitnichten alleiniger Auslöser für Gewalt. Das gilt für den Katholizismus wie für den Islam. Deshalb auch meine Vorbehalte gegen Begriffe wie rape culture, wenn Kultur monokausal auf einen Aspekt festgenagelt wird. Ein Denkvereinfachungsbegriff. Und genausowenig gibt es DEN Islam oder DEN moslemischen Mann. Dennoch findet in beiden Kulturen teils massive Gewalt und Repression gegen Frauen statt. (Und genauso gegen andere Arten von Sexualität: gilt ja auch für große Teile Afrikas und das katholisch geprägte Südamerika wie auch für die jamaikanische und haitische Kultur.) Diese Gewalt muß man in konkreten Formen benennen. Wenn man wie die Wizoreks und die Stokowskiks argumentiert, dann müßte man genauso bei der moslemischen Kultur von einer rape culture sprechen.

    Daß bestimmte Debatten von bestimmten Medien in eine Richtung hochgetrimmt werden, ist dem Umstand geschuldet, die Auflage hochzutreiben, Themen durch Zuspitzung und Übertreibung hervorzukitzeln. Denn Übertreibung macht bekanntlich anschaulich. Für den Journalismus ist dies jedoch verhängnisvoll. Das gilt übrigens für beide Seiten, auch für die linken und rechten Twittershitstormfraktionen. Beiden gleichermaßen geht es um eine Empörungsrhetorik, um eine Aufsteigerungrhetorik, aber nicht mehr um die Sache. Und in dieser unidirektionalen Denkweise berühren sich der deutsche Stammtisch und Netzfeminismus.

    Andererseits lassen sich im Journalismus vermeintliche Fakten eben auch unterschiedlich interpretieren. Besonders an der einseitigen Berichterstattung über Rußland und die Ukraine wie auch im Syrienkonflikt sieht man das.

    Eine Debatte über den Islam und wie weit und vor allem: IN WELCHER FORM er zur BRD gehört, ist ja eigentlich immer mal wieder aufgeflammt und wieder fällig. Und ich denke, dies wird in den nächsten Jahrzehnten eine der dringendsten Fragen (auch im Bereich der Kindererziehung und des Frauenbildes) werden. Entweder Theologen, Imame, Religionsgelehrte, Philosophen, Theoretiker der Politischen Philosophie wie auch die vielen Praktiker schaffen zusammen mit den liberalen Moslems in den Diskursen einen aufgeklärten europäischen Islam, der das nachholt, was die europäische Aufklärung in all ihrer Dialektik und ihren Tücken vorantrieb, nämlich ein säkulares Staatswesen (das ja auch noch nicht so alt ist) oder wir werden ein riesiges Problem bekommen. Damit zusammen hängt die Frage nach der Integration wie auch die nach einem Einwanderungsgesetz. Damit zusammen hängt die Frage, auf welche Weise Imame für Moschen ausgebildet werden. Köln und viele andere Ereignisse hätten dazu genügend Anlaß geboten. Auch um, über das Frauenbild zu sprechen. Genauso schlimm wie die causa Köln sind die Sexübergriffe in Flüchtlingsunterkünften. Auch dazu hätte ich gerne genaue Zahlen. Und vor allem besteht hier dringender Handlungsbedarf.

  21. Woher kommt eigentlich diese zwanghafte Neigung von Linken, den Islam zu schützen und zu entschuldigen, während man gleichzeitig alle anderen Religionen bekämpft? Glaubt man ernstahft, dass es ohne Auswirkungen bleibt, wenn im Koran (der bekanntlich Gottes Wort direkt wiedergibt) steht, dass Männer mehr wert sind als Frauen und dass letztere nicht nur geschlagen werden dürfen, sondern geschlagen werden sollen, wenn sie ungehorsam sind? (Sure 4:34) In Ländern, in denen praktisch das gesamte Geistige Leben seit mehr als 1000 Jahren von dieser Religion bestimmt wird? Hat alles nichts mit dem Islam zu tun?

    Was haltet ihr von diesem Kunstwerk: https://en.wikipedia.org/wiki/Piss_Christ

    Der erste, der einen Pisse-Mohammed austellt, bekommt von mir eine Flasche Schampus.

  22. Ist schon passiert.
    Hier „schützt“ übrigens niemand den Islam (oder wenn es um Mißbrauch geht die RKK), sondern die Menschen, die jeweils unter diesen Religionen aufgewachsen sind, vor ungerechten Verdächtigungen. Die Fakten des BKA, die eben gerade NICHT die Interpretation unterstützen, die männlichen Muselmänner rapen allesamt Frauen, sind bittesehr zu Kenntnis zu nehmen. Auch wenn sie liebgewonnene ideologische Bilder gerade nicht supportieren. Und ohne genau die Zahlen zu kennen, nehme ich an, dass Nämliches auch für Mißbrauch und Zugehörigkeit zur RKK gilt.
    Lustig finde ich, dass solch ein lediglich aufgeklärtes Denken gleich wieder „links“ genannt wird. Wieso eigentlich? Folglich sprechen alle „Rechten“ jemanden bloß wegen Gruppenzugehörigkeit schuldig und folglich ist „rechts“ und Aufklärung imkompatibel? Kann ja sein…

  23. Man sollte jeder Religion gleichermaßen kritisch und zugleich offen gegenüberstehen, da Religionen Gehalte und Inhalte haben, über die es einerseits intellektuell, andererseits auch im Sinne eines Bedürfnisses nach Glauben auseinanderzusetzen lohnt – so fragwürdig, weil narkotisierend die Religionen auch sein mögen.

    Wer sich über Jesus-Karikaturen scheckig lacht, aber bei Mohammed-Karikaturen plötzlich das Gesicht des Bedenkenträgers aufsetzt, der muß sich in der Tat nach seinem Blick befragen lassen. Ich halte es da mit Charlie Hebdo. Entweder Religionen sind nicht sakrosankt und dürfen bespottet werden oder aber man darf es aus Schutzgründen bei keiner Religion, was einer Zensur gleichkäme. Das gilt dann jedoch für alle Religionen und dann ist es ebensowenig angebracht, einen Papst mit Pisse- oder Fantaflecken (je nachdem) auf der Soutane abzubilden. Titanic hat meines Wissen auch Mohammed-Karikaturen gebracht.

    Das verlinkte Kunstwerk ist in der Tat nicht uninteressant. Zumal es in der Auslegung mehrdeutig betrachtet werden kann. Lediglich durch den Titel werden bestimmte Assoziationen geweckt. Da aber Jesus das Leid der Welt trägt, das Lamm, das sich opfert, um alle Opfer fürdahin abzuschaffen, ist dieses Gewaltbild durchaus passend und in diesem Sinne ist es nicht einmal obszön oder nur ein billiger Effekt, der provoziert: etwa ein Jesus mit einem Sprengstoffgürtel oder mit dem Folterbesteck der Inquisition versehen. Zumindest lädt das Bild zum Denken ein. Das ist bei einem Kunstwerk schon mal etwas. Und damit ist es legitim. Wer ähnliches mit religiösen Symbolen des Islams macht, sollte das tun. Notwendig ist es allemal. Nur wird das Risiko aufgrund der in den arabischen Staaten aufgeschürten Empörungs- und Wutbereitschaft hinterwäldlerischer und politisch agierender Imame deutlich höher ausfallen. Da liegt in der Tat ein Problem. Auch eines des Islams, der in diesen Formen lange noch nicht in der Moderne angekommen ist. Deshalb mein Hinweis auf einen säkularen Islam für Europa, der solche Bilder spielerisch toleriert. (Er muß sie nicht akzeptieren. So wie radikale Christen oder Juden eben auch keine Schwulen akzeptieren müssen, sondern lediglich tolerieren, daß es auch das hier gibt.)

  24. Ergänzung zu bersarin: Die schöne Grosz-Zeichnung vom jesus mit der Gasmaske im Wohnzimmer, aber cordhosentragene Bedenkereien bei Mohammed-Karrikaturen – klar, das läuft nicht. Das ist ausgemacht lächerlich!
    Zu den alten Mohammed-Karrikaturen aus Dänemark nur soviel: Die Originale entfachten ja noch nicht die Empörung, als sie Immanen vorgelegt wurden. Sie wurden daraufhin von Islamisten angespitzt, verschärft und dann noch einmal vorgelegt – mit dem gewünschten Ergebnis. Nun waren auch die Immane „empört“.
    Über bestimmte Spielregeln des Islam bin ich seit der Fathwa gegen Rushdie hinreichend informiert. Sie kam übrigens aus einem Land, das heute in der westlichen, antiislamischen Empörungsindustrie ja nicht gerade oben steht. Damals wurde es als der Ausbund an islamischer Teufelei beschrieben. Auch solchen Modeurteilen ist immer zu mißtrauen. Der Teufel von heute ist der Verbündete von morgen.

  25. Andererseits muß man hinzufügen, daß Karikatur nicht gleich Karikatur ist. In der BRD dürfte es aus nachvollziehbaren Gründen nicht ganz einfach und unproblematisch sein, Karikaturen über das Judentum zu zeichnen. Sobald sie nicht mehr schmunzelnd sind, sondern bitter-böse, käme schnell der „Stürmer“-Vorwurf. Hier gibt es zum Glück aber Leute wie Oliver Polak: Herrlicher Witz: Weshalb lieben jüdische Frauen jüdische beschnittene Männer? Weil sie nichts anfassen, was nicht um mindestens 10 % Prozent reduziert ist. Oder eben auch Broders Humor. Man mag von ihm halten was man mag, aber seine Holocaustwitze und die über ein Betroffenheitsjudentum der evangelischen Akademien sind schon lustig.

  26. Ich finde Broders Wirken ohnehin ein gutes Regulativ. Mit jedem seiner Worte einverstanden muß man ja nicht sein – aber gerade für Broder gilt: Wo er recht hat, hat er recht.

  27. Oder wie sagte es Broder über eine jüdische Gedenkveranstaltung, die er für „Enweder Broder“ besuchte: „Es gibt etwas noch Schrecklicheres als die Shoah.“ „Na was denn bitte?“, fragt Hamed Abdel-Samad. Broder: „Klezmermusik.“

    (Aber all das ist im Grunde jüdischer Humor, von dem wir viel lernen könnten.)

  28. Zu Köln hat TaP einen guten und (allzu) langen Text geschrieben: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2016/02/24/23-abschnitte-zur-koelner-silvesternacht/

    @Bersarin. Gewiss müsste man/frau auch in Bezug von der „moslemischen Kultur“ von einer rape culture sprechen. Das bestreitet auch niemand. Die Frage lautet aber, ob über ein homogenes Gebilde der „moslemischen Kultur“ hier überhaupt gesprochen werden muss. Wenn Frauen auf dem Oktoberfest begraschpt und vergewaltigt werden, spricht auch niemand von „der christlichen Kultur“. Das Problem in Deutschland ist immer noch maßgeblich das „westliche Patriarchat“.

    @HannesWurst „Ich votiere also für einen radikalen Eine-Welt-Ansatz und als nächstes würde ich auch gerne das Recht auf Privateigentum stark beschränken und fordere ein bedingungsloses Grundeinkommen.“ Ich stimme dem grundsätzlich zu, es muss aber auch gesagt werden, was eine realistische politische Perspektive ist. Es müsste insbeondere viel schärfer das Abkommen mit der Erdogan-Regierung kritisiert werden, die Deklarierung von „sicheren Herkunftsländern“ und das sogenannte „Asylpaket“. Der nett verpackte Rassimus des ‚merkelschen Kapitalismus‘ antizipiert die Inwertsetzung von günstigen Arbeitskräften, verschärft die (reale und imaginäre) Konkurrenzsituation, und baut die Festung Europe aus.

    Ein weiterer unterbestimmte Aspekt ist die Aktivierung von Menschen im Zusammenhang mit Fluchthilfe, Wohnungsversorgung, Solidarität mit von Abschiebung Betroffenen, den Versuchen soziale Zentrum zu initiieren, und allgemeiner Alltagshilfe. Auch wenn diese Menschen eine heterogene Klassenzusammensetzung aufweisen und Humanismus nicht mit Klassenbewusstsein verwechselt werden darf, so standen doch die Zeichen für eine massenhafte Politisierung vielleicht seit dem Irakkrieg und dem Protest gegen die Harz-4-Gesetze nicht mehr so gut.

    Das ist das paradoxe ‚Geheimnis‘ der gegenwärtigen Situation, dass die Afd es zwar schafft der latent nationalistischen Stimmung eines fünftel der Bevölkerung eine Stimme zu geben, aber eigentlich auf der Seite der Solidarität unterschwellig viel mehr in Bewegung gekommen ist. Das in aller Klarheit herauszustellen fehlt vollständig, und zeigt vielleicht auch, dass es in Deutschland momentan keine wirkmächtigen linken Intellektuellen gibt. So verschiebt sich gewisse Diskurse nach rechts, und die Auslassungen von Sloterdijk sind zugleich als Effekte dessen zu verstehen und als Symptome einer Angst um Diskurshoheit von alten weißen Deutschen. Hans Hütt hat zu den neuen Rechtsintellektuellen eine schöne Polemik geschrieben: http://www.zeit.de/kultur/2016-02/neue-rechte-safranski-sloterdijk-jirgl

  29. (zumindest) @ bersarin u summacumlaudeblog
    Wg. Islam
    a) Ein Pamphlet von Fawzia Zouari
    http://www.liberation.fr/debats/2016/02/28/au-nom-de-kamel-daoud_1436364

    b) Systematisch ist die Islam-Frage ein wenig heikel, weil keiner in die Köpfe und Herzen der männlichen und (zunehmend) weiblichen Kriminellen und HasardeurInnen schauen kann. Auch weil es auf diesem Feld keine unzweideutigen Beweise gibt.
    Aber wenn Fawzia Zouari (s. o.) zumindest die Poststrukturalistischen/Dekonstruktivistischen Daoud-Angreifer mit z. T. sogar migrantischer Provenienz, aber nun eben als Vertreter des linken Pariser Mainstreams, – wenn Frau Zouari diese Angreifer sag ich so wild entschlossen zum Teufel wünscht wie in der o. a. Polemik – und da sie dies unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Islam tut: Wird man wohl gut daran tun, sich derlei Islam-Bezugnahmen wg. repressiven Frauenbild ganz gut zu überlegen; und man wird hoffentlich die Dringlichkeit, mit der Frau Zouari argumentiert, nicht kleinreden.
    Helfen tut wie o. o. a. Enzensbergers „Versuche über den Unfrieden“ – und Fromm, als derjenige, der die kritische Theorie in Sachen irrende Gesellschaften konstruktiv fortgeschrieben hat – insbesondere in der Anatomie der menschlichen Destruktivität.

    c) Kürzlich hat wer den janz einfachen Gedanken traktiert, dass es im Islam 1 große Weichenstellung gab, die den Kern dieser Kultur ausmacht: Nämlich theologisch zu reproduzieren und zwar : mündlich (Islam) – und nicht zu disputieren – und dann auch noch schriftlich (Christentum – fast von allem Anfang an, emt über Plotin, Augustinus und den Nominalisten/Naturalisten-Streit direktemang in die Renaissance usw. weiterwirkend … Gallilei, Newton, Watt, Niépce, Drais, Siemens, Benz …).
    Der http://www.-Vortrag Habermas‘ bei der Kluge-Price-Verleihung geht diesem Phänomen aus streng christlicher Sicht nach.

    d) Tja, und den Massen zu helfen ist ein hehres Ziel, aber es ist eine eminent praktische Sache.
    – – Et jiibt nischt juutet, aussa man tuutet – – –
    Um dialektisch einwandfrei zu schließen: Und selbst damit, dass man sich anschickt, ganz konkret Gutes zu tun ist es nicht definitiv getan: ich schließe mich hier vollumfänglich den Aussagen an, die der greise und scheints ganz kregle Erhard Eppler diese Woche im Spiegel über die Sozialdemokratie im allgemeinen und Oskar Lafontaine im besonderen macht.

  30. @ modestio
    Mit Verlaub: Der Begriff der rape culture ist der Chronik des laufenden Schwachsinns entnommen. Darin sind wir beide uns zumindest einig.

    Aber ebenso sind Begriffe wie westliches Patriarchat leere Abstraktionen, die hübsch nach Kampf-Slogan klingen, aber nichts unter sich befassen als eine Worthülse.

    Es gibt keine einheitliche moslemische Kultur, so wenig wie es ein einheitliches westliches Patriarchat gibt, sehr wohl aber eine Sozialisation qua Islam bzw. qua der unterschiedlichen Ausprägungen und ein bestimmtes kulturell geprägtes Männer- und Frauenbild in Europa und andersnorts. Im Vergleich zu den gegenwärtigen arabischen Kulturen scheint es mir das europäische grosso modo wesentlich liberaler zu sein. Andererseits ist es immer eine Frage von Teil und Ganzem, Allgemeinem und Einzelnem. Natürlich führen Verallgemeinerungen nciht weiter. Doch kulturelle Prägungen in der Erziehung gänzlich zu vernachlässigen oder bei bestimmten Gruppen auszuklammern, weil es nicht ins Weltbild paßt, halte ich für verhängnisvoll.

    Hans Hütts Text vereinfacht das Problem Sloterdijk und Safranski. Rechtsradikale braucht man zudem nicht mit Theorie zu munitionieren. Die sind dagegen recht immun. Safranskis Kritik ist zudem nicht ganz von der Hand zu weisen: Die Flüchtlingslager eher nahe der Syrischen Grenze zu erreichten und dort mit Geldern aus verschiedenen Töpfen zu finanzieren. Und das ist nun beileibe kein rechtsradikaler Vorschlag, sondern der Pragmatik geschuldet. Statt der US-Unterstützung für totalitärislamistische Kräfte in Syrien, wäre es sinnvoller, das Geld für Friedensarbeit und die Versorgung er Menschen dort auszugeben und die Ursachen für Flucht zu beseitigen.

    Sloterdijk und Safranski vertreten ein konservatives und auf den Nationalstaat fixiertes Denken. Ein solches Staatsdenken läßt sich sogar in eine revolutionäre Variante der sozialistischen Gesellschaft transformieren. Nur daß dort das Primat nicht mehr die Nation und die Herkunft ist. Aber ebenso müßte ein solcher Staat die Sicherheit seiner Grenzen sichern.

    Theoriegeber der Neuen Rechten sehen inhaltlich etwas anders aus. Einfach mal Alain de Benoist oder die Junge Freiheit lesen. Daß manche der Thesen von Sloterdijk problematisch sind, steht außer Frage. Andererseits muß, wer sagt, „Wir schaffen das“, auch sagen können, wie wir es schaffen.

    Von irgendwelchen Veränderungen zum Besseren sind wir meilenweit entfernt. Im Nahen und mittleren Osten haben wir Szenarien, die an den 30jährigen Krieg erinnern. Der Demokratie in Europa gebe ich keine zehn Jahre mehr. Was nicht heißt, daß danach eine sozialistische Volksdemokratie käme.

  31. @Dieter Kief
    Kamel Daouds Einwände hielt ich, soweit mir bekannt, bisher für weitgehend richtig. Von einer islamischen Aufklärung sind wir momentan, aus unterschiedlichen Gründen, Lichtjahre entfernt. In der Theorie und bei der Lektüre von Avicenna und Averroës mag man manches denken und beim Blick auf al-Andalus mögen wir eine Hochkultur und eine nach dem damaligen Maßstäben zudem tolerante Kultur vor Augen haben. Nur was nützt das, wenn es nirgends ankommt? Ich weiß nicht, wie die konkreten Reflexionen gegenwärtig in den arabischen Moscheen oder bei den Religionsgelehrten in Kairo und anderswo aussehen. Gib es Anlaß zum Hoffen? Im Islam sehe ich im Moment kein Potential. Es ist eine Religion für die sozial zu kurz Gekommenen. Wunderbares Narkotium, nachdem in den arabischen Großräumen die sozialistischen Utopien von Arafat bis Nasser im Sande sich verwehten.

    Für die Frauen in Persien war übrigens die säkulare Herrschaft des brutalen Folterschahs allemal besser als die sakrale der Foltermullahs. Es gab ein Scheidungsrecht, Frauen konnten das Sorgerecht für ihre Kinder bekommen, kein Mädchen durfte mit 12 Jahren verheiratet werden, das Heiratsalter wurde auf 18 Jahre angehoben, Polygamie wurde eingeschränkt, keine Frau mußten sich verschleiert oder den Hidschab tragen, Frauen waren teils in der Politik vertreten. All das wurde nach der Khomenei-Revolution zurückgenommen – tja, Max Weber mal wieder, der gute alte charismatische Führer. Und nun erzähle mir jemand etwas vom fortschrittlichen politischen Islam. Der politische Islam ist in allen seinen Ausprägungen reaktionär und rückschrittlich. Wie jede Form von Religion, die in der Politik das Primat hat. Das gilt gleichermaßen für Judentum und Christentum. Hinter die Säkularisierung gibt es keinen Weg zurück.

    In die Köpfe kann niemand schauen. Aber beim Umgang mit Frauen zeigt sich, egal ob Marokkaner, Afghanen, Biodeutsche , Franzosen, Türken oder US-Amerikaner, wie es mit dem Bewußtsein ausschaut, da manifestiert es sich – im wahrsten Sinne des Wortes, denn es steckt der Begriff der Hand darin: touch too much. Machismo hat unterschiedliche Ursachen.

    Tja, das Gute. Aber was ist das? Ich denke, wir sind nicht in der Lage, das unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen auch nur annähernd zu benennen. Außer vielleicht ein paar basale Normen. Aber selbst beim Tötungsverbot kann man schnell in die bekannten philosophischen Dispute kommen. Und die goldene Regel als herabgestufte pragmatische Form des Kategorischen Imperativs erweist sich als ausgesprochen heikel und fragil. Die Welt war im Grunde schon immer aus den Fugen. Manchmal ist ein Schuß Pragmatismus nötig, damit sie nicht gänzlich uns um die Ohren fliegt.

  32. Und mein Argument war und bleibt erkenntnistheoretisch: cum hoc ergo propter hoc oder auch pragmatisch/medizinisch: Korrelation ist nicht gleich Kausalität.
    Das ist ein im öffentlichen Reden und Argumentieren immer wieder gerne gemachter Fehler. Mehrere Ursachen führen zu dem, was wir Tat nennen. Und wenn die lokale Herkunft so entscheidend ist, wie bei den Kölner Attacken/Raubzügen, finde ich es aus erkenntnistheoretischen Erwägungen heraus schon mehr als gewagt, derart dominant von „dem Islam“ als Ursache zu sprechen. Weil „der Islam“ eben lokal viel weiter verbreitet ist. Von dort kamen die Täter aber nicht, obwohl auch aus dem nahen Osten und der Türkei viele Menschen zur Tatzeit in Köln waren.

    Wenn ich den Auftrag hätte, die kriminologischen Motive der Täter zu erforschen, ich würde mir ganz klar den MAGREB-Raum anschauen. Dort werden die Ursachen verborgen sein. Und – das ist jetzt allerdings kaum noch gewagt – sie werden sozial genannt werden müssen. Immer alleine stehende, männliche Minderjährige, die mit familiärem Auftrag (Vermutung!!!) losgeschickt werden, um dann nach dem Fischzug Geld zu transferieren. Das wiederum ist eine Tatsache!!! es fließt viel Geld aus Deutschland nach Marroko. Deswegen auch der Unwille der marrokanischen Regierung, dagegen etwas zu machen. Ich denke, dass da unser Scheckheft des Außenministers ran muß. Das muß man in der Tat pragmatisch sehen. Von mir schon früher gesagt: RE-Sozialisierung scheint unmöglich, denn mit geregelter Arbeit hat man bei uns nicht diese Gewinnspanne, wie beim Handyklau. Und überhaupt: RE? Sie waren ja nie sozialisiert.

    Das klingt jetzt sehr hart von mir gegen die Diebes- und Abgreifbanden. Sicher es ist hart. Ist es – rechts? Wie der Vorschlag, grenznahe Versorgungslager für vor dem Wahnsinn geflohene Syrer zu bauen? Ich weiß nicht, ob das Eine wie das Andere rechts ist, eher ist es jeweils realistisch.

    Aber realistisch ist auch diese Wertung: Nein, der Islam ist nicht die entscheidende Konstante für Köln, da sind andere Faktoren im Vordergrund.
    Und: Sie, die Migranten aus dem Magreb, die nie etwas anderes gelernt haben als Abgreifen oder Drogenhandel, die genau deswegen nach Europa kommen, sie sind wirklich die Verdammten dieser Erde und sie können einem Leid tun. Aber ich muß bekennen, dass ich bezüglich ihrer Behabdlung auch ratlos bin. Ist es das Lumpenproletariat? Mir scheint es so. Besser finde ich den Ausruck lost souls, denn das sind sie bestimmt. Nicht wenige von ihnen mußte ich akut intoxikiert vor der selbst mit dem eigenen Stoff beigebrachten Vergiftung retten. Nur damit sie anderen Tags wieder da stehen und ihren Scheiß verticken…
    the world sucks

  33. Die Sozialisation durch eine Religion, in diesem Falle des Islams, ist natürlich nicht die einzige Ursache. Aber es ist das Frauenbild eben auch nicht vom Himmel hoch gekommen oder in die Köpfe gelangt durch einen dummen Zufall. Armut, lack of moral sense, vor allem aber Empathielosigkeit, Stumpfheit des Geistes und eben auch soziale Verwerfungen in den entsprechenden Ländern mögen bei Menschen ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Dennoch muß man, wie bei andern kriminellen Jugendlichen auch, die Sozialisation im Blick haben: eben in diesem Falle ein autoritär eingeprügelter Islam.

    Zum Islam in Marokko auch der Bericht im Spiegel: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/marokko-die-frau-ist-kein-selbststaendiges-wesen-a-1076170.html
    Er veranschaulicht denke ich ganz gut die Hintergründe. Das heißt nicht, daß Armut keine Rolle spielt. Sie spielt im Geflecht der Bezüge vielleicht sogar die größte Rolle. Nach dem Scheitern sozialistischer Utopien, die leider zu sehe von der UdSSR abgeborgt wurden, blieb als Leerstelle der politische Islam als Surrogat für die Massen. Die Hoffnung klammert sich bis zuletzt an die Versprechen. Egal wer die macht.

    Wichtig scheint mir, die Bereiche zu differenzieren und zu schauen: Worüber sprechen wir gerade?

    Nein, pragmatische Lösungen sind nicht per se rechtsradikal. Oft sind sie nicht einmal rechts.

    Lumpenproletariat – lost souls. Vermutlich beides. Am Ende zeigt sich vielleicht doch, daß die These von den Institutionen, die Menschen prägen und zu bestimmtem Handeln drängen, nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Sei es eine Avantgarde der Partei, die die Massen organisiert, kleptokratische, autoritäre Gebilde, die nach Gutdünken vom Kuchen abgeben oder fortnehmen. Da bilden sich dann, wie in Syrien, Libanon und anderswo, Familienclans und Stammesstrukturen heraus, die dem Staat opponieren und dem Vereinzelten Halt geben, oder sogenannte demokratische Institutionen eines Rechtsstaates, der Eigentumsbegriff, Streben nach Besitz und Wohlstand. Fällt das in demokratisch organisierten Staaten weg, bleibt bei den Jungen oft nur die Gang übrig.Mal überspitzt formuliert.

  34. Unbestreitbar, El_Mochi, gibt es beim Islam Probleme – große sogar. Es bedeutet jedoch, wie es in jenem totzitierten Sprichwort heißt, das Kind mit dem Bade auszuschütten, wollte man daraus einen Generalverdacht ableiten. Es gibt nicht DEN Moslem, DIE Muslima, und schon gar nicht DEN Islam. Zudem unterliegt jede Religion im Prozeß von Geschichte und damit von Zeit Transformationen. Nicht einmal der finsterste Katholizismus ist völlig finster gewesen.

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