Im Besonderen das Allgemeine. Eckhard Henscheid zum 80. Geburtstag

Heute hat einer der großen und ganz und gar großartigen Autoren der deutschen Literatur Geburtstag, nämlich Eckhard Henscheid. Bereits die Titel seiner Bücher waren, so fand ich es in den 1980er und 1990er Jahren, umwerfend komisch: „Beim Fressen beim Fernsehen fällt der Vater dem Kartoffel aus dem Maul“ war einer meiner liebsten Buchtitel. Aber auch „Verdi ist der Mozart Wagners – Eine Art Opernführer“ und jenes legendäre Anekdotenbuch „Wie Max Horkheimer einmal sogar Adorno hereinlegte. Anekdoten über Fußball, Kritische Theorie, Hegel und Schach“ bleiben Bücher, die nicht nur vom Titel her umvergessen sind. Doch ist dieses Anekdotenbuch zur Kritischen Theorie nicht etwa mit Spott, sondern vielmehr mit Witz geschrieben, denn da liebte und schätzte jemand den Gegenstand, über den er schrieb. Denn Witz ist bekanntlich das Ingenium des Geistes. Die Anekdote vom Postponieren des Reflexivum „sich“ dürfte den meisten bekannt sein. Und für die, die nicht, so sei es hier gegeben:

„Um die verzweifelte Stimmung, welche die „Frankfurter Schule“ um das Jahr 1933 herum befallen hatte, etwas aufzulockern, veranstaltete Max Horkheimer eines schönen Tages einen kleinen Wettstreit. Derjenige sollte Sieger und der beste Kritische Theoretiker sein, der das Reflexivum „sich“ am weitesten postponieren (nachstellen) konnte.

„Das hört sich gut an!“ rief Erich Fromm und schied sofort aus.
„Jetzt wird sich mal zeigen“, schrie begeistert Herbert Marcuse, „wer was drauf hat im Kopf!“ – und natürlich sah damit auch Marcuse kein Land.

Etwas geschickter stellte sich Walter („Benjamin“) Benjamin an, der mit einem „Der Marxismus muß mit dem Judentumn sich verbrüdern!“ zum Erfolg kommen hoffte.

Habermas hatte offensichtlich die Regel mißverstanden oder was, jedenfalls schien er mit seinem Beitrag „Sich denken, bringt wahre Selbstreflektion des Geistes“ aus, und auch Pollock brachte es mit einem ‚Gott ist an sich im Himmel‘ nicht weit, ja er wurde sogar mit Schulverweis bedroht (nachher wollte er es ironisch verstanden haben usw., was aber vor allem Marcuse bestritt, während Fromm irgendwie mit der ganzen Welt verkracht war und nur verbissen an seiner Rache bzw. einem Bleistift kaute) – jedenfalls legte nun lächelnd Max Horkheimer mit dem Satz „Die Judenfrage erweist in der Tat als Wendepunkt sich der Geschichte“ einen echten Hammer vor, indessen – nicht zu glauben, daß auch dies noch übertroffen werden konnte: Sieger wurde und sein Meisterstück nämlich machte Adorno mit dem geflügelten Satz: „Das unpersönliche Reflexivum erweist in der Tat noch zu Zeiten der Ohnmacht wie der Barberei als Kulmination und integrales Kriterium Kritischer Theorie sich.“

In solcher Erzählung zeigt sich, daß da jemand schreibt und denkt, der seinem Gegenstand nahe ist, der ihm vor allem aber gewachsen ist und ihn deshalb zugleich kritisch sehen kann. Das eben, was auch die Kritische Theorie ausmacht und aus diesem Grunde und wegen des Wirkungsortes Frankfurt am Main hieß jene Gruppe von Satirikern, die 1979 aus der Zeitschrift Pardon hervorging und die 1979 die Titanic gründete, Neue Frankfurter Schule. Deren Mottobild dürfte den meisten ebenfalls bekannt sein: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“

Auch in solcher Sentenz samt der dazugehörigen Zeichnung verbinden sich Witz und Liebe zur Sache. Etwas, das auf Jean Paul und dessen Verfahren in der Literatur verweist: Digressiver Takt sozusagen, der als abschweifende Witz aber die Sache, über die er schreibt, nicht einfach nur verlacht, womit wir wiederum bei Laurence Sterne wären. Aus gutem Grunde verweist Magnus Klaue in seiner schönen Würdigung von Eckhard Henscheid im „Tagesspiegel“ auf jenen Autor, den man wohl nicht ganz der Romantik zurechnen kann und der doch von der Art des Schreibens her in deren Umkreis gehört: jenes herrlich ausschweifende Jean Paulsche Denken, das auch Henscheid beherrscht:

„Im Ernst, der auch Henscheids Klimbim und Kalauern innewohnt, im frühromantischen Impuls, Pointe und Ornament, Oberfläche und Tiefe kurzzuschließen, besteht seine Verwandtschaft mit Jean Paul.

Seine zwischen 1973 und 1978 erschienene Trilogie des laufenden Schwachsinns, bestehend aus den Romanen „Die Vollidioten“, „Geht in Ordnung – sowieso – genau –“ und „Die Mätresse des Bischofs“ ist nicht einfach eine großangelegte Satire auf das bundesrepublikanische Intellektuellenmilieu der Siebziger, obwohl sich dessen Protagonisten von Alice Schwarzer bis Max Horkheimer in Henscheids überbordendem Figurenpanorama begegnen. Zugleich war sie wirklich und ernsthaft so etwas wie die Wiederaufnahme von Jean Pauls im „Siebenkäs“ unternommenem Versuch eines nicht-linearen, dissoziativen Entwicklungsromans, dem barocken Gegenentwurf zum bürgerlichen Bildungsroman.

Wie Henscheid nicht einfach von oben herab die pappnasigen Protagonisten eines korrupten Kulturbetriebs karikiert, sondern sie in einer Vielzahl sprachlicher Nach- und Neuschöpfungen lebendig werden lässt, so hat er die Satire stets strenger genommen als diejenigen, die sie als überlegen-ironische Rechtfertigung der Wirklichkeit missbrauchen. „

„Einer von gestern“, so ist die Überschrift der Würdigung betitelt.

Henscheids Lebenswege kann man in seiner Autobiographie „Denkwürdigkeiten“ nachlesen. Und auch damit bewegt er sich, gleichsam als „Wahrheit und Dichtung“, zwischen Goethescher Zeit und jener Neuen Subjektivität der 1970er Jahre, als das Schreiben des Ich groß im kommen war. Doch über solchen Ton, vom „Tod des Märchenprinzen“ bis hin zu Karin Struck („besinnungsloses Geschmarre“), spottete Henscheid fies-virtuos. Denn anders als jene Innerlichkeitsblicker, die da nur die leere Substanz des Om-om aus der Bauchnabelschau hervorziehen, ließ Henscheid die Sprache los und zeigte, in welcher Weise man lebendig und mit Stil auf sein Leben blicken kann: nicht Befindlichkeitskram, dessen Privates niemanden interessiert, sondern bei Henscheid scheint im Besonderen ein Allgemeines heraus und diese Moment, diese Mischung aus Effekt und schön Erzähltem bildet das, was man in Friedrich Schlegels Diktion der modernen, romantischen Literatur das Interessante nennt. Und freilich ist dabei unter anderem auch die Welt der Literatur wichtig, aber eben nicht als bildungsbürgerliches Leseleben. Die „Genese des Geistes“, den „Big Bang durchs Bücherlesen“ beschreibt Henscheid in einer feinen Geschichte:

„1949, mit acht, war ich im Sommer erstmals Übernachtungsgast auf dem Dachsriegel (827 Meter) bei Furth im Wald, einquartiert nach Art der Zeit und Eisenbahnerkinder in eine sehr spartanische Logishütte. Ein halbes Jahr später sprang mir aus dem Lesebuch der 3. Klasse im Zuge einer Herbstgeschichte der Satz »… schied die Sonne hinterm Dachsriegel« entgegen.

Es war ein Urknall, ein Blitzeinschlag, ein Coup de coïncidence, ein Einschlag direttissima ins wie betäubte, wie überrumpelte Herz. Ein Blitz aus Überraschung, Welterahnung und auch Stolz. Stolz darauf, daß ich diesen Berg ja doch – »wirklich« kannte!

Erstmals wohl waren Primär- und Sekundärwirklichkeit, Erlebnis- und Druckwelt aufeinandergetroffen, hatten sich ineinander verschränkt. Dagegen, gegen diesen Choc d’amour, hatten viel später Goethe und Kafka keine Chance mehr. Nicht einmal ganz die drei jäh herzbrechenden Worte aus dem dritten »Winnetou«-Band: »Er war tot.«

Über sie weinte ich allerdings geschätzte vier Stunden lang. Und immer wieder auf. Aber ich las den Roman einfach viel zu spät, mit etwa 15. Da war die Ur-Druckbuchstaben-Empfindung schon nicht mehr lapidar genug. Der Schmerzerguß rührte da nicht mehr aus einem Wort (»Dachsriegel«), sondern aus dem Entgleiten, dem Vergehen, ja Verschwinden einer ganzen Welt.“

Das ist, mit einem Wort, große Dichtung mit Wahrheitseinschlag, wie Henscheid diese Stunde der Empfindung als Initial zur Literatur beschreibt. Vor allem aber ist es, aus solcher vergrößerten Kleinigkeit heraus, genau beobachtet und zeigt exemplarisch, was alle die, die bis heute viel und mit Lust lesen, von sich berichten können: Oft waren es ganz unscheinbare Erlebnisse und Szenen, die einem Kind mit einem Male den Blick aufgehen ließen und daß sich da im Leben wie im Buche gleichermaßen etwas tat, was dann das Kind ergründen und dessen Erlebnis es wiederholen wollte. Wohl auch darum, aus solcher Lust heraus, können Kinder eine Geschichte, die sie einmal lasen, wieder und immer wieder lesen. Vor allem jedoch zeigt sich in solchen Passagen, wie man auf gute Weise Pathos, Schönheit und gleichzeitig Witz bündeln kann, um daraus Literatur zu machen.

Dieses Werk, dieses Leben, diesen Autor gilt es zu würdigen. Vor allem aber: zu lesen. Auch wenn man sich an manchem bei ihm reiben kann, etwa Henscheids Einschätzung zu Arno Schmidt oder Beckett. Aber Große können groß irren.

Einen gelungenen Schluß für eine angemessene Würdigung liefert Magnus Klaue, wenn er über jenes Anekdotenbuch „Wie Max Horkheimer einmal sogar Adorno hereinlegte“ schreibt:

Anders als heutige Jungakademiker glauben, die diese Satiren als Verspottung eines gedrechselten Jargons goutieren, handelt es sich bei dieser Überzeichnung um eine Würdigung, um die Reverenz an Menschen, die von gestern und eben deshalb dem Heute überlegen sind. Als ein solcher sollte auch Eckhard Henscheid zu seinem Achtzigsten gepriesen werden.

Ich hätte es nicht besser schreiben können. Und jenes Gestern ist nicht besser, weil es „gestern“ ist, sondern weil es diesem Heute an Geist, Witz, Klugheit und Eloquenz allemal überlegen ist. Anders als all die bodentiefen Fenster und das Ich-und-meine-Hautfarbe-Geselche.

Photographie: CCC-Lizenz

8 Gedanken zu „Im Besonderen das Allgemeine. Eckhard Henscheid zum 80. Geburtstag

  1. Das für mich wichtigste Werk Henscheids war ja für mich die dreibändige Chronologie des fortlaufenden Schwachsinns, aus der wir die Formulierung „Geht in Ordnung, sowieso, genau“ als Dauerredewendung übernahmen. Dort stand auch eine zentrale Weisheit, die sehr viel über die Mentalität von Teilen der linken Szene aussagte: „Er war der Hauptfaschist des Ortes (damals gebräuchliche völlig verantwortungslose Bezeichnung für eher etwas biedere Menschen)“.

  2. Stimmt. Ich fand das damals auch wichtig und gut. Und es war eben nicht nur politisch, sondern auch noch eine gute Literatur, die in der Erzähltradition des 18. Jhds stand, vor allem eben Jean Pauls Schweifen.

  3. Für uns hatte das noch eine besondere Bedeutung. Es gab da das Fräulein Karsunke, das flachgelegt werden sollte. Mein WG-Mitbewohner T. und ein Freund inszenierten diesen Teil des Romans, sozusagen als szenisches Spiel zur Brautwerbung, und kickeda! es klappte, die Braut landete im Bett. Es wurde sogar eine feste Liebesbeziehung daraus, und da entstand nun das Problem, dass die Dame dieses Buch niemals zu lesen bekommen durfte, weil sie sonst bemerkt hätte, wie sie da eingefangen wurde. Also wurde die Tirilogie in mein Zimmer ausgelagert. Dafür „revanchierte“ sie sich, indem sie, als ich in den Scheinwerfer der Terroristenfandnung geriet, meine Knarre, mein Adressbuch und einige RAF-Dokumente an einem Ort versteckte, den ich nicht kannte. Those were the days….

  4. Wir hatten damals den Sprachduktus von Henscheid übernommen den wir auch im Biertischgespräch gebrauchten, was mir viel Kritik einbrachte. Besonders PädagogInnen und insbesondere Sozialpädagoginnen – und Feministinnen – kritisierten die Sprache der Kritischen Theorie und ihren Gebrauch als „Herrschaftssprache“ und Mackerverhalten. Später, schon in Bloggerzeiten, hatte ich das Problem noch einmal mit den Materialien für einen neuen Antiimperialismus, deren Sprache – eine Mischung aus Adorno, Marx, Französischem Poststrukturalismus und Szeneslang als „Choräle in der unbekannten Sprache längst untergegangener Kulte“ und Ähnliches bezeichnet wurden, um sich ja inhaltlich nicht mit ihnen auseinandersetzen zu müssen.

  5. An Henscheid sieht man: Der Fortschritt des Geistes besteht nicht einfürallemal. Er hat keine Bestandsgarantie, und am Ende siegt doch der Regreß. Es wäre außerhalb der Henscheid-Welt, Sonneborn zu bepöbeln wegen seines China-Shirts. Es macht mich, sagen wir mal, besorgt, wenn die PARTEI, deren Gründungsgedanke doch nah am Henscheid ist, über eine den MS dafür bashende relvante Teilgruppe verfügt, die in der Kommunikation als dominant erscheint, und die möglicherweise sogar in der PARTEI inzwischen die Mehrheit ist. Wenn wir sehen, daß die Alten der PARTEI, die ich jetzt mal die „Generation Adorno“ nenne, weil von ihm sie lernten, gegen die jungen Woken nicht mehr sich durchsetzen können, dann sehen wir, wie die Gesellschaft insgesamt zu nochmals gesteigerter Affirmation gravitiert. Gründungssubstanz der PARTEI war das Credo: „Ein klares Ja zum Nein“. Der Satz stammt nicht von Adorno; die Denksubstanz sehr wohl, weil der kritische Begriff der Affirmation jedem Denken zentral ist, das einen Anspruch an sich selber stellt.

    Bisweilen geschieht es, dass Freunde des Affirmativen TWA im Munde führen, um nicht systemisch rechts rüberzukommen. Weil das mit den Texten des Altmeisters kollidiert, wird behauptet, Adorno sei SPDler gewesen. Es wird versucht, den intelligiblen gegen den empirischen Charakter auszuspielen: So ernst kann Teddy es doch nicht gemeint haben mit seiner Schroffheit gegen jegliche Affirmation, wenn er doch der SPD nahestand. Wäre dem so, so stünde der Versöhnung von Linksliberalismus und Kritischer Theorie nichts mehr im Wege, und Adornos Denken wäre ein Schmücke dein Heim im Hort der machtgeschützten Innerlichkeit.

    Adorno selbst freilich sah das anders: „Mir ist sie [die vernichtende Kritik des SPD-Prpgramms] darüber gekommen, daß ich es nicht über mich brachte, Aufrufe für die SPD zu unterschreiben, wozu man mich sehr gedrängt hat; und dann entdeckte ich, daß mein Exemplar des Godesberger Programms so viel Annotationen enthält, daß sie eigentlich schon dem Entwurf einer solchen Sache entsprechen.“

    Ein klares Ja zum Nein. Das ist die Barrikade.

  6. Die Frage nach der Barrikade ist schwierig zu beantworten. Das klare Ja zum Nein bedeutet eben auch eine Paradoxie, wie etwa die Neue Frankfurter Schule es in einer Zeichnung darstellte:

    „Ich bin der Geist, der stets verneint…
    Auch dann, wenn doch die Mutter weint?
    Ja!
    Ja?
    O mein Gott ich meinte: Nein!
    Das darf doch wohl nicht möglich sein…
    Der Geist, der stets verneint – zum Schrein!“
    (Eine gelungene Form und Weise Kritischer Theorie.)

    Adorno zumindest wußte, was er an der BRD hatte und er hat zugleich doch nicht mitgemacht. Aber er wußte eben auch, daß es im gegenwärtigen historischen Augenblick nichts anderes gibt, vor allem ließ er sich nicht zu irgendwelchem Zirkus hinreißen, auch wenn er vielfach mit den Studenten sympathisierte und sie kritisch begleitete.

    „Dieses Zurückgeworfensein auf die Philosophie hat nun in der Situation selbst auch sein reales Äquivalent. Wir befinden uns in einer Art geschichtlicher Atempause. Wir sind in einer Lage, in der im Ernst nachzudenken uns den materiellen Voraussetzungen und auch einer gewissen Friedlichkeit der Zustände nach, jedenfalls soweit es sich um die Bundesrepublik handelt, wieder möglich ist. Und die Versuche, einen darin irre zu machen und unterbrochen: Wolf, Wolf! zu rufen, sind wohl im Augenblick gerade deshalb eine Ideologie, weil auf Grund einer gesellschaftlichen Analyse à la longue nicht damit zu rechnen ist, daß dieser Zustand, in dem man überhaupt nachdenken kann, sich erhält, – so daß man diesen Zustand nicht versäumen darf.“

    So Adorno in seiner Vorlesung „Negative Dialektik“ von 1965/66. Sehr wohl sah Adorno also auch, daß diese Dinge immer auf der Kippe stehen und daß diese Zeit der Besinnung nicht von Dauer ist. Der einstmals Exilierte wußte das nur zu gut.

    In den 1950ern und in den 1960ern die SPD zu wählen, gab es gute Gründe und dies tat er auch. Aber Adorno war kein Freund von Aufrufen, auch nicht für die SPD. Die Korrespondenz mit Hans-Magnus Enzensberger über die SPD ist im Septemberheft von Sinn und Form erschienen. Daß man eine Partei wählen und sie trotzdem kritisch sehen kann, ist ein weiteres. Wie wichtig Adorno für eine kritische und zugleich linksliberale BRD (liberal nicht im heutigen Sinne genommen) zeigen auch seine zahlreichen öffentlichen Vorträge – 2019 bei Suhrkamp erschienen – und auch seine Radiovorträge. In diesem Sinne tat Adorno auch praktisch einiges zur Gründung einer besseren Bundesrepublik und gegen den Muff der Adenauer-Jahre.

    Henscheids Äußerungen zu Sonneborn kenne ich nicht. Was ich an ihm schätze, ist sein Freiheitsgeist und der ging so weit, daß er sich auch für die Zeitung Junge Freiheit einsetzte, deren Stand auf der Leipziger Buchmesse verboten wurde. (Und dazu muß man die Junge Freiheit nicht mögen.) Eine einstmals kritische Linke, die Gedankenfreiheit forderte, fand es auf einmal ganz und gar schick, wenn man mit Verboten fuchtelte. Während man noch vor vierzig Jahren über genau diese Verbote sich beklagte. Da scheinen wohl inzwischen ein wenig die Standards verrutscht. Henscheid hat dies erkannt. Die Schematisierungen links/rechts funktionieren vielfach nicht mehr. Diesen Freigeist schätze ich an Henscheid und daß er eben auch manche unbequeme Wahrheit ausspricht.

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