Am Freitag wurden auf Amazon Prime die ersten beiden Folgen der ersten Staffel von „Die Ringe der Macht“ gezeigt. Sozusagen die Vorgeschichte zu dem, was in J. R. R. Tolkien „Herr der Ringe“ geschah, viele tausend Jahre vor den Ereignissen des Romans. Die Ankündigungen waren groß und die Werbetrommeln erschallten – natürlich nicht indigen, das wäre mißlich und arg aneignend. Da mir bereits die drei Herr-der-Ringe-Filme zum Beginn der 2000er Jahre gut gefielen und ich sie mit Freude sah, bei der herrlichen Elbenarmee mitfiebernd, schaute ich also auch das, was da am Freitag, leider teils arg ruckelnd übers Wlan, auf der Plastikleinwand der Glotze lief. Unwillkürlich vergleicht man bei solchem Großprojekt, das mit über einer Milliarde Dollar angesetzt ist, mit anderen Serien und auch mit jenem Film. Doch leider reichten diese ersten beiden Folgen bei weitem nicht an jenen wunderbaren und spannenden Dreiteiler und schon gar nicht an „Game of Thrones“ heran. Zu zerfasert der Auftakt, zu gewollt die Geschichte, es wirkt konstruiert und teils belehrend – „Seht her es gibt hier sogar schwarze Elben!“ Die „Diversity“ wirkt, anders als bei GoT, aufgesetzt: „Jetzte müssen wir aber mal divers sein, weil das besser ankommt, das Publikum es so will und die Woko Haram sonst unseren schönen Konzern madig macht“. In der Kulturindustrie wird jeder nach seiner Facon bedient und abgespeist – auch die Woko Haram.
Aber auch inhaltlich mangelt es in vielen Stellen, selbst wenn manche technischen Effekte sicherlich gekonnt sind – was ich freilich von einer Serie, die einige Millionen Doller kostete, auch erwarte. Während „Game of Thrones“ – dramaturgisch gut gelöst, weil reduziert – mit einer pointieren Szene ins Geschehen einführt, nämlich der Patrouille der Nachtwache an der Nordwand, und von dieser Begegnung mit den schrecklichen weißen Wanderern her mit einem guten Spannungsbogen in das übrige Geschehen und in die Komplexion der Geschichte überleitet und von dieser Einzelszene her also die Szenarien sich entwickeln läßt, fällt das bei „RdM“ auseinander. Zu viele Stränge, zu unvermittelt tauchen Figuren auf, von denen man nicht weiß, was sie sollen. Sicherlich werden sie im Laufe der Serie noch eine Rolle spielen, aber leider werden sie, wie etwa die beiden Wanderer mit den lustigen Elchgeweihen auf dem Rücken, nicht derart eingeführt, daß sie interessant wirken und man gerne wissen möchte, wie es mit ihnen weitergeht. Während in „Game of Thrones“ bereits am Anfang Charaktere auftauchen, von denen man vermutet, daß sie eben nicht nur gut sind, sondern womöglich auch eine böse und abgründige Seite in sich tragen, scheint mir „Ringe der Macht“ zu sehr nach einfachem Schema gestrickt. Nun muß aber ein einfaches Schema nicht per se schlecht sein, sondern kann künstlerisch herausfordern und den Zuschauer zum Denken reizen, selbst – oder gerade – im Segment Unterhaltung. Und auch Kitsch kann seine Funktion haben, wenn er mit doppeltem Boden oder Witz daherkommt und nicht einfach nur gülden glänzt.
Daß eine Serie mit vielen Strängen auftaktet, muß dramaturgisch nicht schlecht sein, aber bei RdM funktioniert das in meinen Augen leider nicht, es wirkt teils hölzern, teils bemüht – und auch die Darstellung der Hobbits gefällt mir ganz und gar nicht: sie treten auf wie eine Mischung aus Kasperletheater und einer Gemeinschaft von Torfköpfen, die aus der Behindertenwerkstatt rekrutiert wurden Die Elbenmänner erinnern teils an König Drosselbart. Man mißverstehe mich nicht: sowas muß nicht schlecht sein, auch Menschen mit Einschränkungen spielen zu lassen, und ich finde solche Projekte genau dann gut, wenn die Realiserung stimmt und nicht bemüht wirkt, so als setze da jemand einen Leitfaden um. Und hinterher erfahre ich dann, wie bei „RdM“, daß es extra einen Amazon-Leitfaden gibt, wie in Zukunft möglichst divers zu besetzen sei. Ich wußte es vorm Schauen der Serie in der Tat nicht. Schwule spielen dann Schwule und Josef Goebbels in neuen Nazifilmen oder oder Putin werden nur noch mit Björn Höcke, Sebastian Schmidtke oder Tom J. Wellbrock besetzt werden dürfen und Massenmörder dürfen nur noch Leuten wie Anders Behring Breivik und Brenton Tarrant spielen: die müssen am besten wissen, wie es sich in in so einer Rolle anfühlt und Minderheiten sind es auch. Nach solch einem Leitfaden gefertigt, von wohlmeinenden für wohlmeinende Menschen gestrickt, wirkt diese Serie in ihrer Durchführung. Nicht mehr die Qualität der Plots sowie Dramaturgie und Spannungsbögen bilden das Gerüst für einen Unterhaltungsfilm, sondern „Diverity“-Vorgaben. Diesen Zug aus Belehrbärhausen merkt man dieser Serie leider bereits nach den ersten Bildern an.
Hinzu kommt eine kitschbunte Disney-Ästhetik. Der Walt Disney-Konzern hat mit vielen seiner Produkte nicht nur Millionen von Kindern (und Eltern) die Wahrnehmung versaut, sondern auch die Serienlandschaft: güldene Elbenwelt und es fällt das Herbstlaub bedeutungsschwer: sieh Herr, wer jetzt kein Elbenheim hat, baut sich keines mehr und wird zur Strafe oder zur Belohnung, je nachdem, zu den Unsterblichen Landen von Valinor verbracht. Doch die Protagonistin Galadriel, auf der Suche nach Sauron, will nicht recht ins gelobte Land zu den Inseln der Seligen segeln und springt von Bord. Ich erhoffte mir von diesem Wassersprung wenigstens ein schön transparentes Gewand, das herrliche weibliche Elbenformen vertieft sehen läßt, so daß Elbenbrust und Flimmerhärchen auf Haut vorschienen und den Betrachter entzückten. Doch dem war nicht so. Denn auch hier greifen Amazons Richtlinien. Es wird in der Serie, anders als im herrlichen „Game of Thrones“, wenig Haut geben und schon gar nicht wird, wie in GoT, übereinander mit Sinneslust und erotisch hergefallen.
Ja, ich hatte mir von diesem Auftakt deutlich mehr versprochen. Der Dreiteiler-Film „Herr der Ringe“ machte es dramturgisch besser. Nun soll man Serien nicht vergleichen und die ersten beiden Folgen sind kein Maß fürs Ganze, wenn man das Ganze noch nicht kennt. Aber es hat mich dieser Auftakt lange nicht so gepackt wie GoT oder die herrliche, freilich eher in der Realität von uns Menschen angesiedelte Serie „Vikings“ oder auch die drei Teile der HdR-Verfilmung. Bleibt abzuwarten, wie es weitergeht, aber ich ahne nichts Gutes.
Von der US-Punkband „The Dickies“ gibt es einen schönen Song namens „Stukas over Disneyland“. Ich fürchte aber, wir werden die fünf Staffeln dieser Serie weitersehen müssen – es sei denn, eine gräßliche Finanzkrise ließe die One-Billion-Dollar-Production crashen oder russische Orks (statt Sauron eher Sau Putin) fielen in Hollywood ein. Letzteres will man denn doch nicht wünschen und so schaue ich weiter, was in Mittelerde und in den anderen Kontinenten sich so zutragen mag. Voll divers natürlich. Notfalls gibt es den Ausknopf und ich kehre in die Realität zurück oder zu Vikings oder zu The Wire. Serien müssen einen packen und mitreißen, ansonsten ist es vertane Zeit 20 Stunden seines Lebens vorm Fernseher zu verbringen.
Wenn es übrigens um Wokeness geht, interessieren mich bei solchen Produkten und bei einem Konzern wie Amazon, neben den Aspekten der Dramaturgie einer Serie, doch mehr jene Fragen nach den Arbeitsbedingungen in Verteilerzentren wie Leipzig und anderswo, es interessiert mich die Frage nach gerechten Löhnen bei Amazon, auch für jene, die nicht im Rampenlicht stehen und den Kunden DVDs und Radiatoren frei Haus liefern und vor allem die Steuern, die ein Konzern in Deutschland zahlt. Daß im Woke-Kapitalismus „Diversität“ und Grünwaschen teils Maskerade sind, um einem Unternehmen ein gutes Image zu verpassen, damit es mit den Geschäften läuft, sind freilich Erkenntnisse, die nicht neu sind. Auch gut gemachte Serien rechtfertigen keine Ausbeutung. Um so schlimmer, wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist. Die zweite Staffel der Serie könnte dann vielleicht heißen „Die Gefährten des Zeitgeists“


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Ich hatte den absolut gleichen Eindruck; Disney ist schon schlimm genug, aber diese „Wokeness“ – „woke“ dürfte vom asiatischen „Wok“ kommen und insofern selbst schon kulturelle Aneignung sein, in der sich dann aber alles besonders prima verrühren läßt („diverses Serienkochen“) – und obendrein noch die US-amerikanischen Sektenprüderie. Was da zusammengematscht wurde, ist nicht nur langweilig und „künstlerisch“-sein-wollend banal,. sondern eigentlich – ekelhaft. Jedenfalls für Freie Geister. Für Mitläufergucker allerdings geb ich der Serie ’ne glatte 1 minus.
À propos Wockelness: Prima Artikel Uwe Schüttes in gestern der (ausgerechnet!) taz: https://taz.de/Identitaetspolitik-an-Unis-in-UK/!5876090/
So ist es. Leider. Danke auch für den Link. Eine in der Tat verhängnisvolle Tendenz. Wenn eine Sache, die eigentlich einmal gut gemeint war, nämlich tatsächliche Diversität und ein Miteinander von Verschiedenem in Furor und Fanatismus umschlägt, so daß man sich eher in „Die Welle“ glaubt.
Aus dem „Miteinander von Verschiedenem“, das ich – inklusiver jeglich lustvoller Form der Vermischung – großartig finde, ist, damit es nicht zur – Achtung, Wort! – „Rassenmischung“ * komme – ein „Auseinander von Verschiedenem“ geworden, ein so fantisch wie dumm begrüßtes Apartheitsgebot. ||| (*) Dieser Ungeist nämlich ist wieder wirksam geworden, auferstanden von den Untoten.
Das schlimmste an diesem Ungeist sind leider dann jene, die eigentlich gar nicht dafür sind – seien das Verlage oder Konzerne ., aber aus Feigheit und um keinen Ärger zu erregen, vor dieser Woko Haram einknicken, anstatt diesen Leuten gehörig bescheid zu geben oder sie ganz einfach auszulachen.
Exakt. Wobei wir diese Strukturen leider ja „gut“ aus der deutschen Geschichte kennen. Es zieht sich dies leider quer durch nun gerade auch die Kunstbetriebe, zu denen „meiner“, derLiteraturbetrieb, eben auch gehört. Ein Verleger warf mir mal vor, daß ich konternd auf Kritiken reagierte, die nicht sachlich, sondern persönlich und infam waren. Vielmehr hätte ich sowas schweigend auszuhalten, sonst müsse man sich wirklich nicht wundern, wenn ich nicht mehr zu Lesungen und dergleichen eingeladen würde. Was Grund dieses auf der Buchmesse geführten Gespräches war. Ich reagierte einigermaßen heftig, würde mich nicht korrumpieren lassen usw. Daraufhin er: „Hast du eine Ahnung, wie i c h mich prostituieren muß, etwa wenn ich bei Hugendubel ein Buch unterbringen will.“ – Ich habe vor diesem Verleger hohe Achtung, aber das erschütterte mich so sehr, daß ich irgend einen zynischen Spruch abließ, was unser Verhältnis seither, sagen wir, schwierig gemacht hat. Ob ich dort noch einmal etwas verlegen kann, ist fraglich. Aber genau sowas gehört zu den Risiken, die wir alle tragen können sollten, wenn wir uns selber morgens noch frisch und aufrecht in die Augen schauen wollen, und wann immer sonst noch. – Zweites Beispiel. Jemand (ich nenne keine Namen, es wäre unfair) steckte mir nach einer Jurysitzung wegen der Vergabe der Berliner Arbeitsstipendien, ich möge in nächster Zeit besser ganz darauf verzichten, mich zu bewerben, „denn wegen deiner Meinung, das Geschlecht sei nicht nur sozial, sondern vor allem biologisch, stehst du ganz unten auf der Hühnereiter.“ Wie viele Kolleginnen und Kollegen werden wohl wegen so etwas „vorsichtig“ sein, vom ideologischen Mainstream abweichende Meinungen besser nicht zu äußern? (Daß meine sämtlichen späteren Bewerbungen im Sande verliefen, muß ich eigentlich nicht mehr schreiben, oder? „Wie klein-Fritzchen sich vorstellt, daß Politik gemacht werde, so – wird sie gemacht.“ [Karl Kraus] )
Exakt auf den Punkt gebracht. Und aus diesem Grunde schätze ich auch Ihre klare und deutliche Haltung. Und ich bin ebenfalls der Meinung, daß ein Autor, ein Künstler sehr wohl auf Kritik in Zeitung und Radio regieren darf und sogar reagieren muß. Denn genau das nennt sich Dialog – und zumal in Zeiten einer derangierten Literaturkritik, wo teils Kinderjournalisten Buchkritiken schreiben, Mädchen und Jungs, denen ich nicht einmal zutraue, eine Inhaltsangabe überhaupt hinzubekommen.
Und was Sie zu Preis- und Stipendienvergaben schreiben: Das ist genau das, was ich bereits vermutet hatte und dieser Klüngel war schon in den 1990er Jahren aus Hamburg bekannt. Und genau dieser Druck, den eine bestimmte Clique ausübt, führt wiederum dazu, daß sich diese Autoren weitgehend sozialkonform verhalten – auch jene, die das in ihrem Herzen deutlich anders sehen.
@Hühnerleiter: So etwas kenne ich nur als Steighilfe an der Felswand;-)
Ich schaute kürzlich „Die Schlacht der 5 Heere“, also den letzten Teil der Hobbit-Trilogie, und war da schon entsetzt, weil die Orks dort nicht mehr die Orks aus dem „Herrn der Ringe“ sind, sondern im Prinzip „World of Warcraft“-Spielfiguren. Der Kitsch, den Disney generiert.
Bis dahin bin ich zum Glück gar nicht mehr vorgedrungen. Vielleicht schaue ich mir noch „Der Hobbit: Smaugs Einöde“, mal sehen. Und das war ja gerade das gute an „Game of Thrones“: Es war nicht derart kitschbunt, auch wenn die Serie von Folge zu Folge in der Ausstattung üppiger und besser wurde, was aber der Serie insgesamt doch guttat.
Ich habe mich für Fantasy nie begeistern können. Letzten Endes immer nur irgendwelche Elemente der realen Geschichte zusammengebastelt, plus übernatürliche Mächte.
Sehr viel besser gefiel mir etwa dieser Film, den ich zufällig vor einiger Zeit im Flugzeug sah:
https://de.wikipedia.org/wiki/The_Last_Duel
Das ist ein reales Ereignis, das wirklich stattgefunden hat, und das Drehbuch Berut auf dem Werk eines amerikanischen Historikers.
Die Welt des 14. Jahrhunderts ist sehr realistisch dargestellt, und der Regisseur bringt einen besonderen Dreh in den Film, indem er die gleiche Geschichte aus der Perspektive von drei verschiedenen Personen erzählt.
Hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=mgygUwPJvYk
@El Mocho: Geht mir eigentlich ähnlich. Aber die epischen Schlachten und diese Art von Intrigen findet man leider im gegenwärtigen Kino nur noch wenig. Bei Game of Thrones ist es, als würden Shakespeare und Akira Kurosawa gemixt. Und da ist ja auch wenig Fantasy dabei. Beim „Herrn der Ringe“ – gelesen habe ich damals nur „Der kleine Hobbit“ – fand ich diese Art von Film sehr passend und gelungen.
Aber im Prinzip sehe ich es in dieser Frage des (historischen) Realismus wie Du. (Wobei man ja GoT durchaus als Parabel auf unsere Welt auch sehen kann. Die Serie und also auch das Buch sind ja voll von Anspielungen.
PS: Der Film „The Last Duel“ steht bereits auf meiner Liste.