dann verkündige, du habest Büdchen gesehen, dort gestanden und getrunken wie die Eingeborenen und wie es sich geziemt für einen Reisenden. Also, jedoch, aber: wir haben da nicht wirklich häufig gestanden, sondern kauften – manchmal – abends eine Kleinigkeit ein, meist waren es Zigaretten für meine Reisebegleiterin. Und ich erwarb dort, ich schrieb dies bereits, eine warme Flasche Weißwein, weil wir in der Wohnung keinen Wein mehr hatten und irgendwer die Vorräte weggetrunken haben mußte. Warmer Weißwein in Essen, während nachts immer noch eine Temperatur von 25 Grad herrscht, ist eine besondere Erfahrung. Aber mein kaltes Herz kriegte auch diesen Wein auf die nötige Kühlung.
Ich will an dieser Stelle keinen Reisebericht oder einen Essay zu Essen verfassen; das kann ich nicht. Der Grund für dieses Nichtkönnen ist jedoch interessant und damit erzählenswert. Denn wenn ich an irgend einem Ort Photographien fertige, dann beobachte ich anders, als wenn ich Dinge, Situationen, Geschehen im Kopf oder mit einer kurzen Notiz mir aufschreibe, um hinterer daraus einen Text zu machen. Der photographische Blick – zumindest geht es mir so – verdrängt, was er erlebte, was an Leben, Geschichten oder Begebenheiten sich zutrug; er vergißt das Band, mithin das Kontinuum, welches Situationen verbindet, er vergißt Dialoge, die gehört wurden und die es eigentlich wert wären, festgehalten zu werden. Der photographische Blick nimmt anders wahr als der erzählerische; er registriert Strukturen, Kontraste, Formen, Muster, Farben, Gegensätze, antizipiert vielleicht eine eskalierende Situation oder den einzig geglückten Moment, wo ein Mensch einen bestimmten Gesichtsausdruck aufsetzt, eine bestimmte Bewegung macht, etwa eine Sekunde oder eine Zehntelsekunde vorher, um den einzig möglichen Schuß zu tätigen.(Die Nähe der Photographie zur Waffe lasse ich über den Begriff „Schuß“ bewußt stehen, diese Nähe übt eine Faszination aus.) Der photographische Blick sprengt das Kontinuum auf.
Der Photograph kann nach einem Gang durch die Stadt nicht viel erzählen, er bringt dafür die Bilder nach Hause. Nur in den ganz seltenen Fällen funktioniert beides aus einer Hand: Bild und Text laufen wie es sein muß. Sicherlich hat es seinen Grund, weshalb Journalisten einen Photographen bei sich haben. Andererseits bin ich der Meinung, daß ein guter Journalist ein Minimum an Bildverständnis mitbringen sollte. Wie sonst könnte er berichten, wenn er nicht auf verschiedenen Ebenen visualisierte. Und um meine oben geschriebene These zu widerlegen, werde ich demnächst und vielleicht Bild und Text kombinieren oder es zumindest versuchen, mit diesem doppelten Blick durch die Straßen Berlins zu gehen. Wenn es wieder wärmer wird. Momentan ist es mir für Photos zu kalt. Ich bin einer der schlechtesten Polarphotographen. Wenn es für mich von der Agentur „Magnum“ oder von „Ostkreuz“ zur Aufnahmebedingung gemacht würde, dort Polarphotos abzuliefern, so verzichtete ich höchstwahrscheinlich auf eine Aufnahme in eine dieser Agenturen. Mag mein Wesen auch sehr kalt und unzugänglich sein, so kann ich trotzdem die Kälte nicht leiden.
Ich zeige im Photoblog in Serie einige Bilder von Essen, um endlich mit dem Ruhrgebiet voranzukommen – Duisburg steht auch noch aus.