Aus der Rubrik „Schöne Weihnachtsgeschenke“, zweiter Teil: Diesmal ist es eine DVD, im Internet oder anderswo kaufbar, und zwar handelt es sich um eine Serie in fünf Teilen: Es ist „Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck“, gedreht in einer Zeit, bevor es überhaupt den Begriff Serie in dieser Art gab, wie wir ihn seit einigen Jahren gebrauchen. „Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck“ wurde 1973 im Fernsehen gesendet, in unserem „Zett Deee Effff“ wie Dieter Thomas Heck und im Anschluß daran Harald Schmidt den damals noch gut funktionierenden öffentlich-rechtlichen Sender ostentativ betont aussprach. Und so mußten die Zuschauer voll von Spannung warten, bis die nächste Folge gesendet wurde. Das freilich ist heute bei anderen Serien nicht anders. Was sich geändert hat, ist die Verfügbarkeit solcher Filme. Trenck erschien in der Zeit des gemütlichen deutschen Fernsehabends. Fünf Folgen Spannung und Geschichte(n).
Der Trenck-Film spielt zur Zeit der Schlesischen Kriege, also Mitte des 18. Jahrhunderts und reicht bis ins Jahr 1794, in die Französische Revolution. Wie diese Lebensgeschichte des sonderbaren und ungestümen Adeligen ausgeht, sei nicht verraten, nur soviel: der letzte Teil wirkt dahingehetzt, als sei der Produktion das Geld ausgegangen. Dieser Eindruck mag auch darin gegründet liegen, daß die Lebensgeschichte zugleich doch sehr auf Friedrich II. fokussiert ist. Der Serie hätte ein sechster, wenn nicht ein siebter Teil gutgetan. Aber worum geht es überhaupt?
Jener Friedrich Freiherr von der Trenck (Matthias Habich) ist eine Person der realen Geschichte, seine wilde und bewegende Vita hat er in mehreren Büchern aufgeschrieben und insofern handelt es sich um einen biographischen Film, und derart wird der Film auch aus der Perspektive des von der Trenck erzählt. Trenck ist ein intellektuell hoch begabter, aber auch duellfreudiger und manchmal ebenso bolliger Heißsporn adeliger Herkunft – freilich niederere Adel -, mit einem Hang zu schönen Frauen. Der Preußenkönig Friedrich II. (gespielt von dem noch jungen Rolf Becker) wird auf Trenck in Königsberg aufmerksam, holt ihn für sein Militär an den Preußischen Hof, und zwar für das 1740 neu gegründete Gardes du Corps, ein Kürassier-Regiment der Gardekavallerie. Solche Armee braucht er, um Maria Theresia Schlesien abzutrotzen – insofern ist es auch ein Historienfilm, mit schöner Ausstattung, barocken Gewändern, Uniformen, Ballsälen und Schlössern. Aber all das wirkt in der Inszenierung jedoch nicht übertrieben – und gerade dies macht den Reiz der Serie aus.
Am Hofe Friedrichs geht Trencks Beförderung zum Rittmeister schnell vonstatten, schneller als manch anderem Adligen allerdings lieb ist. Im ersten Schlesischen Krieg verdient sich Trenck den von Friedrich gestifteten Orden Pour le Mérite, die höchste Tapferkeitsauszeichnung. Auch das zieht Neider. Was dem tapferen, aber ebenso des Wortes mächtigen, spottlustigen wie auch wilden Trenck jedoch am Hofe Friedrichs das Genick brach und eine glänzende Karriere vereitelte, das war des Trencks Liebe zur Schwester Friederichs, nämlich Anna Amalie von Preußen (gespielt von Nicoletta Machiavelli). Beide können von ihrer Liebe zueinander nicht lassen, aber doch dürfen sie nicht. Und am Hof gibt es Intriganten und Lauscher, die es dem König zutragen. Friedrich verfolgt den von der Trenck von nun an mit gnadenlosem Haß, fühlt sich betrogen, läßt ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand verhaften, ohne Anklage, auf die Weise des absoluten Herrschers. Auf den Hinweis seines Generaladjutanten von Bork (Alf Marholm), daß solcher Akt aber Willkür sei, antwortet Friedrich, daß es in Frankreich und anderswo nicht anders sei, dort habe man jene Lettre de cachet und hier sei es der Wille des Königs, der umgesetzt werden müsse.
Trenck wird auf der schlesischen Festung Glatz eingekerkert, von wo aus er jedoch, durch Bestechung einiger Offiziere, mit denen er sich gut versteht, denn Trencks Wesen ist einnehmend, er ist gesellig in Spiel und Spaß auch in Festungshaft, nach Österreich an den Hof Maria Theresias flieht. Doch hören die Verwicklungen dort nicht auf. In Wien geht es deutlich intriganter als in Preußen zu. Trenck muß nach Moskau an den Hof der Zarin Elisabeth fliehen, ob der Intrigen, die gegen ihn in Wien gesponnen werden, auch weil ihm in Österreich als Preuße ein gewaltiges Erbe zufällt, nämlich die umfangreichen Landgüter seines Vetter Franz von der Trenck. Dieser ist ein ungarischer Pandurenoberst und Befehlshaber eines Korps von 1000 Panduren, welche meist vom Galgen geschnittene Strolche und Wegelagerer sind, die er auf eigene Kosten ausrüstete, um Maria Theresia im Schlesischen Krieg gegen Preußen beizustehen. Franz von der Trenck, großartig gespielt von Glauco Onorato, ist das genaue Gegenteil seines Vetters: Grob, ordinär und brutal und er scheißt auf den östereichischen Standesdünkel und auf all das „Gnädiger-Herr“-Gerede im Wiener Schmalz. Verhaftet wird er wegen Unterschlagung von Beute und Insubordination und damit zu langer Haft verurteilt. Dort richtet er sich selbst und nimmt sich das Leben. Das Erbe geht nun an Friedrich von der Trenck. De jure. Aber leider nicht de facto.
Nicht nur, daß der Trenck seine Schwierigkeiten mit Österreich hat und es ihm nicht gelingt, an sein Erbe zu kommen: auch der Preußenkönig verfolgt ihn immer noch mit unbändigem Furor. Bei einer Reise von Östereich nach Danzig wird er mit List auf ein vermeintlich östereichisches Schiff gelockt, was sich jedoch dann auf der Ostsee als preußisches erweist. Und so wird Trenck verhaftet und auf die Festung Magdeburg verbracht, wo er in Ketten und an die Wand geschmiedet neun Jahre seines Lebens verbringen muß. Deutlich weniger angenehm als in der Festung Glatz. Keine Gespräche, keine Kontakte. Dennoch versucht Trenck einen Ausbruchsversuch, der freilich mißlingt. Im Film wird er auf das Einwirken von Amalia entlassen – was historisch wohl falsch ist und eher aus dramaturgischen Gründen eingebaut wurde, denn tatsächlich wurde Trenck auf die Intervention Maria Theresias freigelassen. Vor Amalias Tod sieht er sie noch einmal. Erinnerungen an eine vergangene Zeit und eine Liebe, die zu solcher Zeit nicht möglich war. Trenck verschlägt es in die Welt und zuletzt nach Frankreich. Diese Episode ist leider, wie anfangs angemerkt, elliptisch beschreiben. Aber das schmälert freilich das Vergnügen an dieser Serie keineswegs.
Ich habe die fünf Folgen in den 1990er Jahren in einer Wiederholung im Fernsehen geschaut und fand sie begeisternd gut und gelungen inszeniert und ich finde das auch heute noch, als ich sie mir nun auf DVD besorgte. Die Serie vermag es, eine spezielle Atmosphäre dieser Zeit zu erzeugen. Herrlich der österreichische Dialekt der Kaiserin Maria Theresia (Elfriede Ramhapp) und das ganze Szenario am Wiener Hof, die hinterfotzige Freundlichkeit, das österreichische Singsangsprechen, dazu eine pragmatische Kaiserin, während die russische Zarin Elisabeth in Moskau ein recht freizügiges Leben führt. Aber auch dort lauern Intrigen, die der Preußenkönig gegen Trenck spinnt.
Fein auch die markigen Sprüche von Friedrich II. Auf die Frage seines Generaladjutanten von Bork, ob ein im Armeedienst stehender Graf Sowieso heiraten dürfe: „Er muß warten. Meine Soldaten dienen dem Degen und nicht der Scheide!“ Allein für diesen Satz und wie er von Friedrich dahingesagt wird, in jener herrlichen Lakonie, lohnt der Kauf. Becker spielt diesen teils genialen, teils entsetzlichen König in aller Härte, in Ideen und Spleen großartig, weil er das Wesen dieses Charakters zum Ausdruck zu bringen vermag: Stolz, Eigensinn, Wagemut, aber auch Begabung stellt Becker gekonnt dar. Es ist dieser Friedrich II. in seiner Härte gegenüber dem Trenck ein gnadenloser Mann. Das Motiv der verdeckten Homosexualität des Friedrich deutet sich in diesem Film von 1973 ebenfalls an, was zu dieser Zeit, nebenbei gesagt, ein veritabler Skandal gewesen sein muß: ein schwuler Friedrich. Oder wie es seine Schwester in einer Bemerkung fallenläßt: Das Problem liegt nicht darin, daß Friedrich den von der Trenck zu sehr haßt, sondern ganz im Gegenteil, daß er ihn zu sehr liebte. Trencks Liebe jedoch galt dem König nur auf dem Felde und am Hof in Hierarchie und Zeremoniell. In Bett und Leben galt sie, ganz körperlich, der Amalie. Auch der Trenck in seiner offenen, wagemutigen Art ist von Matthias Habich großartig dargestellt und eine geradezu ideale Besetzung. Diese Rolle brachte ihm seinen ersten Erfolg als Schauspieler und dies ganz zu recht, denn diese Mischung aus Wagemut, Eleganz und Tapferkeit, sich immer wieder neue aufrappeln und nicht zu verzweifeln, spielt der junge Habich mit Grandezza. Man achte nebenbei auch auf das Motiv der Spiegel in dieser Serie – gerade auch, wenn immer wieder eine der Gestalten, vor allem der Trenck, in solchem Spiegel gebrochen gezeigt wird, oder wenn der Franz von der Trenck im Salon all die Spiegel zertrümmert.
„Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck“ schafft es in diesen fünf Folgen und vor allem durch die Schauspieler, die Inszenierung, aber auch durch Außenaufnahmen und das Interieur, eine besondere Atmosphäre dieser Zeit zu erzeugen. Sie zeigt, wie ein Mensch von edlem Geblüt, dem in solcher ständischen Gesellschaft alle Wege offenstehen, vom Leben hin und her geworfen wird. Von Preußen nach Wien und von dort ins prachtvolle Moskau, eine Welt in Barock und der strengen Hierarchien sowie der Hofintrigen, ein hartes Preußen, mit einem strengen Regiment des Alten Fritz und dazu ein morbides Österreich, immer ein wenig schlampert und darauf läßt es sich gut herausreden, wenn dann auch Akten verschwunden sind, die die Alleinerbenansprüche des Freiherrn von der Trenck auf die Landgüter seines verstorbenen Vetters Franz sichern sollen. Auch die von außen leicht verfallenen Gebäude üben ihren Reiz aus. Nichts ist auf Hochglanz poliert, wie man es heute von Serien kennt oder wenn man Filme über Maria Theresia oder Marie Antoinette schaut.
Alle, die solche Historienfilme mögen, dazu viel Action, Spannung (und Liebe freilich auch ein wenig, aber nicht zu viel): all diese werden an jener Serie ihre Freude haben. Auch filmisch ist die Lebensgeschichte des Freiherrn von der Trenck fein gemacht, weil man darin eine aus der Mode gekommene Art der Kameraführung sieht: Ruhig, aber nicht langweilig, erzählend, ohne aufdringliche Schnitte und hektisches Herumgefuchtel mit der Handkamera und vor allem Schlachtszenen, die ohne die heute üblichen Computeranimationen auskommen, was diese Szenen, seltsame Dialektik, sehr viel wirklicher macht als alles das, was heute mit der perfekten Technik aufgenommen wird. Krieg, so zeigen diese Schlachtszenen, ist grausam und es ist nicht nur die pompöse Marschmusik. Wer heil davonkam, hatte großes Glück. Das Problem solcher Computerästhetik – es ist auch in „Babylon Berlin“ zu beobachten – liegt darin, daß das, was besonders lebensecht und realistisch erscheinen soll, mittels solches Verfahrens geradezu einen kalten und leblosen Anstrich erhält. Es wirkt nicht wie ein Film, sondern wie die gute und gelungene Grafik eines Computerspiel – besonders auffallend zu sehen in den Bildern von „Die Ringe der Macht“. All das fehlt in dieser Serie gottseidank. Es ist, um es auf einen Tendenzbegriff zu bringen, sicherlich einer Film- und Fernsehästhetik der 1970er Jahre, aber sie ist, wie in so vielen Filmen dieser Zeit, gut gemacht. Von der Bildästhetik hat dieser Film, obwohl er unterschiedlicher wohl nicht sein kann, deutlich mehr mit Klaus Lemkes „Rocker“ (1972) oder mit Roland Klicks „Supermarkt“ (1974) gemeinsam als mit heutigen Kostumfilmen. Es ist ein Film ohne Puderzucker, wie man es etwa in den 1950er Jahre-Produktionen bei Sisi und anderen Filmen noch findet. „Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck“ kommt ohne Kitsch aus und wird von einer guten Dramaturgie getragen. Etwas, das man sich auch von heutigen Fernsehfilmen aus Deuschland wünscht, die eher das Prädikat „bemüht“ verdienen. (Eine der wenigen Ausnahmen ist die Serie „Weißensee“.) An der Kamera beim Trenck übrigens Joseph Vilsmaier.
Wer über die Feiertage eine spannende Serie schauen möchte, der greife zu dieser DVD!

