„Night divides the day“ – Jim Morrisons 50. Todestag

Vor 50 Jahren verstarb in Paris Jim Morrison. Man sagt, Morrison sei an einer zu hohen Dosis Heroin in einer Wohnung in der Rue Beautreillis verendet. Mit dem Heroin wollte er sein Asthma beruhigen. Ein Asthmatiker wie Proust. Es erwies sich als schlechte Idee. Proust lebte und schrieb länger: legendär sein Versuch, noch den Tod und das Sterben in Literatur festzuhalten und in diesem Sinne zu bannen. Das Leben kann kurz sein und so konnte Jim Morrison viele nicht mehr vollenden oder weitermachen. Ein Leben wie Mick Jagger, beide der gleiche Jahrgang 1943, war ihm nicht beschieden: einer jener aus der Truppe „Poprock in Concert“ der mit 27 Lenzen Gefallenen: „Live fast, die young!“, so ging das Motto der Bohème. Nur hat der Rebell am Ende nicht viel davon, wenn er das Leben in vollen Zügen auskosten will. Der Zug reichte bis 27. Man sagte, daß Jim Morrison ein schlechter Sänger, aber ein guter Dichter sei. Das mag stimmen. Freilich: ich war nie ein besonders großer Doors-Fan, und ich muß sogar sagen, daß ich die Doors in den 1980er Jahren verachtet habe, weil das für mich Hippiepack war, wie ich es damals formulierte – sie selbst eigentlich gar nicht so sehr, aber doch ihre Fans. Auch das Gedudel dieser Doors-Orgel und das Gleiten der Gitarre waren nicht meins: dieses immer weiter und länger schweifende Düdeln und Klimpern ärgerte mich. Und das Gefasel derer, die fanhaft die Doors hörten, war ebenfalls nicht erbaulich. So verachtete ich also in den jungen Jahren des Punk die Doors, mußte jedoch damit leben, daß mancher meiner Freunde diese Musik mochten, besonders die weiblichen; und wer zu Frauen will und nicht nur lesen und debattieren über Musik, der muß manchmal gute Miene zum bösen Orgelspiel machen.

Das Grab von Jim Morrison befindet sich in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise. Als ich 1985 zum ersten Mal in dieser Stadt weilte, besuchte ich zunächst nur die Friedhöfe Montmartre und Montparnasse – wegen Heinrich Heine, Sartre und Baudelaire und wegen Becketts Grab. (Nein, reingelegt, Leser: Becketts Grab gab es noch gar nicht, der starb erst 1989, und an diesem Grab war ich dann, um den Toten und den Helden zu ehren, erst im Jahr 2016, auch dazu werde ich hier vielleicht noch eine Geschichte erzählen. Aber nicht jetzt.)

Das erste Mal auf den Père Lachaise ging ich 1988 mit einer Freundin und dazu zwei ihrer Freundinnen, die sie mitbrachte. Ich kam mir beim Gang zu Morrisons Grab vor wie in Prousts Albertinen-Schar. Als einziger Mann und als Jim-Morrison- oder vielmehr Doors-Verächter. Während die eine der Freundinnen-Freundin bei der Metrofahrt zur Grabstätte andauernd von ihrer Spirale sprach, die sie sich zur Verhütung hatte implantieren lassen, und wie gut das sei und ich schon bereute, überhaupt mitgekommen zu sein, weil ich, da ich damals sehr noch im hohen Ton von Literatur und erlesenen Gesprächen schwelgte, nicht an Muschi-Gerede und Kupfermaterial in Vaginas interessiert war, wobei andererseits durch meine intensive Henry Miller-Lektüre, die ja ausgezeichnet auch zu Paris paßte, mich dieses Thema zugleich doch wieder voyeuristisch und auf der Suche nach Sexualität und Wahrheit fesselte, aber nur eben nicht von dieser Frau in dieser Stimmlage und in dieser Art des Sprechens vorgetragen: so erreichten wir die Metrostation Père Lachaise, wir stiegen aus und die jungen Frauen stoppten sogleich im Gang an einem Verkaufsstand mit Ringen, Schmuck und Tand, so wie eben Frauen gerne solche Dinge sich betrachten. Talmi-Kram, Tallois. Aus Spaß zog auch ich einen Ring mir über den Finger und hielt ihn der Freundin mit Lust am Spiel unters Gesicht: „Beuge Dein Haupt und küsse den Ring des Herzogs von Orleans!“ Sie lachte spöttisch, wie es ihre Blondes-Mädchen-lächelt-spöttisch-Art war. Die Höckersfrau, die da im Metro-Gang an ihrem Stand hinter dem Klapptisch hockte, schaute skeptisch. Ich zog den Ring wieder vom Finger, um ihn in die Auslage zu legen, zumindest versuchte ich es. Allein: der Ring wollte nicht, er ließ sich nicht lösen, er stoppte, hakte, harrte. Die Finger hatten sich wegen des Ringspiels gedehnt, Blut und Säfte machten den Finger sperrig, und ich zog und zog, aber das machte es nicht besser und das machte mich wiederum unruhig, denn ich hatte nicht vor, diesen Ring zu kaufen, zumal meine Reisekasse knapp war. Und ich hatte noch weniger vor, ihn mir vom Finger sägen zu lassen. Da trat Spiralmadame heran und zog aus ihrem Täschchen eine Art Vaseline-Crème, mit der sie meinen Finger und den Ring in unnachahmlicher Akkuratesse berieb. Sie streifte, rieb, drehte und zog und siehe – er löste sich. Und befreit atmete ich durch und schenkte der Dunklen ein Lächeln. Maliziös und fischig, so daß es unklar blieb, ob ich nun dankbar oder gleichgültig dachte. Der Ring aber war ab und sie legte ihn wieder in die Auslage. Der Händlerin war ein Geschäft entgangen.

Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

Wir aber gingen nun auf den Friedhof, um Gräber zu schauen. Dazu hatte ich aus einem meiner Bücher – nämlich dem Bildband über Pariser Friedhöfe „Zum Sterben schön“ – den Lageplan der Gräber kopiert: da, wo all die Berühmten ewig ruhen und wo sie uns Lebenden nicht mehr entwischen können, damit wir Blumen, Gebinde oder andere Grabgaben ablegen, für jene Dichter, Musiker, Schauspieler oder Maler, die wir verehren. Symbolisches Tun oder Tausch, Pose oder Posse – je nachdem. Die Frauen wollten zuerst – naturgemäß – zu Jim. Was für mich bedeutete, daß wir danach weder zu Proust, noch zu Balzac, noch zu Oscar Wilde noch gehen würden, denn wenn das Betrachten von Jims Büste vorbei, käme der Kaffeedurst oder ein dringend notwendiger Toilettengang oder irgend eine andere Sache, um all die anderen Gräber, die ich gerne gesehen hätte – so auch das Mahnmal für die Pariser Kommune – nicht sehen zu müssen. Aber mir war es gleich, ich würde sowieso noch einmal und am besten nur für mich auf diesen schönen Friedhof gehen wollen, um verschiedene Zwiesprachen zu halten.

Das Grab von Jim Morrison hätten wir auch ohne Plan finden können, weil dort eine Horde von Hippies und trüben Gestalten mit Bier und Wein und Dope lungerte und trauerte und irgendwas faselte, Jungs und Mädchen, und sie riefen, sangen und lärmte. Sie betranken sich, sie redeten und hockten vor ihren Kerzen. Revolte aus zweiter Hand. Poprock aus zweiter Hand, Leben aus vierter Hand. Wir gesellten uns dazu, betrachteten die mit Sprüchen und Farben und Kritzeleien beschmierte Büste des armen Mannes, in dessen Mund eine Zigarette steckte. Wir verharrten einige Zeit vor dem Grab und ich wußte ab diesem Moment endgültig, weshalb ich die Doors, Jim Morrison und vor allem seine verschmutzten Fans nicht mochte. Daß jene lärmenden Gestalten ebenfalls Deutsche waren, hörten wir an ihren Unterhaltungen. Man ist nirgends vor seinesgleichen sicher, dachte ich mir, und ich wünschte mir Schüsse aus dem Hinterhalt; vielleicht von einem alten Résistance-Kämpfer, dem es zu bunt wurde und der sich, wie so ein Japaner auf einer der abgelegenen Inseln hier versteckte und der nicht mitbekommen hatte, daß der Krieg schon lange vorüber war, denn so vielleicht träte aus einem der Grabdenkmäler plötzlich ein tapferer Mann mit Karabiner, um die Lärmenden zu vertreiben und am besten zu beseitigen, damit sie in die Höllenschlünde führen, die ja auf den Pariser Friedhöfen zuweilen anzutreffen sind. Das aber geschah nicht.

Irgendwann gingen wir. Auch die Gruppe der schmutzigen Hippies verließ nun mit uns das Grab. Sie tanzten und grölten über den Friedhof, sangen, die Allee entlang, riefen, dort wo alte Französinnen in Schwarz gekleidet auf einer Bank saßen, in Andenken und Erinnerungen versunken, und die alten Frauen schauten entgeistert, traurig und angewidert. Sie schüttelten die Köpfe. Und mir war es peinlich, unangenehm und entsetzlich, daß wir, die Deutschen, so über diesen Friedhof zogen. Bis ich schließlich diesen Hippies zurief, daß sie sich hier nicht anders benähmen als die Wehrmacht 1940 in Paris. Die Schmutzigen fanden das weniger witzig und drohten mir Prügel an. Als aber jene Freundin, der ich in der Metro den Ring zum Küssen reichte, die Drecksbande in scharfem Französisch anfuhr, denn sie sprach, anders als ich, perfekt diese Sprache, da ward Ruhe und die Hippies schlichen sich.

Diese Szene sowie jenes sinnfreie Gerede der Hippiefreunde zu Schulzeiten: all diese Umstände machten mir die Doors nicht sympathischer. Daß diese Phrasen und dieses Gehabe mit Jim Morrison nicht viel und eigentlich gar nichts zu tun hatten, denn Morrison war kein Hippie, war auch mir zwar klar, aber ich konnte doch meine Abneigungen nicht im Zaum halten und dies färbte auch auf die Musik ab.

Das erste Mal freilich merkte ich auf, als ich Mitte der 1980er im Kino den wunderbaren Film „Apocalypse Now“ sah. Da paßte diese Musik plötzlich, das mußte auch ich zugeben: „The End“ und wie da Captain Willard auf dem Bett im tropischen, heißen Vietnam irgendwo in einem Hotelzimmer lag, schwitzend, denkend, auf einen Auftrag wartend, und Willard liegt da, sein Blick auf die Zimmerdecke gerichtet, auf den sich ewig drehenden Ventilator und wie sich aus diesen Ventilatorflügeln mit einem Male die Rotorblätter des Hubschraubers herauswinden, so meine ich mich zu erinnern, das herrliche und zugleich martialische Dröhnen des Motors, dazu dieser seltsame, dramatische und sich zu einem Sturm steigernde Sound der Doors: das war stark, das beeindruckte mich in dieser Verbindung von Bild und Ton: das besaß ästhetische Intensität. Und so schlich sich beim Sehen und Hören eine Ambivalenz ein, die zwar dann durch die schmutzigen Deutschhippies wieder ins Negative getrübt wurde. Aber manche Klänge blieben doch haften und begeisterten. Hier waren die „Doors“ ein gelungener Auftakt – auch weil diese Musik die Verbindung von Pop und Krieg illustrierte: was dann anders herum auch wieder die Musik inspirierte, wenn sie methodische Auslöschungen des Gegners und damit auch zugleich der Bevölkerung Vietnams zum Anlaß eines Musiktitels nahm: man erinnnere sich an das von Iggy Pop und den Stooges vorgetragene „Search and Destroy“.

Eine weitere Lockerungsübung im Blick auf die Doors brachte einige Jahre später, 1991 oder 1992, Oliver Stones Doors-Film. Diese Verbindung von Bildern und Musik, dieser Ton, dieser Satz „No One here Gets out Alive“ versöhnte mich mit den Doors. Das war auch auf der ästhetischen Ebene, weil in Bilder überführt, eine interessante Weise der Brachialgewalt. Von Zeit zu Zeit höre ich die Doors aus diesen Gründen gerne – was auch damit zu tun haben mag, daß diese Musik mich an eine längst vergangene Zeit erinnert, die manche die Jugend nennen.

Geselligkeitszonen – Marc Augé „Das Pariser Bistro“

In Zeiten geschlossener Bars, Cafés und Restaurants mag es geboten sein, an ein altes Leben zu erinnern, das wir einmal führten und daß wir nicht vergessen sollten, und auf ein Buch zu weisen, daß dieses alte Leben beschreibt, nämlich das 2016 erschienene Bändchen „Das Pariser Bistro“, geschrieben von dem Ethnologen Marc Augé. Und dafür stelle ich noch einmal eine leicht überarbeitete Rezension in den Blog. Gut erinnere ich mich zudem an eine Gastro-Serie von Wolfram Siebeck aus den 1980er Jahren (oder waren es schon die 1990er?), wo er in der ZEIT die Pariser Bistro-Küche mit ihren einfachen, aber leckeren, handgemachten und gehaltvollen Gerichten vorstellte. Selbst ein simpler Croque Monsieur vermag ein Schmaus zu sein, wenn die Zutaten frisch und das Brot gut und selbstgebacken ist.

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18_01_12_LX_100_1099Es existieren still und manchmal verborgen vor den Blicken der anderen verwunschene Orte, wo der Spaziergänger und Flaneur hofft, daß nur wenige Menschen dorthin je gelangen: Parks wie auf der Pfaueninsel oder die Landschaft der Uckermark, durch die wir streifen. Mit Glück können wir in der Uckermark den Dichter Botho Strauß treffen, der  vor der Weltlichkeit flüchtete. Er tat richtig daran, sich zurückzuziehen und den Blick auf die Dichtung zu wenden. Zu schreiben und die schönen Worte für den schönen Tag zu finden. Denn viel Erquickliches gibt es weit ab von der Scholle nicht zu schauen – und das gilt vor allem in heutigen Zeiten von Cancel Culture und neocalvinistischer Identitätspolitik. Wer es innerlich schätzt und den letzten Rest des Weltlärms und des Krähenschreis tilgen will, der ziehe sich in die imaginären Orte zurück, in die Literatur und die wunderbare Welt von Jean Paul, ins Krähennest Kuhschnappel, das ein imaginärer Ort im Fränkischen ist, nahe Bindlach. Karl Kraus erkannte ganz zu Recht: „Den Weg zurück ins Kinderland möchte ich, nach reiflicher Überlegung, doch lieber mit Jean Paul als mit S. Freud machen.“ Oder der Leser unternimmt in einem VW-Bus mit Julio Cortázar und Carol Dunlop eine traurig-melancholisch-schöne Reise über die Autobahn – von Paris nach Marseille, ohne die Autobahn je zu verlassen und um all die Rastplätze zu untersuchen, die auf dieser Strecke liegen. Reisen in den Zeiten, als es noch möglich war zu reisen. Autonauten auf der Kosmobahn.

Genauso gibt es aber das Gegenteil. Auch wenn Bleiben nirgends ist, gibt es diese Orte der Nähe – zumindest für kurze Zeit, Ort der Geselligkeit, da wo sich viele aufhalten und Menschen manchmal doch einsam für sich allein sitzen: Die Bar, der Club oder die Kneipe oder in Frankreich eben das Bistro. Über solche Trink-, Eß- und Lebensorte wäre zu schreiben. Bereits 1987 verfaßten die Bremer Soziologen Franz Dröge und Thomas Krämer-Badoni ihre Kneipensoziologie „Die Kneipe. Zur Soziologie einer Kulturform“. Nun hat sich der französische Ethnologe Marc Augé einer spezifisch französischen Institution der Geselligkeit gewidmet – dem Bistro. Bekannt wurde Augé durch sein Buch über Nicht-Orte. Also ebenfalls Räume des Wartens und des Aufenthalts, wie etwa Flughäfen und Bahnhofshallen, nur unheimischer und weniger gastlich als die Bistros und was die Handlungen und Verhaltensweisen betrifft anders strukturiert: die Menschen warten und harren für sich, sie wollen nicht sprechen und nicht bleiben, sondern fort. Aber wie auch beim Bistro sind es Orte der zufälligen Begegnung – sofern sich nicht die Stammgäste begegnen und wie im Wiener Kaffeehaus ignorieren oder als Literaten und Philosophen einander Spinnefeind und Haßobjekt sind. Augé untersucht solche Räume und ihre Struktur. Er schreibt anschaulich eine Ethnographie der Gegenwart im Zeitalter des Reisens und der Transite. Ein Ethnologe des „Nahen“, wie er es nennt.

cover-978-3-95757-261-5Mit „Das Pariser Bistro. Eine Liebeserklärung“ durchstreift er die Welt dieser speziell französischen Institution, für die es kein deutsches Synonym gibt: Restaurant, Kneipe und  Bar treffen es nicht ganz. Das Buch ist, wie der Untertitel andeutet, eine kleine Hymne. Weniger theoretisch verfaßt als „Nicht-Orte“, wo wir mehr noch den Blick des Ethnographen sehen, während beim „Pariser Bistrot“ ein leidenschaftlicher Phänomenologe schreibt, der (vermutlich) selber gerne un petit rouge kippt. Das Buch eröffnet mit einem Zitat des leider in Vergessenheit geratenen Louis Aragon – kaum eines seiner Werke gegenwärtig lieferbar, immerhin aber gibt es in einer Suhrkamp-Ausgabe „Der Pariser Bauer“ – im Original vieldeutiger als „Le paysan de Paris“ getitelt: „Werde ich noch länger das Gefühl für das Wunderbare des Alltäglichen haben?“ So beginnt das Aragon-Zitat. Im Bistro erfahren wir dieses Wunderbare des Alltäglichen, Verzauberungen und Traum-Lebens-Sequenzen die Aragon auch in „Le paysan de Paris“ zeigt. So auch im Bistrot und wie wenn man es sich wie in einem der französischen Filme vorstellt. Dramen, Geschichten, Romane spielen sich hier ab, doch ebenso die unscheinbaren Szenen und Alltag. Auch Augé findet für dieses eigentümliche Prinzip, das uns dazu treibt, ein Bistro aufzusuchen, feine Worte:

„Hinter der Illusion steht ein Bedürfnis, und dieses gilt es wachzuhalten; Bedürfnis heißt Leben; es ist hartnäckig, stets bereit, wie Phönix aus der Asche zu steigen, wenn man ihm ein wenig nachhilft. Und eben dafür sind Bistros da.“

Wohl gesprochen und gerade deshalb fehlt uns in der Gegenwart dieser Ausgang und diese Möglichkeit so sehr. Fast könnte man sagen: es ist dies für viele ein menschliches Grundbedürfnis: wie Sprechen, Reden, Schauen, Hören. Wir sind Sinneswesen. Augé fragt, was ein Bistro ausmacht, schaut auf den Ort, dem er seine Aufmerksamkeit widmet und der in der Soziologie gerne Gegenstandsbereich genannt wird. Gehört auch der Troquet oder das Café dazu? Wie grenzt sich das Bistro von der Brasserie und vom Literatencafé ab? Wie schaut es in nobleren Varianten wie der „Closerie des Lilas“ aus oder in der Hotelbar mit Klavierbegleitung? Auf all das richtet Augé seinen Blick. Jedoch, bei allen Varianten und Möglichkeiten: „Die höchste Form des Bistros ist das Bureau de Tabac, …“ Denn immerhin fallen dort Trinken und Rauchen zusammen: Alkoholika wie auch Tabakwaren lassen sich erstehen. In Bamberg etwa fällt sowas im herrlichen Café Müller ineinander.

„Bistros sind Orte im eigentlichen Sinne des Wortes: Die Gestaltung des Raums ist von größter Bedeutung, die Zeit ein Wert.“ Augé fängt den Betrieb der Bistros ein, die flinken Kellner, die Typen von Gästen und ihre Eigentümlichkeiten. Bistro bedeutet: sich an einem Ort seine Zeit zu nehmen. Innehalten, in Augenblicken. Bistros haben jedoch auf ein Viertel nicht nur freundliche Auswirkungen, ebenso haben sie mit Veränderungen zu tun. Wenn die „Salonlinken“, so Augé, in den armen Vierteln auftauchen, so daß die schäbigen Quartiere zu ehemals armen Vierteln und dann zu den Vierteln der Reichen werden: „Das Auftauchen der Bobos in alten Arbeitervierteln von Paris …“. Und in dieser Umpolung „ist das Bistro der Bobos eine Art potenziertes Bistro.“ Wobei allerdings die freie Marktwirtschaft ihren Teil dazu beiträgt. Künstler und Studenten sind nur ihre Agenten und nutzen die Chance, die sich ihnen bietet, wie sie auch der Makler im Verkehr der Waren nutzt. Aspekte, die bis heute aktuell sind und deren Regulierung Aufgabe der Politik ist – etwa so wie die Stadt Wien das macht, so daß auch in den sogenannten schickeren Vierteln sich noch das eine oder andere kleine Kaffeehaus halten kann.

Nein, Paris ist lange nicht mehr das, was es einmal war, so sprechen die, die den Mythos lieben und von ihm zehren. (Aber was ist und was war eine Stadt je? Es fixiert sich bei Städten kein status quo, sondern sie sind Werden und Gebären. Ein Kontinuum als Fließen. Insofern ist das Lamento „Nichts bleibt, wie es war“ oft bloß sentimentaler Reflex.) Bereits in den 80er Jahren lebte es sich in Saint-Germain-des-Prés und Quartier Latin schick, während Belleville noch an vielen Stellen ein übler Ort war, wo niemand wohnen mochte. Das ist heute anders. Doch wenn man sich umschaute, gab es Mitte der 80er Jahre selbst im Saint Germain und im Quartier Latin noch jene Bistrots und Restaurants, wo man günstig trinken und essen konnte. Das wilde Leben im „Tabou“ und andernorts, das Boris Vian beschrieb, war freilich lange verflogen, kein Drehwurm, kein Swing und Plankton tönte, keine Jazztrompeten, kein Jean-Sol Patre las mehr, und Juliette Grecos gehauchtes „Il n’y a plus d’après“ nur noch der Song einer alten Frau, den sie auf Konzerten vor alten Menschen sang.

Über die Jahre, bis heute hin hat sich das Ensemble des Quartier Latin allmählich verändert: die Geschäfte in der Rue Bonaparte: inzwischen schreckliche Kunstgalerien oder noble Boutiquen, die École nationale supérieure des beaux-arts sticht dort wie ein Fremdkörper heraus, das günstige Restaurant nebenan, wo ich manchmal aß, ist seit 2004 fort. Fast-Food-Ketten am Place de l’Odéon, wo die Danton-Statue harrt: die ins Museum fixierte Revolution. Wo im Flore Erinnerungen und der Stadtmythos ins Smartphone gehegt werden. Augé hat auch für diesen Wandel des Bistros, das sich ans Viertel akkommodierte, einen Blick. Jedoch: Eine Definition des Bistros zu liefern, läuft in Augés Sinne ganz zu recht am Phänomen vorbei. „Was ist ein Bistro?“ läßt sich nur sagen, indem man ein Bistro besucht, und dieser Verweis auf die Praxis scheint mir zentral: „Tatsache ist, dass das Wort ‚Bistro‘ eine unmittelbare Sympathie transportiert.“ Eine Definition jedoch liefe Gefahr, die Wirklichkeit zu verzerren und den Ort zu zerstören. Also lieber eine Phänomenologie der Praxis, indem der Autor die Orte aufsucht. Eine Phänomenologie des Rotweins ist keine solche, wenn der Phänomenologe nicht auch das Selber-Trinken und das Sich-Betrinken einbezieht.

Augé fragt, worin die Kraft dieses Begriffes „Bistrot“ liegt, was den Sog dieses Ortes der Begegnungen ausmacht. Und unter dieser Optik halb des Literaten, halb des Wissenschaftlers schreitet er von seinen Jugend- und Studentenerinnerungen die Zeit ab: Die der Kindheit, als das Bistro was von Verbotenem verströmte, Kellerbistros mit Kohlegeruch, ein lange verschwundenes Bougnat – es müssen die späten 40er Jahre gewesen sein. Das alte Paris, wie es der Filmmythos konserviert und wie wir es bei Truffaut noch so herrliche erschauen. Die Bistros der Surrealisten um Breton am Boulevard de Clichy, die freilich auch bei Augé nur noch in der Erinnerung als Aura existierten. Verklärendes Es-war. In der Studentenzeit dann, wir kennen es bis heute, egal in welcher Stadt, war das Bistro die Verlängerung des Seminars. Es wurde debattiert, Studenten und Kollegen fanden sich ein. Theorie wird praktisch, würde ich dieses get together nennen wollen. Denken realisiert sich, Platons Symposion und unendliches Gespräch.

Doch egal welche Variante von Bistro wir wählen: Es sind, wenn wir zu zweit oder zu dritt sind, Orte der Konversation. Zugleich dienen sie dem stillen Gast als Raum für den Rückzug – streng ritualisiert. Bistros besitzen eine Zwischenstellung. Wir sitzen darin, fühlen uns heimisch und doch sind es keine Wohnzimmer, sondern öffentliche Orte. Wobei diese Stellung ebenso für das Café und die Arbeiterkneipe gleichermaßen gilt: „sich wie zu Hause und zugleich auswärts zu fühlen, aufgenommen und nicht weiter beachtet zu werden.“

Interessant ist insbesondere Augés Beobachtung, daß das Rauchverbot in Frankreich (und in anderen Ländern) eine Neueroberung des öffentlichen Raumes auslöste. Raucher versammeln sich vor der Tür, Fremde kommen ins Gespräch, zwangloser Wechsel der Position, der Bürgersteig verwandelt sich in einen öffentlichen Platz. Doch auch der kommunikative Aspekt ist nicht spezifisch fürs Bistro. Eher schon das, was man auch in den Stamm-Kneipen erleben kann: der Gast wird vom Wirt oder von der Bedienung wiedererkannt, er bekommt morgens automatisch seinen doppelten Espresso auf den Tisch gestellt und ein Croissant mit Butter dazu. Ums Bistro ranken sich Geschichten, und wir können wenn wir dort sitzen, so tun, als läsen wir Zeitung und dabei doch den jungen Frauen am Nebentisch lauschen, uns komplette Geschichten zusammenreimen oder uns ausspinnen.

„Wenn das Bistro ein romanesker Ort ist, dann vor allem in dem Sinn, dass es der Fantasie Fragmente von Geschichten darbietet, die sich gerade abspielen und deren Vorgeschichten oder Fortsetzungen sich jeder, dem danach ist, (…) ausmalen kann.“

Das Bistro lädt zum Beobachten ein und zum Aufschreiben dessen, was der Besucher als Gast, als Phänomenologie und heiterer Wein- oder Kaffeetrinker beobachtet. Insofern ist all das, was Augé präsentiert und schildert, nicht neu und man selber hätte darauf kommen können, eigentlich jeder, der gerne in Cafés geht, entwickelt solche Gedanken, schreibt die Skizzen auf oder notiert Wortfetzen, um später einmal aus den Aufzeichnungen etwas zu machen. Aber doch kam bisher kaum ein Autor darauf, aus solchem Ort ein Buch zu fabrizieren: halb literarisch-subjektiv aufgeladen, halb teilnehmender Beobachter und Ethno-Soziologe.

Eine umfassende Phänomenologie des Bistros, bis in die Tiefen, will das Buch sicherlich nicht liefern, sondern vielmehr, wie der Titel sagt, ist es eine wunderbare Liebeserklärung an eine aussterbende Institution, und wie auch Barthes Beobachtungen zum Eiffelturm, wird es den Paris-Freund in Reiselaune versetzen. Es enthält mit den Alltagserfahrungen zusammen manche schöne Beobachtung bereit. Manchmal mit Pathos, wie solche Passage, aber doch mit der Liebe zum Ort:

„Wenn ein Bistro schließt, bietet sein abgedecktes Schaufenster oder der ein für alle Mal den Eintritt versperrende Metallrolladen plötzlich den Anblick eines jähen und unbegreiflichen Endes, ein Bild des Todes ohne jede Metaphorik; es ist der Tod persönlich, der hier sein Antlitz zeigt.“

Man merkt Augé die Leidenschaft zum Ort an. Um zu imaginieren, bietet das Buch guten Anlaß. Für einen Armchair-Traveller, wie ich es bin, genau das richtige. Die Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen, ohne sich dabei fortbewegen zu müssen. Saint-Germain-des-Prés ist nur noch ein Erinnerungsort und ein Begriff. Das Alte ist lange schon vergangen. Aber Mythen (mal im umgangssprachlichen Sinne genommen) und Geschichten leben lange und nachhaltig. So wie hoffentlich auch das Bistro, das dann eben an anderen Orten seinen Platz neu findet.

Nicht-Orte gleichsam: Auch das wäre eine schöne, kleine Blog-Serie wert: etwas über Reisen zu schreiben, ohne dabei verreisen zu müssen. So wiein Piere Bayards kleinem Buch „Wie man über Orte spricht, an denen man nicht gewesen ist“.

Marc Augé: Das Pariser Bistro. Eine Liebeserklärung, 118 Seiten, Hardcover, Übersetzung: Felix Kurz, 15,00 €

Zum Tod Christos. Paris, Berlin, Flanierereien und die verhüllten Objekte

Nun ist es vielleicht Zeit, das Geheimnis zu lüften, woher das Titelbild des AISTHESIS-Blogs stammt: es werden sich dies sicherlich manche gefragt haben, zumindest wurde ich von einer Leserin und einem Leser darauf angesprochen – in einem kurzen Text aus dem Jahr 2013 lieferte ich zwar schon einmal einen Hinweis. Aber das ist inzwischen einige Jahre her. Die Auflösung nun: es ist auf der Photographie am Kopf der Seite die damals 1985 von Christo verhüllte Pont Neuf in Paris zu sehen. Mich hat dieses Verhüllen damals, im ersten Augenblick, als ich vor dieser Brücke stand, verärgert, geärgert, erzürnt gar. Ich war das erste Mal in meinem Leben in Paris und fand eine in graues Lacken verhüllte Brücke, Wenigsten war die Statue des Henri Quatre nicht verhüllt – was ich im nachhinein dann freilich schade fand. Doch der Reihe nach.

Meine Mutter brachte mich im September 1985, schwer mit Koffern beladen, denn ich reiste für einen Monat nach Paris, mit dem Auto zum Bahnhof. Natürlich fuhr sie, wie immer, zu schnell, und wie es die Umstände und die knappe Zeit wollen, geriet sie in eine Polizeikontrolle. Mit ihrem Charme bezirzte Muttern die Polizisten jedoch mühelos. Wenige Minuten später drang aus dem Radio die Meldung vom Tode Axel Springers. Ich jubelte herzlich, Muttern meinte, dieser Jubel und Triumph sei herzlos. Aber ich mochte an diesem frühen Abend keinen Disput über Politik, sondern wollte mich auf Paris freuen: 22. September 1985. [Vielleicht stritten wir doch, ich weiß es im Grunde nicht mehr.] Ich befand mich nur noch eine Tagesreise von Paris entfernt, um dann, nach einer beschwerlichen Nachtfahrt, Stunden später am Gare du Nord den Zug zu verlassen. Wie die Zugräder über die Schienen rattern, monoton getaktet, und eine Fahrt im Nachtzug in den dunklen Abteilen und Gängen ist oft besungen worden. Weniger oft, wenn der Zug nachts um zwei in Namur hält und im fahlen gelben Licht  des Bahnhofs eine zerfallene Stadt, marode Industrie und Kohleberge sichtbar sind. Une saison en enfer, zumal wenn eine Station später die Stadt Charleroi folgt. Aber die Einfahrt in Paris zum Morgen entschädigt für jene Ödnis. Eine Betrachtungstraurigkeit, die man fast, wenn ich als einziger, der wach ist, der aus dem Fenster schaut, der eine Zigarette zwischen den Fingern faßt  und den letzten Rest Wein im Glas trinkt, als theologische Obdachlosigkeit bezeichnen kann. Paris aber!

Mein erster Tag in Paris, nachdem die Koffer ausgepackt: als Flaneur, der die Muße hatte, sich treiben zu lassen. Herbstzeit natürlich, dies erfreut den süchtigen Melancholiker. Niemand sonst in der Stadt als ich, so denke ich mir. Damals gab es die Rowohlt-Reiseführer „Anders reisen“. Darin standen Aspekte zur Stadt, insbesondere Politisches und Gesellschaftliches, das ich in anderen Reiseführern so nicht fand. Ich konnte mich treiben lassen, in proletarische Ecken und ebenso in die geliebten bürgerlichen Viertel von Paris, in denen man sich wie im Film vorkam. Ich entdeckte den wunderbaren, bis heute heißgeliebten Jardin du Luxembourg mit seinem Bassin, darin die Kinder Schiffchen treiben ließen, wie eh und je und bis heute, und wo die Bäume und die Statuen der Königinnen so eigentümlich ordentlich, strikt, gerade und doch verrückt in Reihe stehen. Der Jardin du Luxembourg ist im Herbst, im Winter, im Frühjahr, zu jeder Zeit ein Ort, an dem es sich lohnt beobachtend auf einer Bank oder auf einem der Stahlstühle zu sitzen. Man kann hier wohl alt werden und in einem der mintfarbenen Stahlstühle sanft entschlafen.

Gleich vormittags wollte ich aus dem Hotel heraus, das in der Rue Rodier, nahe der Metro Anvers lag, und meinen ersten Spaziergang machen, und zwar ins alte Zentrum der Stadt, vor allem zur Île de la Cité und auch zur Pont Neuf, um von dort zu jener berühmten, wie ein Schiff in die See stechenden Spitze zu gelangen, zum Square du Vert-Galant, vielleicht auch, um die ersten Photomotive dieser Brücken und Wasser-Szenarie zu entdecken, so wie sie die alten Photographen wie Brassaï oder André Kertész diesen Ort aufgenommen hatten, von oben der Blick, in schwarz-weiß auf die Menschen da unten am Quai oder von der Pont des Arts (heute in Google als „pittoreske Brücke über die Seine“ bezeichnet, als wenn es eine Übersetzung des Brückennamens wäre!) herüber zu sehen das trunkene Schiff, das da im Herbslicht lag, abzulichten, wie es bereits viele taten.

Ein einfacher Weg, auch für einen Fremden, eigentlich immer Richtung Süden und dann ein wenig nach Osten abknicken – überhaupt ist es in Paris spielendleicht, sich zu orientieren. Anders als in Bamberg oder Bayreuth. So trat ich an meinem ersten Tag in Paris aus dem Hotel, schaute in die Auslagen der Geschäfte, die Fleischerei, wo herrlich und zum Kochen einladend ein ganzes Huhn, ungerupft, im Schaufenster hing, und ich genoß das Leben in den kleinen Straßen und den Anblick der wunderbar großen Boulevards. Jenes erste Mal als Eindruck, als Intensität, als Ereignis: in einer fremden Stadt. Als Wahrnehmung und ebenfalls, um Korrespondenzen herstellen, womöglich auch jene Baudelairschen: daß man da als Fremder durch einen Steinwald von Symbolen schlenderte, eine Art von Natur, eine Stadtlandschaft mit eigenen, einem unbekannten Regeln, und irgendwo mußten auch die Passagen sein, von denen Walter Benjamin schrieb und die surrealistischen Verheißungen Aragons. Ich zitierte diesen Benjamin-Satz bereits in meinem Beitrag über die Kaufhäuser und die Brandstiftung später dann, aber ich meine, man kann diesen nicht nur poetisch gelungenen Satz, als Anrufung einer Imago, nicht oft genug zitieren, nennen, anrufen:

„Alle diese Produkte sind im Begriff, sich als Ware auf den Markt zu begeben. Aber sie zögern noch auf der Schwelle. Dieser Epoche entstammen die Passagen und Interieurs, die Ausstellungshallen und Panoramen. Sie sind Rückstände einer Traumwelt. Die Verwertung der Traumelemente beim Erwachen ist der Schulfall des dialektischen Denkens. Daher ist das dialektische Denken das Organ des geschichtlichen Aufwachens. Jede Epoche träumt ja nicht nur die nächste sondern träumend drängt sie auf das Erwachen hin. Sie trägt ihr Ende in sich und entfaltet es – wie schon Hegel erkannt hat – mit List. Mit der Erschütterung der Warenwirtschaft beginnen wir, die Monumente der Bourgeoisie als Ruinen zu erkennen noch ehe sie zerfallen sind.“

Diesen Traum, dieses Träumen habe ich immer wieder in Paris gespürt und zugleich denkend eingeholt, und ähnlich traumwandlerisch verzückt schlenderte ich im Herbst 1985 an meinem ersten Tag in dieser noch nicht bis zur Unkenntlichkeit verstellten Stadt. Es war ein völlig anderes Paris. Nicht von den Häusern her, die sind bis heute gleich geblieben, sondern von der Atmosphäre genommen.

Was ich bei meinen Gang jedoch nicht beachtet hatte und auch nicht wußte, als ich an der Pont Neuf ankam: daß ich eine in hellgrau-beige-silbern-cremefarbenen Stoff gehüllte Brücke vorfand. Ich ärgerte mich zunächst: zum ersten Mal in Paris und da sehe ich als Pont Neuf ein Stück Stoff statt des Steins und des Pflasters. Vor gerade einmal zwei Tage verhüllt. Nach Christo-Art. Aber auch diese Aktion gehörte und paßte zur Atmosphäre dieser Stadt. Zwar gab es immer wieder all die Schaulustigen, aber ebenso schlenderten die Menschen ganz einfach über diese Brücke, es war ihr Weg zur Arbeit, ihr Weg nach Hause.

Mich hatte diese verhüllte Brücke damals 1985, als Kunstwerk, als ästhetische Intervention in den öffentlichen Raum nur wenig beeindruckt. Es mag dieser Akt des Verhüllens eines Dings, des Unsichtbarmachens eines selbstverständlichen Objekts im öffentlichen Raum zwar für das Kunstwerk selbst – auch in seinem Status und in der Erweiterung des Kunstbegriffs – eine erhebliche Bedeutung haben, für seine ästhetische und gewissermaßen auch wesens- und daseinsmäßige Bestimmung: daß es sich nämlich wie selbstverständlich ins Stadt-Ensemble fügt und zugleich doch diese Stadt qua des silber-grau-cremefarbenen Stoffes um ein winziges anders akzentuiert, was man insbesondere an der Aufmerksamkeit, die jenes verhüllte Objekt erzeugt, und an den photographierenden Touristen und den Zuschauern sehen konnte, aber da zugleich in der Mitte der 1980er Jahre die Gesellschaft des Spektakels in Sachen Kunst noch anders ausgeprägt war und es auch keine sozialen Medien gab, war das Spektakuläre nicht derart inszenatorisch-auftrumpfend.

Ein anderer Aspekt, weshalb jene Brücke letztendlich auch nur eine Brücke, aber nun eben in Stoff gehüllt war, lag darin gegründet, daß die Pont Neuf eigentlich nur von wenigen Stellen gut sichtbar und nicht von allzu vielen Menschen gleichzeitig betrachtet werden konnte, nämlich nur vom Pont des Arts aus und von den umliegenden Quais. Sie ragte nicht hoch auf, es luden dort kaum Bänke oder eine größere Rasenfläche zum Verweilen ein. Also gingen die Leute über die Brücke, warfen einen Blick und eilten weiter. Allenfalls ließ sich aus der Nähe die Materialität des Stoffes betrachten. Wie aus Stein Stoff wurde und wie Formen sich so veränderten und fließend wurden: Das machte die Brücke schön und das transformierte zugleich das Objekt.

Ganz anders und auf eine ganz eigene Art faszinierend geriet Christos Verhüllung des Reichstages – zehn Jahre später in Berlin. Es war ein Volksfest, und zwar im guten Sinne, es zelebrierte sich so etwas wie ein Ereignis, das viele Menschen gemeinsam teilten und genossen. Auch als Party, Kunst hier zum ersten Mal als Spektakel inszeniert nicht nur für eine Happy Few in den Galerien und Museen mit Sekt, sondern für sehr viele, mit Bier und Boulette und, wie ich feststellte, ganz und gar unterschiedlichen Menschen. Das gefiel mir gut. Die ausgelassene Stimmung, der Stoff im Wind, das Leuchten und Schimmern dieses seltsam-schönen Kolosses aus Geschichte. Auf der Wiese picknickten Familien, andere schlenderten um den Bau herum, berührten den Stoff und ließen sich dann auf dem Rasen nieder, plauderten, packten Stullen oder Körbe mit Essen aus. Vor allem aber konnte dieses seltsame Objekt deutscher Geschichte – Helmut Kohl hatte sich lange gegen diese Verhüllung gesträubt – in einem völlig anderen Kontext betrachtet werden, und doch amalgamiert im Kunstwerk und durch die Kunst von der Geschichte selbst. Es war eine besondere Form, die da hoch aufragte, Getragen von der freien Fläche rings herum

Das eben faszinierte mich an diesem Tag in Berlin und das verbinde ich mit der Kunst Christos, die man eigentlich nicht im Museum zeigen kann, obwohl ich auch dort, ich weiß nicht mehr wo es war, einige seiner Objekte mir betrachtete, sondern wir sahen eine Kunst, die auf die freien Flächen, aufs Offene angewiesen ist, indem unser Alltägliches unseren Blicken durch ein wenig schimmernden Stoff entzogen ist und sich auf diese Weise ein neuer Gegenstand auftut und doch vertraut. Diese Kunst ist auf den Moment angewiesen, auf das Licht, auf die umgebende Natur und auch auf die Menschen, die sich um das Werk herum gesellen und es gemeinsam, in Gemeinschaft betrachten, jeder für sich, und doch in Gruppen, feiernd oder kontemplierend, in Begleitung einer schönen Frau, eines schönen Mannes oder allein und für sich. Es ist dieses Werk eben auf den Augenblick bezogen. Oder Barnett Newmans Satz vom „Sublime“ transformiert: The instant is now!

 

 

 

Paris – Mythen des Alltags

„Der Traum eröffnet nicht mehr eine blaue Ferne. Er ist grau geworden. Die graue Staubschicht auf den Dingen ist sein bestes Teil. Die Träume sind nun Richtweg ins Banale. Auf Nimmerwiedersehen kassiert die Technik das Außenbild der Dinge wie Banknoten, die ihre Gültigkeit verlieren sollen.“ (Benjamin, Traumkitsch)

Obwohl ich Rom lieber mochte als Paris, weil ich das Antike und Alte mit der Hand geradezu greifen und berühren konnte, während es in Paris dicht hinter Plexiglas verschlossen und in Vitrinen verborgen lag, und obwohl ich Lissabon immer noch für die schönste Stadt Europas halte, weil die Traurig-Schöne an einem großen Fluß ragt und schon den Geist des Meeres atmet, oder mit andren Worten: weil ich dort das Meer bemerke – unbedingt lesenswert übrigens von Alban Nikolai Herbst zum Meer sein Roman „Traumschiff“ – und als Hamburger liebt man nun einmal breite Flüsse und die Meere, war ich doch immer in Paris verschossen. Aber es ist eine andere Zuneigung als zu Rom oder zu Lissabon, eine andere Form der Schönheit. Was für eine Schönheit zeichnet Paris aus und was ist es, das so viele an einer Stadt wie Paris lieben? Sie ist laut. Sie ist hektisch. Sie ist voll von Menschen, die sich auf die Füße treten und durch die Stadt hetzen. Es gibt kaum Grün, allenfalls die vielen kleinen Parks sind eine Oase mitten im Lärm der Stadt. Wer mit dem Flugzeug anreist oder von Südwesten mit dem Auto von der Anhöhe auf die Stadt sieht, die in diesiger Ferne daliegt, blickt auf einen grauen Moloch aus Stein und auf Dächer aus Zink. Dennoch schlägt manchem das Herz höher und bis zum Hals, wenn es dann nach Paris hinein geht. Place d’Italie, Boulevard de Blanqui. Oder wenn der Flieger in Orly aufsetzt und französischen Boden berührt.

Aber was macht den Zauber einer Stadt aus, wie wird sie zum Mythos, wie schreibt sich eine Legende? Dieser Frage geht im Literaturmuseum Marbach die Ausstellung „Die Erfindung von Paris“ nach, Deutschlandradio Kultur brachte es in einem Bericht:

„In vier Räumen des Marbacher Literaturmuseums erzählen Anekdoten und Schwarz-Weiß-Fotografien Geschichten aus einer unvergleichlichen Stadt. Der Ausstellungsflyer gleicht einem stilisierten Stadtplan mit Theatern, Cafés und Sehenswürdigkeiten. Die Besucher werden zu Flaneuren und stoßen wie beiläufig auf die Spuren von 17 ausgewählten, deutschsprachigen Autorinnen und Autoren. Sie alle haben unsere Vorstellung von Paris geprägt.

‚Paris hat sehr viele Erfinder gehabt‘, sagt der Direktor des Deutschen Literaturarchivs, Ulrich Raulff:

‚Das waren französische Autoren, aber das haben im 20. Jahrhundert ganz wesentlich auch deutsche Autoren getan. Und die Franzosen haben das in Anführungsstrichen mit sich machen lassen, die haben das anerkannt. Also, die wissen, dass der Mythos von Paris ganz Wesentliches Rainer Maria Rilke und Walter Benjamin verdankt.‘“

Und diese Frage bleibt im Kopf hängen: Was macht den Reiz? Sie ist nicht einfach zu beantworten, genausowenig wie die Frage „Was ist deutsch?“ Es läßt sich nicht definieren, was deutsch oder was Paris ist, sie beantwortet und erschöpft sich nicht in der Aufzählung von Merkmalen. Um es ein wenig zu wittgensteinisieren oder auch mit Adorno anzugehen: Es handelt sich, wie bei dem Begriff des Spiels, um eine Praktik. Wir begreifen sie, indem wir Klavier spielen, indem wir zusammen mit Kindern spielen, Fußball spielen, Schach oder Skat. Bloß die Regeln von Skat, Räuber-und-Gendarm, Super-Mario oder Fußball zu kennen, zeigt noch nicht, was Spielen ist. Man muß dasein, dabeisein: eine Lebensform wird durch die lange Teilnahme verinnerlicht. Wer einmal durch die Straßen von Paris spaziert, ohne jedes Wissen von der Stadt, mag vielleicht etwas ahnen, aber diese Ahnung bleibt vage.

Paris ist das, was Walter Benjamin so treffend den Traumkitsch nannte. Es mischen sich beim Klang des Namens die Szenen, teils vom kollektiven Unterstrom besetzte Bilder – sei es das kulturindustriell gefertigt Motiv Moulin-Rouge-Mythos, Can-Can-schwingende Weibsbeine, das Viertel im Montmartre, Kackre Coeur wie meine damalige Frau zu sagen pflegte – sie mochte Paris und die arroganten Bewohner nicht. Ich erzählte ihr lieber nicht, daß im Jahre 2004 das Verhalten der Eingeborenen aus Lutetia sich im Vergleich zu den 80er Jahren erheblich besserte. Den Mythos bekräftigen ebenfalls solche wunderbaren Paris-Filme wie Hôtel du Nord, À Bout de Souffl, Midnight in Paris oder der kitschig-schöne Film Le Fabuleux Destin d’Amélie Poulain, tragen dazu bei. Wir sehen mit dem imaginären Auge immer noch die alten Citroens, Renaults und Peugeots in der Avenue Matignon, auf dem Boulevard Raspail, in der Rue Rodier, denn beim Klang von Paris haben wir ebenso die 30er, 40er und die 50er Jahre im Kopf und manche auch die Zeit, als die Deutschen an der Seine herrschten. Wir denken an die Chansons von Piaf oder Jacques Dutronc, an die bildenden Künstler, an Picasso oder die Surrealisten. An Wein, ans gutes Baguette mit Käse und Wurst, ans Centre Pompidou, an den Friedhof Père Lachaise, an die Bücher, die wir lasen und die uns, wie die Filme, in eine Atmosphäre eintauchten. Paris ist ein Effekt der Bilder.

Daß dieser Mythos bis heute wirkt, zeigen Bücher wie das von Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten. Freiheit, Sein & Aprikosencocktails. Philosophie wird hier gleichsam konsumierbar gemacht und auf ein Lebensgefühl hinuntergeschrieben. Dennoch: Das Buch ist nicht schlecht, wenn man die Ebenen trennscharft sieht. Das eine sind die Texte von Sartre und Camus, das andere das, was wir lesend – und das heißt in äußerster Intensität studierend – mit ihnen machen und was wir auf einer gleichsam privaten Ebene aus ihnen machen, in welcher Weise wir diese Texte mit Assoziationen aufladen.

Seltsam freilich, daß selbst im völlig durchrationalisierten Paris des ausgehenden 20. und des 21. Jahrhunderts ein Wunschbild erhalten ist, von dem wir zehren. Sogar noch im eigentlich längst ab- und ausgelebten Saint-Germain-des-Prés, wo schon seit langer Zeit nichts mehr von dem ist, was früher einmal war und wovon Paris zehrt: die Cafés der Existenzialisten wie das Café Flore gibt es noch immer, und sie sehen so aus, wie sie früher aussahen. Aber die wilden Szenen, wo Boris Vian trompetete, wo Camus, Queneau, Sartre und Beauvoir mit Wein und Zigaretten an Tischen hockten, schrieben oder Hofstaat hielten  und der Existenzialismus Mode wurde, sind passé. Wer heute mit schwarzem Rollkragenpullover und Das Sein und das Nichts gut sichtbar unterm Arme eines dieser Cafés betrifft, macht sich eher verdächtig oder lächerlich als  daß er den Geist dieser Zeit erfaßte. Allenfalls als Happeningform, als kulturelles Anschmiegen im Sinne schauspielerischer Mimesis mag das durchgehen. Oder der Umswitch auf Lacan, Derrida und Foucault, die Surrealisten, die Photographien von Brassai oder von Doisneu, die ebenfalls zu einem bestimmten Bild beitrugen, das als eine Art Film immer noch im Kopf mitläuft. Ach, alte Zeit. Und doch ist alles das heute anders. Und doch ist alles wie ehedem. Es halten sich Mythos und Legende dieser faszinierenden Stadt am Leben, irgendwas ist da, schwebt da, webt da in den Gassen, trotzdem in Saint-Germain-des-Prés inzwischen lediglich teure Galerien, Antiquitätenhändler und Modegeschäfte eröffneten, kaum noch finden sich dort die kleine Cafés oder günstige Restaurants, wo man für wenig Geld mal mehr, mal weniger guten Wein trank – selbst der schlechteste Wein damals in den 1980er Jahren war immer noch besser als ein guter Wein aus der Hansestadt.

Allerdings – schön verborgen findet sich in Saint-Germain-des-Prés doch das Wohnhaus des Malers Eugène Delacroix. Man muß ein wenig suchen, bis man dahin gelangt. Ganz und gar traurig-gerührt war ich, als ich im Jahr 2004 sah, daß mein Restaurant in der Rue Bonaparte, wo ich Mitte bis Ende der 1980er Jahre oft aß, weil es günstig war und weil dort zudem viele Kunsthochschülerinnen speisten, denn das Restaurant lag vis-à-vis zur École des Beaux-Arts, bis wenige Tag vor meiner Ankunft noch geöffnet hatte. Ich wollte eigentlich an diesen Ort alter Zeiten gar nicht vorbeigehen, wenngleich die Rue Bonaparte doch unvermeidlich ist, wenn man vom Place Saint-Germain-des-Prés zur Pont des Artes oder zum Pont du Carrousel schlendert, dachte aber: Geh mal an Deinem alten Restaurant vorbei. Und da hing dann ein Zettel: Wie haben seit dem 11. August 2004 geschlossen. Einen Tag nach meiner Ankunft in Paris. Ich hätte es also zu einem Abschiedsmahl noch geschafft, wenn ich einen Tag früher gekommen wäre.

Seltsam aber, daß ich von diesem Restaurant nicht einmal mehr den Namen weiß. Ich habe es nicht einmal photographiert, wie ich sonst so vieles im Photo abbilde, weil dieser Ort mir so derart selbstverständlich war, daß ich gar nicht daran dachte, er könnte irgendwann einmal verschwunden und für immer fort sein. Paris, das ist auch ein Rausch von Namen, die Erinnerungen freisetzen. Allein die Namen der Metrostationen: Porte Dauphine, Oberkampf, Blanche, Monceau, Varenne, Ségur, Duroc, Vaneau, Sèvres-Babylone, Mabillon, Odéon, Place Monge, Port de Lila – es ist wie ein Lautgedicht und Stationsnamen, mit denen ich Geschichten verbinde. Peter Handke brachte das in ein lakonisch-feines Metro-Gedicht:

Métro Balard-Charenton

Bei Sonnenuntergang stieg ich ein
an Motte-Piquet-Grenelle
An Bonne Nouvelle hörte ich auf
das pariscope zu durchblättern
An der Station Filles du Calvaire
war der Flüssigkeitsautomat leer
An Daumesnil waren in einer Vitrine Schuhe ausgestellt
Vor der Porte Dorée sah ich noch Licht
durch einen Schacht kommen
In Charenton-Ecoles
– Mündung der Marne in die Seine –
war es schon Nacht
Im hellen Westen irgendwo
spielte Young Mr. Lincoln

Dazu freilich gesellt sich die Lektüre von Walter Benjamin, von Franz Hessel, von Henry Miller und Raymond Queneaus wunderbare Rotzgöre „Zazie in der Metro, die kongeniale Verfilmugn des Buches durch Louis Malle, sich in einen Truffaut-Film versetzen oder mit Godard Masculin – Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola nachspielen. Es ist so eine Art Lebensgefühl, und genau das meint der Begriff von französischer Kultur – die es genauso gibt wie deutsche KulturDazu die französische Philosophie von Sartre, über Foucault bis Derrida, die für mich nicht nur ein intellektuelles, sondern zugleich auch ein ästhetisches Moment besaßen: alles das, samt dem Spazieren in den Straßen hier machen den Reiz der Stadt aus.  Man könne den Inhalt von Büchern auch durch Handauflegen erspüren, orakelte einmal Jacob Taubes.

In Paris freilich endeten auch manche deutsche Träume, und zwar nicht immer so, wie Heinrich Heine es zum Ende der deutschen Nachtgedanken dichtete:

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heit’res Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Für Paul Celan, Shoah-Überlebender, dessen gesamte Familie dank deutscher Gründlichkeit in Auschwitz zu Seife und zum Rauch wurde, war das nicht mehr möglich, ja, er erkannte in schrecklichen Phasen sein Weib nicht einmal mehr, weil Medikamente den Blick verstellten. Paul Celan sprang dort in Paris von der Pont Mirabeau in die Seine.

Lassen wir diese Seligkeit von Paris in dem schön-traurigen Gedicht von Guillaume Apollinaire aus dem Band mit dem vielsagenden Titel „Alcools“münden:

LE PONT MIRABEAU

Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine dahin
Unsre Liebe auch
Ist Erinnern Gewinn
Aus traurigem Sinn wird fröhlicher Sinn

Komm Dunkel Stunde eile
Die Tage gehen ich verweile

Aug in Aug laß uns bleiben und Hand in Hand
Ach unter der Brücke
Der Hände schwand
Die Welle von ewigen Blicken verbrannt

Komm Dunkel Stunde eile
Die Tage gehn ich verweile

Die Liebe vergeht wie der Strom der wogt
die Liebe vergeht –
Wie das Leben stockt
Wie heftig die Hoffnung uns hinreißt und lockt

Komm Dunkel Stunde eile
Die Tage gehn ich verweile

Die Tage gehn hin und die Wochen gehn hin
Vorbei ist die Liebe
Nun Zeit verinn
Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine dahin

Komm Dunkel Stunde eile
Die Tage gehn ich verweile

 

 

Paris, mon amour, oder im November Prag?

„Das alte Paris ist nicht mehr (die Gestalt einer Stadt wechselt rascher,
ach, als das Herz eines Sterblichen);

Nur im Geiste seh ich noch dieses ganze Barackenlager vor mir, …
(…)
Paris verändert sich! nichts aber hat in meiner Schwermut
sich bewegt! Neue Paläste, Gerüste, Steinböcke,
alte Vorstädte, alle wird mir zur Allegorie,
und meine liebsten Erinnerungen lasten schwerer als Felsen.“

„Le vieux Paris n’est plus (la forme d’une ville
Change plus vite, hélas ! que le coeur d’un mortel) ;

Je ne vois qu’en esprit, tout ce camp de baraques,
(…)
Paris change ! mais rien dans ma mélancolie
N’a bougé ! palais neufs, échafaudages, blocs,
Vieux faubourgs, tout pour moi devient allégorie,
Et mes chers souvenirs sont plus lourds que des rocs.“
(Charles Baudelaire, Der Schwan, in: Fleurs du Mal)

Ach, mein Paris der 80er und 90er Jahre. Statt nach Prag zu reisen, wo Kafka lebte, fuhr ich nach dem Abitur in den Westen. Kafka und sein Prag, das Mütterchen, das Krallen und Klauen besaß und den Mann nicht losließ. Nach Paris reiste Kafka mit Max Brod zweimal, und zwar in den Jahren 1910 und 1912. Doch trotz allem Wandel und wenn manches Viertel im Vergleich zu den 80er Jahren nicht mehr wiederzuerkennen ist, so fesselt Paris auch heute noch. Wer in Karl Heinz Bohrers „Jetzt“ liest, bekommt einen Eindruck davon. Bohrer lebte in den 80er Jahren zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, der Schriftstellerin Undine Gruenter, in Paris. In seiner ganz und gar lesenswerten Autobiographie, die Sicht eines Intellektuellen auf Abstand, berichtet er über diese Zeit:

…, dass man sich gegenseitig immer als etwas fremd ansehen sollte, weil man in der Tat sich selbst eigentlich fremd bleibt.
Man könnte das als eine absichtsvoll leer gelassene Stelle im Bild des anderen verstehen. Diese Leere wurde von der Phantasie mit Bildern gefüllt, auch mit Bildern von Walter Benjamin. Wir verfielen auf den Einfall, die äußeren Viertel von Paris zu durchwandern. Aragons Paysan de Paris und Bretons Nadja dienten als geheime Landkarten.“ (Karl Heinz Bohrer, Jetzt)

„In Paris konnte man noch immer durch fast alle Viertel, alle Straßen gehen und vom Aussehen dessen, was man sah, in eine gehobene Stimmung versetzt werden.“ (Karl Heinz Bohrer, Jetzt)

Diese Euphorie Bohrers stellt sich selbst heute noch beim Spazieren und Schauen ein. Trotz des rasanten Wandels der Stadt, trotzdem kaum eines der alten Geschäfte und Lokale von damals noch an seinem Ort ist. Einzig der alte Plattenladen, wo ich mir damals französischen Punk kaufte, den es in Deutschland so nicht gab. Baudelaire erkannte dieses wesenlose Wesen der Stadt sowie die Melancholie des „Einstmals“ bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, als der große Umbau begann und jenes Paris des Georges-Eugène Baron Haussmann Gestalt annahm, das uns von den Straßenzügen und dem Lageplan bis heute hin vertraut ist. In Baudelaires Gedichten Les Fleurs du Mal und seiner Prosadichtung Le Spleen de Paris ist die Stadt selbst der eigentliche Protagonist. Jene Stadt mit ihren Bewohnern – den Lumpensammlern, den Säufern und Morphinisten, den Huren und den Dichtern. Heute wird man diese – in  anderer Form und Weise – eher in den Banlieus finden, in den HLMs, in den Sozialsilos.

 

Pariser Ansichten (4) – Ne pas se pencher au dehors

Wissen kann unmöglich das Höchste sein – handeln ist besser als wissen.“
(H. v. Kleist, Brief an Ulrike v. Kleist, 1801)

Dann war es still.
Dann gingen viele Jahre hin
und ich blieb hier
in diesem kleinen Zimmer in Paris
und trank mit Trinkern auf ihr Glück
und sang mit Gauklern Liebeslieder
und morgens kamen auch die Diebe wieder,
nur du kamst nie zurück.
(Wolf Wondratschek)

„Paris – die unbesiegte Schönheit“ titelte „Der Spiegel“ vor einigen Monaten. Die Fragmente von Stadt, vom Mann mit der Kamera aufgenommen. Ich bleibe nirgends, und bis auf die letzte und die erste Zeile des Wondratschek-Gedichtes ist alles ein Klischee von Paris, das genauso in jeder beliebigen Stadt Europas spielen könnte. Eine Stadt als Mythos und unter den Schichten liegen andere Schichten verborgen, die es freizulegen gilt, die Traumbilder. Das können Dresden, Leipzig, Meißen oder Halle sein. Schöne Städte. Traumlandschaften. Küsse über der Burg; Küsse die Thomas Brasch trauriger besänge als  Wondratschek, womöglich noch eine Tonlage tiefer in den Alkohol gehaucht und eine Prise mehr ins Kokain getaucht.

Reisen bedeutet, in die Archive zu steigen und als Archäologe zu arbeiten. Reisen und photographieren hängt mit dem Imaginieren zusammen. Optisch Unbewußtes freizulegen. „Im Zug nach Paris“ könnte man in der schönen Pop-Variante von Georgette Dee ebensogut summen. „Zwei Augen gegenüber und was da klopft sind die Räder“.  Sowas ist heute nur noch bei langsamen Formen des Reisens möglich. Der Nachtzug damals Mitte der 80er Jahre fuhr über Köln, Aachen und dann durch den industrieöden Süden Belgien – nicht der wildschöne von R. D. Brinkmann aufgeladenen Wörtersüden: Sie träumen alle von Süden … Fiktion Süden.  Mir machte es Freude, nachts in das fahle Licht zu blicken, das am Fenster vorbeizog, und eine Landschaft zu schauen, die aus Halden und Ruinen bestand, zumindest sahen im Nachtlicht die Gebäude wie Ruinen aus, die dunklen Städte und Orte, durch die der Nachtzug sich gemächlich schob, während die Reisenden in den Abteilen schlief, draußen ein Licht, wie in Lars von Triers The Element of Crime.  Industriereste und die dazugehörigen Wohnbehausungen. Lüttich, Namur, während der Zug mit kreischenden Rädern hielt und am Bahnhof keiner einstieg, nicht einmal Arbeiter, die es in dieser Region in den 80ern sicherlich noch gab, geschweige daß einer den Zug verließe, eine Zigarette am offenen Fenster, reines Fürsichsein und dabei doch wach zu sein, anders als alle übrigen Reisenden, Charlesroi, Maubeuge, Saint Quentin und durch den Wald von Compiègne, um dann am frühen Morgen von Norden her über Saint Denis am Gare du Nord in die graue Stadt einzufahren. Die Schienenstränge, die sich durchs Häusermeer schnitten. Paris.

Heute geht es mit dem Flugzeug fix, doch die Sitzreihen fügen sich eng nebeneinander, daß es kein vis-à-vis mehr gibt. Funktionales Reisen. Andererseits möchte ich ebensowenig in einer Postkutsche mein Gegenüber finden und von Berlin nach Paris reisen. Ich, Heinrich von Kleist, ein preußischer Spion, in einer Kutsche bei Mainz, die stürzt. „Und an einem Eselsgeschrei hinge ein Menschenleben?“ (Brief an Karoline v. Schlieben, wo Kleist einen fast tödlich ausgegangenen Unfall in der Postkutschen schilderte. Sozusagen das Spiel von Zufall und Notwendigkeit, statt eines  Jeu de l’amour et du hasard, das dem armen von Kleist sicherlich schwergefallen wäre.) Heute reisen wir bequemer.

Geselligkeitszonen – Marc Augé „Das Pariser Bistro“

Es existieren still und manchmal verborgen vor den Blicken der anderen jene verwunschenen Orte, wo man hofft, daß nur wenige Menschen dorthin gelangen: Parks wie auf der Pfaueninsel oder die Landschaft der Uckermark, durch die wir streifen. Mit Glück können wir in der Uckermark den Dichter Botho Strauß treffen, der  vor der Weltlichkeit flüchtete. Er tat richtig daran, sich zurückzuziehen und den Blick auf die Dichtung zu wenden. Zu schreiben. Denn viel Erquickliches gibt es weit ab von der Scholle nicht zu schauen. Wer es innerlich schätzt und den letzten Rest des Weltlärms und des Krähenschreis tilgen will, der ziehe sich in die imaginären Orte zurück, in die Literatur und die wunderbare Welt von Jean Paul. Karl Kraus erkannte ganz zu Recht: „Den Weg zurück ins Kinderland möchte ich, nach reiflicher Überlegung, doch lieber mit Jean Paul als mit S. Freud machen.“ Oder der Leser unternimmt in einem VW-Bus mit Cortázar eine Reise über die Autobahn – von Paris nach Marseille, ohne die Autobahn je zu verlassen und um all die Rastplätze zu untersuchen, die auf dieser Strecke liegen.

Genauso gibt es aber das Gegenteil. Ort der Geselligkeit, da wo sich viele aufhalten und Menschen manchmal doch einsam für sich sitzen: Die Bar, der Club oder die Kneipe. Bereits 1987 schrieben die Bremer Soziologen Franz Dröge und Thomas Krämer-Badoni ihre Kneipensoziologie „Die Kneipe. Zur Soziologie einer Kulturform“. Nun hat sich der französische Ethnologe Marc Augé einer spezifisch französischen Institution der Geselligkeit gewidmet – dem Bistro. Bekannt wurde Augé durch sein Buch über Nicht-Orte. Also ebenfalls Räume des Wartens und des Aufenthalts, wie etwa Flughäfen und Bahnhofshallen, nur unheimischer als die Bistros und was die Handlungen und Verhaltensweisen betrifft anders strukturiert: die Menschen warten und harren für sich, sie wollen nicht bleiben, sondern fort. Aber wie auch beim Bistro sind es Orte der zufälligen Begegnung. Augé untersucht diese Räume und ihre Struktur. Er schreibt anschaulich eine Ethnographie der Gegenwart im Zeitalter des Reisens und der Transite. Ein Ethnologe des „Nahen“, wie er es nennt.

cover-978-3-95757-261-5Mit „Das Pariser Bistro. Eine Liebeserklärung“ durchstreift er die Welt dieser speziell französischen Institution, für die es kein Synonym gibt. Das Buch ist, wie der Untertitel andeutet, eine kleine Hymne. Weniger theoretisch verfaßt als „Nicht-Orte“, wo wir mehr noch den Blick des Ethnographen sehen, während beim „Pariser Bistrot“ ein leidenschaftlicher Phänomenologe schreibt, der (vermutlich) selber gerne un petit rouge kippt. Das Buch eröffnet mit einem Zitat des in Vergessenheit geratenen Louis Aragon – kaum eines seiner Werke gegenwärtig lieferbar, immerhin aber gibt es in einer Suhrkamp-Ausgabe „Der Pariser Bauer“. „Werde ich noch länger das Gefühl für das Wunderbare des Alltäglichen haben?“ So beginnt das Aragon-Zitat. Im Bistro erfahren wir dieses Wunderbare. Dramen, Geschichten, Romane spielen sich hier ab, doch ebenso die unscheinbaren Szenen und Alltag. Auch Augé findet für dieses eigentümliche Prinzip, das uns dazu treibt, ein Bistro aufzusuchen, feine Worte:

„Hinter der Illusion steht ein Bedürfnis, und dieses gilt es wachzuhalten; Bedürfnis heißt Leben; es ist hartnäckig, stets bereit, wie Phönix aus der Asche zu steigen, wenn man ihm ein wenig nachhilft. Und eben dafür sind Bistros da.“

Augé fragt, was ein Bistro ausmacht, schaut auf den Ort, dem er seine Aufmerksamkeit widmet und der in der Soziologie gerne Gegenstandsbereich genannt wird. Gehört auch der Troquet oder das Café dazu? Wie grenzt sich das Bistro von der Brasserie und vom Literatencafé ab? Wie schaut es in nobleren Varianten wie der „Closerie des Lilas“ aus oder in der Hotelbar mit Klavierbegleitung? Auf all das richtet Augé seinen Blick. Jedoch, bei allen Varianten und Möglichkeiten: „Die höchste Form des Bistros ist das Bureau de Tabac, …“ Denn immerhin fallen dort Trinken und Rauchen zusammen: Alkoholika wie auch Tabakwaren lassen sich erstehen.

„Bistros sind Orte im eigentlichen Sinne des Wortes: Die Gestaltung des Raums ist von größter Bedeutung, die Zeit ein Wert.“ Augé fängt den Betrieb der Bistros ein, die flinken Kellner, die Typen von Gästen und ihre Eigentümlichkeiten. Bistro bedeutet: sich an einem Ort seine Zeit zu nehmen. Innehalten, in Augenblicken. Bistros haben jedoch auf ein Viertel nicht nur freundliche Auswirkungen, ebenso haben sie mit Veränderungen zu tun. Wenn die „Salonlinken“, so Augé, in den armen Vierteln auftauchen, so daß die schäbigen Quartiere zu ehemals armen Vierteln und dann zu den Vierteln der Reichen werden: „Das Auftauchen der Bobos in alten Arbeitervierteln von Paris …“. Und in dieser Umpolung „ist das Bistro der Bobos eine Art potenziertes Bistro.“ Wobei allerdings die freie Marktwirtschaft ihren Teil dazu beiträgt. Künstler und Studenten sind nur ihre Agenten und nutzen die Chance, die sich ihnen bietet, wie sie auch der Makler im Verkehr der Waren nutzt.

Nein, Paris ist lange nicht mehr das, was es einmal war, so sprechen die, die den Mythos lieben und an ihm saugen. (Aber was ist und was war eine Stadt je? Es fixiert sich bei Städten kein status quo, sondern sie sind Werden und Gebären. Ein Kontinuum als Fließen. Insofern ist das Lamento „Nichts bleibt, wie es war“ oft bloß sentimentaler Reflex.) Bereits in den 80er Jahren lebte es sich in Saint-Germain-des-Prés und Quartier Latin schick, während Belleville noch an vielen Stellen ein übler Ort war, wo niemand wohnen mochte. Das ist heute anders. Doch wenn man sich umschaute, gab es Mitte der 80er Jahre selbst im Saint Germain und im Quartier Latin noch jene Bistrots und Restaurants, wo man günstig trinken und essen konnte. Das wilde Leben im „Tabou“ und andernorts, das Boris Vian beschrieb, war freilich lange verflogen, kein Drehwurm, kein Swing und Plankton tönte, keine Jazztrompeten, kein Jean-Sol Patre las mehr, und Juliette Grecos gehauchtes „Il n’y a plus d’après“ nur noch der Song einer alten Frau, den sie auf Konzerten vor alten Menschen sang.

Über die Jahre, bis heute hin hat sich ihr Ensemble allmählich verändert: die Geschäfte in der Rue Bonaparte: inzwischen schreckliche Kunstgalerien oder noble Boutiquen, die École nationale supérieure des beaux-arts sticht dort wie ein Fremdkörper heraus, das günstige Restaurant nebenan, wo ich manchmal aß, ist seit 2004 fort. Die  Fast-Food-Ketten am Place de l’Odéon, wo die Danton-Statue harrt, ins Museum fixierte Revolution.  Wo im Flore Erinnerungen und der Stadtmythos ins Smartphone gehegt werden. Augé hat auch für diesen Wandel des Bistros, das sich ans Viertel akkommodierte, einen Blick. Jedoch: Eine Definition des Bistros zu liefern, läuft in Augés Sinne am Phänomen vorbei. „Was ist ein Bistro?“ läßt sich nur sagen, indem man ein Bistro besucht: „Tatsache ist, dass das Wort ‚Bistro‘ eine unmittelbare Sympathie transportiert.“ Eine Definition jedoch liefe Gefahr, die Wirklichkeit zu verzerren und den Ort zu zerstören. Also lieber eine Phänomenologie der Praxis, indem der Autor die Orte aufsucht.

Augé fragt, worin die Kraft dieses Begriffes liegt, was den Sog dieses Ortes der Begegnungen ausmacht. Und unter dieser Optik halb des Literaten, halb des Wissenschaftlers schreitet er von seinen Jugend- und Studentenerinnerungen die Zeit ab: Die der Kindheit, als das Bistro den Geruch des Verbotenen verströmte, die Kellerbistros, Kohlegeruch, ein lange verschwundenes Bougnat – es müssen die späten 40er Jahre gewesen sein. Das alte Paris, wie es der Filmmythos konserviert und wie wir es bei Truffaut noch so herrliche erschauen. Die Bistros der Surrealisten um Breton am Boulevard de Clichy, die freilich auch bei Augé nur noch in der Erinnerung als Aura existierten. Verklärendes Es-war. In der Studentenzeit dann, wir kennen es bis heute, egal in welcher Stadt, war das Bistro die Verlängerung des Seminars. Es wurde debattiert, Studenten und Kollegen fanden sich ein. Theorie wird praktisch, würde ich dieses get together nennen wollen.

Doch egal welche Variante von Bistro wir wählen: Es sind Orte der Konversation. Zugleich dienen sie dem stillen Gast als Raum für den Rückzug – streng ritualisiert. Bistros besitzen eine Zwischenstellung. Wir sitzen darin, fühlen uns heimisch und doch sind es keine Wohnzimmer, sondern öffentliche Orte. Wobei diese Stellung ebenso für das Café und die Arbeiterkneipe gleichermaßen gilt: „sich wie zu Hause und zugleich auswärts zu fühlen, aufgenommen und nicht weiter beachtet zu werden.“

Interessant ist insbesondere Augés Beobachtung, daß das Rauchverbot in Frankreich (und in anderen Ländern) eine Neueroberung des Raumes auslöste. Raucher versammeln sich vor der Tür, Fremde kommen ins Gespräch, zwangloser Wechsel der Position, der Bürgersteig verwandelt sich in einen öffentlichen Platz. Doch auch der kommunikative Aspekt ist nicht spezifisch fürs Bistro. Eher schon das, was man auch in den Stamm-Kneipen erleben kann: der Gast wird vom Wirt oder von der Bedienung wiedererkannt, er bekommt morgens automatisch seinen doppelten Espresso auf den Tisch gestellt und ein Croissant mit Butter dazu. Ums Bistro ranken sich Geschichten, und wir können wenn wir dort sitzen, so tun, als läsen wir Zeitung und dabei doch den jungen Frauen am Nebentisch lauschen, uns komplette Geschichten zusammenreimen oder uns ausspinnen.

„Wenn das Bistrot ein romanesker Ort ist, dann vor allem in dem Sinn, dass es der Fantasie Fragmente von Geschichten darbietet, die sich gerade abspielen und deren Vorgeschichten oder Fortsetzungen sich jeder, dem danach ist, (…) ausmalen kann.“

Das Bistrot lädt zum Beobachten ein. All das, was Augé präsentiert und schildert, ist ja eigentlich nicht neu und man selber hätte ebenso darauf kommen können, eigentlich jeder, der gerne in Cafés geht, entwickelt solche Gedanken und schreibt die Skizzen auf oder notiert Wortfetzen um später einmal aus den Aufzeichnungen etwas zu machen.

Eine umfassende Phänomenologie des Bistros, bis in die Tiefen, will das Buch sicherlich nicht liefern, sondern vielmehr, wie der Titel sagt, ist es eine (wunderbare) Liebeserklärung an eine aussterbende Institution, und wie auch Barthes Beobachtungen zum Eifelturm, wird es den Paris-Freund in Reiselaune versetzen. Es enthält mit den Alltagserfahrungen zusammen manche schöne Beobachtung bereit. Man merkt Augé die Leidenschaft zum Ort an. Um zu imaginieren, bietet das Buch guten Anlaß. Für einen Armchair-Traveller, wie ich es bin, genau das richtige. Die Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen, ohne sich dabei fortbewegen zu müssen. Auch das wäre eine schöne, kleine Blog-Serie wert: etwas über Reisen zu schreiben, ohne dabei verreisen zu müssen. Demnächst hier zur anstehenden Urlaubszeit von Piere Bayard „Wie man über Orte spricht, an denen man nicht gewesen ist“.

Marc Augé: Das Pariser Bistro. Eine Liebeserklärung, 118 Seiten, Hardcover, Übersetzung: Felix Kurz, 15,00 €

Pariser Ansichten (3) – vom Friedhof Père Lachaise

„Die Existenz des reinen Begriffs, in den der Geist aus
seinem Körper geflohen, ist ein Individuum, das er
sich zum Gefäße seines Schmerzes erwählte.“
(G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes)

Auf dem Friedhof Père Lachaise schlafen die Toten, und Spatzen springen in den Pfützen. Das Leben der Spatzen ist unendlich, denn sie sind immer und unermüdlich da, stöbern und stochern in den Büschen. Das Leben der Menschen ist begrenzt. Touristen irren bereits frühsonntags zwischen den Gräbern, den Steinen und in all dem Grün umher, die Prominenten zu suchen. Die, die es einmal waren. Vom Grab Jim Morrisons ist schon lange die Büste abmontiert und gestohlen. Ich habe sie Mitte der 80er Jahre noch gesehen; von Fans besucht, mit Sprüchen beschrieben, über und über, rund um das Grab lagen Devotionalien, die Freunde der Pop-Musik dort ablegten. Eine Horde dummer, lärmender, deutscher Hippies lungerte am Grab. Grölend zogen sie irgendwann weiter und aus meiner Sichtweite. Die in schwarzen Stoffen gekleideten alten Damen auf den Parkbänken blickten den drei Männern und der Hippiefrau böse nach. Heute befinden sich Absperrgitter aus Metall um das Grab. Sie sind mit na was wohl behängt?: Mit Schlössern. Die Individualität der Popkultur äußert sich in kollektiven Akten.

Steinerne Frauen thronen über Grabstellen, manchmal mit abgebrochenen Armen. Andere verbergen ihre Gesichter in ein Tuch aus Stein. Der „Übergang vom endlichen zum unendlichen Leben“ gilt als nicht gesichert, aber manche nehmen ihn an. In südlicher Lage ragt die Mur des Fédérés, dort wurden die letzten Aufständischen der Pariser Kommune im Mai 1871 erschossen. 145 Jahre ist es her. „Le Temps des cerises“, kurz vor Mai, kalter April. Was für ein schönes Lied! Heute ist es der Name einer Modefirma, die ihre Produkte über Zalando vertreibt. [„Chaque époque rêve la suivante“ J. Michelet] Das Hier-und-Jetzt dieses Friedhofsortes erweist sich als stiller Raum für einen Rückzug von der Stadt. Der Lärm dringt nur von der Ferne ans Ohr, als eine Art Grundrauschen. Paris ist still. Zum Spazieren und Verschnaufen vom wilden Treiben eignet sich dieser Friedhof wegen seiner Größe hervorragend. Ebenso, um sich dort beim Stöbern zu verlieren. Ach, guten Tag Oscar Wilde, und wie schön meinen geliebten Marcel Proust zu treffen und jenen rundlichen Herren, der die menschliche Komödie notierte. Walter Benjamin schreibt in seiner „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“:

„Sich in einer Stadt nicht zurechtzufinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung. Da müssen Straßennamen zu dem Irrenden so sprechen wie das Knacken trockner Reiser und kleine Straßen im Stadtinnern ihm die Tageszeiten so deutlich wie eine Bergmulde widerspiegeln. Diese Kunst habe ich spät erlernt; sie hat den Traum erfüllt, von dem die ersten Spuren Labyrinthe auf den Löschblättern meiner Hefte waren.“

Ein Erinnerungsbuch, hinter den Dingen die Zeichen zu lesen und Orte zu dechiffrieren. Abhub der Erscheinungswelt und abends Spukgeschichten. Auch auf einem Friedhof läßt es sich gut verirren und umherirren und wie durch einen Zufall auf die Gräber stoßen.

Apologien des Zufalls – Daido Moriyama in Paris (1)

30b71f4f12413461f447e3cfb00511b533dec9eaWer die Fondation Cartier am Boulevard Raspail betritt, dem wird, wie mittlerweile in jedem Museum von Paris, gründlich per Apparat in die Tasche geleuchtet oder per Auge in den Rucksack geblickt. Safety first. Aber die Wachmänner scherzen und lächeln zumindest nett. Bevor ich jedoch ins Museum schritt, besuchte ich die Toten auf dem Friedhof – wenn ich schon im Montparnasse-Viertel mich herumtreibe. Sartre, Baudelaire, Beauvoir, Gainsbourg, Barbey d’Aurevilly, Maupassant, Jean Seberg und Sam Beckett. In diesem Falle stimmte mich der freundliche Friedhofsort gut ein, um die Photographien von Daido Moriyma zu besehen, denen eine gewisse Darkness nicht abzusprechen ist. Einerseits ist da die Ruhe der Gräbergassen: die Sonne flutet, Spatzen springen und vereinzelt sprießt Grün, keimt zwischen den Steinen; wenige Menschen nur, doch viele Eindrücke präsentieren sich, die es in Photographien festzuhalten gilt. Dennoch sind die Pariser Friedhöfe genauso eine Steinwüste wie die Stadt selbst. Wer von erhöhtem Punkt aus auf Paris blickt, sieht grau, das nicht endet. Die Ruhe der Toten hier und andererseits das quirlige Treiben in Tokio, in Farbe wie auch s/w, durch den Kamerasucher von Daido Moriyma ins Bild fixiert – obgleich diese Photographien zugleich das Gegenteil von Fixierung und von flanierendem Treiben sind. Aber dazu später.

Im ersten Raum werden auf Tafeln in großen Formaten Bilder in Farbe dargeboten, im zweiten in einer Art Diashow Photos in s/w projiziert. Bei Photographien, die der Photograph ins Überdimensionale aufbläst, gehöre ich zu denen, die sich beim Betrachten der Übergrößen innerlich diese Bilder auf 18 x 24 cm herunterrechnen. Eine gute Photographie wirkt selbst in diesem Maß noch, das sich die Bechers in Düsseldorf als wesentliches Format erkoren, während schlechte Photos durchs Aufplustern zwar zunächst überwältigen, aber im Kleinformat schnell schrumpfen. Das Prinzip „stern“ in den 80ern: eine Doppelseite Bild wirkt pompöser als ein Photo, das lediglich ein Viertel der Seite einnimmt. Bei Moriyama geht das jedoch anders. Größe und Anordnung der Photographien sind einem Prinzip geschuldet, das mit den abgebildeten Motiven korrespondiert. Die Bilder erscheinen in dieser Ausstellung nicht bloß als Photographien, wie man sie genausogut im Katalog blättern kann, sondern sie wirken geradezu skulptural, als Environment und auf den Raum bezogen – sei es im Diasaal, wo eine Art Phototagebuch abgespielt wird oder im Tokio-Farbraum, wo zwischen Stahlgestängen gespannt die Großformate prangen und miteinander verkuppelt sind. 2, 3, 4 oder 6 Photos nebeneinander. Rand an Rand, ohne Begrenzung und Rahmen. Ins Detail gezoomt, oft ein Farbflash. Ungleichzeitiges, das im Raum sich verbindet.

Das Flaneurmotiv wird im Kontext des spazierend-blickenden Photographen oft bemüht und leider auch überstrapaziert, ebenso das des sehenden Autisten. Sich abkoppeln, den Blick ändern und trotzdem die Welt punktgenau beim Spazieren im Schnappschuß oder in dunklem Ahnen des Voraus auf den einen Moment hin festzuhalten. Oder es versenkt der Photograph sich ins Detail, geht näher heran, noch näher und immer einen Schritt weiter. Im Grunde müssen alle Photographen Benjamin-Leser sein, die ihren Blick aufs Nebensächliche richten und jenen mikrologischen Blick ausbilden. Bei Moriyama trifft die Redewendung von den „vergrößerten Kleinigkeiten“ exakt die Bildinhalte.

In dieser Ausstellung, die den Rahmen klassischer Photohängung wie auch der üblichen Bildrepräsentation bricht, wenn nicht sprengt – insofern sprechen wir besser von einer Installation oder einem Bild-Environment – parieren wir die Schocks in der Flut von Reizen, wie es Walter Benjamin für das Paris des 19. Jahrhunderts und überhaupt für die Großstadt in seinen Baudelaire-Studien festhält. Ein Reigen und Rausch an s/w-Bildern schwirrt durch die Sinne, Laute klingen, Musik, Geräusche, ein multimediales Ensemble im dunklen Raum. Diese Art der Präsentation erweitert mächtig die Grenzen der Photographie. Daten werden eingeblendet, wann die Photos aufgenommen wurden. Aber das Wo bleibt im unklaren. Wir sehen, ohne zu wissen. Das private Phototagebuch bleibt für den Betrachter, der der Flut an Reiz erliegt, nur schwierig dekodierbar. Allenfalls lassen asiatische Schriftzeichen auf Japan schließen, typische Gesichtszüge der Region auf Asien. Aber auch das mag täuschen, denn unweit vom Boulevard Raspail befindet sich der Place d’Italie, in dessen Umgebung die asiatische Community lebt. Da Moriyama die Serie „Dog and Mesh Tights“ für diese Ausstellung konzipierte, läßt sich genauso vermuten, daß ein Teil der Bilder in Paris entstand. Wir wissen es nicht. Und es ist im Grunde im Bilderfluten des Mehrkanaltons gleichgültig. Wir haben ein Datum, das uns Moriyama zum Bild liefert, und einen Zeitraum, in dem die Aufnahmen entstanden: Zwischen Juli 2014 und März 2015. Wir flanieren im Nirgendwo. Oder genauer gesprochen: Am Ort der Bilder auf dem Galeriehocker, in den Bildern selbst, in ihrer inszenatorischen Qualität. Vermittels ihrer Reizflut läuft ein armchairtravelling.

c5a85edf7a05fe764b7f640f52720f2b843771f5Was zeigen diese projizierten Bilder? Häufig Objekt und Details, manchmal Straßenszenen, ab und an sehen wir darin Menschen wie Zufallsfunde. Derangierte Objekte. Doch es überwiegt der Eindruck einer auf uns einstürmenden Dingwelt und dazu noch aufs Detail gezoomtes Bildwerk. Schwarzes, Dunkles, Weiß, das überblendet, kaum Grauwerte, oft mit Weitwinkel aufgenommen, kontrastreich präsentiert, hart in den Tonwerten, was den Eindruck des Düsteren verstärkt. Eine Klorolle, an einer Wand montiert, den Rücken eines Harley-Davidson-Rockers mit Kutte, der beim Pissen vor einem Urinoir steht, sehen wir; ein Tesafilm-Abroller, Rohre, ein Frauenschuh in einer Auslage, Schläuche, zerdrückte Bierdosen, eine Puppe in einem Schaufenster, die die besten Jahre hinter sich hat und nun beim Trödler auf Abkauf wartet, Rollentreppen, die sich in einem Spiegel vervielfältigen, eine Cola-Flasche, Straßenecken, Röntgenbild, ein Skelett, ein Duschkopf mit Wasserausspritz, ein Plastiknashorn. 291 Photographien, lauter aufgelesene Eindrücke von irgendwo her, gefundenes Zeugs. Heidegger hätte nicht schlecht gestaunt über Zuhandenes und Vorhandenes. Zeugs und Szenen wie ich es ebenfalls – bisweilen von jeglichem Kontext abgezogen – zu photographieren liebe.

b59d7ad59ba97736e7682bf9a03e0c87c8a00a08Assoziativ Aufgeschnapptes vom Streetlife, Schnappschüsse eben, jedoch ohne sich lokalisieren zu lassen und Zeugnis zu liefern – wie etwa bei einer Photo-Reportage oder bei Bildern in einem Reiseführer von Tokio. Moriyma dokumentiert auf eine völlig andere Weise, die das klassisch Narrative einer Photoserie umkippen läßt, indem das Serielle sich auf eine fast unheimliche Anwesenheit der Dinge kapriziert. Auf Bildfetzen, die durch die Detailsicht sofort anspringen, aufschrecken lassen und oft auch abschrecken. Aber durchaus lustvoll. Die Ästhetik der Härte findet bei Moriyama ihren angemessenen Ausdruck, ohne dabei outriert zu wirken. Das Schöne an seinen Arbeiten ist, daß sie uns keine im klassischen Sinne schöne Welt vorführen oder uns Höhlenbilder liefern. Eher schon Höllenbilder. Manchmal spült eines der Photographien beim Betrachten eine Erinnerung samt einem Geruch aus vergangener Zeit hoch: wie etwas das Kunststoffnashorn in s/w an eine Kindheit in Farbe und Plastiktiere gemahnt. Aber all das und die Assoziationsvermittlungen sind mehr einem Zufall geschuldet.

Objet trouvé, ein Tagebuch aus Fetzen. Moriyama liefert die gesteigerte Surrealisierung des Realen. Oder die Realisierung einer an sich surrealen Welt in der Photographie. Bildfragmente, wie sie im Grunde nicht viel anders die Welt darbietet, wenn wir uns den kontinuierlichen Bilderfluß unseres Wahrnehmens als zerhäckselt vorstellen. Nur: wir ordnen’s. Doch es zerrinnt. Wieder und wieder. Dieses Zerrinnen und das Partikulare des Blicks spiegelt uns Moriyama in seiner seriellen Bild-Show. Er bricht damit den Pragmatismus unseres Alltags. Einer Logik der Repräsentation folgen diese Bilder nicht mehr. Trotzdem sie auf Details sich kaprizieren, übersteigern und dekontextualiseren diese Photographien die Lebens- wie auch die Dingwelt. Dazu tragen ebenfalls die surrealen Anmutungen bei, die bei Moriyama auf das Prinzip des Seriellen ausgefahren werden.

Was aber im Rausch der Blicke wie des Abbildens bleibt, ist die Härte der Dinge. Passend irgendwie zu Paris, wo jener Schriftsteller lebte und dann auch begraben wurde, der in seinem Roman „Der Ekel“ diese Undurchdringlichkeit und die Opazität ihres So-Seins zum Thema machte.

(Ende des ersten Teils, im nächsten geht es weiter mit der Tokio-Serie.)

Daido Moriyma in der Fondation Cartier bis zum 5. Juni 2016. Den schauenswerten Katalog gibt es in der Ausstellung zu kaufen:
Daido Moriyama, Daido Tokyo. Publisher: Fondation Cartier pour l’art contemporain, Paris, französisch/englisch, 377 Photos in Farbe und s/w, ISBN: 978-2-86925-122-9
Die Photographien sind der Homepage der Fondation Cartier entnommen.

Pariser Ansichten (1)

Photographien aus Paris, geschossen und locker in Reihe eingestreut. Nicht als Tagebuch oder als Dokument gedacht, das ich zeigte, an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Straße, in einem bestimmten Quartier gewesen zu sein, sondern als Blick auf eine Stadt, während ich mehr oder auch manchmal weniger wachen Auges durch die Straßen spaziere. Es mischen sich Gesamt und Details. Flüchtigkeit und den Zufall bannend. Immer wieder, seit Jahren schon, überlegte ich, ob ich die Bilder selbst mit einem Datum markieren, also im Bild mittels Kameratechnik ein Datum einfügen sollte. Dann sah ich es bei Daido Moriymas s/w-Photographien in der Pariser Ausstellung. Die Idee ist nicht schlecht, aber ich möchte im Grunde keine Konkretion irgendeines Datums als Maß der Zeit. Oder mit Daten spielen wie On Kawaras Konzeptkunst und diese Daten mit der Imagination und dem Tagesaktuellen jeweils vor Ort verschränken. Nein. Dem Fluß der Zeit einen Fluß an Bildern entgegensetzen. Starres, das doch fließt und sich nie sistiert. In den Bruchteil der Sekunde gefroren und doch beweglich, taktil, mobil. Wie die Kamera selbst. Lediglich einige wenige Ereignisse will ich datiert wissen und genau dieses Datum als ein solches Bild festhalten –als unnachahmliches, einmaliges unwiederholbares Dies-da. Bei meinen Spaziergängen durch Städte und Landschaften spielen die Daten keine Rolle – manchmal wie beim Le Bataclan oder am Place de la République ergeben sich die Hinweise auf bestimmte Ereignisse von selber. Eigentlich ist es sogar überflüssig, im Titel den Namen der Stadt zu nennen. Ansichten, durchnumeriert, das genügte.