Einmal wieder hat Putin gestern bei seiner Geschichtsshow in Wolgograd demonstriert, daß mit einem solchen Menschen kaum noch Verhandlungen denkbar sind. Und er hat einmal wieder gezeigt, auf welche Weise der Zweite Weltkrieg zum Zwecke eines neuen Angiffskrieges instrumentalisierbar ist – dabei der brutale Täter, der Kriegsverbrecher, der wie in Butscha, Irpin, Mariupol, Cherson Zivilsten hinrichten läßt, der Kindermörder, der Frauenvergewaltiger sich als Opfer ziert. Einmal wieder die russische Kunst der vranyo als politisches Instrument. Und aus brutalen Tätern werden Opfer. Nur daß eben diese Opfer bedauerlicherweise andere überfallen: dieses Faktum bekommt der blutige Lurch aus Moskau nicht weggelogen – auch wenn er es mit jenem System des vranyo zu verschleiern gedenkt. In Rußland jedoch beim gegenwärtigen Geschichtsbewußtsein der allermeisten Menschen dort, wird kaum einer wissen, daß es den Leopard 2-Panzer während des Zweiten Weltkriegs nicht gab. Es können also auch keine Leopard-Panzer im damaligen Stalingrad zum Einsatz gekommen sein. Davon abgesehen, daß es in diesem Fall der notwendigen Panzerlieferungen an die Ukraine nicht Rußland ist, das von der Ukraine überfalllen wurde, sondern umgekehrt führt Rußland seit 2014 einen Krieg gegen die Ukraine: von der Einflußnahme auf die Marionette Viktor Janukowitsch bis zur Annexion der Krim und dem russischen Krieg im Donbas. Wolgograd wurde übrigens gestern zu den Feierlichkeiten noch einmal in Stalingrad umbenannt und fröhlich tanzten dort die russischen Stalinisten unter Stalins Konterfei. Auch diese Bilder illustrieren das System Putins gut.
Aber auch im Westen wird man nicht müde, beim Aufbau einer neuen Querfront. Putins Kumpeline Sevim Dagdelen und Björn Hocke, der alte Russenbock: da wächst zusammen, was zusammengehört.

Sozusagen der Hitler-Stalin-Pakt in Westentaschenformat. Sicherlich wollen Dagdelen und Höcke, das Traumpaar, die russischen Angreifer mit Wattebällchen und Wasserpistolen aufhalten.
Es gibt einen treffenden Satz, den eine Facebook-Kommentatorin im Blick auf eine jener Putin-Apologetinen geschrieben hat, die im Internet die Foren volltrollen. Im Blick auf das Weltbild Putins und im Blick auf die russische Außenpolitik schrieb sie:
@Aureliana: Leider hast Du Unrecht. Du denkst, Du verstehst Russland, aber gehst 100% von Deiner westlichen Friedenswarte (!) aus!! Bist also viel ablehnender zu Russland und dem Frieden als Du denkst!! – Ich habe vier Jahre ( 2007-2011) in der russ. Botschaft als Beraterin gearbeitet und dabei mit Schrecken festgestellt, dass das russ. Weltbild in deren Politik ( ja, bin auch Putin begegnet!) Krieg und Waffen und Unterwerfung und Mord an Andersdenkende (auch politische Gegner und ehemalige Freunde!) als „normal“ ansieht und Frieden als Schwäche!!!
Darum werden Putin und Co. nur bei einem Sieg der Ukraine aufhören… sonst immer und immer so weitermachen… leider. Putin ist schlimmer als die Mafia, und die lacht bei einem Friedensangebot auch nur, das kennst Du vielleicht… (war auch zwei Jahre in Palermo.. Russland hat die grausamere Energie gehabt, leider)
Sehr liebe friedvolle Grüsse!! ( Dasmeine ich ernst! Aber Friedenswünsche dürfe nicht naiv sein, sondern sorgfältig abwägend angegangen)“
Interessanterweise tarnen sich diese Apologeten Putins, wie auch Gabriele Krone-Schmalz, regelmäßig hinter der Maske des Friedensfreundes, sämtliche historischen und politischen Fakten ignorierend, die jenen russischen Imperialismus und die Putin-Diktatur samt vranyo (spezielle Form des Lügens) betreffen. Vor der russischen Botschaft demonstrieren und ihre Friedensforderungen in Moskau vorbringen – da nämlich, wo der Krieg begonnen wurde – hat man diese Leute aber niemals gesehen. Es wird so getan, als hätten die USA die Ukriane überfallen.
Von keinem einzigen dieser „Friedens“freunde habe ich bisher einen einzigen sinnvollen Vorschlag gehört, wie man Putin zum Abzug seiner Soldateska bewegen könnte. Und das gilt leider auch für seriösere Akteure wie Juli Zeh, die ich nicht für eine ideologisch verblendete Hetzerin halte – anders als die Haßprediger Dagdelen und Höcke. Natürlich sollten Verhandlungen die oberste Option sein. Wenn aber keiner da ist, der verhandeln will, dann ist es sinnlos, Verhandlungen zu fordern.
Putins Logik ist die des Schulhofschlägers, und es liegt einmal mehr den Verdacht nahe, daß im Kreml langes schon keine Politik mehr regiert, sondern ein kriminelles Kartell, das mehr Ähnlichkeit mit dem Methoden der Organisierten Kriminalität hat als mit einer politischen Ordnung. Dieser Bericht ist durch vielfältige andere Berichte und Aussagen von Privatleuten, Diplomaten, Politikern und Journalisten bestätigt, die ähnliches über russische Politiker – beileibe nicht nur Putin – aussagen. Und dies zeigt sich auch darin, daß, fast wie in einem Failed State, mittlerweile Warlords den Ton angeben: so der Chef der Wagner-Söldner Jewgeni Prigoschin oder der brutal-dumme tschetschenische Milizführer Ramsan Kadyrow.
Wir haben in Rußland eine Situation wie sie für gefestigte Diktaturen typisch ist, die sich über Jahre etablieren konnten. 90 Jahre Machtergreifung durch die Hitlerdiktatur geben in dieser Linie zumindest einen guten Aufschluß, was die Durchseuchung einer Gesellschaft mit Ideologie und mit Haß betrifft – bei allem Unterschied der Systeme ansonsten.(Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel spricht vom Putinismus, was eine harmlose Umschreibung ist.) Dennoch: Wer heute „Nie wieder Faschismus“ sagt, der muß zwangsläufig auch sagen „Putin muß weg!“ – und das geht im Augenblick am ehesten, indem Putin in der Ukraine besiegt wird. Soviel auch in die Richtung derjenigen in der Partei Die Linke gesprochen, die sich noch nicht von Zarenknechts braunrotem Taint haben anstecken lassen und die hier letzten Sonntag am Rosa-Luxemburg-Platz demonstrierten, ohne dabei vor die russische Botschaft zu ziehen: „Verhandlungen statt Panzer“ wie eine der Aufrufparolen lautete, sind nur dann sinnvoll, wenn es jemanden gibt, der verhandeln will. Ilko-Sascha Kowalczuk schrieb es im Blick auf diese Demo in drastischen, zugespitzten, aber auch deutlichen Worten:
„Die sind so lost – wenn sie sich schon nicht nach Moskau trauen, wohin die Forderung gehört, sie stellen sich nicht einmal vor die Botschaft Russlands in Berlin, nur 15 Gehminuten von der Volksbühne entfernt. Schämt Euch, Ihr Kriegstreiber, Putinfreunde, Unterstützer von Kriegsverbrechen und Massenmord – Ihr habt weder aus der SED-Diktatur noch vom 30. Januar 1933 irgendetwas gelernt! Ihr versteht nicht, was „Nie wieder!“ bedeutet! Linkspartei“
Sowenig wie man mit der Mafia verhandeln kann, kann man mit Rußland verhandeln,solange das kleptokratische und terroristische System Putin in Rußland im Sattel sitzt. Und da muß man es für die Zukunft mit dem SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagen:
„Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland geben kann; dieser Satz hat keinen Bestand mehr. Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren.“
