Porsche nun unter dem Dach von VW

Virtuelle Fundstücke (3)

Wendelin Wiedeking ist im Kampf der Familien und der Unternehmen, im Malstrom der Strukturen entmachtet, zerrieben, verweht, ja, mit diesem Hauch von Tragik, untergegangen, und mit ihm eine Zeit, und er geht mit 50 oder waren es 10 oder 30 oder 40? Millionen EUR Abfindung. Aber die Hälfte davon will er für gute Zwecke spenden. Da hat Wiedeking also Peter Sloterdijk gelesen.

Warum ich überhaupt darüber schreibe, fragen jetzt werte Leser? Dies sei doch ein Blog für Ästhetik und Philosophie.

Ja, genau deshalb: Weil es in den 70er Jahren den wunderbaren (VW-)Porsche 914 gab:

 

porsche_914

 VW_Porsche_2

Ein Mittel-Motor von VW, hinter den Sitzen angebracht, ein gesundes Röhren beim Fahren. Das Auto wurde von 1969 bis 1976 produziert und war in dieser Zeit und auch noch in den 80ern auf den Straßen zu sehen. Heute ist dieses Vehikel selten geworden. Wer diesen Takt, diesen Sound des Motors beim Fahren einmal gehört hat, vergißt ihn nicht. Niemals mehr. (Das ist fast so wie beim VW-Käfer als Kindererinnerung all derer, die in dieser Zeit aufwachsen durften. Wenn man bei 120 km/h auf der Autobahn, hinten sitzend nach vorne über diese Stoffsitze ohne Nackenstütze zu den Eltern geschrien hat, ohne daß diese ein Wort nur verstanden, weil der Motor alles überdröhnte.)

Weil dieses Auto vom Ästhetischen her in die Augen sticht, möchte ich, einfach mal für nur so, an diesen schönen, kaum noch im Straßenbild wahrzunehmenden Wagen erinnern. Es gibt immer mal wieder schöne Dinge und schönes Design auf der Welt.

Nachtrag vom 25.7.2009: Diese Photographien sind nicht von mir gefertigt, sondern dem Internet entnommen. Da ich das Urheberrecht an Eigentum bei Wort und Bild für sehr wichtig erachte, so seien hier die Quellen genannt:

Bild 1: http://www.autowerkstatt-87.de/html/pkw/g_bild126.htm

Bild 2: http://www.autobild.de/mmg/mm_bildergalerie_718282.html

Diese letzte Quelle ist für den einen oder die andere womöglich politisch eher unkorrekt. Da Recht aber zuvorderst auf formalem und dann erst auf inhaltlichem Wege funktioniert, nenne ich die Quelle trotzdem, schicke aber gerne auf Wunsch ein „Fuck them all“ hinterher. Ich hoffe, der Pflicht damit genüge getan zu haben. Es folgt die Kür.

Die gut geölte Politmaschine

 Eine Art vorauseilende Kritik

Am 16.4.2009 gab es einen Beitrag auf „Kulturzeit“ (3sat) über die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Kontrakte des Kaufmanns. Eine Wirtschaftskomödie“ am „Schauspiel Köln“. (Ich hoffe, der Titel ist nicht auch noch eine dämliche Peter Greenaway-Anspielung.) Vielleicht ist diese Kritik ungerecht, weil ich nur Ausschnitte gesehen habe, und am Ende, im ganzen gesehen, entpuppt sich „Die Kontrakte des Kaufmanns“ als vorzüglich. Allein, ich vermag es nicht zu glauben. Denn das, was gezeigt wurde, ist ästhetisch absolut mißlungen. Es ist eine Theaterzumutung, und es ist dies billigstes und vor allem banales Polittheater. Doppelung dessen, was sowieso schon der Fall ist. Abkupfern der Realität. Da hilft es dann auch nicht mehr, Elemente der griechischen Tragödie oder des antiken Chors einzubauen. Monologe von erschreckender Simplizität werden geboten, ein kindisches Bühnenbild und Kostüme als Klischee.

Jelinek hat sich einmal wieder ein politisches Thema ausgesucht, die Entrüstungs- und Kritikmaschine einer linken Schickeria, die bequem am Wohlstands-Chianti süffelt, läuft gut geölt weiter: Mal ist es Abu Ghraib, mal der Haider, nun die (mittlerweile globale) Krise. Ohne Anstrengung am ästhetischen Material wird drauflosmontiert und ein Theatertext zusammengebastelt. Ein wenig Volkes Stimme, ein wenig Banker-Geschwätz, bestimmte Typen und Figuren, die das kapitalistische Ensemble und damit unsere Gesellschaft abbilden sollen. Dies ist sehr dürftig und (im schlechten Sinne) postmodernes Herumgespiele. (Es gibt auch ein gutes postmodernes Spiel.) Das schlimmste aber: es wird ein komplexes Geschehen trivialisiert und in einen erschütternd banalen Text gegossen. Da nützt es dann auch nichts, wenn das Textgeschehen sich zu einer dreieinhalbstündigen Wortkaskade verdichtet, die Rhythmik und Struktur besitzt und somit ein (ästhetisches) Eigenleben führen mag. Aufschlußreich ein Satz, den der Regisseur des Stückes sagte: daß Jelinke innerhalb von drei Tagen einen weiteren Text für diese Aufführung geschrieben hat.

Ob man ihn nun mag oder nicht, aber mit einem Satz hat Marcel Reich-Ranicki recht: Solch einen Text würde kein Verlag veröffentlichen, lieferte ihn eine unbekannte Jungdramatikerin ab. ( Reich-Ranicki gebraucht eine ähnliche Formulierung einmal bezüglich eines neuen Buches von Peter Handke.)

Man kann zu all dem nur soviel sagen:

a) Es sehen diese 3 ½ Stunden ohne Pause sowieso nur diejenigen, die es eh schon wissen. Die ganze Situation hat insofern etwas Inzestuöses, und auch die Selbstreferenzialität macht es nicht besser: daß der Regisseur sich selber in den Kreislauf einbezieht. Das ist auch, ins Allgemeine gesprochen, ein entscheidender Punkt gegen Polit-Theater und politische Botschaften im ästhetischen Text: Es wartet hier nichts Neues, keine neuen Aspekte und Blicke werden eröffnet, nicht einmal das Moment ironischer Gebrochenheit, das etwas Verstörendes auch für diejenigen hat, die es bereits wissen und die kennerhaft nicken. Lediglich das politisch Korrekte feiert im Polit-Theater seinen Triumph, die vorgestanzte Botschaft. Selbstbeweihräucherung und kollektives Sich-wieder-erkennen, so wie man auf der Demonstration dann „Hoch die internationale Solidarität“ oder ähnliches ruft, um in den kollektiven Rausch zu fallen, der sich noch steigert, wenn inmitten der Hoch-Rufe aus den Mannschaftswagen ausgescheuchte Polizisten anfangen, die ersten Polizeiketten und Schilderreihen zu bilden.

Diese Ausführungen sind kein Plädoyer gegen das Polit-Theater generell, sondern gegen eine bestimmte Form des politischen Theaters, der es nur auf Identität und Identifikation ankommt. Dieses Stück bzw. dieser Text samt der Inszenierung gehört dazu. „Die Kontrakte des Kaufmanns“ sind ein Schnellschuß. Mehr nicht. Sie illustrieren den Kapitalismus nicht, geschweige, daß sie ihn analysieren, sie werden seiner Komplexität nicht gerecht. Womit wir bei Punkt b) wären:

b) Es sollten Subventionen (also staatliche Gelder für Kultur) nicht in Projekte fließen, wo Menschen lediglich ihre persönlichen Befindlichkeiten und Ansichten dar- und ausstellen, ohne daß ein ästhetischer Überschuß produziert wird. (Es werden nebenbei gesagt viel zu viele große Theater subventioniert.) Damit sind wir (über diese Inszenierung hinausgehend) auch bei dem ganz allgemeinen Problem der Kultursubvention: all die Zuwendungen und die inflationären (Geld-)Preise, insbesondere in der Literaturszene. Keine Stadt, die nicht einen Literaturpreis anbietet. Das ist Unfug und macht nur bequem: Dichter und Denker, Künstler: ihr sollt schwitzen und arbeiten und nicht nach Preisen schielen. Verdient euer Geld mit euren Büchern, Bildern, Filmen oder Inszenierungen, und wenn das nicht funktioniert, dann geht einer weiteren Tätigkeiten nach, um an Geld zu kommen. (Zudem herrscht auch hier bei solchen Preisvergaben und Subventionen ein ungesunder Inzest und Nepotismus vor. Dies ist das allerschlimmste!) Kunst wird durch Subventionen nur fett und faul, aber nicht besser. Es bleibt meist (gefällige) Staatskunst übrig.

c) Ich denke, dieses Thema des Kapitalismus und diese (sehr komplexe) Krise ist zu ernst, um sie ästhetisch unterkomplex zu verbraten. Wollte man eine ästhetische Auseinandersetzung auf der Bühne, im Text eines Stückes, so gehört dazu ein wenig mehr als das Zusammenmontieren von Vorgefundenem und (Sprach-)Klischees. Zum Ende hin darf dann auch ein kleines Familienmassaker mit den obligaten Videoprojektionen nicht fehlen. Das reicht jedoch nicht aus, und es ist nicht anders als in bestimmten (quantitativen) soziologischen Untersuchungen, die uns sagen, daß 41 % der Bevölkerung dieses oder jenes meinen, nämlich die schlichte Verdoppelung der Realität, ohne daß sich durch solches Verfahren irgendein Erkenntnisgewinn einstellte.

d) Liebe Frau Jelinek, auch wenn Sie das hier nicht lesen und somit nicht beherzigen können: Ein Kritikpunkt noch in eine ganz andere Richtung: Älter werdende Menschen sollten keine Adidas-Jacken mehr tragen. Junge Menschen wollen nicht, daß ihre Eltern oder Großeltern in denselben Sachen herumlaufen wie sie selber. Junge Menschen wollen sich von den Erwachsenen (protestierend) absetzen. Junge Menschen wollen auch nicht ihre Eltern, Lehrer, Ausbilder oder Professoren in denselben Clubs, Bars und Diskotheken sehen. Wenn ihr also nicht wollt, daß junge Menschen irgendwann in Thor Steinar- oder Consdaple-Klamotten herumrennen: dann tragt bitte, bitte, keine Adidas-Jacken mehr in eurem Alter. Ich habe mir damals einen Reichsadler des Reichsarbeitsdienstes (oder ähnliches) als Badge an das schludrige Jacket geheftet, weil ich mir gegen meine linken Lehrer nicht anders mehr zu helfen wußte. Soweit muß es doch wirklich nicht kommen.

Diesen Sonntag erscheint ausnahmsweise kein Text. Nächste Woche gibt es den dritten und letzten Teil der Besprechung von Harald Welzers „Klimakriege“. Zudem folgt eine Besprechung von Clemens Meyers „Die Nacht, die Lichter“.

Immanuel Kant – Zum 205. Todestag

 Ich habe ihn, ich gebe es zu, vergessen vor lauter Thomas Bernhard: Immanuel Kant, welcher heute seinen 205. Todestag hat. Bernhard zumindest hätte es gefallen, am selben Tag sterben zu dürfen, wie jener große Philosoph der Aufklärung, zumal Bernhard schließlich ein Theaterstück mit dem Titel „Immanuel Kant“ geschrieben hat.

Kein besonderer und extra runder Todestag heute, doch ein besonderer Philosoph, der gerade jetzt in den Zeiten einer allgemeinen Manipulation durch die Medien und in der es kaum noch mediales, kritisches Gegengewicht gibt, wichtig ist und es wert ist, immer wieder und wieder gelesen und studiert zu werden. (Als kleines aufklärerisches Korrektiv sei hier etwa auf die Nachdenken-Seite oder auf „Kritik und Kunst“ verwiesen, um nur einige Seiten zu nennen.)

Also auf die Schnelle (was eigentlich ungerecht gegen ihn ist): ein paar Sätze zu Kant. (Doch ungerechter noch wäre es, gar nichts zu schreiben über diesen Großen aus Königsberg. Ich hätte heute – naturgemäß – auch gerne etwas zu Darwin geschrieben, doch die traumatischen Erfahrungen aus dem Leistungskurs Biologie halten mich davon ab.)

Nicht nur bedeutet Aufklärung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, wie es Immanuel Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung“ schrieb, sondern es ist diese Aufklärung eine Lebenshaltung, um – zumindest im Denken, wenn es in der Praxis schon kaum noch möglich ist – standhaft zu bleiben innerhalb einer Welt, in der dauernd manipuliert und getrickst wird, um Menschen für dumm zu verkaufen und sie dahin zu bringen, wohin man sie haben will. Als kleines Nebenher-Mäandern: daß ausgerechnet die FDP, der Antreiber eines radikal neoliberalen Kurses, in der größten Wirtschaftskrise seit 1929 mit 18 % in den Umfragen dasteht, ist wohl eigentlich als ein Hohn anzusehen: um billig zu kalauern: es wählen sich die Kälber ihre Metzger selber, das Bürgertum glaubt, durch diesen Akt vorauseilenden Gehorsams noch einmal davon zu kommen: aber sie täuschen sich. Es kommt eben keiner so einfach davon, nur weil er auf den Gesang der Sirenen hört und sich mit dem Aggressor gemein macht: das, was die Krise eigentlich ausgelöst hat, soll sie wieder austreiben: lächerliche Homöopathie, die dem Publikum um den Bart geschmiert wird. Wie heißt es bei Heiner Müller: Erst wenn sie mit Schlachtermessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen. So wird es leider kommen, und bei dieser nächsten Bundestagswahl 2009 wird der aufklärerische Impuls kaum Wirkung zeigen.

Aber um aus der unnützen Aufregung zurückzukommen: Insofern ist Aufklärung und Entschleierung hier mehr als wichtig, insofern tut Kant mehr als Not, nicht nur im Feld der theoretischen Philosophie die Grenzen der Metaphysik aufgezeigt zu haben, auf daß sie nicht Ansprüche erhebe, die ihr nicht zustehen, sondern auch im praktischen Bereich einer Ethik das Fundament zu sichern, ohne hier auf theologische Prämissen oder – als Gegenposition – auf das größte Glück der größten Zahl, also einen Utilitarismus, zurückgreifen zu müssen. Wie wäre es: wenn man einen Menschen opferte, um dafür 10 oder 100 oder 1000 usw. Menschen retten zu können? (Adorno sind solchen Beispiele ein Greuel, weil sie bereits Ausdruck des verdinglichten Denkens sind. Zu recht.) Nach Kant ist ein solches pragmatischen Verhalten, das sich am bloßen Kosten-Nutzen-Kalkül orientiert, völlig unstatthaft, und es gäbe für die Entscheidung, den einen zu opfern, keinerlei Begründung. Darin eben ist Kant so bedeutsam: daß es nicht um den kurzfristigen Effekt und Erfolg einer Handlung gehen kann, sondern daß etwas Prinzipielles im Vordergrund steht und Handlungen reflektierend leiten muß. Vielleicht läßt sich deshalb nach dem Scheitern des Marxismus, weil das historische Subjekt Proletariat aus der Geschichte sich verabschiedet hat, und jenseits oder diesseits einer Habermasschen Diskursethik mit der Kantischen Philosophie etwas anfangen, um eine Form der Begründung für Handlungen zu finden. Manchmal können ein oder zwei Schritte zurück gut tun, um einen Blick aus einer Ferne auf die vertrauten Dinge zu gewinnen. (Siehe auch da Karl Kraus-Wort)

Was man Kant, etwa von der Position Hegels aus, vorwerfen mag, ist dieses Ziehen von Grenzen, in denen die Vernunft ihren Bereich absteckt, denn nach Hegel heißt es, eine Grenze zu setzten, bedeutet, sie bereits zu überschreiten. Aber nicht nur innerhalb der theoretischen Vernunft, daß diese nämlich ihre eigenen Fähigkeiten nicht ausreizen möge zugunsten einer haltlosen Metaphysik, sondern auch zwischen der praktischen und der theoretischen Vernunft tut sich im Kantischen System eine Kluft und Grenze auf. Die am Ende offene Frage, wie die beiden Aspekte der Vernunft, nämlich der theoretische und der praktische, sich zuletzt vermittels einer „Kritik der Urteilskraft“ noch zusammenbringen lassen und ob überhaupt ein solcher Holismus wünschenswert oder möglich sei, dies gibt immer noch die große Frage der Moderne oder, mit dem leider in Vergessenheit geratenen Lyotard gesprochen, der Postmoderne ab. (In seiner Schrift „Der Widerstreit“ findet diesbezüglich eine hochinteressante Auseinandersetzung mit Kant statt.) Diese Fragen und die Entschleierung der Verhältnisse halten Kant in der kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart, denn nach ihm ist nur der kritische Weg allein noch offen, immer wieder aktuell.

Wie Ernst Bloch es schrieb: Kant ist das Schwarzbrot der Philosophie, was sagen will, daß seine manchmal etwas trockene Sprache nicht immer die „Lust am Text“ weckt; aber doch ist die Kantische Philosophie ein Grundnahrungsmittel, es geht um den Akt des Denkens, die Leistung der Vernunft, wenngleich sie sich in ihrer Selbstbewegung bei Kant noch nicht selber erkannt hat, dies geschieht erst mit Hegel. Aber wer einmal in diese Welt des klaren Gedankens und der klaren Sprache der Kantischen Philosophie eingedrungen ist, den lassen diese Sätze und dieses Denken so schnell nicht mehr los. Bis zu Hegel ist es dann nur ein kleiner Schritt. Zumindest aber ist die Kantische Philosophie für die heutige Zeit unentbehrlich. Denn die Aufklärung ist ein Projekt, welches noch sehr jung ist und eigentlich gerade erst eröffnet wurde. Momentan sind wir auf einem Weg in die andere Richtung. Vor allem in den Zeiten der Krise, wenn die Peitsche des Herren lauter knallt und die Rufe der gedungenen Antreiber und Aufseher schärfer werden, ist es in der kuscheligen Strohecke des Stalls besonders gemütlich und warm.