Wahre Sätze – Ware Wort (4)

In diesem Falle handelt es sich um die Ware Kunst und wie unter dem Bann des Subjekts das Subjektive sich objektiviert und zum Ding gerät, was als Vorgang nicht nur das Kunstwerk, sondern wiederum die Regungen jenes Subjekts affiziert:

„Als tabula rasa subjektiver Projektionen jedoch wird das Kunstwerk entqualifiziert. Die Pole seiner Entkunstung sind, daß es sowohl zum Ding unter Dingen wird wie zum Vehikel der Psychologie des Betrachters. Was die verdinglichten Kunstwerke nicht mehr sagen, ersetzt der Betrachter durch das standardisierte Echo seiner selbst, das er aus ihnen vernimmt. Diesen Mechanismus setzt die Kulturindustrie in Gang und exploitiert ihn. Sie läßt eben das als den Menschen Nahes, ihnen Gehörendes erscheinen, was ihnen entfremdet ward und worüber in der Rückerstattung heteronom verfügt wird.“ (Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie)

Hinweisen möchte ich zudem auf den vor wenigen Tagen im Suhrkamp Verlag erschienenen Briefwechsel zwischen Adorno und Gershom Scholem:  „Der liebe Gott wohnt im Detail“. Briefwechsel 1939–1969. Dazu gibt es eine anregende Besprechung von Jürgen Habermas in der Zeit dieser Woche. Die gemeinsame Achse beider ist zunächst Walter Benjamin, der von Paris aus 1938 ein Treffen zwischen Scholem und Adorno in New York vermittelt. Dialektisches Denken jenseits des Vulgärmaterialismus samt philosophischer Verteidigung einer Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes trifft auf ein theologisches Denken, das sich an den Strömungen jüdischer Mystik und an den Texten des Judentums orientiert. Beiden gemeinsam ist ihr Bezug auf  den Korpus der Benjaminschen Philosophie, den sei gemeinsam herausgeben werden.

Wahre Sätze – Ware Wort (3)

„Vor jedem Kunstgenuß stehe die Warnung: Das Publikum wird ersucht, die ausgestellten Gegenstände nur anzusehen, nicht zu begreifen.“
(Karl Kraus)

 Eine Warnung, die man von den Zeiten Karl Krausʼ her im seligen Wien, als den Bürgern die Kunst bereits zu entgleiten drohte, indem sie mehr sich selber in der Kunst genossen als daß sie des Gehalts eines Werkes geschweige denn ihrer Disposition irgendwie noch gewahr wurden, bis ins Heutzutage hinein, wo Kunst als Accessoire der Distinktion dient, unter der Aureole einer neuen unseligen Fühligkeit – action without reflection –, gar nicht oft genug aussprechen kann. Fast möchte man sie einprügeln. Dennoch – die Warnung nützt nichts. Im Zeichen der popästhetischen Post-Moderne: Es bleibt beim Touch too much. Genuß, der weder zum Genuß noch zur Reflexion der Sache als fähig sich erweist. Der Arbeit des Begriffs wird unter allen erdenklichen Vorwänden sich entzogen, denn sie könnte womöglich die objektlose Innerlichkeit beschädigen. So aber bleibt die Kunst bis ans Ende heillos ramponiert. Ikonoklasmus müßte die Folge sein. Doch nicht oktroyiert aus einem Haß gegen die Kunst heraus, sondern vermittels seines Gegenparts. Bewußtsein von Nöten.

Wahre Sätze – Ware Wort (2)

 „Das ganze Sabbeln im Netz ist eine riesen Augenwischerei. Es wurde noch nie so viel geschrieben und geraunzt wie im Heute. Aber gleichzeitig auch noch nie so wenig gesagt.“ Kraft gegen System/Anonymus – was vom Griechischen ins Deutsche gebracht namenlos heißt:

 „Ich werde mir keine Fragen mehr stellen. Handelt es sich nicht vielmehr um den Ort, wo man sich zu Ende verschwendet? Wird der Tag kommen, an dem Malone nicht mehr an mir vorbeiziehen wird? Wird der Tag kommen, an dem Malone dort vorbeiziehen wird, wo ich war? Wird der Tag kommen, an dem ein anderer dort vorbeiziehen wird, wo ich war? Ich habe keine Meinung darüber.“ Sam Beckett, Der Namenlose