Ich bin nicht als Freund der Grünen bekannt, aber in dieser kurzen Rede findet die Außenministerin Annalena Baerbock in Sachen dieser unsäglichen „Petition“ die treffenden Worte:
„Das was wir in der Ukraine tun, damit verteidigen wir auch unsere eigene Freiheit. Weil es eben nicht nur ein Angriff auf ein souveränes Land ist, ein Angriff auf ein Land mitten in Europa, sondern das ist ein Angriff auf unsere europäische Friedensordnung. Das ist ein Angriff auf die Charta der Vereinten Nationen. Rußland als Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, das eigentlich zum Auftrag hat, den Weltfrieden zu sichern, versucht auch diesen Weltfrieden, die internationalen Regeln in Schutt und Asche zu legen. Und da gerade an diesem Tag wieder ein Aufruf die Runde macht, man sollte sich einfach nur mal an den Tisch setzen, ob jetzt die ganze Ukraine oder die halbe Ukraine, möchte ich daran erinnern, was das bedeutet. Menschen sitzen nicht einfach, wie wir hier, in einem Kino und fragen sich, wann sie im letzten Jahr zum letzten Mal einen Film gesehen haben, Menschen sitzen zum Teil seit elf Monaten im Keller und trauen sich nicht raus. Kinder gehen teils seit einem Jahr nicht zur Schule. Das sind die Menschen, die in der Ostukraine leben, wo wir nicht wissen, wie es ihnen geht, weil selbst das Internationale Komitee des Roten Kreuzes dort nicht hinkommen kann. Und all diejenigen, die sagen, Waffen müssen nur schweigen, weil dann haben wir Frieden, dem möchte ich sagen: Was ist das für ein Frieden, wenn man unter russischer Besatzung leben muss, jeden Tag die Sorge hat, dass man kaltblütig ermordet, vergewaltigt oder als Kind sogar verschleppt wird? Ein Diktatfrieden, wie ihn manche jetzt fordern, das ist kein Frieden. Sondern das wäre die Unterwerfung der Ukraine unter Russland und es wäre das Ende der Charta der Vereinten Nationen. Gerechter Frieden bedeute, dass auch die Menschen in der Ukraine wieder in Freiheit leben können.“
Irrsinnig ist dieser „Aufruf zum Frieden“ im übrigen deshalb, weil er das Gegenteil vom Frieden bedeutet – nämlich die Zerstörung einer souveränen und demokratischen Ukraine. Einen solchen demokratischen Staat neben sich und der belarussischen Diktatur, womöglich noch in der EU, ist es, was Putin mehr fürchtet als alles andere. Und das eben motiviert auch seinen Angriff auf dieses Land – neben jenen neoimperialistischen Ambitionen einer russischen Welt und einem Ausgriff auf Europa als geschichtliches Erbe, das Putin hinterlassen möchte.
Und dieser Aufruf ist auch in einem zweiten Punk nicht nur irrsinnig, sondern vor allem auch Propaganda. Zum Ende des Aufrufs hin wird nämlich so getan als stünden sich da zwei gleichwertige Akteure gegenüber. Dem ist aber nicht so. „Eskalation durch Waffenlieferung“ ist eine weitere Lüge: eskalierend in diesem Konflikt verhält sich einzig Putin bzw. Rußland. Sie nämlich sind die Aggressoren. Wer sich verteidigt, eskaliert nicht. Und um sich zu verteidigen sind nun einmal Waffen nötig. Was im Grunde diese Leute unausgesprochen fordern, ist die bedingungslose Kapitulation der Ukraine und die Abtretung von Territorium – und das noch im Namen der Ukraine, was eine Dreistigkeit ohnegleichen ist und ein Schlag in die Fresse für jeden Ukraine. Wer sich um den Frieden in Europa sorgt, sollte diese Sorgen in Moskau oder aber vor der russischen Botschaft zum Ausdruck bringen. Das aber tun diese Gestalten ganz bewußt nicht.

Der Postillon bringt es großartig auf den Punkt!
Yo, ganz genau. Ich kann ja die Sorgen vor einem Krieg gut verstehen. Aber Deutschland ist in diesem Fall die falsche Adresse. Nie, wirklich niemals geht eine solche Petition nach Moskau oder diese Leute machen einen Protest auf der Krim oder stellen sich den russischen Panzern mit Friedensfahnen entgegen. Nicht einmal zu einer Demo vor der russischen Botschaft reicht es oder vor dem russischen Haus in der Friedrichstraße. Und das eben macht diese Leute nicht nur erbärmlich, sondern auch durchschaubar.
Und pointiert bringt es dieser Artikel in der WELT von Klaus Wittmann zum Ausdruck:
„Objektiv betreiben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses „Manifests“ die Sache des russischen Diktators. „Verhandeln heißt nicht kapitulieren“ ist eine hohle Phrase angesichts dessen dauernd bekräftigten Festhaltens an seinen Zielen: „Entukrainisierung, Entnazifizierung, Entmilitarisierung“ der Ukraine, Verzicht auf von willkürlich „annektierte“ Provinzen – erklärtermaßen als Vorstufe zur Auslöschung der gesamten Ukraine, der das Recht auf Eigenstaatlichkeit abgesprochen wird.
Dem liegt die Auffassung zugrunde: Was ich haben will, nehme ich mir – über den Rest kann man verhandeln. Und im Hintergrund stehen die im Dezember 2021 brieflich der Nato und der US-Administration übermittelten Ziele: Zurückdrehen der Entwicklung Mittelosteuropas seit 1991 und implizit die Wiedereinführung der Breschnew-Doktrin der beschränkten Souveränität von Satellitenstaaten.
Der Charakter dieses Krieges wird in dem Manifest völlig außer Acht gelassen: Hier geht es nicht um das Kräftemessen zweier „Kriegsgegner“, sondern um eine russische Unterwerfungsoffensive gegen ein freies Land – verbrecherisch sowohl nach Absicht und Ziel (ius ad bellum) als auch nach den kriegsvölkerrechtswidrigen Methoden (ius in bello).
Die beschriebenen Gräueltaten (und viele mehr) gehen von russischen Luftangriffen und der russischen Soldateska aus. Russische Soldaten werden nur getötet und verwundet, weil sie sich in der Ukraine aufhalten, wo sie nichts zu suchen haben, sondern den Plan zur Auslöschung eines souveränen Nachbarlands ausführen sollen.
Präsident Selenskyjs „Ziel“, das hier ins Zwielicht gerückt wird, ist dagegen völlig legitim: Sein Volk will in Frieden und Freiheit leben, mehr nicht – auch die Menschen in derzeit russisch besetzten Städten, Dörfern und Regionen. Heißt „Kompromisse auf beiden Seiten“, dass ein Teil ukrainischen Gebiets „abgetreten“ werden soll? Mit den bekannten Folgen für Millionen Ukrainer, sobald sie unter russischer Herrschaft leben?
Neben Mord, Folter, Vergewaltigung, Plünderung sind das auch Zerstörung und systematischer Diebstahl ukrainischen Kulturguts sowie vieltausendfache Deportation, auch vieler Kinder, denen in russischen Heimen Name und Identität genommen werden. Zwischen Vernichtung und Überlebenswillen ist kein „Kompromiss“ denkbar.
Nein, die Ukraine muss weiter befähigt werden, sich zu verteidigen und geraubte Gebiete zu befreien, also zurückzuerobern. Dazu braucht sie den Verbund von gepanzerten Gefechtsfahrzeugen, Artillerie (auch weitreichender Systeme gegen Nachschublinien und Kommandozentralen), Flugabwehr – und alles in größerer Zahl, um sich gegen die russische Strategie „Masse statt Klasse“ zu behaupten. Die seit Langem bestehende Forderung nach einer Größenordnung von 300 Kampfpanzern und 500 Schützenpanzern ist realistisch.“
Wer diesen Appell unterzeichnet hat, dem fehlt jeglicher Verstand.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus243728247/Friedensmanifest-Die-erschuetternde-Blindheit-fuer-Moskaus-Ziele.html