Daß sich Fetisch und Teetisch reimen, ist ein Zufall der deutschen Sprache – Gottfried Benn hat es in einem Gedicht fruchtbar gemacht.
Fetisch und Gitarrenhals reimen sich leider nicht. Eine meiner Lieblingsszenen – Lieblingsszene eben weil: vielsagend – in Antonionis „Blow up“ ist es, als der Photograph Thomas in ein Konzert der Yardbirds gerät – wunderbar das London der 1960er Jahre eingefangen, mit den bunten, nein, buntbraven Leuten (ein einziger Schwarzer, die Kamera streicht das heraus, indem sie beim Schweif durch die Menge für eine Millisekunde innehält), die diese neue, wilde Musik hören, und wie dann in Wut und Ekstase oder inszenierter Ekstase der Gitarrist Jeff Beck sein Instrument zerlegt, zerhackt und zerkloppt, weil es Rückkopplungen und Verzerrungen erzeugt, zum Rock gehört eben auch die gestörte Elektronik, Beck zerrt und zieht an der zerstampften Gitarre und wirft dann den Gitarrenhals in die Menge. Die hysterische Gruppe der Fans rauft sich um diesen Gitarrenhals des Stars.
Wer den Hals aber erwischt, ist der Photograph Thomas. Er entflieht mit diesem obskuren Objekt der Begierde, während eine Horde Fetischisten ihm nacheilt. Auf dem Straßengeschehen eines modernen Londons jedoch wirft Thomas den Gitarrenhals weg. Er ist nutzlos geworden, er ist kein Fetisch mehr, sondern ein gewöhnlicher Gitarrenhals, von einer kaputten Gitarre, wie es sie überall gibt. Keiner der vorbeieilenden Passanten würde diesen Gitarrenhals als bedeutungsvolles Objekt, als Fetisch gar, als den Gitarrenhals von Jeff Beck, dem Gitarristen der Yardbirds erkennen. Ich habe diesen großartigen Film wohl 1983 oder 1984 erst im Fernsehen und dann im Kino gesehen. Und dann immer wieder.
Jeff Beck war natürlich nicht nur (Neben)Akteur in einem hochgenialen Film, der das London der 1960er Jahre, die Welt von Illusion, Glamour, Drogen, Fragen der Wahrnehmung und der Abbildbarkeit von Realität in Medien zum Thema hatte – seltsam, daß fast zeitgleich mit Beck das mir immer sehr liebe und wunderbare Modell Tatjana Patitz gestorben ist -, aber diese Yardbird-Szene ist mir als eine der eindringlichsten in Erinnerung geblieben – von denen „Blow up“ freilich viele hat. Erst durch „Blow up“ stieß ich überhaupt auf die Yardbirds und erstand mir dann ihre Platten – damals gab es noch Schallplatten, teils auch als Fetischobjekte, gehortet von machen. Und auch pflegte ich den Habitus, eine weiße Hose und hellblaue Hemden zu tragen, kombiniert freilich mit einer schwarzen Lederjacke, die oberhalb der Hüften bzw. etwa auf Hüfthöhe endet. (Zum Leidwesen jener Diva, einer gewissen Dame, die das als gockelhafte Allüren abtat und die schwarze Lederjacke eine Stasijacke nannte, weil eben bei den Stasis damals in der DDR viele der Firma-Bediensteten solche Lederjacken trugen. Ich für meinen Teil kann im Leben der anderen nur sagen: wir trugen mittelbraune Lederjacken, als ich noch Oberleutnant Jäger war.)
Leider weiß ich ansonsten von Jeff Beck nicht allzu viel. Nur eben, daß manche sagen, er sei ein guter, wenn nicht einer der besten Gitarristen.
Von Tatjana Patitz läßt sich sagen, daß ich sie in den 1990ern sehr mochte, sie war eines meiner Lieblingsmodels, wenn sie auf einem Cover oder mit einer Photostrecke erschien, in jenen Jahren der großen Photomodels auf den Laufstegen und in den Magazinen: ich sah auf Photographien gerne Patitz‘ besonderen Ausdruck, ihre Art zu posieren und Haltungen einzunehmen. 1993 schaffte Tatjana Patitz es sogar aufs Cover der Kunstzeitschrift „Parkett“. (Die leider 2017 eingestellt wurde.) Die Zeitschrift mit ihrem Bild bekam ich, vermutlich ob meiner Schwärmereien, von einer Freundin zu Weihnachten 1993 geschenkt, auch jene Freundin war sehr blond und auch sehr schön – zumindest in meinen Augen. Auch sie fand, daß Tatjana Patitz eine besondere Aura umgab.
Karl Kraus hat in bezug aufs Besetzen von Objekten und Menschen in der „Fackel“ einen schönen Satz in seinen Nachtgedanken und in die Nacht hinein geschrieben:
„Liebe und Kunst umarmen nicht was schön ist, sondern was eben dadurch schön wird.“
