Das Jahr endet, wie es begonnen hatte: mit Putins, mit Rußlands Aggression, nur daß in der Zeit zwischen dem 1.1.2022 und dem 31.12.2022 am 24. Februar auch das restliche Territorium der Ukraine angegriffen wurde und dort jeden Tag von Russen schwere Kriegsverbrechen begangen und Zivilisten bombardiert werden. Wobei im Blick auf den russischen Angriffskrieg dazuzusagen ist, daß jener Überfall auf die Ukraine bereits 2014 mit der russischen Annexion der Krim und der Intervention im Donbas begann.
Meintet ihr die Russen wollen Krieg? Ja, ihr hattet mit diesem Meinen recht behalten. Sie wollen nicht nur, sondern sie jubeln auch dazu, wenn sie Putins Propaganda und den Mist in den Russenmedien hören. Sie gehen nicht aus Protest auf die Straße und demonstrieren gegen die Krieg, sondern sie schlucken die Propaganda. Nur wenn russische Männer zum Krieg eingezogen werden sollen, verkrümmeln sich manche ins Ausland. Von Massenprotest auf der Straße jedoch ist nichts zu sehen, nur vereinzelte Stimmen des Widerstands.
Und solches Nachbeten von Putins Propaganda reicht bis hin nach Deutschland, wo es noch genügend Menschen gibt, die erheblichen einen in der Schmalzkrone habe und hier Putins Narrative nachbrabbeln. Demnächst werden sie uns vermutlich auch erzählen, daß das kleine Polen irgendwie doch auch Hitler provoziert habe und dann die Sache mit dem Korridor nach Ostpreußen, den Polen als Druckmittel benutzte, dazu Polens Aufrüstung (stimmt übrigens: das kleine Polen rüstete! Aber warum wohl? Nach Österreich 1938 und dann der Tschechoslowakei). Zudem die Einkesselung Deutschlands, da müsse sich ein Land ja bedroht fühlen. Da müsse man, ohne jetzt für Hitler zu sein, Hitlers Handlungen irgendwie auch nachvollziehen. Es ginge hierbei ja auch gar nicht ums Billigen.
Spätestens mit dieser Analogie wird deutlich, daß solches Erklären sehr wohl das Billigen impliziert, weil nämlich in solchen Erklärungen die Ursachen weggelassen werden, weshalb ein Land sich wehrt oder aber weshalb es ein Land wie die Ukraine hin zum Westen und nicht hin zum russischen Pißpott drängt. Rußland hatte Jahrzehnte Zeit sich zu einer Demokratie zu transformieren. Rußland tat es nicht, sondern wählte einen anderen Weg. Rußland hat Geld und Ressourcen, um eine grundsätzliche Transformation des Landes in die Wege zu leiten und politisch zu den anderen europäischen Ländern aufzurücken. Rußland tat es nicht, sondern wählte den Weg in die Diktatur. Und um als Partner behandelt zu werden, bedarf es ähnlicher politischer Strukturen. Ein Raum von Lissabon bis Wladiwostok kann für ein freies Europa unter dem Regime von Putin nur als Bedrohung wahrgenommen werden. Es kann einen Handelsraum meinen, aber genauso eine Einflußsphäre.
Und nun gibt es ein Nachbarland, daß sich diesem russischen Weg, dem Gedanken der russischen Einflußsphäre wiedersetzte. Für Rußland ist die Ukraine nicht militärisch eine Bedrohung, sondern bedrohlich für Putin ist, daß in der Ukraine sich demokratische Strukturen etablierten und freie Wahlen stattfanden, daß die Jugend sich nach Westen und nicht nach Moskau und hin zum russischen Pißpott sich ausrichtete. Dies ist die Ursache für diesen entsetzlichen Angriffskrieg, der Angriff auf ein souveränes Land, ein Krieg wie ihn Europa zuletzt am 1. September 1939 erlebte, als Deutschland sich mit der Sowjetunion Polen aufteilte und dann das Land überfiel, während sich die Sowjetunion Teile von Polen und das Baltikum einverleibte. (Die wenigsten Menschen im übrigen, so auch ich lange Zeit, wußten nicht, daß der 23. August in Europa ein Gedenktag ist: nämlich der „Europäische Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus“. Allenfalls wußte ich, daß an diesem Tag der Hitler-Stalin-Pakt samt geheimem Zusatzprotokoll geschlossen wurde. Er war einer der Auslöser für den Zweiten Weltkrieg.)
Wie nun geht es in Europa weiter? Die Friedensbewegung ist am Ende, sie hat es vorgezogen zu schweigen. Keine Demonstrationen vor der russischen Botschaft und die Friedensaufrufe von Intellektuellen wären in Moskau angebracht, da wo der Urheber des Angriffskrieges sitzt, und nicht in Deutschland. Allenfalls wären Aufrufe sinnvoll, die zu Waffenlieferungen in großem Unfang aufrufen – das nämlich ist die beste Friedensbewegung, da Putin nicht einmal im Ansatz gedenkt, seinen Angriffskriieg einzustellen und zu verhandeln. Aber es ist die Politik beim Liefern von Waffen viel zu zögerlich, zumindest, wenn man den Berichten aus den Zeitungen folgt. Gegen solchen Angriffskrieg der Russen – gepaar mit schweren Kriegsverbrechen, indem Zivilisten verschleppt sowie ermordet werden und im Bombenhagel sterben – helfen keine Worte und keine Friedensgebete oder halb abstrakt, halb hiflose Friedensparolen, sondern nur Waffen, mit denen Putin besiegt wird. Strack-Zimmermann bringt die Sache auf den Punkt. Leider ist sie nicht Verteidigungsministerin:

Ja, man ist es leid, sich die Ausreden von Scholz anhören zu müssen. Nein, es wird mit der Lieferung von Kampfpanzern keine rote Linie überschritten sondern im Gegenteil führen nur solche Offensivwaffen dazu, den Russen auch die Krim und den Donbas abzunehmen, so daß Putin verhandeln muß. Die rote Linie wird vielmehr überschritten, wenn der russische Angriffskrieg auf Dauer gestellt wird und sich über Jahre hinzieht. Und eine weitere rote Linie wurde bereits am 24. Februar überschritten und das Dahinter heißt: Kriegsverbrechen, die Russen begehen und für die sie und ihre Kommandeure und auch die entsprechenden Politiker hoffentlich und bald zur Verantwortung gezogen werden.
Ein friedliches neues Jahr wird man wohl wünschen können, doch ist angesichts von Rußlands Politik darauf kaum zu hoffen, da der Krieg sich hinziehen wird und dies wird und muß auch Deutschland betreffen oder um es mit Lars Klingbeil zu sagen:
„Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland geben kann; dieser Satz hat keinen Bestand mehr. Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren.“
Und dies gilt auch für die weiteren Jahre, solange das Regime Putins und seiner Lakaien und Satrapen nicht gestürzt ist. Insofern müssen den Klingbeilschen Worten nun Taten folgen.
Vor allem eins aber ist für 2023 wichtig: daß wir uns an diesen Krieg nicht gewöhnen, daß er in den Nachrichten nicht immer weiter nach hinten rutscht. Denn genau das ist es, was der blutige Lurch in Moskau, der Hinterhofschläger aus Leningrad möchte: Gewöhnung und Abstumpfung und daß wir irgendwann diese Meldungen von Krieg und Katastrophe und vom Elend und Leid der Menschen in der Ukraine nicht mehr hören mögen. Dieser Krieg Rußlands gegen die Ukraine und damit auch gegen Europa muß für uns präsent bleiben. Zumal er sich im Herzen Europas abspielt. Dennoch: Die Ukraine wird daraus als Sieger hervorgehen und Rußland als der Verlierer. Das ist für 2023 vor allem zu wünschen, zumindest politisch.
Und was das Private anbelangt, so liegt das viel auch am einzelnen. Und man kann solches private Tun ja auch negativistisch gesehen mit Beckett veranstalten, als eine Art von Scheiter-Spaß:
„Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.“
Trotzdem sei für alle Leserinnen und Leser ein gutes Jahr 2023 gewünscht.
Man muss doch aber auch irgendwie die Familienpläne Attilas verstehen, als der sich selber Gallien zum Hochzeitsgeschenk machte.
Frohes neues Jahr allen. Im Augenblick ist nicht recht absehbar, wie s weitergehen wird. Militärisch können die Russen gegen die Ukrainer wenig ausrichten, weshalb sie sich auf Angriffe gegen die Bevölkerung und gegen Infrastruktur konzentrieren. Wird wohl erstmal so weiter gehen. Vieles hängt auch davon ab, wie der Winter wird und ob a) die Energie im Westen knapp wird, und B) wieweit militärische Aktionen in der Ukraine möglich sind. Ideologisch hat Putin den Krieg schon verloren, es werden immer neue Begründungen und Verschwörungstheorien aufgetischt.
Irgendwann wird man sich sicher an einen Tisch setzen und verhandeln, aber im Augenblick sitzt die Ukraine wohl am längeren Hebel.
Euch beiden auch ein frohes neues Jahr.
Ideologisch mag Putin den Krieg verloren haben und er ist im gesamten Westen eine persona non grata, wie man allenfalls deshalb ins Ausland einladen sollte, um ihn dort festzunehmen und vor ein ordentliches Gericht zu bringen, aber das Problem ist das russische Inland, wo Putin nach wie vor beliebt ist. Freiwillig setzt sich Putin nicht an den Verhandlungstisch. Insofern muß der Krieg nun von der Ukraine aus dahin getragen werden, wo er begonnen wurde. Denn diesen Drohnenterror kann Putin noch jahrelang fortführen. Vor allem braucht die Ukraine eine Luftabwehr.