Guillaume Paoli schrieb dazu die passenden Worte bzw die Ergänzungen, die vermutlich in den wenigsten Nachrufen stehen:
„Zum verstorbenen Präsidenten Giscard d’Estaing seien den Nachrufen ein paar fehlenden Fakten hinzugefügt:- Der „Modernisierer Frankreichs“ hatte als Verteidigungsminister den Hauptverantwortlichen für systematische Folter im Algerienkrieg, General Bigeard ernannt, und als Haushaltsminister den (auf französischer Seite) Hauptverantwortlichen für die Deportation der Juden im 2. Weltkrieg, Maurice Papon.– Dreimal weigerte er sich, zu Tode Verurteilte zu begnadigen. So wurde der 22jährige Christian Ranucci guillotiniert, dessen Schuld im nachhinein sehr stark in Zweifel gezogen wurde.Eigentlich war Giscard der Prototyp des Macron (oder Macron sein Nachahmer): eine Verkörperung den autoritären Liberalismus.“
Frankreich musste erst sozialistisch werden, damit die Todesstrafe abgeschafft wurde und die Beleidigung von Institutionen kein Straftatbestand mehr war und es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gab. Mitterand, nicht Giscard war der Modernisierer Frankreichs. Und auch er war den 68ern viel zu rechts, unter ihm wurde ein Greenpeace-Schiff von Marinetauchern versenkt.
So ist es. Und den Jubel über Mitterand fand ich schon damals äußerst zwiespältig. Politisch war er am Ende ebenso ein krummer Hund.
Dennoch haben beide durch ihr europolitisches Handeln auch Gutes bewirkt.Man muss die sehen wie Bismarck. Der war ein Sozialistenfresser schlimmster Sorte und ein Militarist der Hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen hatte, trotzdem waren seine Sozialgesetze ein Meilenstein auf dem bis heute unser gesamtes Sozialversicherungssystem basiert.
Auf alle Fälle. Es ist eben, List der Vernunft, List der Geschichte, solches Wirken nie in einfachem Schwarz/Weiß abbildbar.