„Die Ruderer, die nicht zueinander sprechen können, sind einer wie der andere im gleichen Takte eingespannt wie der moderne Arbeiter in der Fabrik, im Kino und im Kollektiv. Die konkreten Arbeitsbedingungen in der Gesellschaft erzwingen den Konformismus und nicht die bewußten Beeinflussungen, welche zusätzlich die unterdrückten Menschen dumm machten und von der Wahrheit abzögen. Die Ohnmacht der Arbeiter ist nicht bloß eine Finte der Herrschenden, sondern die logische Konsequenz der Industriegesellschaft, in die das antike Fatum unter der Anstrengung, ihm zu entgehen, sich schließlich gewandelt hat.“
(Th. W. Adorno, Dialektik der Aufklärung)
Die von vielen Prominenten unterzeichnete „Kölner Botschaft“ tritt ausgewogen auf, und diese Art der Darstellung macht ihr Anliegen ehrlich und sympathisch. Sie versucht zu retten, was zu retten ist. Aber ist überhaupt noch etwas zu retten? Ich glaube nicht an die prägende Kraft der Gemeinschaft und an Gemeinschaftsbildendes – zumindest nicht bei komplexeren sozialen Zusammenhängen. Ich glaube ebensowenig an gemeinschaftsbildende Mythen, die eine Gesellschaft sich erzeugen müsse, damit ein Besseres gelinge. Auch den Zusammenhalt des Verschiedenen befördern Konzepte von Gemeinschaft kaum. Weder die eines Volkes, noch die gemeinsamer Werte oder Neigungen. Keiner wußte dies genauer als Hegel, dem das Partikulare wie auch das Beliebige der Interessen bewußt war, das in solchen Erzählungen und Konstrukten steckt, und so trat er in der Sphäre des objektiven Geistes für einen starken Staat ein.
Dem Mythos in solchen Kontexte, wenn sich Gemeinschaften bilden sollen, liegt bereits das Moment des Manipulativen, wenn nicht des Betrugs zugrunde. Mythen sind zwar sinnstiftende Erzählungen. Sie sollen verbinden, was unverbunden ist. In archaischen Zeiten womöglich lebensnotwendig. Gemeinschaft stiftende Mythen bleiben unter den Bedingungen der Spätmoderne als sozialer Kitt aber an der Oberfläche. Wie jedem Mythos wohnt auch der Gemeinschaft oder einer neuen Erzählung, die wir in bezug auf Soziales erfinden müssen, ein regressiver Zug inne. Kino, Fernsehen und TV-Serien, wie überhaupt der sogenannte Kulturbetrieb, sind das beste Beispiel, wenn es darum geht, Mythen und Bilder zu erzeugen, die Komplexes ins Einfachdimensionale zwängen. Daß Filme zugleich in einer bestimmten ästhetischen Form Geschichten erzählen wollen, ist ein Aspekt – die Tiefengrundierung jedoch erweist sich als vielschichtiger, weil in jenem Medium, wie überhaupt im Reich der Bilder, unterschiedliche Narrative wirken. Dabei ist der ideologische und manipulative Gehalt solcher Bilder nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grunde schrieb Adorno, daß er aus jedem Kinobesuch dümmer herauskäme. (Immerhin formuliert er diese Sicht in der Ich-Variante, was die Sache als phänomenologische Selbstbeobachtung ausweist. Denn der Satz ist, aufs Subjekt genommen, nur die halbe Wahrheit, das bürgerliche Kunstwerk verschob sich ins Kollektivistische, was auch die Ästhetik selbst tangierte.)
Die Mythenbildung, die „Neue Mythologie“ funktioniert lediglich als ästhetischer Prozeß. Manfred Frank etwa problematisierte in seinem gleichnamigen Buch diesen Gestus, wenn Politik, Freiheitsversprechen und Kunst zusammengehen und ihre angestammten Gebiete verlassen. Es bleibt für das Praktischwerden der Ideen qua Kunst am Ende nicht viel übrig – im unidirektionalen Modus mag einzig Polit-Agitprop heutzutage noch wirksam sein. Häufig um den Preis der Banalisierung. Oder l’art pour l’art: die Modalität des Scheins. Das aber dispensiert jegliche Praxis. Die Souveränitätsansprüche der unterschiedlichen künstlerischen Avantgarden – von der deutschen literarischen Romantik bis hin zum in ästhetischer Theorie simplen „Zentrum für Politische Schönheit“ als herabgesunkene Form künstlerisch-politischen Protests - können als gescheiterte Versuche betrachtet werden. Selbst die von Schiller mir Verve, aber im Endeffekt doch idealistisch harmlos konstruierte ästhetische Erziehung des Menschen funktioniert nur dort, wo im Ich sowieso bereits eine Tendenz dazu angelegt ist. Die Schaubühne als Lehranstalt mag manche Empörung auslösen, wenn uns die Zerwürfnisse und Schandbarkeiten von Welt in Mimesis vorgespielt werden. Am Ende freilich spielt der Mensch doch nur, ohne Mensch zu sein. Und spiegelt sich im Kunstwerk. Thymotische Regungen und andere Leidenschaften, die das Theater einst, wie Jammer und Schauder, hervorrief, sind inzwischen dankbar eingehegt. Der kathartische Prozeß wirkt perfekt und pendelte sich aus. Es läuft auf den Spott Heines hinaus: „Der Knecht singt gern ein Freiheitslied des Abends in der Schenke, das stärket die Verdauungskraft und würzet die Getränke.“ Gerne auch demnächst hier in Ihrem Theater oder Kino. Der gute alte Problemfilm.
Aber zurück zur „Kölner Botschaft“. Städtenamen können eine Aura in sich tragen: ob Köln, Hamburg, Berlin, München oder Leipzig. All diese Orte reizen und bestürzen in Schönheit und Sinnlichkeit. Und manchmal eben durch Widerliches. Die Kölner möchten die Kraft des Namens für ihre gute Sache mobilisieren. Das ist fein, sie wollen das uns alle Verbindende aufzeigen. Ich bin in solchen Dingen skeptisch. Die Ausbildung bestimmter Gemeinschaften funktioniert, wenn überhaupt, nur über Differenzen, die sich komplex qua Institutionen und Mechanismen prozessieren. Auf der Makroebene gibt es einzig Gesellschaft, aber keine Gemeinschaft. Es herrscht dort der Kampf der Differenzen, und dieser Widerstreit ist zentrales Moment für gesellschaftliche Prozesse. Gemeinschaft bleibt, um es mit einem Buchtitel von Jean-Luc Nancy zu schreiben „undarstellbar“, allenfalls funktioniert sie in kleinteiligen Verbänden und ist, bis auf die qua Herkunft nicht auflösbaren Familienbande, tentativ. Jederzeit bereit, sich neu zu konstituieren. Triebkraft sind die Widersprüche – zumal in einer Gesellschaft des Widerstreits und der Differenzen. Dialektik und eine an Marx geschulte Politische Ökonomie müßten eigentlich wieder Konjunktur haben. Haben sie aber nicht.
Auch Zizeks Klassenkampf – so der Titel seines neuen Buches – wird nichts richten. Ich befürchte da eher Proklamation. Daß man mit dem Lumpenproletariat keine Revolution machen kann, wußte schon Marx, und dieses Wissen gilt ebenfalls fürs Heute – seien es Armutsflüchtlinge aus Marokko, Bewohner von Banlieues oder biodeutsch Abgehängte aus dem Märkischen Viertel. Die Entrechteten dieser Welt sind nicht die am besten Organisierten dieser Welt. Da nützt alles Checken der eigenen, fein-herrlichen Privilegien nichts, aber auf die Entrechteten würde ich keinen Pfennig verwetten und behalte bis dahin gerne meine Privilegien. Mit Lenin nachgefragt: Was tun? Eine Intelligenzija als Avantgarde der revolutionären Partei? Eine Form der Organisation zumindest. Gemeinschaft durch Gesellschaft, durch Politik und Reflexion auf Theorie? Das Verhältnis von Theorie und Praxis bleibt aporetisch. Auf der Bühne des Medialen und auf der kleinteiligen Ebene, im Rahmen des Staates, werden sich die Konflikte nicht einheben lassen. Das Mediale führt im Gegenteil dazu, daß sich die Lage weiter verschärft und zuspitzt, weil jeder über alles plappert. Allenfalls gelingt eine kurzfristige Befriedung mit juristischen und polizeilichen Maßnahmen. Der Kölner Aufruf möchte eine gemeinschaftliche Basis schaffen. Ich fürchte, das wird ihm nicht gelingen, denn wie wir alle wissen, wohnen der liebe Gott, wie auch der Teufel gleichermaßen im Detail. Und um dieses wird heftig gestritten. Es bleibt wie immer Nietzsches Perspektivismus. Es gibt keine Fakten, sondern nur die Interpretationen, die sich jeder in seinem Sinne biegt.
„Der gegenwärtige Zustand der Welt ist kein Krieg der Zivilisationen. Sondern ein Bürgerkrieg: Der Krieg im Inneren einer Bürgergesellschaft, einer Zivilität, einer Städterschaft [citadinité], die im Begriff sind, sich bis an die Grenze der Welt auszudehnen und infolgedessen bis ans Äußerste ihrer eigenen Konzepte. Am äußersten Ende zerbricht ein Konzept, zerspringt eine überdehnte Figur, kommt eine Kluft zum Vorschein.“ (Jean-Luc Nancy, Die herausgeforderte Gemeinschaft
Und Kluft heißt im Griechischen bekanntlich: Chaos.
Ein bischen Selbstgerechtigkeit darf sein, zumal dann, wenn sie reflektiert – will sagen – selbstironisch gebrochen daher kommt. Dass in Köln die „Verdammten dieser Erde“ und somit diejenigen hervortraten, die doch sonst dem linken Herz so nahe sind, habe ich frühzeitig geschrieben. Auch dass die Verdammten dieser Erde der Welt selten gütig und weise entgegentreten. Sie werden sich vom „Kölner Apell“ wohl kaum etwas sagen lassen.
Was ich bedenklich finde, ist die Fokussierung der Öffentlichkeit auf die Sexualstraftaten. Sex sells in alle Richtungen. In den Anzeigenzahlen der „Bild“-Zeitung aber machen die reinen Sexualdelikte den kleinsten Teil aus, ca. 150. 200 etwa sind Anzeigen von Sexualdelikten in Tateinheit mit Diebstahl/Raub. Der „Rest“ also über 500 sind Andere/Eigentumsdelikte. Würde man einem aufgewachten Komapatienten die Kölner Nacht schildern und ihn dann das Medienecho registrieren lassen, so würde er doch wohl zu anderen Zahlen kommen. Wie gesagt, ich verwende nur die „Bild“-zahlen in dieser Frage, allenfalls noch die offiziellen Polizeizahlen. An „linken Zahlen“, denen ich Verharmlosung unterstellen würde, bin ich nicht interessiert. Dennoch dieses Ergebnis. Woher diese schiefe Wahrnehmung bei EINIGEN Berichten kommt, mag jeder selbst für sich entscheiden.
Ich fürchte, dass das Mohammed-Karrikatur-Syndrom vorliegt: Diese Karrikaturen wurden ja anfangs von Islamisten einigen Immanen gezeigt. Und die fanden dann nichts dabei. Daraufhin wurden die Zeichnungen „angeschärft“, damit sich nun endlich auch Immane aufregen konnten. Was dann ja auch eintrat. Wir stellen fest: Radikale schärfen Fakten immer noch nach, um eine Eskalation der Stimmung zu erreichen.
Auch im Fall Köln sind einige daran interessiert, dass aus Sexualstraftaten zum größeren Teil in Tateinheit mit Eigentumsdelikten – typische Taten der Unterschicht seit Jahren und von mir vor 20 Jahren schon in Rom beobachtet – ein 1000-köpfiger Sexmob wird. Die eigentlichen Delikte sind zwar schlimm und empörend genug, aber eben nicht für diejenigen, die die Stimmung radikalisieren wollen. Also wird nachgeladen, eine alte Methode. Wie kann man mit der Wahrheit lügen? Indem man die Wahrheit nimmt und das fokussiert, was man benötigt. Und damit anderes ausblendet. Da treffen sich PEGIDA und Islamisten.
Was auch immer wir hier quatschen: Den Verdammten dieser Erde wirds egal sein. Viele werden nie lesen lernen und Diebstahl/Raub mit Hilfe sexueller Nötigung ist ihnen ein Job wie jeder andere auch.
World is fucking awesome.
Ja, die Entrechteten dieser Erde: die einen verhalten sich ehrlich, die anderen anders. Gründe gibt es für beides. Im letzteren Fall, sofern Straftaten auf dem Boden der BRD geschehen, sollte es für die Täter Konsequenzen haben. Das wäre auch für die Entrechteten gut, die in der BRD eine ehrliche Chance suchen. Die Marokkanische Community in Köln berichtete letztens über die Untätigkeit der Polizei bei zunehmenden Delikten durch Landsleute und ist hochverärgert. Zu recht.
Die Öffentlichkeit fokussierte sich auf die Sexualstraftaten, weil diese in Köln ein erhebliches Ausmaß haben und aus einer großen Menschenmenge heraus begangene Sexualdelikte schwerer wiegen als Eigentumsdelikte. Das ist einer der Gründe. Ein anderer ist die völlig neue Qualität der Ereignisse. Das muß benannt werden. Was wir daraus nun ableiten, ist etwas ganz anderes. Das wird sowieso jeder aus seiner Perspektive heraus betreiben. Von Pegida über die Landesregierung bis hin zum Netzfeminismus einer bestimmten Couleur, den Stokowskis und Diezes dieser Welt, die ansonsten mit dem Anklagetonfall schnell bei der Hand sind und Christian Kracht mal für Zwischendurch Faschismus reinsemmeln.
Ob die sexuellen Übergriffe (davon mutmaßlich zwei Vergewaltigungen) für die Täter nun Neben- oder Haupteffekt ist, bleibt gleichgültig und entzieht sich vermutlich unserem Urteil, weil die Täter dies kaum offen kommunizieren werden. Wie ihr Frauenbild aussieht, können wir nur mutmaßen. Insbesondere den betroffenen Frauen ist es gleichgültig, ob die sexuellen Übergriffe Nebeneffekt waren. Und deren Perspektive sollte eigentlich primär sein. Nicht die der Täter. Ich halte selbst 100 Sexualdelikte innerhalb von rund 6-8 Stunden für eine erhebliche Zahl. Ich weiß nicht, ob das bei Dir in Rom vor 20 Jahren auch so war oder ob die Zahl da geringer ausfiel. Hoffen wir es mal. Und ich denke, ein Komapatient, der von den Medienberichten nichts mitbekam, wäre bei 100 sexuellen Übergriffen in 8 Stunden, ja sagen wir es mal so, not amused. Und es käme ihm wohl kaum in den Sinn, daß es sich um eine ganz normale Nacht auf dem Berliner RAW-Gelände handelte.
Und selbst wenn wir nur die Hälfte der Zahlen ansetzten, bleibt das, was sich in Köln abspielte, schlimm genug und liefe darauf hinaus, daß innerhalb eines begrenzten Areals alle zehn Minuten sich ein Sexdelikt ereignete. (Eine irrsinnig hohe Zahl, wie ich finde!) Es wurde in der Vergangenheit von manchen Netzfeministinnen bei bereits viel geringerem Anlaß die Empörungsrhetorik hochgefahren und von Rape Culture gesprochen, wo es lediglich um Verbales, also um Sprachverhalten ging oder die Art, wie sich Macker in der Öffentlichkeit bewegen oder weil irgendein Werbeplakat sexistisch schien. Für manche sind sogar am falschen Ort aufgestellte Mohrenlampen Anlaß. In Köln plötzlich ist alles ganz harmlos und irgendwie nebensächlich. Kein Wort von Rape Culture. Obwohl der sonst so gerne und ubiquitär benutzte Begriff hier mehr als angebracht ist. Weshalb und woher das Schweigen?
Worum es in der Causa Köln geht: Anders als beim Oktoberfest oder beim Karneval, wo sich ebenfalls Menschenmengen tummeln und Sexualdelikte begangen werden, geschahen diese Übergriffe innerhalb weniger Stunden in massiver Weise. Es waren keine Einzelfälle, die sich peu a peu innerhalb von 24 Stunden ereigneten, wie etwa beim Oktoberfest oder an anderen Orten. In Köln war die Polizei tatenlos (was für Gründen auch immer da den Ausschlag gaben). Aus einer rund 1000köpfigen, prinzipiell gewaltbereiten Menge heraus geschahen schwerwiegende Übergriffe. Die Menge deckte diese Übergriffe und nur wenige schritten ein. Auf einem öffentlichen Platz mitten in einer Großstadt war es Frauen mit einem Male nicht mehr möglich, sich frei und ungehindert zu bewegen. Nein, es waren nicht 1000 Sextäter, auch wenn einige Medien das eine Zeitlang suggerieren mochten. Die überwiegend herrschende Meinung – um einen Ausdruck aus der Jurisprudenz zu bemühen – sprach von einer Menge aus 1000 Personen. Gezählt hat sie wohl keiner. Vielleicht waren es auch bloß 815 Personen, aus deren Deckung heraus Straftaten begangen wurden. Davon niedriggerechnet 100 Sexdelikte.
Das Problem dieser Debatten: Es werden darin unterschiedliche Aspekte gemischt. Was in Köln passierte, hat Befürchtungen geweckt. Teils auch berechtigte. Männer, die sich ansonsten und Jahrzehnte einen Dreck um Frauenrechte scherten, drehen absurd auf Hochtouren, weil es endlich mal nicht ihre eigene Ethnie ist, die grapscht, sondern der Araber, der Nordafrikaner usw.
Zudem wurden seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten massiv aufgestaute Probleme nicht angegangen. Das fängt mit der Sozialarbeit in sogenannten Problemvierteln an und reicht hin zur Unfähigkeit der Justiz mit mehrfach vorbestraften Tätern umzugehen und diese aus dem Verkehr zu ziehen. Nein, es ist nicht prinzipiell der böse Moslem, der böse Islam, der böse Araber. Sexdelikte geschehen vielerorts.
Gut wäre es, wenn Köln mal der Anlaß wäre, darüber nachzudenken, wie eigentlich in der Öffentlichkeit, aber auch im Privaten Männer mit Frauen umzugehen gedenken. Ob das nun Oktoberfest oder Arbeitsplatz ist oder Schläge und Gewalt im Haushalt. Was jemand in seinen Gedanken tut, ist das eine. Das andere ist es, was ein Mann mit seinen Wichspaddeln anstellt. Darüber dürfen arabische, afrikanische, amerikanische, europäische, deutsche und auch australische Männer gerne nachdenken. Jenseits von irgendwelchen strunzdummen Ehr- und Ritualbegriffen.
Tja, bersarin, ich weiß nicht , was „noch zu retten“ ist, um mit Dir zu reden. Zu retten in einer Gesellschaft, in der stundenlang, ein Tag lang eine 13-Jährige angeblich von „Asylanten/Flüchtlingen“ vergewaltigt worden ist. Und nichts davon stimmt, eine unwahre Botschaft, von den russischen Netzwerkfreunden der PEGIDAs initiiert. Da muß man schon an das Christenblut denken, das Juden wieder einmal zum Matzebacken brauchten. Oder denk an das fakevideo vom Tahrhirplatz. Oder an den Syrer, der angeblich im gestochenen Deutsch… lassen wir das. Zu unappetitlich.
Wer so lügt, das weiß ich allerdings, dem ist auf dem Gebiet der Lüge auch alles andere zuzutrauen. Deswegen bin ich vorsichtig mit Bewertungen.
Ich weiß aber, dass das, was gesichert, was unbesteritbar in Köln passiert ist – also massenhafter Raub teilweise in Tateinheit mit sexueller Erpressung – schlimm genug ist. Und bin skeptisch, wenn das manchen offenbar noch nicht reicht, wenn es „mehr“ sein muß. Und zeitgleich – Zufall, Zufall – oben genannte Lügen auftauchen. Mh, was sollen wir da denken?
…ein „ent-scheidendes“ Zitat aus der „Kölner Botschaft“:
„Daraus schließen wir, dass in den Sicherheitsbehörden strukturelle Probleme vorliegen, die dringend behoben werden müssen.“
…und hier meine entsprechenden Erfahrungen „dazu“, als ich als Polizeibeamter, gar gesetzlich dazu gezwungen! …“dagegen“ vorging!
http://www.freitag.de/autoren/martin-franz/diktatur-der-angst-und-einschuechterung
Völlig schutz- und hilflos war und bin ich seitdem!…. der Behördenwillkür ausgeliefert!…da selbst die „Vierte Gewalt“, die sich jetzt hier, insbesondere den WDR betreffend, „so hervor tuend“, ebenfalls völlig versagt hat!
https://www.freitag.de/autoren/martin-franz/voelliges-versagen-der-staats-struktur
Dies alles sind „Hohle Lippen-Bekenntnisse“!
….und „Arsch huh“ beschränkt sich nur auf die „Schnüss“!
Einzig gilt offen-sichtlich: „WEHE dem, DER….!!!“ ….und der „Rest“ wird dann „WIKLICH-KEITS-LOS“ offenbar!!!
…..in „diesem Un-Sinne“ propagandistisches weiteres „Heuchel-Geschrei(b)sel“!!!
@ summacumlaude
Ich weiß auch nicht genau, was zu retten ist, wenn Du alles mit allem differenzlos in einen Topf mengst. Du vermischt die Dynamik sozialer Medien wie Facebook und Twitter im Falle Elenas und die Berichterstattung der Presse. In jenem Fall wurde dort relativ unmittelbar klargestellt, daß es sich nicht um eine Vergewaltigung gehandelt hat. Was soll ich daraus also für einen Schluß ziehen? Daß die Presse grundsätzlich ehrlich berichtet? Das stimmt dann aber nicht mit Deiner Köln-These überein. Daß, wie im Falle Elenas, aus solchen Gerüchten Nazis ihr Süppchen kochen, war zu erwarten. Seit Monaten übrigens produzieren die NPD und andere Nazigruppen im Internet Propaganda: wo Flüchtlinge klauen, wo sie eine deutsche Frau vergewaltigten usw. Ohne Substanz, ohne Grundlage. Das ist nicht erst seit Köln so, wie Du vielleicht annehmen magst. Das ist genau die Dynamik sozialer Netzwerke und der peer groups, die sich in diesen Netzwerken gegenseitig bestätigen. Früher nannten wir das Vorurteil, heute heißt das Phänomen Internet.
Zudem: Du vermischt einzelne Berichte in Zeitungen und Fernsehen, die Humbug sind, wie etwa der von dem Syrer („Merkel hat uns eingeladen“ und auch bei dem angeblich gefundenen Zettel, auf dem Grapsch-Sprüche stehen, bin ich skeptisch), mit Fakten, die sich langsam herausschälten. Weil auf Facebook/Twitter und vereinzelt in Zeitungen Falschmeldungen wie die Zahl von 1000 Sextätern kursieren, ist also auch die Lage in Köln erfunden, wie irgendein Video vom Tahrirplatz? Oder wie soll ich das verstehen? Ich will es Dir gerne glauben. Aber wenn dem so ist, dann mußt Du das bitte beweisen können. Den Beweis für ein Fake in Köln oder daß wir hier deliktmäßig bloß einen mittelmäßigen Tag auf einem kleinen Oktoberfest hätten, konnte bisher keiner liefern Und nun komme bitte niemand mit Frau Schleheck oder der Amerikanerin, die 15 Tage später auftauchte. Dem stehen zu viele andere Aussagen und Anzeigen entgegen. Selbst wenn wir die mittlerweile 350 angezeigten Sexualdelikte auf die Hälfte herunterrechnen, was ich für richtig halte, weil die These der Trittbrettfahrer nicht ganz abwegig ist. Ebensowenig freilich wie die These, daß bei Bekanntwerden bestimmter Umstände und wenn berechtigterweise Schamgrenzen fallen, die Anzeigenquote langsam, aber stetig steigt. Bei sexuellem Mißbrauch in der Kirche etwa ist dies der Fall gewesen. Würde da auch jemand von Trittbrettfahrern sprechen wollen?
Ich möchte übrigens mal die Reaktion der Wizoreks, Diezes, Stokowskis, Augsteins, um nur ein paar prominente Namen zu nennen, erleben, wenn ich dieses Herunterrechnen in einem ähnlich gelagerten Falle, etwa beim Oktoberfest, täte. Mit Muschilecken meinte der doch nur sein Haustier. Höhöhö.
Wenn, wie in Köln, innerhalb von 6 bis 8 Stunden auf begrenztem Raum statistisch genommen alle zehn Minuten ein sexueller Übergriff auf Frauen stattfindet – ich gehe hier von den kleingerechneten Zahlen aus – und das nicht weiter relevant ist, dann kann ich allerdings auch nicht weiterhelfen.
Meine Güte, bersarin, ich sprach von dem, was unbestreitbar ist, und von dem, wo es noch Ermittlungen gibt. Was mir auffällt:Das, was unbestreitbar ist, reicht manchen nicht. Es geht Ihnen ja nicht um die Verdammten dieser Erde und den schwierigen Umgang mit Ihnen. Sondern um Merkels Asylpolitik. Und da reichen Nordafrikaner halt nicht. Da muß „mehr“ her. Deswegen die draufgesattelten Berichte und Vermutungen. Deswegen der „Syrer“. Wie Du weißt, habe ich im Okrober zufällig mit einem der vorderen AfDler sprechen „dürfen“. Da trat genau das schon zu Tage. Der Angriff auf Merkel mit dem Argument, der Abschaum kommt.
Pech nur für die AfD, dass man Köln nicht so einfach mit Syrien in Verbindung bringen kann. Daher der nun wahrlich nicht zu leugnende Spin: Merkel hat Köln gemacht. Was Quatsch ist. Die Täter von Köln waren nach den bisherigen Erkenntnissen vor dem September längst hier. Wer gegen sie etwas unternehmen will, muß sich um Schleuserbanden kümmern. Aber das will man ja nicht: Man will das Asylrecht aushebeln. Und nimmt dafür Köln, auch wenn Köln damit wenig bis nichts zu tun hat. Daher auch mein Engagement in dieser Sache.
Die Sache mit der amerikanischen Familie würde ich nicht bezweifeln, die haben halt später davon gehört und sich dann gemeldet. Die Geschichte mit „eingeladenen“ Syrer war nun auch im Deutschlandfunk, das war „erfolgreicher“ AfD-Spin gegen die Asylpolitik, gegen das Asylrecht. Einige Tage haben Auch seriöse Medien über den Syrer und über 1000 Täter berichtet (die Fakten bezüglich der Berichte um die 1000 sind ja irgendwo auf FB zusammengefasst, erspare ich mir wie dir jetzt mal). Aber, habe ich schon irgendwo geschrieben: Aufgrund der unklaren Nachrichtelagenzu Beginn verzeihlich. Wer freilich heute noch von 1000 Tätern schwafelt, hat etwas vor. Und nichts gutes.
Die Anzeigendynamik ist in der Tat bemerkenswert. Gesteuert würde ich sie nicht nennen, aber auch ich gehe von etlichen Trittbrettfahrern aus, was nach aller menschlichen Erfahrungen normal ist. Oder ob doch die eine oder andere fakeanzeige dabei ist? Naja, kann sein. Trotzdem ist nicht in Köln nichts passiert, Fake hin, Spin her. Das ist schon wichtig klarzustellen. Deswegen ist es aber auch wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben, nicht noch die Fakten in Richtung Radikalisierung zu manipulieren. Wenn so etwas rauskommt, ist mittenmal Köln ein einziger Fake. Dann feixen sich die Linken einen…
Mit den Mißhandlungen in kirchlichen Einrichtungen hat Köln nichts zu tun, da es sich bei den Kindern in den Kircheneinrichtungen um Schutzbefohlen und jahrelang Abhängige von ihren Peinigern handelte. Da ist aufgrund komplexer, ambivalenter Gefühle eine größere Hemmung da, den Ersatzvater – wie er auch immer sich verhielt – anzuzeigen.
Dringlichstes Problem ist der Umgang mit den Flüchtlingen der Zukunft, die , was anzunehmen ist, in etwa „Kölner Qualitäten“ haben werden. Wohin mit Ihnen? Was tun? Längs hätten wir ein Eiwanderungsgesetz gebraucht, das dann die Anwendung des Asylrechts in sehr engen Grenzen erlauben würde. Aber an die vergeblichen Diskussionen in den 90er Jahren erinnere ich mich noch zu gut. Es war, das ist klar zu sagen, die CDU, die ein Einwanderungsgesetz damals abgelehnt hat. Ich fürchte, dass es nun zu spät ist, dass nun alle Einreisewilligen „Asyl“ rufen werden und nicht via Einreisegesetz kommen würden. Bis sich so etwas einspielt, vergehen Jahre. Wir haben 25 davon verschenkt.
Was mich am meisten ankotzt: Das so viele, die sonst das Maul nicht laut genug aufkriegen, z.B. Um „Fachismus“ zu schreien, nun mittenmal nur noch Architekturbilder posten. Die Angst im laufenden Verfahren etwas „Falsches“ zu sagen. Und am Ende dann als Besserwisser dazustehen. Hab ich doch gleich gewußt. Da finde ich Dich und Hartmut z.B. angenehmer, auch wenn man nicht in allen Facetten einer Meinung ist.
Bis zum 5.1. gab es in der Tat Berichte von 1000 Tätern. Nicht aber in der überwiegend herrschenden Berichterstattung bei SpOn, Welt, FAZ, ARD, die ihre Falschmeldung relativierten oder aber revidierten. Auch das haben wir auf Facebook gezeigt. Teils schwirrt diese Zahl in wenigen Medien auch noch danach im Raum, etwa beim „Focus“ bis zum 13.1. Erst am 14.1. revidierte das Magazin online: „Wer freilich heute noch von 1000 Tätern schwafelt, hat etwas vor. Und nichts gutes.“ Dem stimme ich ebenfalls zu. Und das muß benannt werden. In jedem Falle. Wichtig aber auch hier: die Ebenen zu differenzieren.
Daß anhand der Ereignisse in Köln mancher sein Süppchen kocht, bestreitet niemand. Und ich wies darauf bereits in meinem ersten Text zu Köln sehr deutlich hin. Daß dazu nun auch noch die unsägliche Debatte um das Asylrecht sich gesellte, ist ein Zeichen widerwärtiger Instrumentalisierung. Asylrecht ist ein Grundrecht. Debattieren kann man jedoch über die Einwanderungspolitik eines Landes und wie man Schleuserbanden ausschaltet. Wer jedoch Menschen aufnehmen will, der muß Lösungen angeben können, wie wir dies finanziell, kulturell und integrationsmäßig stemmen wollen. Ein „Wir-schaffen-das“ ist nett gemeint und besser als ein „Haut ab“. Doch in the long run reichen Parolen nicht.
Wer als Mann meint, sich nicht von einer deutschen Ärztin untersuchen oder von einer deutschen Lehrerin unterrichten lassen zu müssen, der ist hier falsch. Wer meint, Frauen dürften sich nicht kleiden, wie es ihnen behagt, ebenfalls. Und das sollte man auch glasklar und ohne Wenn-und-Aber kommunizieren. Ja, wir werden uns unbequeme Fragen stellen müssen und auch manche unbequeme Antwort aushalten müssen, die scheinbar radikal klingt, aber der es am Ende darum geht, einen Mindeststandard durchzusetzen. Auf einer ganz pragmatischen Ebene.
„Die Sache mit der amerikanischen Familie würde ich nicht bezweifeln, die haben halt später davon gehört und sich dann gemeldet.“ Nun könnte man natürlich nach pöser Dekonstruktionsart sagen, daß es sich um einen netten US-Spin-Doctor-Trick handelt. Gute Syrer, die einer US-Amerikanerin helfen. Umso mehr Gründe Assad wegzubomben und nicht mit Putin und dem Iran zusammen eine Lösung für Syrien zu finden. Mag so sein. Nur muß man das dann auch beweisen können. Ebenfalls könnte man behaupten: Eigenartig, wie sie Syrer und Iraker plötzlich nicht mehr dabei sind. Könnte ja ebenso ein Trick sein. Fragen lassen sich in viele Richtungen stellen. Und die Medien berichten da ganz unterschiedlich. Ich will ebenfalls nicht von Verschwörungen sprechen. Aber manche Dinge bekommen eine merkwürdige Eigendynmik.
Nach meinen Erkenntnissen aus den Medien sind die Täter gemischt. Teils Asylbewerber, auch aus Syrien und dem Irak, teils Marokkaner, teils Algerier.
„Dringlichstes Problem ist der Umgang mit den Flüchtlingen der Zukunft, die , was anzunehmen ist, in etwa “Kölner Qualitäten” haben werden. Wohin mit Ihnen? Was tun?“ Das genau sind die Fragen, die wir uns stellen müssen. Sehe ich ebenso, wie auch die Frage nach einem Einwanderungsgesetz. Ich halte übrigens die Two-strikes-and-you-are-out-Regel für eine gute Sache. Wer meint, sich hier nicht an die Gesetze halten zu müssen, fährt nach Strafmaß in den BRD-Knast ein und danach wieder gen Heimat. Das macht denen Mut, die ehrlich hier leben wollen, beruhigt diejenigen, die zwar Befürchtungen und Ängste haben, aber eben keine Nazis sind und zeigt Härte gegenüber denen, die meinen, hier ihre Strukturen etablieren zu können.
Aber bersarin, die Heimat gibt es ja nicht mehr, wenn die Straftäter ihre Pässe vernichten. Und Marroko sagt dann: Kennen wir nicht, den Mann. Wohin mit ihm? The Problem is unsolved.
Dass Einwanderer sich natürlich den Gegebenheiten der Aufnahmeländer anpassen müssen, hat aber im Ernst nie einer bestritten.
Ach, Money makes the world go round. Die Marokkaner werden den Mann dann schon kennen. Ggf. wird man es auch an bestimmten Dialekten herausfinden, wo einer herkommt.
Dialekte? Zu unsicher, aufgrund dessenwürde ein deutscher Richter niemals ein Flugticket spendieren. Geld könnte klappen.
Wichtig scheint mir zu sein, in den Herkunftsländern diesen Magnetismus nach Deutschland ein wenig abzuschwächen. So doll ist das Leben hier für sog. Ilegale nicht. Ich weiß nicht, was da noch für Vorstellungen herrschen. Offenbar ein Land of Dreamscape. Bitte sehr/Einwanderungsgesetz her. Dann kommen diejenigen, die wirklich etwas reißen wollen. Aber leider: 25 verschenkte Jahre, bis sich das dann einspiel, sind wir alt.
I-Pad schludert den Text durcheinander. Mist. Aber ich denke, ich bin verständlich.
Habe verstanden, was Du sagen wolltest. Wir sehen uns ja eh heute Abend. Was die Herkunftsländer und deren ökonomische Situation betrifft, das ist ja ein weiteres Kapitel. Wenn wir Agrarimporte nach Marokko subventionieren und damit den Marokkanischen Bauern die Arbeit wegbricht, ist das für ein Bleiben nicht förderlich. Andererseits kann man dem entgegnen: machen wir es nicht, dann tut es eben China. Wichtig scheint mir, auf einer rein pragmatischen Ebene, in der Tat eine gewisse wirtschaftliche und politische Stabilität in diesen Ländern. Wie die zu erzeugen sei, darüber wiederum läßt sich trefflich debattieren.
Von der unverwüstlichen, enorm durchsetzungsfähigen verkrachten Existenz; dazu Zizek, Eilenberger, Köln, Markus Lanz, Enzensberger, Hans-Olaf Henkel und die elementaren „Versuche über den Unfrieden“ und Nils Schmid und Peter Friedrich/ Ba-Wü SPD – oder: Gruppenbild vor weiß gefließten Kacheln und weißem Rollo – ohne drei Spiel vier
@ summacumlaude
Ich kann nur meine fünf Cent dazutun: Hier in Südbaden hat es lt. Polizeibericht eine sich über Stunden hinziehende Gruppenvergewaltigung von zwei Teenies (14 & 15) durch Syrer um Neujahr rum gegeben. Der ärztliche Befund scheint eindeutig. Abwarten.
Gut, dass Sie in Sachen Köln von Raub schreiben. Soviel Differenzierung darf schon sein. Peter Schneider letzten Samstag in der Welt schrieb ganz gut; sprach aber immer von Diebstahl auf der Domplatte…und er war lange nicht der einzige. Das wird sich vielleicht noch flächendeckend ändern, wenn auch schleppend, wg. Klassenjustizsystemvorbehalt usw.
„1000 Täter von Köln“ ist die Doofen-Variante. Etwas differenzierter ist aber gleich ziemlich knifflig: Weil es eine große Gruppe von Menschen gab, die die tatsächlichen Verbrechen zu Mob-Taten machten: Was dann wieder zu den 1000 oder wieviel da auch versammelt waren, zurückführt.
@ bersarin
Ich stimme Ihnen zu, dass man Köln usw. genau ansehen soll. Das Netz ist natürlich nicht überschaubar. Ich halt mich an die Leitmedien. Da bin ich beschränkt!
Den Europäern (und den Deutschen vorneweg) vorzuhalten, dass sie die Welt (Afrika!) nicht in Ordnung bringen, wie Zizek das im „Spiegel“ und im „Tages-Anzeiger“ tut, ist unsinnig. –
Ihre Überlegungen zur Entwicklungspolitik sind entsprechend – und ich füg hinzu: Ehrlicherweise! – zirkulär.
Was mich wundert: Enzensbergers auch in diesen von Zizek et al. (Gysi, …) zum millionsten Mal apostrophierten Sachverhalten der Unterentwicklung und der wirtschaftlichen Interdepenztheorie altmarxistischen Angedenkens, Enzensbergers sag ich auch in dieser Hinsicht einwandfreie „Versuche über den Unfrieden“: 1) Aussichten auf den Bürgerkrieg, 2) Die große Wanderung und 3) Schreckens Männer – : – diese wunderbare Sammel-Schrift also: Sie kommt nicht vor, sie kommt auch bei Ihnen einfach nicht vor, obwohl er haargenau passt: Eben auch in Ihre Fragestellungen.
Der alte Enzensberger kennt freilich die Geschichte vom Hasen und vom Igel: Er lacht sich bestimmt in seiner Schwabinger Bleibe ins Fäustchen, bzw. summt leise die Weise von der Furie des Verschwindens: Den Hegel’schen Generalbass – sie wissen ja
Tritt der Herr Eilenberger auf vom Philosophie-Magazin. Der Herr Eilenberger, der verwundert tut, als sei die Flüchtlingsfrage ganz neu und als habe jeder die Gefahr verdrängt, dass es so kommen würde wie es nun zu kommen scheint mit der Großen Wanderung usw.: – Der nette Herr Eilenberger, sag ich, weiß offenbar auch nichts von Enzensberger. Ich halte nun dafür, dass bestimmte Erkenntnislücken Versäumnisse darstellen, die nicht leicht zu kitten sind und die – als Vakuum, – Unsinn ansaugen – – tendenziell über die Kapazitätsgrenzen vieler Beteiligten hinaus – dass Enzensbergers formidable und so vieles überragende und überflüssig machende „Versuche über den Unfrieden“ nicht rezipiert werden, scheint mir so eine fatale Lücke zu sein.
Der Verlag versteckt das Buch geradezu auf seiner Netzseite: Suhl- und Schlamp-Verlag, mit Eckhardt Henscheid zu schimpfen. Denn diese „Versuche über den Unfrieden“, leicht zu lesen, billig zu erwerben (12 Euro) sind das Buch der Stunde.
Einschub: Ich merke gerade, dass ich in diesem Punkt summacumlaude ähnle: Es sind Versäumnisse zu beklagen. –
Aber nochmal zu Herrn Eilenberger, dem ich vorgestern Nacht eine Weile zuhörte, wie er erst Hans-Olaf Henkel dafür geißelte, dass der von einer Million Flüchtlingen sprach, obwohl niemand mit Gewißheit sagen könne, wieviele Flüchtlinge derzeit usw. – nur um kurz darauf – hastenicht gesehen, ungerührt selber von haargenau einer Million Flüchtlingen zu sprechen: Bei Markus Lanz. Lanz hockte dabei, und kapierte die Sache nicht, wie auch Hajo Schumacher und wer da so war, Meike Winnemuth… ein bekannter Mann der Darstellenden Künste namens Sittler. Der kapierte aber nicht nur nicht, worauf Henkel hinaus will, sondern ist im Gegenzug einfach für das, was ihm passt, und gegen das, was ihm nicht passt: Er glaubt offenbar, je mehr Menschen es exactement Walter Sittler gleichtun, desto besser wir die Welt…
Ergreifend: Der Hans-Olaf Henkel, wie er sich in die Arena wirft mit seinem langsam vergreisenden Körper, mit seinen zitternden Fingern an der rechten – gleichwohl und dennoch: meist erhobenen! – Hand: Die rote Hand mit ihren zitternden Fingern daran: Henkel fürchtet sich nicht vor der eigenen Schwäche oder läßt sich jedenfalls nicht davon verdrießen bzw. einschüchtern. Dabei könnte der doch immerfort in Wallhausen hier in der Nachbarschaft Segelschiffle fahren, aber er wirft sich stattdessen in die Debatte: Und er l e r n t immer noch dabei; und er gibt Fehler zu. Das ist toll! Man soll das Positive nicht übersehen in all dem Durcheinander.
Einer der interessantesten Fehler, die Henkel einräumte: Dass er, bevor er bei der AfD mitmachte, keinen hinreichenden Begriff von der Durchsetzungsfähigkeit abgehalfterter und halb- bis ganz gescheiterter Figuren des gewöhnlichen bürgerlichen Lebens gehabt habe: Und wie er das schildert – und wie ihm bei der Schilderung noch eine Gänsehaut zu überlaufen scheint: Das sind Dinge, von denen ich glaube, dass sie ihn und uns wirklich weiterbringen: Denn solche durchsetzungsfähigen halbverkrachten Wütheriche und Winkeladvokaten usw. sind real, und wer nicht mit ihnen fertig zu werden weiß,/ der soll nicht in die politisch‘ Küch‘,/ für den ist’s da zu heiß (Peter Friedrich, Nils Schmid – die sich selbst aus dem Rennen kegelnden Überreste der BA-Wü-SPD…und die vor der Abwahl stehende Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz, Malu Dreier, sowie angeschlossene bzw. vorgeordnete GrünenkaderInnen).
Seltsam berührt mich, lieber Bersarin, wie sich in Ihnen die mittlerweile ja selber schon uralte Faszination für das Grand-Hotel Abgrund reinkarniert…und jetzt gehen Sie abends nichtmal mehr ins Café…
Tja, aber Sie schreiben doch und machen Fotos jetzte: also das Foto von der weiß gefließten Hauswand mit dem weißen Rollo: Chapeau!
Viele Aspekte, die Sie anführen. Zunächst zu den Medien: auch ich lese die sogenannten Leitmedien, das reicht von SpOn, BLZ, Zeit, FAZ bis zur „Welt“. Zudem manchmal „Analyse und Kritik“, konkret, Nachdenkenseiten und einige Blogs. Sich weiter in die Tiefen des Netzes zu bewegen, hin zu unseligen Debatten, die am Ende nur die Zeit rauben, fehlt mir schlicht die Zeit. Ich weiß nicht, wie sich das Gros informiert: die Menschen, die ich kenne, lesen Zeitung.
Interessant allerdings, daß die Ereignisse in Köln so schnell aus dem Blick wieder verschwanden, wie sie kamen. Nun also in den Medien eine neue Debatte. Asylrecht, Obergrenzen. Aber was geschah nun in Köln? Wurde man der Täter habhaft, konnten weitere Delikte ermittelt werden? Das täte mich schon interessieren. Wie geht es insbesondere in dieser Sache weiter?
Ganz von der Hand zu weisen, ist die Interdependenztheorie nicht und überspitzt kann man hinzufügen: Wenn die Menschen nichts zu essen und keine Perspektiven haben, dann gehen sie eben dahin, wo sich ihnen Perspektiven eröffnen. Einfache Antworten gibt es in diesen Fragen nicht. Ein wenig ist es wie seinerzeit bei den Riots in London. Die Werbung spielt den Menschen tagein, tagaus vor, wie erstrebenswert der Flachbildschirm ist. Nun, dann holen sie sich den halt auch.
Bei der Entwicklungspolitik oder exakter sollten wir sagen in den Fragen der Außen- und Weltpolitik bin ich nicht wirklich kompetent. Zum einen bin ich kein Wirtschaftswissenschaftler, kein Politologe und kann hier nur mit Halbwissen glänzen – was ja, wenn das mit Esprit und vorwitzig genug passiert, auch nicht von schlechten Eltern sein muß. Zum anderen denke ich, daß neben den äußerlichen weltwirtschaftlichen Aspekten auch eine Binnengeschichte der Länder existiert, die sich nicht einfach nur durch die Kolonialgeschichte ergibt – zumindest bei den Ländern, die Kolonien waren. Diese verschichteten Aspekte müßte man sich jeweils im Detail ansehen. Im Grunde bleibt mir, wenn ich über diese Dinge lese, nur die Möglichkeit, nach Plausibilitätskriterien vorzugehen und immer mal wieder die Frage „Qui bono“ zu stellen – ohne damit nun einfache Kausalursachen zu evozieren. Ebenso kann man nach den Gesetzen und Regeln kapitalistischer Produktion schauen. Da scheinen mir die Analysen von Marx nach wie vor wesentlich. (Nein, es geht hier nicht um Revolutionsromantik, sondern um den kalt analysierenden Marx des „Kapitals“ und der Kritik der Politischen Ökonomie.) Insbesondere was die Aspekte zur Verelendungstheorie betrifft. Ein fungibles Lumpenproletariat, die Underdogs eben, die sich an beliebiger Stelle einsetzen und eben auch verschleißen lassen. Für vieles, so denke ich, sind immer noch die Klassiker gut.
Henkel zählt allerdings für mich zu den nicht sonders wohlgelittenen Gestalten. Ich müßte mich sehr bemühen, ihm etwas abzugewinnen. „Einer der interessantesten Fehler, die Henkel einräumte: Dass er, bevor er bei der AfD mitmachte, keinen hinreichenden Begriff von der Durchsetzungsfähigkeit abgehalfterter und halb- bis ganz gescheiterter Figuren des gewöhnlichen bürgerlichen Lebens gehabt habe …“ Böse Zungen behaupten, daß dies insbesondere auf Henkel selber, den Dauertalkshowgast, zutrifft. (Ich wollte es zunächst im Konjuktiv II formulieren. Aber dann bemerkte ich den falschen Sprachgebrauch.)
Prima, den Enzensberger werde ich mir auf die Leseliste setzen. Da danke ich doch freundlich für den Hinweis. Genau die Themen, um die in den Diskursräumen die Sätze schwirren. Ich kannte diesen Text nicht, bewege mich freilich auch mehr in den Gefilden der Ästhetik sowie auf der Ebene allgemeiner Theorie und Soziologie: Luhmann, Adorno, Weber, Foucault.
@Dieter Kief ohne drei Spiel vier Peter Schneider fünf (hahaha)
Bevor ich urteile, will ich wissen, was geschehen ist. Einiges in Köln ist gesichert. Mir reicht das, um
a. weiter nachzufragen und
b. auch um mich zu empören.
Wer da noch etwas – aktuell Ungesichertes, nicht durch Fakten gedecktes – draufpackt, um eine stärkere propagandistische Wirkung zu erzielen, z.B. gegen die Kriegsflüchtlinge oder für ein Aushebeln des Grundrechts auf Asyl, hat mein Mißtrauen. Mehr ist nie gesagt worden.
Was zugleich bedeutet: Wer da untertreibt, Nebelkerzen schießt und andere Fronten eröffnet, um abzulenken, bekommt von mir dasselbe: Eben Mißtrauen.
Moralisches Gesamtpaket wie folgt: Wer kritisch bleibt, ist kein Victimblamer (aktuell ein Modevorwurf) und wer empört ist kein Rassist.
Grüße aus der Hauptstradt des Verbrechens hinein ins Ländle, wo die Welt noch in Ordnung ist :-)