Die Modalitäten des Internet: Münkler-Watch und die ewig währende Erregungsposse des Shitstorm

Natürlich wieder eine Posse aus der Humboldt-Universität zu Berlin. Diesmal traf der Erregungseifer – von verschiedenen Seiten und Lagern her – den relativ bekannten, inhaltlich und von der Sache her durchaus kritisierbaren Politikwissenschaftler Herfried Münkler, dessen Vorlesung nun von einem Blog namens Münkler-Watch auf rassistisches, eurozentristisches oder frauenfeindliches Gedankengut hin überwacht wird. Münkler steht durch eine Gruppe Studenten unter Beobachtung, weil er sich erlaubt, in einem Seminar klassische Texte der Politikwissenschaft immanent zu lesen und die Argumente der Autoren zunächst so dazustellen, wie diese sie in ihrem Text schrieben. Ja: Es sind diese Autoren meist Männer, weil zu dieser Zeit meist Männer schrieben. Das ist bedauerlich, aber es läßt sich als Faktum nun einmal nicht beseitigen. Und es wohnt den meisten Autoren ein eher eurozentristischer Blick inne. Da sie in Europa schreiben und das zu einer Zeit als Cultural Studies noch nicht erfunden waren, scheint mir dies nicht allzu befremdlich. Was nicht bedeutet, die Texte nicht kritisieren zu dürfen. Nur: Bevor man sie kritisiert, muß man sie gelesen und auch verstanden haben. Eine durchaus differenzierte und gute Sicht der Dinge liefert Nils Markwardt, bei bei Zeit-Online nachzulesen.

Medial in Szene gesetzt, erwächst aus dieser Sache von unterschiedlichen Lagern her der Disput. Mancher schäumt angesichts dieses Münkler-Blogs vor Aufregung unangemessen über, so Friederike Haupts Text in der FAZ. Wenn man Polemik macht, sollte man diese auch beherrschen. Andererseits scheint mir ebenso die Kritik von Münkler-Watch überzogen und sachlich aus dem Ruder zu laufen, denn es handelt sich um eine Vorlesung zu den Grundlagen. Da geht es zunächst um die Basistexte. Um den Eurozentrismus jedoch zu kritisieren, sollte man seinen Gegner besser kennen als diese sich selber. Ja, was für eine Ungeheuerlichkeit von Münkler, daß er nicht sogleich den distanzierende Warnhinweis mitlieferte und am besten als Aufdruck über den Texten plazierte: „Kant-Lesen schadet Ihrer Gesundheit und kann zu Rassismus und Eurozentrismus führen.“ Da ist sie wieder: die unendliche Triggerwarnung. Äußerungen Münklers jedoch in einem Interview der „Zeit“ dieser Woche machen alles nicht besser. Den Studenten zu unterstellen, es wären dies Methoden wie 1933, ist nicht nur absurd, sondern verharmlost eine Situation, die mit nicht vielem in Deutschland vergleichbar ist. Das sollte einem Politologen wie Münkler eigentlich bekannt sein. (Fast möchte man, was diese von Münkler geäußerten Bezichtigungen anbelangt, dem Münkler-Watch-Blog, denn doch eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Und wenn ich mir manche der dort geschriebenen Kommentare durchlese, zeigt sich, daß der Kampf gegen Rassismus mehr als wichtig ist. Es fragt sich allerdings nur, in welchen Formen und in welcher Weise der erfolgen sollte.)

In den guten und seligen Zeiten sprengten Studentinnen Vorlesungen noch mit Titten-Attentaten. Dazu reicht es heute nicht mehr hin, dazu ist die prüde und weichgegenderte Studentin (mit oder ohne Unterstrich) nicht mehr in der Lage, denn Tittenzeigen, und überhaupt jegliche sexuelle Regung ist im Lager des neokonservativen Pietismus naturgemäß verpönt. In genau diesem Pietismus einer Gesinnungslinken und in einem völlig aus dem Ruder gelaufenen Erregungseifer liegt das Problem, das implizit dann die Betreiber des Münkler-Watch-Blogs betrifft – mögen sie in einigen Punkten ihrer Kritik auch richtig liegen. Eine Haltung, die Linkssein lediglich als Simulationsprojekt und als Sprachschnüffelei betreibt, um einer Sprecherpositionen wahlweise Sexismus, Homophobie, Rassismus unterzujubeln, führt zu einem verhängnisvollen Modus der Kritik. Denn auf diese Weise entsteht eine Szenerie des generellen Verdachts. Jedem Begriff und jeder unliebsamen Äußerung oder Lebensregung wird ein rassistisches, homophobes oder eurozentristisches Motiv untergeschoben, jede Äußerung wird zunächst einmal gewichtet, ob sich darin nicht verborgenes Verbotenes zeigt. Was früher in einer simplen Variante als Vulgärideologiekritik betrieben wurde, hat sich heute zu einer anderen Gemischlage verdichtet, die aus den USA herüberschwappte: Othering sowie die tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung verschiedener Gruppen. Mittlerweile hat sich das zu einer Tendenz geballt, in der es nicht mehr um reale Diskriminierungen von Minderheiten geht, sondern um Diskurshoheiten: Anderen Diskriminierung unterzujubeln.

Das Internet trägt als medialer Verstärker qua Blog, Facebook, Twitter usw. einen guten Teil dazu bei. Triviale Erkenntnis, aber man kann sie nicht oft genug aussprechen. Eine an sich einmal richtige Sache, nämlich Unterdrückung, versteckten bzw. subtilen Rassismus und Widersprüche zum Thema zu machen, verfällt ins Gegenteil: die Inquisition hält Einzug sowie daran anschließend der Beicht- und Bekenntniszwang. In bestimmten Kreisen geht das dann so: Männer, die mit einer Frau flirten und sie irgendwie mit Begehren anschauen, sind erst einmal grundsätzlich verdächtig und haben sich für ihr schandbares Verhalten zu rechtfertigen, Frauen, die sich körperbetont und erotisch aufreizend anziehen, sind ebenfalls verdächtig und müssen sich erklären, wie sie es als Frauen verantworten können, sinnliche Spitzenunterwäsche zu tragen; Frauen, die Kinder wollen sind verdächtig, Weiße, die zwecks journalistischer Recherche sich schwarz schminken sind verdächtig, weiße Schauspieler, die Schwarze spielen, sind nicht nur verdächtig, sondern sogleich Rassisten; Heterosexuelle, die sich im Park küssen, werden dazu aufgefordert, dies aus Solidarität mit Queeren, Schwulen und Lesben zu unterlassen. Statt Gesellschaft relevant zu kritisieren, werden Sprachregelungen getroffen, und es wird debattiert, ob in Büchern, die vor mehr als 50 Jahre geschrieben wurden, das Wort „Neger“ vorkommen darf. (Vermutlich tilgt man irgendwann bei Tom Sawyer und Huck Finn das Zigarettenrauchen aus den Büchern. In Japan ist es bereits soweit, daß dem David von Michelangelo ein Lendentuch umgehängt wurde. Ich habe das seinerzeit mal als Witz geschrieben. Ein Jahr später wurde der Wahrheit.) Prinzipiell ist diesen neodogmatischen Pietisten jeder verdächtig: Raucher, Flucher, Alkoholtrinker, Fleischesser, Zu-wenig-Esser, Sportbetreiber, Bergkletterer, sogar unschuldige in der Alpenlandschaft kopulierende Murmeltiere, denn die bestätigen die heterosexuelle, heteronormative Matrix. (Nein, das stammt nicht aus der Titanic, sondern ist der realen Welt der Blogs entnommen.)

Wichtig vor jedem Diskursbeginn: am besten gar nicht lesen oder etwas äußern, sondern vorm Aufschlagen des Buches und vorm Sprechen unbedingt die eigenen Privilegien und die Sprecherrolle checken. Sinnvoller wäre es freilich, statt Privilegienchecks zu veranstalten, wie sonst nur der BRD-Bürger sein Auto tüvmäßig durchprüft, zuerst einmal die Fakten zu checken und Redner- oder Textbeiträge nicht nach Quotierungen auszumitteln, sondern wer zu welchem Thema etwas kompetent beitragen kann und nicht bloß daherfaselt. Ob da nun unterkomplex und mit unvergleichlicher Naivität frei von jeglicher Marx-Kenntnis über den Marktbegriff schwadroniert wurde, wie weiland in der Blogosphäre geschehen, oder ob da ein billig zu habender Sprach-Antirassismus als Gesinnungsmonstranz von mea culpa murmelnden weißen Bürgersöhnchen und den Bürgertöchterchen vor sich hergetragen wird, die sich bei jedem Nazi-Aufmarsch sofort verpissen.

Für die Logik der Sache und den Gang des Argumentes ist es jedoch relativ egal, ob einer schwarz, weiß, hellbraun oder gelb im Gesicht ist oder ob Mann oder Frau oder irgendwas dazwischen. (Freilich nicht für die sozialen Umstände und die Bedingungen.) Aber wenn es schon darum geht, Privilegien zu checken, so muß sich halt auch eine politisch engagierte Autorin wie Noah Sow fragen lassen, wer eigentlich privilegierter ist: Der hellhäutige Betreiber dieses Blogs, der keinen Verlag zur Hand hat, der seine Texte veröffentlicht, der Flüchtling aus Gambia, der vor einer schwarzen Elite mit nichts als seinem Hemd und seiner Hose unter schlimmen Umständen in die BRD flieht, oder die dunkelhäutige Autorin, die bei Bertelsmann mit ihrem Buch „Deutschland schwarz weiß“ doch eine gewisse Wirkungsmacht zu entfalten vermag? (Das spricht nicht gegen ihr Buch: ganz im Gegenteil. Es ist so ratsam, dieses Buch zu lesen; wie es ratsam ist, sich die Filme anzuschauen, wo der Journalist Günter Wallraff als Schwarzer verkleidet durch die BRD reist.) Und ein weißer, männlicher Blogger, der das Privileg besitzt, einmal im Monat eine Radiosendung zu moderieren, sollte sich fragen lassen, weshalb er seine privilegierte weiße Sprecherposition nicht zugunsten der von ihm ansonsten in jedem Atemzug genannten Lampedusa-Flüchtlinge weitergibt und diese nicht ans Mikro oder an seinen Blog läßt. Es zeigt sich bereits an diesen Beispielen, zu welchen Absurditäten ein bis zur letzten Konsequenz gedachter Check von Privilegien führt. Daß dann nämlich niemand mehr etwas sagen, schreiben und veröffentlichen dürfte. (Es geht mir in meinem Text nicht gegen die Arbeit der Antirassisten. Wohl aber gegen den Rassismusvorwurf, der als mediale Spielmarke eingesetzt wird.)

Das Internet nun erzeugt ein besonderes Milieu – wenngleich es dieses immer schon gab, nur gewichtet und äußert es sich in diesem Falle anders und potenzierter, was einen Umschlag der Quantität in eine neue Qualität ergibt –, und es ist ein besonderes Medium, in dem die Erregungskommunikation des Shitstorm und die Logik des Verdachts gut gedeihen. Es lädt insbesondere zu solchen Formen des anonymen Denunzierens, die bis hin zum Rufmord reichen, geradezu ein, so daß ein neuer Pranger entsteht: Es streut jemand irgendein Gerücht über jemanden oder stellt falsche Behauptungen auf oder äußert in der Internetöffentlichkeit Dinge, die eigentlich nicht dorthin gehören, sondern im privaten Rahmen behandelt werden sollten. Es werden Sätze falsch zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen oder am besten noch: gar nicht erst gelesen. Aber trotzdem wird eine falsche Behauptung oder eine bewußte Lüge in den Raum gestellt. Andere greifen dies auf, kolportieren es, übersteigern den Verdacht, schmücken ihn aus und schon hat man aus einer kleinen Angelegenheit ein großes Brimborium und Bohei gezaubert. Nein, gezaubert ist falsch: sondern bewußt inszeniert.

Über eine solche Inszenierung von Petitessen und über die Kommunikation der Aufgeregtheiten und Erregungen schreibt Don Alphonso auf seinem FAZ-Blog „Stützen der Gesellschaft“ einen ausnehmend klugen und lesenswerten Artikel: „Mit dem Rückgrat einer Qualle: Wie das Westfalen-Blatt eine Autorin dem Mob opfert“. Wie mittels eines bereits kleinen Shitstorms die Redakteurin eines Provinzblattes aus ihrer Tätigkeit gejagt wurde, weil sie die falsche Antwort auf die falsche Frage gab und wie die Rechtschaffenheit der korrekten Gesinnung mittlerweile zum Maßstab für die öffentlichen Diskurse gemacht wird.

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Nicht mehr die Debatte und der Widerstreit, gar Konträres sind Bestandteil von Diskussionen, wie man es von früher her kannte und wie man es eigentlich bei Debatten erwarten sollte, sondern das Einerlei homogener Meinungssoße wird gefordert. Ich kann mittlerweile Kolumnisten wie Harald Martenstein oder Wiglaf Droste, die auf das Dummerhafte solcher Politpossen mit deftiger Polemik reagiert, immer besser verstehen. Don Alphonso hat in der FAZ einen bemerkenswerten, abgewogenen und klugen Artikel geschrieben, hat eine weitere Posse derer mit der politisch korrekten Gesinnung uns vorgeführt. Don Alphonso gehört immer noch und weiterhin zum Klügsten, was die politische Blogosphäre hervorbringt, weil er sich dem simplen Schema rechts/links nicht beugt, weil er eine Komplexität und Unabhängigkeit des Denkens von politischen Markierungen sich bewahrt hat. Das schlägt manchmal ins Extrem der Polemik aus. Die beherrscht Don Alphonso rhetorisch perfekt. Im Gegensatz zum linksposierenden Schwätzertum mancher, die bereits bei der Lektüre von Sätzen, die mehr als vier Begriffe beinhalten, aufgeben müssen oder die in ihrer Kreuzberger Medienblase nach einem simplen Schematismus die Welt in hell und dunkel einteilen, weil es von der Denkkraft zu mehr nicht ausreicht als zum Dualismus.

Ergänzend zu Don Alphonsos Beitrag sei auf Hartmuts Text in seinem Blog „Kritik und Kunst“ hingewiesen, der diesen Vorgang auf den Punkt bringt. Wie eine eher läppische Frage eines Mannes sowie die Antwort darauf zu einem Auswuchs an Homophobie hochgekocht wird. Dieses Beispiel mag noch eines der harmlosen sein. Das Netz ist voll davon: Immer ein Stück weiter die Flamme drehen. Und kräftig Unterstellungen hinzufügen. Wie nicht anders zu erwarten, sind natürlich reflexartig in ihrer Schnappatmung die mit der simplen Gesinnung dabei, die dann Don Alphonso Homophobie unterschiebt und etwas insinuieren, was in dem Beitrag von Don Alphonso nun gerade nicht zum Ausdruck kommt. Hauptsache aber, es kann denunziert und eine dezidierte und komplex dargelegte, gute Argumentation mit inkriminierenden Schlagwörtern besetzt werden. Hinter solchen widerwärtigen Mechanismen des Umlügens von Sachverhalten steckt jedoch eine Methode: Wer homophob ist, mit dem braucht man nicht mehr zu diskutieren, denn er oder sie haben sich per se aus der Gemeinschaft der Vernünftigen und der Diskutierenden ausgeschlossen. Das eben ist der simple Trick dieser simplen Gestalten. Es wäre gut, wenn zumindest eine aufgeklärt denkende Linke darauf nicht weiter hereinfällt. Es handelt sich um Solidarität mit den Falschen. Neo-Pietisten und Denunzianten sind keine Partner, sondern Gegner.

Das schlimme an solchen Diskursen ist, daß man selber zum Teil dieser Erregungskommunikation beiträgt. Andererseits verhält es in diesen Dingen derart: Wenn hier nicht explizit eine Gegenöffentlichkeit hergestellt wird, wie unter anderem Don Alphonso es verschiedentlich macht und wie Hartmut es auf  „Kritik und Kunst“ seit Jahren trommelt, dann überlassen wir das Feld den falschen Leuten. Und zwar von beiden Seiten: Sei das der Neopietismus, der sich links dünkt, aber ohne es überhaupt zu bemerken mit Denkmustern arbeitet, die aus dem Archiv der klerikalen Inquisitionen, mithin dem 15. Und 16. Jahrhundert entstammen. Old school schlechthin und weder ihres Foucaults noch ihres Derridas mächtig, sondern bloß die akademischen Phrasen plappernd. Oder aber denen von der anderen Seite, eine in der Tat homophobe, antisemitische, antimuslimische Rechte. Von PI bis zu Pegida und Legida. Beide treffen sich in ihrem Extremismus und ihren Methoden nicht nur in der Mitte.

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Edit: Wobei ich ergänzen möchte, daß ich mit dem Begriff Pietismus eben jener Bewegung doch Unrecht tue. Zu ihrer Zeit mochte sie im 17. und 18. Jahrhundert theologische und lebenspraktische Berechtigung besessen haben. Was ich in meinem Zusammenhang eher meinte, ist ein heruntergekochter, herabgesunkener, sozusagen säkularisierter Begriff dieser Bewegung. Mithin eher eine Metapher. Genauso hätte ich – und das trifft die Sache doch schon eher – von einer Art evangelikalen Sekte sprechen können. Diese Art des linken Gesinnungssektierertums ist im Grunde seitenverkehrter Spiegel.

49 Gedanken zu „Die Modalitäten des Internet: Münkler-Watch und die ewig währende Erregungsposse des Shitstorm

  1. Mir fällt da sofort Artikel 5 Abs.3 GG ein. Die Lehre ist frei.
    Mit den besten Grüßen an die anonymen Blogger von Münkler Watch. (Einfach mal eine Rechtsvorlesung besuchen. Vll hilft das ja)
    Interessanter Artikel Herr Bersarin.

  2. So ist es. An diesen Artikel dachte ich auch. Wobei die Münklerbetrachter anscheinend nicht die Vorlesung gestört haben. Insofern muß man diesen Blog anders gewichten als seinerzeit die Vorgänge in einem Seminar zu Grundlagentexten der Pädagogik, wo Studentinnen und Studenten massiv störten, so daß am Ende von anderen Studenten zu recht die Polizei gerufen wurde, um diese Störer zu entfernen. Traurig, aber einzige Möglichkeit die bleibt.

    Kritik muß Münkler sich, wie jeder andere Professor auch, gefallen lassen. Sie muß jedoch sachlich vorgebracht werden, sie darf keine Behauptungen und Unwahrheiten aufstellen. Sie hätte zudem besser in dem sich anschließenden Seminar erfolgen sollen. Denn es muß Münkler die Möglichkeit gegeben werden, antworten zu können. Vertiefende kritische Texte zu diesen Themen, die im Sinne der Postcolonial Studies noch mal einen anderen Blick erlauben, können dann durchaus in autonomen Seminaren und Arbeitsgruppen behandelt werden. So sähe Kritik aus. Und schön wäre es, wenn in solchen Seminaren andere Meinungen nicht als faschistisch, rassistisch oder als was auch immer niedergebrüllt werden. Wir müssen in Diskussionen auch einen argumentativ gut vorgetragenen konservativen oder gar reaktionären Part ertragen. Überzeugen können nur Argumente.

  3. Wenn man sich den Begriff „Lehre“ vor Augen hält, ergibt das Weblog von Münkler watch vll einen Sinn. Auch der Begriff der „Lehre“ in Art. 5 III 1 GG ist im Hinblick auf ihren Bezug zur Wissenschaft auszulegen. Geschützt ist nicht jede beliebige Form der Wissensvermittlung, sondern nur die Verbreitung eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse, die ihrerseits durchaus wiederum der Erkenntnisgewinnung dienen kann, da die dargestellten Theorien im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung von Lehrveranstaltungen immer wieder kritisch überprüft werden müssen und sich aus dem Diskurs zwischen dem Lehrenden und den Lernenden neue Erkenntnisse ergeben können. In der Tat ist ein Diskurs zwischen Studenten und Münkler entstanden. Allerdings würde mich auch die Art der Durchführung stören. Dagegen würde ich mich wehren und nichts anderes tut Münkler. Oder?

  4. Die Art, wie das von den Blogbetreibern durchgeführt wird, halte ich für vollkommen mißlungen und zudem für den Ausdruck von Kleingeistigkeit. Provinz des Denkens eben.

  5. Um es (etwas ungerecht) zu verallgemeinern: Der Intellekt der Linken ist zu einer Instanz der Moralisierung verkümmert (der Aspekt der Moral fehlt mir in dem an und für sich guten Text). In der politischen und öffentlichen „Diskussion“ zählt fast nur mehr die richtige Gesinnung, es wird moralisch „argumentiert“ und damit eigentlich gar nicht mehr. Das Praktische daran ist, dass damit automatisch eine Distinktion vorgenommen wird: Ich selbst stehe auf der richtigen, der guten Seite und der andere auf der falschen, er ist der Böse, für Graustufen ist kein Platz mehr. — Damit wird natürlich jedes Denken, Argumentieren und Differenzieren zerstört und verunmöglicht.

    Das schafft, wie beschrieben, ein Klima des Generalverdachts und einen Rechtfertigungsdruck (Was? Noch nicht vom Nationalsozialismus distanziert?). Man muss einem Verdacht entgegenwirken und seine Unschuld beweisen, nicht anders herum, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist (Unschuldsvermutung).

    Das führt letztlich dazu, dass man seine eigenen Äußerungen auf Konformität und Korrektheit hin abklopft. Nein, es ist schlimmer, und wie bei den ebenfalls angesprochenen Korrekturen von älteren Kinderbüchern keinesfalls ein rein sprachliches Problem; das Denken, das hinter diesen Korrekturen steht, ist im besten Fall paternalistisch (bestimmte Dinge, Gedanken und Einflüsse sollen überhaupt nicht mehr vorkommen; sie sollen der Beschäftigung und der Reflexion der Subjekte entzogen bleiben).

  6. danke, bersarin, für die einschränkende Bemerkung zum Pietismus; endlich mal nicht dieser Sprachklapper-Mechanismus. denn schließlich sînd sämtliche meiner Vorfahren väterlicherseits seit spätstens c.a. 1760 dieser Bewegung entsprungen. Mein Vater war der erste, der dem entronnen ist, und erzog mich strikt atheistisch, in gut protestantischer Manier (Pfui, bei Tische spricht man nicht über Religion oder Geld!). Danke also für den Hinweis, dass es eine Metapher ist. In Wirklichkeit bin ich nämlich ein Gewächs pietistischerster Art und Sonders

  7. Aus dem Pietismus erwuchs uns ein immens reiches Erbe: Schiller, Hegel, Hölderlin, dann auch Hauff und Mörike (schon mit Abstrichen). Das Verhältnis Pietismus zu Neopietismus ist mit der Konkretisierung: Hölderlin versus Prenschelbergerschwabenerben hinreichend gut beschrieben. Also erwuchs aus der Provinz die Welt! Und die Welt wandte und wandelte sich wieder zur: Provinz.
    Genau von dieser Zurückverwandlung in die Provinz erzählen die erwähnten „Fälle“. Wobei Frau Eggert nur für den offenbaren Teil der Provinz steht, die Reaktionen auf ihre übervorsichtige Beantwortung einer Leserfrage allerdings für das Provinzielle in der „Szene“.
    Und Müncklers (und v.a. auch Frau Haupts) Reaktion auf den in der Tat zunächst einmal merkwürdigen Blog „Müncklers-Watch“ ist ebenso provinziell wie überzogen. V.a. für die Opferattitüde („…an 1933 erinnert…“) ist Müncklers Grundgehalt einfach ein bischen zu hoch. Oder ist er etwa entlassen worden?

  8. Das Internet ist nicht an allem schuld!

    Menschen, die tief gebeugt von deutscher Schuld den Juden mit ihren Neurosen auf die Nerven fallen, hat es schon gegeben, bevor es üblich wurde, Rechnerfestplatten vollzumüllen. Und diese Gouvernanten, diese sogenannten „Neopietisten“, Scharfrichter und Denunzianten entstammen nicht irgendeiner aus dem Intenet entstandenen Subkultur sondern sind das Werk von Studenten von Fachrichtungen, die eigens für diese Shiitstormereien geschaffen wurden. An all dieser Shitstormerei beteiligen sich auch ganz altmodische Medien wie die „ZEIT“, Vertreter von Parteien, Gewerkschaften usw.

  9. Münkler-Watch:

    Im Prinzip eine gute Idee, weil Herfried Münkler ja nicht nur Professor an der Universität ist, sondern sich auch in Talkshows herumtreibt, in gewöhnlichen Medien schreibt und somit öffentliche Meinung beeinflußt. Die Umsetzung dieser Idee läßt aber zu wünschen übrig. Studenten, denen in der Hauptsache das Shitstormen beigebracht wurde, sind wohl das falsche Personal, und die in diesem Watch-Blog behandelten Gegenstände treffen nicht den Punkt, an dem man sich bei Herfried Münkler stören könnte.

  10. Diese Angelegenheit um das Westfalenblatt hat soviele Seiten. Und Don Alphonso, Bersarin und Hartmut rühren einfach zu viel zusammen; jetzt auch noch die Sache um den Münkler-Watch-Blog. http://www.queer.de müßte ich verteidigen, weil deren Mission die Bekämpfung von Homophobie ist, und sie natürlich überall bekämpft werden muß, wo sie auftritt, also auch in ostwestfälischen Käffen. Das Argument „Habt Euch doch nicht so, Das ist doch bloß so ein Wurst- & -Käse-Blatt aus der finstersten Provinz“ überzeugt nicht. Frau Eggert müßte ich verteidigen, weil sie von vornherein verloren hat. Sie provoziert die Shitstormer ja allein schon dadurch, daß sie dem zweifellos reaktionären Knallkopf gegenüber nicht als Gouvernante auftritt. Man könnte eine Doktorarbeit über Bersarins Artikel schreiben.

  11. Vielleicht bekämpft man in Bälde, ganz im Sinne einer weiteren Mission, auch die Arachnophobie (und erkennt darüber wie dämlich man alleine in sprachlicher Hinsicht agiert).

  12. @ metepsilonema
    Ich halte nicht besonders viel vom Begriff der Moral und von den Moralisierungen schon gar nichts. Zu viel Wärme vom Kuhstall darin und unterkomplex. Eine Moral zudem, die nicht die ökonomische Basis im Blick hat, ist immer dann billig, wenn man es sich leisten kann, moralisch zu sein, dieser oder einer anderen Moral zu frönen. Auf meinen bequemen 90 qm Grandhotel Abgrund in bester Berliner Lage mit bester materieller Absicherung würden mir Diskurse der Moral nicht schwer über die Lippen kommen.

    Die Buchdebatte seinerzeit um Preußler und Lindgren war insofern absurd, weil man das, was eine Autorin oder ein Autor geschrieben haben, nicht umstandslos umschreiben kann. Beide haben diese Begriffe nun einmal gebraucht, und es wäre Zensur von Geschichte, diesen Sprachgebrauch zu tilgen. Im Zusammenhang mit diesen Büchern werden allerdings eher Stellvertreterkämpfe geführt. Die moderate Änderung vom „Negerkönig“ zum Südseekönig“ – zumal dann, wenn sie einvernehmlich in Absprache mit der Autorin erfolgte – halte ich für eine sinnvolle Änderung, sofern im Buch darauf hingewiesen wird. Hoffen wir nur, daß nicht irgendwann Weiße auftauchen, die die Südseeindianer als Tätigkeitsfeld für sich entdecken

    Was den Paternalismus betrifft, so greift das Argument nur für die Erwachsenen. Bei Kindern verhält es sich anders. Man muß und darf sie nicht für dumm setzen. Aber manches bedarf denn doch der einprägenden Erklärung. Ich hatte das Glück, Eltern zu haben, die mir Ende der 60er Jahre erklärten, weshalb es Schwarzer oder Farbiger hieß und nicht Neger. Der Begriff „Neger“ ist nun einmal rassistisch konnotiert. Insofern würde ich bei Lindgren schon einen Hinweis im Buch bringen wollen, daß solche Begriffe aus einem Kontext stammen, den wir heute als rassistisch ansehen. Und vielleicht gibt es ja ein gutes „Was ist was“-Buch, das dieses Phänomen Kolonialismus beschreibt. Daß es schwarze Kinder schmerzt, wenn sie diesen Begriff lesen, ist kaum von der Hand zu weisen. Absurd ist es allerdings, wenn man den Begriff „Neger“ symbolisch tilgt, indem man „das N*-Wort“ schreibt. Als ob nicht jeder Leser im Kopf das Sternchen ergänzte. ALs ob durch Sprachbereinigung objektiv der Rassismus verschwände. Richtig ist es jedoch, dieses Wort wo es geht zu vermeiden.

    @ ohneeinander
    Auf den Studenten nun allzusehr herumzuhacken, halte ich nicht für zielführend. Sie sind jung, sie sind unwissend, sie wollen mehr vom Leben als nur das karge Brot. Vielleicht ist denn doch die eine oder der andere dabei, die im Laufe der Debatte begreifen, daß diese Art der Kritik nicht die intellektuell richtige Auseinandersetzung abgibt.

  13. @ziggev und summacumlaude
    Aus diesem Grunde erfolgte die Einschränkung. Es meint dieser Begriff auch eher diese Seelenzerknirschung. Gepaart mit dem des Evangelikalen gibt es ein gutes Bild für die Methoden. Ergänzend kann man noch den Tugendterror der Jakobiner unter Maximilien de Robespierre: die neuen Wohlfahrtsausschüsse. Mit links haben diese heute agierenden Gestalten nichts zu tun. Eher handelt es sich, so könnte man böse vermuten, um eine Strategie der Gegenseite, sinnvolle linke Politik in Krisenzeiten massiv zu beschädigen und in die Lächerlichkeit zu treiben. Und Blogs wie die Mädchenmannschaft sowie deren kreuzdummes Umfeld fallen da scharenweise drauf rein. Counter Theory im Grunde.

    @ Neumondschein
    Niemand sagt, daß das Internet an allem Schuld sei. Daß sich die Deutschen erst 40 Jahre nach Auschwitz daran machten, sich intensiv und in der gebotenen Breite der Shoah zu stellen, halte ich für den sehr viel größeren Skandal. Wenn diese Auseinandersetzung freilich für Heutiges oder die Konflikte in Israel instrumentalisiert wird, sollte man skeptisch werden. Don Alphonso schrieb es bei sich im Blog sehr treffen: Die Geschichte von den Rabbineren und von denen, die sich in der BRD an die jüdischen Gemeinden heranmachen.

    Einem Professor und seinen Thesen kritisch zu begegnen, ist die vornehmste Aufgabe der Studenten. Sie setzt freilich ein hohes Maß an Wissen, an Kompetenz, an Fleiß, an Arbeitsdisziplin, an Lektüre, Textkenntnis und Textverständnis voraus. Wenn ich mir die meisten meiner Kommilitonen von damals anschaue, hege ich Zweifel, ob diese Fähigkeiten bei den Politologen derart ausgebildet sind oder ob nicht vielmehr moralischen Reflexe und Intuitionen den Ausschlag für ihre Kritik geben. Es reicht nicht aus, Fanon gelesen zu haben. Ihn versteht man nur vor dem Hintergrund der von Münkler behandelten Texte. (Das ist übrigens wie mit Adorno. Ohne den Kanon der Philosophie bleibt man in seiner „Negativen Dialektik“ aufgeschmissen.)

    Wir rühren nicht zu viel zusammen, sondern ich wie auch Hartmut und Don Alphonso weisen auf eine unheilvolle und intellektuell widerwärtige Tendenz. Nämlich die Logik des Generalverdachts. Wie man anders vorgehen kann, beschreibt Don Alphonso. Die Arbeit von Queer mag in anderen Zusammenhängen gut sein. Aber Du verwechselst hier die Ebenen, neumondschein: Es geht nicht darum, den Kampf gegen Homophobie und andere Ismen _______________ (die für die jeweilige Zielgruppe Agierenden mögen Zutreffendes in das freie Feld eintragen) zu behindern oder zu bekämpfen, sondern eine bestimmte Art der Auseinandersetzung, wo beständig homophobie, Rassismus, Antisemitismus oder was auch immer gewittert wird und dann als moralische Spielmarke und Keule eingesetzt wird, um eine andere Meinung zu diskreditieren. (Nebenbei: Hartmut predigt und schreibt dies seit Jahren – manchmal freilich in einer Weise, die ich nicht teile –, und wir sollten ihm dafür dankbar sein.) Programmatisch für diese Methode des Verdachts und des Umlügens von Aussagen ist das Vorgehen von Genova bei „Kritik und Kunst“. Daß unser Denkwichtelchen mich als Querfrontler bezeichnet, geht mir am Arsch vorbei und auch der „Kamerad“, der ja eine bestimmten Bedeutungsspielraum assoziiert ist geschenkt, wenn der Vorwurf von jemandem kommt, der nicht zu den einfachsten Differenzierungen und Analysen fähig ist. Aber es weist dieses Vorgehen eben auf eine bestimmte Methode, wie auch bei der Kritik an Don Alphonso, den Genova als homophoben PI-Menschen labelt, und veranschaulicht ein Muster. Dieses sollten wir benennen. Darin besteht Aufklärung von links und nicht in der ewig anhaltenden Solidarität mit den falschen, mit den Denunzianten, mit der Counter theory.

  14. Und noch etwas, Neumondschein: Was willst Du denn eigentlich mit dem Herrn Bernhard 43 Jahre machen? Ihn ins Umerziehungslager schicken, ihm diese Frage verbieten? Ihn auffordern, sofort sein Denken zu ändern?

  15. @ metepsilonema
    Sehr gutes Beispiel. Bitte nie mehr Spinne sagen oder Spider Man. Was machen wir mit der legendären Aussage von Asterix und Obelix über die Römer?

    Im Grunde kann man diesen Gestalten nur noch mit Witz und Satire begegnen so wie Droste das macht oder in der Weise der alten Titanic.

  16. Was willst Du denn eigentlich mit dem Herrn Bernhard 43 Jahre machen? Ihn ins Umerziehungslager schicken, ihm diese Frage verbieten? Ihn auffordern, sofort sein Denken zu ändern?

    Für diesen Fall bin ich nicht zuständig. Ganz offensichtlich hat dieser Mann aber ein Problem mit der Homo-Ehe. Das darf man wohl so sagen. Das soll man auch sagen. Dieses Westfalen-Käse-Blatt beeinflußt nämlich öffentliche Meinung. Auch wenn es nur ein kleines bescheidenes Käse-Blättchen ist. Es gibt nämlich ein ganzes Rudel ähnlicher Käse-Blättchen, die ähnliches verbreiten. Hier handelt sich auch nicht um einen Generalverdacht. Denn hier geht es um einen einzelnen konkreten Fall. Generalverdacht geht etwa so: „Der Islam fordert von seinen Anhängern, Ungläubige abzustechen.“, was etwa soviel bedeutet wie, daß unterschiedslos alle Moslems Mörder, Terroristen, Frauenfeinde wären. Hier geht es aber um einen einzelnen Fall. Und wenn die Bewertung zu unangenehmen Konsequenzen für Frau Eggert führt, dann ist das nicht das Problem von http://queer.de . Sie haben trotzdem das Recht und entsprechend ihrer Mission die Verpflichtung, homophobisches Verhalten zu rügen. Leider könnte man Don Alphonso eben auch so mißverstehen, daß man denken könnte, er wollte http://queer.de eben dieses Recht absprechen, weil ihre Kritik unangenehme Folgen haben könnte. Möglicherweise tritt er selbst einen Shitstorm los. Das aber ist auch nicht Don Alphonsos Problem.

  17. „Für diesen Fall bin ich nicht zuständig.“ Wenn dieser Mann nun in Deiner Diktion argumentieren würde, könnte er entgegenhalten: Was schert es mich, daß ihr mich für homophob haltet? Meine Töchter nehmen an der Hochzeit nicht teil! Fertig. Es hat aber dieser Mann bereits ein Bewußtsein von den Problemen, denn ansonsten hätte er sich nicht an diese Zeitung gewandt, sondern einfach „Basta“ gesagt. Dies schien bisher den wenigsten in dieser Debatte aufzugehen. Lieber schlägt man alles über einen Leisten: „Alles Homophobe, außer mir versteht sich.“ Und da ist sie wieder: Die als klerikale Monstranz der Evangelikalen vor uns hergetragene Rechtschaffenheit.

    „Ganz offensichtlich hat dieser Mann aber ein Problem mit der Homo-Ehe. Das darf man wohl so sagen. Das soll man auch sagen.“ Das wird man doch nochmal sagen dürfen, so geht auch der Slogan auf der anderen Seite! Ja natürlich. Es gibt keine Sprechverbote. In beiden Richtungen nicht. So ist es. Diese Sicht wird man dem Mann auch nicht verbieten können und mit einem Verbot abschaffen kann man sie ebensowenig. Sie ist kleinmütig, sie ist angstbesetzt, sie ist überzogen. Aber ist sie deshalb schon homophob? Da wird, denke ich, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es ist sicherlich eine problematische Sicht, und sie kommt zu Hauf in dieser Gesellschaft vor. Homophobie ist keine Petitesse. Hartmut schrieb es bei sich: Es gibt unterschiedliche Lebensformen. Dieser Mann muß Schwulsein nicht toll finden oder sich damit befassen. Er muß lediglich akzeptieren, daß sein Bruder einen Mann auf die Weise heiraten will wie auch Heteros einander heiraten.

    Daß Frau Eggert ihren Posten los ist, ist nicht das Problem von queer.de, in der Tat, sondern von einer Redaktion ohne Rückgrat, die sich nicht hinter ihre Redakteure stellt. Zumal Eggert sich nicht homophob äußerte.

    An dieser Angelegenheit läßt sich in der Tat gut zeigen, wie die Logik von Verdacht und Denunziation funktioniert. Genauso aber, wie eine öffentliche Debatte zu führen ist und wie nicht. Die Weise wie es hier oder bei Don Alphonso geschieht und mit, Abstrich eines Kommentators, der gerne homophob umlügt und Hartmut als auch dem Don mehr oder weniger als Homophobie-Versteher bezeichnet, auch bei „Kritik und Kunst“. Sehr guter Satz vom Don Alphonso, der es auf den Punkt hin zusammenfaßt:

    „Für die Autorin [Eggert] ist das mehr als nur rufschädigend, obwohl ihr Standpunkt vermutlich immer noch auf der liberaleren Seite der Bevölkerung zu verorten ist – echte Homophobe hätten das Thema erst gar nicht gebracht. Die elende Shitstormkultur des Netzes hat jeden Dialog über das Thema vernichtet, und durch einen sozialen Druck ersetzt, in dem jede falsche Äusserung zu schweren Konsequenzen führen kann. Das Ergebnis wird nicht sein, dass man das Thema offen bespricht, sondern die Kinder lieber in den Sprachurlaub weit weg verfrachtet und dann heimlich AfD wählt. Es wird das gleiche betretene Schweigen herrschen, wie wenn Rabbiner gezwungenermassen etwas über Antisemitismus sagen. Aber man kann auch Recht haben, ohne den anderen moralisch zu unterjochen.“

    Besonders den fett markierten Satz sollten sich die sogenannten, selbsternannten Aktivisten gerne mehrmals auf ihrer Empörungszunge zergehen lassen.

  18. Nun war bersarin doch schneller… schade, ich bin doch so eitel!

    Zur Sache: Die Tatsache, dass der Mann ein beratungswürdiges Problem in seiner Blumenkinderablehnung sah, weist in der Tat schon auf den ersten Schritt in Richtung Emanzipation hin. Ganz äquivalent hatte ich einmal eine Tante, Jahrgang 1919, die kleinbürgerlich-konservativ aufgewachsen war. Im Laufe ihres langen Lebens kam sie zu der Erkenntnis, dass die Schwulen „ja nix dafür können“. Sicherlich eine uns nicht befriedigende Äußerung. Aber im Angesicht ihrer Herkunft eben doch ein deutlicher Fortschritt gegenüber den offiziösen Angeboten ihrer Klasse: Da wurde (und wird!!!) nämlich noch eliminatorisch über das Schwul- und Lesbischsein geredet. Wer die Haltung meiner Tante unterschiedslos gleichsetzt mit dem üblichen eliminatorischen Gerede, dem geht es – so mutmaße ich richtig – gar nicht um Emanzipation, sondern um ein wohlgefühliges Unterscheiden seiner selbst gegenüber dem angeblichen halbfaschistischen Pöbel. Und genau um diese Haltung, dieses kostenlose Besserfühlen ging es DonA, bersarin und Hartmut. Darüber hinaus weist die Diskussion noch auf ein altes, wohlbekanntes Phänomen hin nämlich auf das Ahistorische des emanzipatorischen Engagements. Das wäre dann in der Tat mal einen eigenen Blogbeitrag wert.

  19. Es ist einfach – pietistisch gesprochen – Hybris, in solchen Dingen über andere zu urteilen. Hybris-Voll-Karacho – dass sollen die Maßstäbe der neuen Moral sein ? Wir, die echten Pietisten, üben uns in buddhistischer Bescheidenheit Das aufgereitzte Gegenteil, hektisches Herumgemeine, wird nun mit dem Adjektiv „pietistisch“ belegt. Wir Pietisten sind schreckhafte Wesen und schrecken ohnehin vor jedem vorfestlegendem Argument zurück.

  20. @ summacumlaude
    Danke für diese ausgesprochen gute, punktgenaue, kluge Ergänzung. Genau so verhält es sich. Diese Sache erinnert mich an eine Debatte bei Momorulez seinerzeit. Da schrieb ein „Karsten“, daß seine Oma in den 50ern oder Ende der 40er Jahre, auf alle Fälle nach dem Zweiten Weltkrieg zwar den Begriff Neger für die schwarzen Soldaten der US-Army benutzte, aber ansonsten diese Männer sehr sympathisch fand. Auch daraus entsprang wieder eine dieser merkwürdigen Debatten, mit dem Ziel der Oma Rassismus unterzuschieben. In der Tat ist in all diesen Fällen die vollständig ahistorische Argumentation interessant und wie es manche konsequent vermeiden, auf die Nuancen und Zwischentöne zu sehen.

    @ ziggev
    Ich bin Agnostiker mit Hang zur Theologie. Allerdings eher aus erkenntniskritischem Interesse. Meine Großmutter meinte, ich würde später Pastor werden. Ich beschloß jedoch Künstler und Philosoph zu werden und mich der Ästhetik zu widmen. Dort wirke ich als Inquisitor, der die Dummen und Vorlauten aus dem Arkanum vertreibt. Es ist keine schöne Aufgabe. Aber es muß sein. Im Detail habe ich mich zu wenig mit dem Pietismus beschäftigt. Ein wenig höchstens im Studium über den „Wilhelm Meister“ und dort besonders die schöne Seele. Aber das ist lange her.

  21. @Bersarin
    Ich halte vom Moralisieren auch nichts, allerdings dient diese Praxis mittlerweile zur Rechtfertigung von Kriegen („Interventionen“) und ist (nicht nur deswegen) eine (leider) nicht zu vernachlässigende Größe in der öffentlichen Diskussion.

    Was mich an der Buchdebatte so irritiert ist, dass es wohl tausende Kinderbücher ohne solche Worte gibt und diese älteren (zugegeben: wohl noch immer viel gelesenen) Bücher daher nur einen Einflussfaktor unter darstellen (deswegen möchte ich schon beim Begriff „Paternalismus“ bleiben, weil es ja letztendlich um die Erwachsenen geht, zu denen sich die Kinder entwickeln und diese Entwicklung quasi determiniert, d.h. möglichst keine Einflüsse, die falsche Gedanken erzeugen könnten [!]). — Ich habe weder Aufklärung über das Wort „Neger“ in meiner Kindheit erhalten, noch war sie frei von fremdenfeindlichen Tönen; ich bin trotzdem kein Rassist geworden, und habe, vielleicht gerade deswegen, gelernt genau hinzuhören und Zwischentöne wahrzunehmen. (Ja, Bücher zu korrigieren und das in Anmerkungen niederzulegen und falls möglich mit den Autoren anzusprechen, ist völlig in Ordnung.) — Ich habe schon Leute rassistisch schimpfen hören, die das Wort „Schwarzer“ statt „Neger“ verwendeten. Das macht nichts besser. — Wichtig zu wissen ist, dass manche Wörter bei manchen Menschen negative emotionale Zustände hervorrufen können, ohne dass das der Sprecher das beabsichtigt hat; auf der anderen Seite, muss der Betroffene aber auch reflektieren können wie derjenige das gemeint hat und ob er den Zusammenhang überhaupt hat wissen können (nur den emotional Betroffenen spielen, ist etwas wenig, womit wir wieder bei der öffentlichen Debatte wären…).

    —-

    Zur restlichen Dabatte noch: Was mich an dem Begriff Homophobie aufregt, ist, dass mit ihm (beim Wort genommen) bereits emotionale Zustände, gegen die man sich oft gar nicht wehren kann und die eher Ausgangspunkt als Endpunkte des Nachdenkens sein sollten, als verwerflich oder gar als Urteil angenommen werden; ein Beispiel: wenn jemanden die Praxis der Verschleierung befremdet, wäre er nach dieser Logik automatisch ein Fremdenfeind oder Rassist; jemand der gegen küssende Männer eine Abneigung empfindet ein Schwulenfeind, usw. (was letztendlich die Ergebnisoffenheit von Änderungsprozessen vorwegnimmt und Menschen eher auf Positionen zurückwirft, als eine Abkehr oder Neuorientierung ermöglicht).

    Man sollte politische Zuschreibungen (mir schien das anzuklingen) nicht an der sexuellen Orientierung festmachen; ein mir flüchtig Bekannter erzählte einmal, dass er ein „stockkonservatives“, homosexuelles Paar im Cartellverband (CV) kenne (ich kann das nicht nachprüfen, es mahnt aber zu Vorsicht).

  22. Tja, daß Du Dich selber nicht als Rassisten siehst, wird man Dir als den „Extremismus der Mitte“ auslegen, der seinen eigenen Rassismus nicht einmal mehr wahrnimmt. Logik der Hexenverfolgung eben. Schwimmste gefesselt auf dem Fluß und gehst nicht unter, mußt Du eine Hexe sein. Gehst Du unter, warst Du eine und Gott hat Dich gerichtet.

    Ich denke ebenfalls, daß man eher auf die Intention und das von einer Sprecherin oder einem Sprecher Gemeinte schauen sollte als auf den rassistischen Subtext. Der Satz „Ich habe Probleme damit, wenn Männer sich küssen.“ ist zunächst nicht homophob. Er mag von einer eingeschränkten Sicht zeugen, auf alle Fälle weist er darauf, daß es Lebenswelten gibt, die zunächst nicht miteinander kompatibel sind. Homophob wird der Satz dann, wenn der Sprecher damit zugleich impliziert, daß er so etwas nicht in einer Gesellschaft duldet und daß er das bürgerliche Institut der Ehe beiden versagen möchte. Ich halte es übrigens ebensowenig für zielführend, die Diskussion mit jenen Konservativen abzubrechen, die die Ehe nicht für Schwule und Lesben öffnen wollen und diesen Part zugleich als homophob abzulabeln. In ihrem Bewußtsein und in ihren Äußerungen sind diese Konservativen homophob. Man wird sie jedoch durch Ausgrenzung aus den Diskursen noch viel weniger erreichen. Zu widerlegen sind sie nur durch Argumente. Natürlich muß man Typen wie Jasper von Altenbockum oder Matthias Matussek, die in ihren gemütlichen Blasenwelten der Redaktionsstuben wabern, das Handwerk legen, indem man ihnen ihre Reden und Sätze als Geschwätz nachweist. Und es gibt in der Tat Schreibtischtäter, die die öffentlichen Diskurse massiv bestimmten und ein bestimmtes Zerrbild verbreiten. Hinterher reiben sich die Bild- „Zeitungs“-„Redakteure“ und andere Zeitungsschreiberlinge dann mit geheuchelter Verwunderung die Augen, daß die Zahl der homophoben Übergriffe ansteigt und das wieder eine dieser Asylbewerberbehausungen von einem aufgestachelten Mob abgefackelt wurde. Hier liegen die Probleme. Hier gilt es einzusetzen. Was uns fehlt, ist ein zweiter Karl Kraus, der solche Schreiberlinge bei ihrem eigenen Wort nimmt.

    Der öffentliche Diskurs geht nicht durch den vorgeblich verborgenen Sprach-Rassismus oder an versteckter Homophobie zugrunde, die es allerdings in dieser Gesellschaft zu Hauf noch gibt, sondern an der Logik des Verdachts. Natürlich ist es richtig und wichtig, in den öffentlichen Diskursen Rassismus zu kennzeichnen. Die Frage ist nur, auf welche Weise das geschehen soll. Der Umgang mit Flüchtlingen ist beschämend; Menschen im Meer ertrinken zu lassen, widerwärtig. Wie wäre wohl die Reaktion, wenn das alles Weiße auf einem Kreuzfahrtschiff wären? Reagierte die Öffentlichkeit dann ebenfalls derartig mitleidlos und gleichgültig? Durch die Sprach-Watch-Aktionen der selbsternannten Wächter über Tugend und reine Lehre jedoch wird das Gegenteil erreicht. Es finden Zermürbungsdiskurse statt und es werden Menschen einem Generalverdacht ausgesetzt. Frau Eggerts Ansichten mögen den eine oder anderen befremden. Aber das gibt noch lange keinen Grund, sie in der Öffentlichkeit derart bloßzustellen und dem Mobbing auszusetzen.

    Im Grunde ist dies ein so unendlich müßiges Thema.

  23. Zum Problem des Historischen eine kleine 500 Euro Quizfrage:

    Wer schrieb den Satz „Auch Juden sind doch Menschen, man mag sich zur Judenfrage stellen wie auch immer“

    a) Antisemit X
    b) Antisemit y
    c) Antisemit z
    d) die weiße Rose in einem ihrer Flugblätter

    Falls es zu schwer ist: Sie haben noch den Zuschauerjoker!

    Oh Mann…schluchz.

  24. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/weisse-rose/61015/flugblatt-ii

    Nicht über die Judenfrage wollen wir in diesem Blatte schreiben, keine Verteidigungsrede verfassen – nein, nur als Beispiel wollen wir die Tatsache kurz anführen, die Tatsache, daß seit der Eroberung Polens dreihunderttausend Juden in diesem Land auf bestialischste Art ermordet worden sind. Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann. Auch die Juden sind doch Menschen – man mag sich zur Judenfrage stellen wie man will -, und an Menschen wurde solches verübt. Vielleicht sagt jemand, die Juden hätten ein solches Schicksal verdient; diese Behauptung wäre eine ungeheure Anmaßung; aber angenommen, es sagte jemand dies, wie stellt er sich dann zu der Tatsache, daß die gesamte polnische adelige Jugend vernichtet worden ist (gebe Gott, daß sie es noch nicht ist!)?

  25. Die Politik der Befindlichkeit ist der Feind der Kritik. Die PdB dreht sich um die Befindlichkeiten ihrer Scherg_innen. Individuelles Unwohlsein und die damit einhergehende Abwehr kleiden sich in ein gesellschaftskritisches Gewand. Doch eine Analyse müsste frei von Mitgefühl, Hoffnung, Angst und Empathie sein, da sie sonst leicht ins therapeutische abdriftet. Es braucht die tödliche, kalte Ratio. Das Problem ist allerdings: So eine „reine Form der Erkenntnis“ wird (zum Glück) nie zu haben sein. Denn die Last unserer eigenen Geschichte wiegt schwer. Auf unserem Weg der Erkenntnis werden wir uns nur allzu gerne an einem lauschigen Fleckchen niederlassen. Im Schatten der Moral. Auf einer Blumenwiese der Theorie. Den Lockungen des konfliktfreien Lebens folgend, werden wir vom Kapital mit süßen, vergifteten Früchten gefüttert. Wer sich dennoch, nach kurzer Rast, wieder auf den beschwerlichen Weg der Dialektik begibt, dem wird meist kopfschüttelnd und mit erhobenem Zeigefinger nachgeschaut. Denn der Weg endet, wenn er den konsequent gelebt wird, entweder im Wahnsinn, im Knast oder in den offenen Armen des Thanatos. Und das klingt dann doch recht unvernünftig…
    Doch genug der Theologie. Es geht schließlich darum die Politik der Befindlichkeit zu denunzieren und als das zu brandmarken was sie ist: Das Scheitern am Widerspruch. Die Kapitulation. Das Handtuch das fliegt, weil der Kampf ohnehin verloren scheint. Warum noch mehr Schläge kassieren, wenn ich in meiner Ringecke über Sprache nachdenken kann. Das fühlt sich obendrein auch besser an. Das Gattungswesen Mensch besteht zu 80% aus Wasser. Das scheint sich auch auf sein Denken auszuwirken. Nicht nur im akademischen Betrieb wird der Weg des geringsten Widerstands gewählt. Doch im Departement Geisteswissenschaften ist ein Einknicken vor der eigenen Gefühlswelt bzw. der Befindlichkeit keine nachvollziehbare Überlebensstrategie, sondern Verrat an Erkenntnis und Kritik. So wird ein ehemals raues, steiniges Flussbett, nach und nach, zu einer glatten Bobbahn. Und wenn dann der Strom der Gedanken vollends ausgetrocknet ist, rollt der Sich-Selbst-Verwertende-Wert wie von alleine auf den puren menschlichen Abgrund zu.

    Ich denke, dem oben dargestellten Problem muss im Sinne von Karl Marx begegnet werden. Dieser Schrieb einmal:

    „Radikal sein ist die Sache an der Wurzel zu fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst.“

    Und so geht es darum die tragische Verschränkung von erster und zweiter Natur zu erkennen. Die Sphäre des Symbolischen als die kognitive Kontextualisierung von Affektzuständen zu lesen, welche sich aus (oder auf?) dem materiellen Fundament der kapitalistischen Produktion entwickeln. Diese Form der Erkenntniskritik ist kein Leichtes. Denn wenn in der Falschheit des Ganzen plötzlich die eigene Falschheit durchschimmert, muss die Abwehr dem ertrinkenden Subjekt stabilisierend zur Seite springen. Wahre, möglicherweise heilsame, Erkenntnis muss aber die Abwehr durchbrechen. Da ist eine Parallele zur psychoanalytischen Therapie nicht von der Hand zu weisen. Analysearbeit schmerzt. Wenn mir, unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen, eine Erkenntnis nicht weh tut, dann ist sie keine Erkenntnis sondern Abwehr. Und das macht die Politik der Befindlichkeiten zum Antagonisten der Analyse.

  26. @ Hartmut
    Also Heidegger war es nicht.

    Im Einerlei einer aus dem Ruder gelaufenen Gesellschaftskritik, die sich auf unreflektierte Sprachregelungen beschränkt und die meist von den Universitäten kommt und sich auf ein spezifisch dort agierendes Milieu bezieht, hat die Geschichtlichkeit von Begriffen keinen Platz mehr.

    @ fabs
    Das meiste ist leider Abwehr und das meiste dieser vorgeblich politischen Diskurse Glasperlenspiel und akademisches Geblubber, das mit dem Leben der real Betroffenen nicht das mindeste zu tun hat. Für Gender-Gap und Lann Hornscheidts Profsex interessiert sich weder die Kassiererinnen bei Lidl, noch Flüchtlinge aus Asien oder Afrika, noch die Hartz IV-Familie.

  27. Die Sogkraft der Erregungsposse

    „Das schlimme an solchen Diskursen ist, daß man selber zum Teil dieser Erregungskommunikation beiträgt.“

    An den Beispielen, die Sie besprechen, zeigt sich zum einen, warum die Kritik wichtig und sinnvoll ist, und zum anderen wie schnell diese Kritik ihres kritischen Gehalts entledigt wird, wie die moralische Superiorität die Oberhand gewinnt über taktische Fragen.

    ‚Münkler-Watch‘ hat es nun also publik gemacht: Münklers Lehre leistet einem gelassenen Rassismus, Sexismus beziehungsweise Militarismus Vorschub. Gewusst hat das jede Studentin und jeder Studentin, der einmal eine Vorlesung oder ein Seminar besucht hat, und zwischen der Lektüre von Kant und Schmitt auch auf die allgemeine Richtung der Lehre geachtet hat.

    Die Frage sollte also nicht lauten, ob hier ein konservatives bis reaktionäres Weltbild an Student:innen weitervermittelt wird, sondern an welchen Stellen eine Kritik ansetzen könnte. Der Blog versucht das – und hier sei noch einmal daran erinnert, dass es sich hier um eine Einführungsveranstaltung handelt, der Großteil der Schreibenden zum ersten mal Schmitt liest, und aus einem diffusen Unwohlsein eine sachliche Kritik zu gewinnen – indem die Inhalte der Vorlesung besprochen werden. Welche Professorin würde sich nicht wünschen, dass ihre Student:innen so viel Zeit und Aufwand in die Nachbereitung der Vorlesung setzen? Und hier zeigt sich die ‚Sogkraft der Erregungsposse‘: Der Vergleich mit „Vorgängen des Jahres 1933“ macht augenscheinlich, dass Münkler nicht in der Lage ist mit Kritik umzugehen, dass er, obwohl es ihm die Studierenden in ihrem dilletantischen Versuch doch gerade einfach machen, keine sachlichen Punkte in der Auseinandersetzung für sich gewinnen kann.

    Im Bann der Erregung steht dann auch noch der Artikel von Nils Markwardt, wenn er sich über eine Schmitt Falschschreibung lustig macht, und drei selektive Beispiele des Blog selbst in einem moralischen Tonfall bespricht. Der Gegenvorwurf der ‚Denunziation‘ oder ‚Political Correctness‘ sind ebensolche Diskussionsvermeidungsstrategien. Markwardt ist zudem klarerweise zu entgegen, dass es sich bei Menschen „die Gender-Mainstreaming als ‚Geisteskrankheit‘ bezeichnen oder ‚besorgte Bürger‘, die Asylbewerberheime anzünden“ nicht um Extremist:innen der Mitte handelt, sondern um solche des rechten Rands. Münkler wird ja gerade deswegen so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht, weil er ein so honoriges Mitglied der akademischen Gesellschaft ist, und gegen ihn nicht ohne weiteres die Kritik des Extremismus erhoben werden kann.

    Das Problem ist für mich viel weniger ‚Münkler-Watch‘ der Versuch Münklers neoliberalen Konservatismus zu kritisieren, sondern die Bahnen, in welche diese Diskussion gelenkt wird, um von den eigentlichen Gehalten abzulenken. Die emotionalen Regungen, welche die Themen Rassismus und Frauenfeindlichkeit hervorbringen, degenerieren schnell zu Posse. Der begründete Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit, der sich gegen Herr Bernhard und Frau Eggert erheben ließe, wird in der allgemeinen Anspannung genauso verdächtig wie das ausufernde Pöbeln, das mit dem GDL Streik in der letzten Woche einen unglaublichen Höhepunkt erreicht hatte.

    In einem anderen Kontext schrieb Sebastian Christ: „Da mag in der Ukraine noch so lange Krieg herrschen und auf dem Mittelmeer noch so viele Menschen sterben – erst, wenn der Durchschnittsdeutsche Pfingsten im Fernbus sitzen muss, geht er richtig steil.“ (http://www.huffingtonpost.de/2015/05/20/vergesst-den-hass-auf-weselsky-das-sind-die-wahren-schuldigen-fur-das-bahnchaos_n_7340064.html) Eine selbstkritische Linke muss sich deswegen stets fragen, ob sie zur richtigen Zeit das richtige Thema richtig bespricht. Die Kritik an Münklers Lehre sollte mit einem Gespür für Zeitdiskurse und einer Sachlichkeit erfolgen, die jeglichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ausräumt. Hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen heißt hier nicht nur eine möglichst präzise Kritik zu formulieren, sondern auch seinen eigenen Standpunkt sichtbar zu machen, und in einer größeren strategischen Ausrichtung zu verorten. ‚Münkler-Watch‘ ist bestenfalls ein Ausdruck einer Re-Politisierung der atomisierten und neoliberal geprägten Student:innen, denen es nicht gleichgültig ist, welche Positionen ihre Professor:innen vertreten, und die über die Erfahrungen des Blogs einen kleinen Beitrag zu einer kritischen Universität leisten.

  28. @modestio
    Münkler-Watch‘ ist bestenfalls ein Ausdruck einer Re-Politisierung der atomisierten und neoliberal geprägten Student:innen, denen es nicht gleichgültig ist, welche Positionen ihre Professor:innen vertreten, und die über die Erfahrungen des Blogs einen kleinen Beitrag zu einer kritischen Universität leisten.“
    Herfried Münkler muss sich für meine Einschätzung wirklich keine Sorgen machen, denn gesavter als er kann man wohl kaum sein, ist er doch 1. in der äußerst komfortablen Situation, dass er zum einen gebührenfinanziert in Deutschen Fernsehtalkshows vollkommen uneingeschränkt als neutrale Politikexperten-Instanz vorgestellt wird und seine Sichtweise vor einem Millionenpublikum darlegen kann, dass er 2. offenbar sämtliche Leitmedien hinter sich wähnen kann, die ihm aktuell in dutzenden von Empörungs-Artikeln zur Seite gestanden haben und offenbar sind nun 3. auch die wenigen Münkler-Kritiker wiederum so kritisch in Anbetracht der nicht angemessen geäußerten Kritik, die eigentlich ja zumindest in Teilen inhaltlich der eigenen Sichtweise entspräche, dass auch diese sich so sehr daran reiben, dass die ursprüngliche Kritik inzwischen nun wirklich völlig verhallt zu sein scheint!
    Um Herrn Münkler muss man sich also offenbar nicht die geringste Sorge machen –
    Die Frage ist jetzt nur: Was bleibt von der berechtigten Kritik noch übrig?

  29. Das Problem ist nicht die Kritik an Münkler, sondern die Art, wie sie durchgeführt wird. Wer andere unzusammenhängend oder sogar falsch zitiert, mag vielleicht bei Herrn zu Guttenberg auf eine gewisse Nachsicht hoffen können. An einer Universität sind solche Kritiker jedoch denkbar schlecht aufgehoben.

    Die Vorgehensweise, wie Kritik an Münker im universitären und wissenschaftlichen Rahmen auszusehen habe, beschrieb ich. Münkler-Watch produziert in keiner Weise Belegbares oder irgendwie Überprüfbares. (Vom Sachgehalt mal abgesehen.) Wenn man schon Kritik an einer Größe dieses Faches übt, dann muß es nicht unbedingt auf Augenhöhe statfinden, das wird bereits rein fachtechnisch nicht funktionieren, denn diese Menschen sind noch jung und unerfahren. Wenn Kritik aber von einer solchen Gurkentruppe und auf diese Weise erfolgt, dann ist’s doch peinlich.

    Kritik hat nicht politische Gesinnungsthesen aufzustellen, wie ein Text von Kant oder von Platon hätte aussehen sollen, wenn er von den Kritikern mit der politisch korrekten Gesinnung geschrieben worden wäre, sondern sie muß zunächst den Text sprechen lassen, ihn überhaupt erst einmal verstehen und dann Argumente im Text finden, die problematisch sind. Wenn Münkler seine eigenen Thesen in die Darstellung von Texten einfließen läßt, anstatt zunächst die Texte selber samt ihrem Inhalt zu referieren, so muß oder kann man das natürlich im Rahmen des zur Vorlesung angebotenene Seminars kritisieren. Und wie es an Universitäten üblich ist, muß Münkler die Chance haben, darauf zu entgegen. Wie natürlich auch die Kritiker eine Chance haben müssen, ihre Kritik repressionsfrei zu äußern. Für weiterführende Positionen, die Münkler nicht behandelt, gibt es z. B. autonome Seminare, die von Studenen organisiert werden können. Daß jene Kritiker aufgrund ihrer Kritik nicht zu Prüfungen und Examen zugelassen werden oder schlechter abschneiden würden, ist eher fadenscheinig. Zudem steht sowieso zu vermuten, daß jene Kritiker ihre Prüfungen nicht bei dem Professor ablegen werden, dessen Positionen sie für durch die Bank weg falsch halte. Ich habe meine Prüfungen zu Adorno, Kritischer Theorie, Heidegger und Nietzsche auch nicht bei einem Professor für sprachanalytische Philosophie abgelegt. So wie ich Münkler jedoch einschätze, würde er die Ergebnisse einer solchen Prüfung nicht nach Gesinnungsnoten beurteilen, wie es leider in anderen Rahmen viel zu häufig geschieht, sondern nach dem Sachgehalt und nach der intellektuellen und analytischen Qualität des Dargebotenen. Es soll übrigens sogar linke Studentinnen geben, die bei Münkler promovieren.

  30. @Partyschreck & Bersarin

    Sie haben beide vollkommen Recht, wenn sie von der ‚Angemessenheit‘ der Kritik sprechen. Deswegen war es mein Vorschlag die Kritik eher nach taktischen Maßgaben einer relevanten linken Kritik zu kritisieren. Und obwohl der Versuch der Student:innen kritisch betrachtet werden kann und sollte, so ist doch festzustellen, dass auf Augenhöhe kaum Kritik an Münkler gerichtet wird, was vielleicht auch strukturelle Gründe hat, er nicht der einzige ‚weiße alte Mann‘ am Soziologieinstitut ist, dessen Machtposition ziemlich gefestigt ist: umso begrüßenswerter diese – wie immer auch unvollständige – subversive Praxis, die über den ‚1933 Vergleich‘ von Münkler doch auch schon Wirkung zeitigt.
    Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich andere Student:innen – vielleicht besonders einmal die der Ökonomie – zu ähnlichen Projekten inspirieren lassen. Dass die Hochschule selbst ein Kampffeld der gesellschaftlichen Macht ist, sollte Grund genug sein, auch den Ansätzen von Subversion seine solidarische Kritik zukommen zu lassen.

    Münkler lässt seine eigenen Thesen immer wieder in den Wiedergaben der Autoren mitschwingen, ganz abgesehen von seinen sexistischen Kommentaren über die Glücksgöttin Fortuna, ist es fast unmöglichen (in seinen Seminaren) direkte Kritik daran zu üben, Abschlussarbeiten, die sein Themengebiet betreffen aber nicht auf der Linie seiner Position liegt werden teilweise abgelehnt.
    Ich halte es zudem für höchst relevant, welche Autor:innen ein:e Professor:in insgesamt behandelt und welche nicht: egal wie kritisch die Distanz auch sein mag, wird eine Wertung mitgeführt, ein Ausschluss vorgenommen.

  31. @ modestio
    Ich will es mal so sagen: die von Dir geäußerten Vorwürfe sind schwerwiegende Vorwürfe. Wer solche erhebt, der sollte dafür Belege und Zeugen haben. Zum anderen ist es – gerade um der Sache willen und um Begriffe wie Rassismus, Sexismus usw. nicht durch Falschbehauptungen zu entwerten – wichtig, nicht leichtfertig etwas in den Raum zu stellen, was einfach nur einem Meinen und der persönlichen Referenzbrille geschuldet ist. Was nämlich für den einen sexistisch oder homophob ist, ist es nicht unbedingt für den anderen. Siehe oben der Artikel aus dem „Westfalenblatt“. Ich hatte gerade erst auf „Kritik und Kunst“ eine solche Debatte mit einem aus dem Kreuzberger Blasenmilieu der sogenannten, selbsternannten rechtschaffenen Gesinnungsevangelikalen. Und da ist man dann schnell, wenn man eine differenzierte Sicht einfordert, selber Teil der homophoben und neurechten Gemeinschaft.

    Daß eine ist Münklers Meinung, seine Haltung, seine mediale Präsenz und daß diese Leute teils erheblichen Einfluß auf öffentliche Diskurse haben. Das soll und muß Gegenstand der Kritik sein. Ebenso die selektive, in häufig nur eine Richtung gehende Themenwahl der Hauptmedien. (Siehe dazu die Berichterstattung der Tagesschau anfangs zum Ukraine-Konflikt.) Das andere ist es aber, jemanden persönlich zu diskreditieren, indem Zitate unterschoben werden, die die Person nie gesagt hat. Hier muß schon der Beweis angetreten werden, ohne daß man nach der Logik des Verdachts arbeitet. Bisher habe ich aus den Vorlesungen nur die eine Seite, nämlich die von Münkler-Watch, gehört. Ich würde gerne auch die andere mitbekommen.

  32. Ist es wirklich so abwegig, dass ein konservativ neoliberaler Kriegsbefürworter sexistische und rassistische Kommentare in seiner Vorlesungen einfließen lässt? Wo ich schon einmal gedutzt werde: ich kann das, was ich geschrieben habe, selbst bezeugen, wie wahrscheinlich fast alle Menschen, die bei Münkler studiert haben. Ohne damals ein besonderes Bewusstsein für die Themen Sexismus und Rassimus gehabt zu haben, waren es klarerweise Ausfälle; natürlich gibt es dabei graduelle Unterschiede, der Münkler’sche Sexismus ist z.B. knuffig veronkelt, und es gäbe schlimmere Anekdoten über ihn zu erhälen. Aber ich wollte in meinen ersten Kommentaren ja gerade weg vom Persönlichen und Moralischen, und hin zu dem strukturellen Problem der konservativ-neoliberale Lehre an Universitäten, und der strategischen Frage, wie subersive Praxis dagegen aussehen kann.

    Welche Zitate werden Münkler fälschlicherweise zugeschoben? Die Seite von Münkler ist z.B. in seinen Interviews sichtbar: „Trotzkistische“ Student:innen denunzieren ihn und kommen darin einem Antisemitismus von 1933 gleich. Das ist eine sehr schwache – und falsch zitierte – Aussage für einen Politologen seines Ranges. Hieran anschließend dann vielleicht noch die Frage, ob die „Peinlichkeit der Gurkentruppe“ nicht auch viel eher auf die Lehrenden zurückfällt als auf die Studierenden selbst?

  33. Was bei Münkler-Watch falsch lief, schrieb ich: unangemessene Kritik. Bei Basistexten wie Hobbes, Kant, Hegel, Schmitt gilt: erst verstehen, dann kritisieren. Ansonsten brachte der „Zeit“-Artikel weitere Beispiele.

    Es wäre schon schön, einmal eine Kostprobe von Münklers Darbietungen (sprich ein belastbares Zitat) zu bekommen. Stichwort Fortuna. Wenn es sich bewahrheitet, daß Münkler solche Dinge von sich gibt, so sollte es doch dafür an der Universität eine Beschwerdestelle geben. Rassismus und Sexismus werden insbesondere in heutigen Zeiten an der Universität nicht mehr geduldet.

  34. Man muss Münkler in der Tat inhaltlich kritisieren. Das tut der watch-Blog nicht angemessen. Dabei wäre so manches zu kritisieren – etwa seine Thesen rund um den kriegsausbruch 1914. Münkler möchte, wenn ich es richtig sehe, Machtpolitik rehabilitieren – womit er bei mir zunächst einmal sogar punktet, weil er sich nicht groß aufhält mit jener moralischen verlogenheit, mit der Machtpolitik so häufig bemäntelt wird. Der Irak-Krieg 2003 wurde von „Experten“ ja allen Ernstes als nation-building legitimiert (man wolle dort eine Demokratie erschaffen), und solchen Quatsch, immerhin, hört man bei Münkler nicht. Solange es bloß um deskriptive Analyse geht ist zumindest sein Imperialismus-Buch sogar ganz anregend. Was mich ratlos hinterläßt sind seine offenkundigen Spengler-Anleihen. Blamiert hat er sich mit seinem Weltkriegswerk. Russland hat Deutschland nicht den Krieg erklärt, es war umgekehrt (peinlich), und die Internatiomnale hat sich ja nun gerade leider nicht auf Massenstreiks zur Kriegsabwehr geeinigt.

  35. Hartmut und Bersarin stimmen Münkler zu: Klare Revanchisten! Neurechte Tendenzen! Querfront! Ich halte Münklers Analysen ebenfalls für vorzüglich. Kalt und klar, was Analysen eben sein müssen. (Wie übrigens auch Carl Schmitt bedenkenswert ist) Münklers Buch über die neuen Kriege, das im Vellbreück Verlag zur Theorie des Kriegs erschienene und ebenfalls sein Buch über Imperien sind lesenswert. (Das heißt ja nicht, daß man alles, was darin steht, teilen muß.)

  36. Ja, ich bin auch ein ganz riesiger Fan seiner „Vom Zahlmeister zum Zuchtmeister“-Rhetorik und dem ganzen „Deutschland muss wieder Verantwortung übernehmen“ und „Europa den Weg weisen“!
    Genau meine Lieblingshaltung…Hat so einen sympathischen Gauck-Gout…;)

  37. @modestio
    Ich kenne Münklers Vorlesungen nicht, nur sein Weltkriegsbuch und ein oder zwei Interviews; er scheint mir ein guter Analytiker zu sein und inhaltlich interessanter als viele andere seiner Fachrichtung, die sich in der Öffentlichkeit zu Wort melden (ich habe das [Kriegserklärung] auch anders in Erinnerung als hf99 schreibt, aber das Buch gerade nicht zur Hand).

    Ich kenne mich nicht (mehr) aus: Geht es nun um Münklers gesamte Lehre, um eine Einführungsvorlesung, um seine wissenschaftliche Reputation (sprich Arbeiten), um Meinungen oder um persönliche, despektierliche Äußerungen?

    Rhetorische Fragen, die das zu beantwortende zuvor unterstellen, tragen zur Steigerung der eigenen Glaubwürdigkeit kaum bei.

  38. @ metepsilonema und modestio

    In propädeutischen akademischen Veranstaltungen, die in den meisten Studiengängen angeboten werden, muss den Studenten der ersten Semester ein gesicherter Stand der Erkenntnisse vermittelt werden. Wenn Herr Münkler die Aufgabe hat in betreffenden Bereichen zu forschen, darf er auch in propädeutischen Veranstaltungen seine EIGENEN wissenschaftlichen Erkenntnisse einbringen.

  39. @metepsilomena zugegeben etwas polemisch. In Reaktion auf Münklers Polemik gegen Fritz Fischer („würde heute nicht mal mehr n Proseminarschein bekommen“). Hier der Passus:

    Italien galt seit dem Libyenkrieg von 1911 als ein ausgesprochen unsicherer Partner, und auch auf die Bündnistreue Rumäniens, des geheimen Vierten im Dreibund, meinten die Verantwortlichen in Berlin und Wien sich nicht verlassen zu können. Dementsprechend bezogen sie die Regierungen beider Länder in den Wochen nach dem Attentat weder in die politischen Konsultationen ein noch informierten sie diese über ihr weiteres Vorgehen. Die Führung in Rom hat dies zum Anlaß genommen, die Kriegserklärung Russlands an Deutschland und Österreich-Ungarn nicht als Bündnisfall zu betrachten, wozu sie eigentlich verpflichtet gewesen wäre. (Münkler, Herfried, Der grosse Krieg, Berlin 2013, p. 36-37)

    Das ist zumindest schon strange… Implizit behauzptet er, Italien hätte also… Vermutlich Lektoratsfehler (ich gehe schon davon aus, dass Münkler eigentlich bescheid weiß. Aber eben bezeichnend.

  40. ähh, @bersarin, meine Tastat-t-t-ttur… (Der T-t-t-t-od im Doktor Faustus) gemeint war: Vermutlich meinte er, Italien hätte den Vorfall als de facto Kriegserklärung Russlands (wegen der Mobilmachung) ansehen müssen…vielleicht machste dir die Mühe zur Korrektur? ähem

  41. und es ging auch nicht an Partyschreck, sondern an metepsilomena. Herrje, ich bin doch noch gar nicht besoffen…

  42. Seltsame Formulierung in der Tat; es kann nur die Generalmobilmachung Russlands gemeint sein (eine Bedrohung des Verbündeten Österreich-Ungarns); ein Problem für Italien war die britische Flotte im Mittelmeer im Fall eines Kriegseintritts Großbritanniens (die Staaten des Dreibunds betrieben eine eigenständige Politik, ihre Verhältnisse waren „schwierig“).

    Stammt das Zitat aus dem Einleitungsteil?

  43. @bersarin: es gibt, in meinen Augen, einen wichtigen Unterschied zwischen „falschzitieren“ und „unangemessen Kritisieren“. Wenn Kritik an „unangemessener Kritik“ lieber kritisch.

    @metepsilonema: Sie haben recht: ich wollte rhetorisch die Beweislast umkehren. Aber es muss vielmehr als schwierige Aufgabe gezeigt, dass Münkler etwas grundlegend Falsches sagt. Wie ich schon schrieb, habe ich seinen Sexismus eher als onkelhaft erlebt. Ich kann die einzelnen Aussagen bezeugen lassen, und sehe aber darin keinen Reiz. Viel eher finde ich es interessant wie diese Aussagen in seinen neoliberal-konservativen Positionen gespiegelt werden.

    @ohneinander: wenn das ein juristisches Argument ist, dann haben Sie gewiss recht. Meine ganze Perspektive besteht ja darin zu fragen, wie subversive Praxis mit emanzipatorischen Anspruch aussehen kann.

  44. @modestio
    Die entscheidende Frage ist nicht der Mensch Münkler oder seine Privatmeinung oder die, die er in der Öffentlichkeit äußert (ob man es mag oder nicht, er darf sich neokonservativ äußern). Entscheidend ist, ob seine wissenschaftlichen Arbeiten und damit auch seine Lehre von diesen Meinungen (weitgehend) frei bleiben, also möglichst objektiver Erkenntnissuche geschuldet sind (gewiss sind Einwürfe von Professoren, die neben und zwischen das Gelehrte fallen, manchmal problematisch, aber man erkennt immerhin wohin sie gehören, nämlich nicht zur Vorlesung im engeren Sinn; manchmal sind solche Sachen witzig, manchmal daneben, ich kenne das und bin durchaus gespalten).

    Vielleicht liegt der Irrtum in der Annahme einer Art von Reinheit (was zur Diskussion um Schmitt passt): Selbst größte Geister und Genies haben sich nicht nur geirrt und verirrt, sie haben abwegigste Positionen vertreten, sich opportun verhalten, usf. — Ich will das nicht verteidigen, glaube aber dass man diese Widersprüche zur Kenntnis nehmen muss (der Weg der Kritik steht ja offen).

    Ich habe unlängst von einem Anthropologen in dessen Vorlesung ich saß, gehört, er habe die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und der Verwicklungen seines Instituts (an denen er selbst nicht teilhatte) hintangehalten, verzögert, ja verhindert. Ich könnte ihn nun als Nazi, als Ewiggestrigen, Reaktionär, usf. denunzieren, allerdings hat er sich in seinen Vorlesungen immer sehr klar und glaubhaft gegen alle Verirrungen der Nazis, auch gegen die Ermordung behinderter Menschen, ausgesprochen (und zwar auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis). Vielleicht hatte sein Agieren (oder nicht-Agieren) forschungs“politische“ Gründe, vielleicht wollte er negative Aufmerksamkeit vermeiden, vielleicht hat es ihn nicht interessiert, vielleicht hat er es als kontraproduktiv angesehen … ich weiß es nicht.

    Wichtig ist, dass Kritik, Entgegnungen und „Meinungsbildung“ möglich sind, dass Rede und Gegenrede sichtbar bleiben; ich muss für meinen Teil nicht alle von der richtigen Position überzeugen, ich vertraue da, vielleicht naiver Weise, auf die Kraft der Argumente, auf Vernunft und Überlegung.

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